Europäer sollen für die nukleare Modernisierung
mitzahlen
von Otfried Nassauer
Norton Schwartz liebt die klaren Worte. Der ehemalige
Stabschef
der US AirForce machte sich Mitte Januar dafür stark, die
geplante
nuklearfähige Version des neuen Jagdbombers der USA, des Joint
Strike Fighters F-35, nur noch dann zu entwickeln, wenn die
Europäer
sich verpflichten, einen Teil der Kosten zu übernehmen. Gebe
es kein
finanzielles „Burdensharing“, keine finanzielle
Lastenteilung, so
sei es besser, auf das mehrere Hundert Millionen Dollar teure
Vorhaben zu verzichten und „die Ressurcen, die heute
für die
Integration nuklearen Waffen in die F35 Block IV vorgesehen sind,
umzuwidmen, um die nukleare Integration des Long Range Strike Bombers
(des künftigen Langstreckenbombers der USA, LRSB), zu
beschleunigen“. Schwartz argumentierte, wenn „es
keine
finanzielle Beteiligung der NATO-Verbündeten“ gebe,
sollten „wir
unsere eigene Streitkräftestruktur optimieren.“
Das Vorhaben, den Joint Strike Fighter,
nuklearfähig zu machen,
liegt derzeit auf Eis. Schon länger. Der Kongress hat auch
für das
Haushaltsjahr 2014 keine Gelder für die Entwicklung der
Variante
„Block IV“ bereitgestellt. Das neue Kampfflugzeug
leidet noch
immer unter erheblichen technischen Problemen, die vor allem mit der
Software zu tun haben. Jüngst deutete die Marineinfanterie an,
ihr
Programm zur Beschaffzbg der F-35 könne sich um eineinhalb
Jahre
verzögern. Erneut.
Die Modernisierung der US-Atombomben vom Typ B61 zur
B61-12 ist
aus Sicht von General Schwartz „notwendig“,
unabhängig davon, ob
das eine nuklearfähige Variante bekommt. Diese Waffe sei
„vom
Einsatz her betrachtet“ vorteilhaft, weil sie eine geringere
Sprengkraft und eine höhere Treffgenauigkeit besitze als die
bisherigen luftgestützen Atomwaffen der US-Luftwaffe.
„Eine höhere
Zielgenauigkeit und eine niedrigere Sprengkraft – das sind
wünschenswerte Fähigkeiten. Ohne Frage“, so
der ehemalige
General. Die B83, eine Megatonnenwaffe, sei zwar jünger als
die B61,
„übertreffe“ aber mit ihrer
großen Sprengkraft die
„militärischen Anforderungen“. Die
Modernisierung der B61 sei
aus seiner Sicht sogar wichtiger als die geplante Entwicklung eines
neuen nuklearen Marschflugkörpers großer Reichweits.
„Ich würde
die B61 vorziehen.“
Der General bestätigt damit – ganz
nebenbei – den
wesentlichen Kritikpunkt an der B61-12: Die größere
und flexiblere
militärische Nutzbarkeit der neuen Bombe bringt das Vorhaben
in
Widerspruch zu dem Vesprechen von US-Präsident Obama, keine
neuen
und auch keine Atomwaffen mit neuen militärischen
Fähigkeiten
einzuführen. Gefragt, ob die Modernisierung die bestehende
Waffe nur
besser mache oder auch zu einer veränderten Zieplanung
führen
werde, antwortete Schwartz: „Es würde beide Effekte
haben.“
Mittlerweile gibt es erste Indizien, dass der
militärische Nutzen
und die flexiblen Einsatzmöglichkeiten der neuen Waffe noch
einmal
verbessert worden sein könnten. Im Oktober 2013 wurde bekannt,
dass
die B61-12 nicht nur die B61-Versionen 3,4,7 und 10 ablösen
soll,
sondern alle bisherigen Atombomben der USA. Also auch die B83 mit
ihrer maximalen Sprengkraft von einer Megatonne und den nuklearen
Bunkerknacker B61-11.
Bisher ist nicht ganz klar, wie und warum es zu dieser
Veränderung
der Planung kam. Möglicherweise soll auf die B83 verzichtet
werden,
weil ihre Sprengkraft die heutigen Anforderungen übertrifft
und man
hofft, das Vorhaben B61-12 vom Kongress leichter finanziert zu
bekommen, wenn man argumentieren kann, dass eine neue Waffe alle
alten Typen ersetzen soll. Vielleicht gibt es aber auch ein technisch
begründete Erklärung: Im Sommer 2012 empfahl ein
wichtiges
wissenschaftliches Beratergremium, die JASONs, nicht nur den
sekundären Nuklearsprengsatz (das
„Secondary“) der B61-4-Bombe,
sondern auch jenen der B61-10 in das Modernsierungsprogramm
für die
B61-12 einzubeziehen. Das Nuclear Weapons Council, der
interministerielle Staatssekretärausschuss, der über
den Umfang und
den Charakter nuklearer Modernisierungsprogramme Ende 2012, Anfang
2013 entschied, könnte dieser Empfehlung gefolgt sein. Bei der
B61-10 handelt es sich um eine Atombombe, die aus den
Atomsprengköpfen der umstrittenen Pershing-II-Rakete
entwickelt
wurde, die ihrerseits eine Ableitung aus der B61-4 darstellten. Die
Secondaries der B61-4 und der B61-10 sollen einander weitgehend
gleichen.
Das hätte zwei Folgen: Zum einen
könnte dann eine größere Zahl
von B61-Bomben modernisiert werden, weil mehr Secondaries zur
Verfügung stehen. Zum anderen stünden mehr
Sprengkraftstärken zur
Wahl und ein noch flexiblerer Einsatz der Waffe würde
möglich. Bei
der B61-10 können andere Sprengkraftstärken
gewählt werden als bei
der B61-4. Dies hätte unter anderem zur Folge, dass die
maximale
Sprengkraft eines Teils der künftigen B61-12-Bestände
auf rund 80
Kilotonnnen anwachsen könnte. Dies könnte
erklären, warum die neue
Bombe jetzt auch als Ersatz für die B83 und die B61-11
betrachtet
wird.
Kleine Runde, großes Thema also: Die Zukunft
taktischer
Nuklearwaffen in Europa. Unter diesem Titel hatte die Washingtoner
Denkfabrik Stimson Center am 16. Januar in Washington eingeladen.
Norman Schwartz war einer der Referenten.
Unter folgendem Link wurde die Veranstaltung
dokumentiert:
http://www.stimson.org/spotlight/stimson-event-on-capitol-hill-examines-the-future-of-us-tactical-nuclear-weapons-video/

ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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