Nukleare Teilhabe: Sparsamer Informationsaustausch
von Otfried Nassauer
Die Weisung des Generalstabschefs der U.S.-Streitkräfte hat es in sich: Offiziere aus anderen NATO-Ländern, die im Rahmen der nuklearen Teilhabe im NATO-Hauptquartier SHAPE oder im britischen Verbindungsbüro beim Strategischen Kommando der U.S.-Streitkräfte (USSTRATCOM) an der nuklearen Operations- und Einsatzplanung mitarbeiten, sollen nicht zu viele realistische Details über die atomaren Waffen der USA und deren Wirkung erfahren.
Ihnen dürfen zum Beispiel keine Informationen über die Zielgenauigkeit und Zuverlässigkeit der U.S.-Atomwaffen mitgeteilt werden, deren Einsatz sie planen sollen. Auch exakte Informationen über die zu erwartenden Schäden, die der Einsatz einer bestimmten Nuklearwaffe hervorrufen würde, werden ihnen vorenthalten. Die Datenhandbücher und die elektronischen Datenbestände, die ihnen für die Planung nuklearer Einsätze von den USA zur Verfügung gestellt werden, sind spezielle, „gesäuberte“ NATO-Versionen. So gibt es beispielsweise eine besondere NATO-Ausgabe des „Sortie Data Manuals“, in dem zum Beispiel Daten zur Planung nuklearer Einsätze mit Kampfflugzeugen enthalten sind.
Eigentlich soll die Mitarbeit dieser europäischen Offiziere „die Beteiligung von Nicht-Amerikanern an der nuklearen Streitkräfteplanung in Unterstützung der NATO vergrößern“. Für ihre tägliche Arbeit benötigen sie den Zugang zu höchst geheimen Daten aus der „Nationalen Zielliste“ und dem zentralen nuklearen Operationsplan der USA, dem OPLAN 8010, der die Vorgaben für die strategische Planung künftiger nuklearer Einsatzoptionen enthält. Zu ihren Aufgaben gehört es, sicherzustellen, dass die nuklearen Einsatzplanungen der USA und ihrer NATO-Bündnispartner im Ernstfall aufeinander abgestimmt wären.
Doch die geheime Weisung aus dem August 2008 schreibt vor, dass die Nicht-Amerikaner zwar Zugang zu konzeptionellen Dokumenten, Hintergrund- und Unterstützungsinformationen, Briefings und Diskussionen über die geplante Vorgehensweise bekommen dürfen, nicht aber zu den detaillierten technischen Informationen über die Wirkungsweise und die Zuverlässigkeit der Atomwaffen, deren Einsatz sie eigentlich planen sollen.
Die Weisung aus dem August 2008 mit der Nummer CJCSI 3231.04E musste das U.S.-Verteidigungsministerium aufgrund einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz veröffentlichen. Weiterführende Angaben zu den Informationen, die den NATO-Partnern vorenthalten werden sollen wurden aus Geheimhaltungsgründen vor der Veröffentlichung geschwärzt. In den Partnerländern soll man offensichtlich nicht wissen, welche weiteren Informationen ihnen vorenthalten werden. Die Weisung beschreibt, welche Informationen an Offiziere aus anderen Staaten „zur Unterstützung von NATO-Operationen“ weitergegeben werden dürfen und welche nicht. Sie ist bis heute gültig.
Zwei Schlussfolgerungen drängen sich auf. Zum einen zeigt das Dokument, dass in der NATO weiterhin regelmäßig Nuklearwaffeneinsätze zu Ausbildungs-, Übungs- und Planungszwecken vorbereitet werden, obwohl die Allianz öffentlich immer wieder festhält, die Rolle der ihr assignierten nuklearen Waffen sei politische und die Umstände, unter denen man deren Einsatz in Betracht ziehen würde, seien höchst unwahrscheinlich. Zum anderen verdeutlicht es, dass Washington nicht bereit ist, den europäischen NATO-Partnern, die an der nuklearen Teilhabe mitwirken, vollen Zugang zu den für diese Mitwirkung erforderlichen nuklearen Informationen zu geben. Fehlende oder verfälschte Informationen über die Zuverlässigkeit, Zielgenauigkeit oder die konkrete Wirkung nuklearer Waffen können jedoch auch zu Fehlern in der nuklearen Einsatzplanung führen.
Chairman of the Joint Chiefs of Staff: Guidance for the Sanitization of Information Pertaining to Nuclear Command and Control to Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE); United Kingdom (UK) Liaison Office; UK Strategic Weapon System Integrated Project Team; and UK Nuclear Operations and Targeting Centre in Support of North Atlantic Treaty Organization (NATO) Operations (U), CJCSI 3231.04E, 12 August 2008, formerly SECRET, released under FOIA
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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