U-Boote für Ägypten
von Otfried Nassauer
Im Frühjahr 2012 hat Ägypten zwei neue diesel-elektrische U-Boote der Klasse 209 bei HDW bestellt.[ 1 ] Der ägyptische Marinechef Osama Ahmad el Gindi bestätigte den Kauf gegenüber der Zeitung Al Ahram Ende August 2012: „Wir haben ein Abkommen mit Deutschland geschlossen, um zwei U-Boote vom allerneuesten Typ 209 zu beschaffen.“[ 2 ] Wahrscheinlich handelt es sich bei den etwa 1.500 Tonnen verdrängenden Booten um aktuelle Versionen des Typs 209/1400mod, wie sie die Werft im letzten Jahrzehnt an Südafrika und die Türkei geliefert hat. Der Exportwert dürfte geschätzt um die 200 Mio. Euro pro Boot betragen, der Vertragswert dürfte höher liegen. Solche Boote sind 62 Meter lang, haben eine Besatzung von 30 Mann und verfügen über acht Torpedorohre des Kalibers 533mm. Aus diesen können neben Torpedos auch Anti-Schiffsraketen zum Einsatz gebracht werden, wenn ein entsprechendes Ausstoßsystem mit bestellt wird. Die Klasse 209 wurde ursprünglich in den 1960er Jahren entwickelt, seither aber immer wieder an den Stand moderner Technik angepasst. 63 Boote dieses Typs fahren auf den Weltmeeren, mehr als von jedem anderen U-Boot-Typ.
Kaum war die Meldung in der Welt, da folgte der Protest auf dem Fuß: Die israelische Tageszeitung Yediot Achronot berichtete, der deutsche U-Boot-Verkauf an Ägypten könne zu schweren Verstimmungen zwischen Israel und Deutschland führen.[ 3 ] Bild.de zitierte einen anonymen israelischen Diplomaten, der verlangte; die neue ägyptische Regierung unter Präsident Mursi müsse "erst einmal ihre Verlässlichkeit beweisen, bevor man sie mit modernster Rüstungstechnologie ausstattet".[ 4 ] Mehr noch: Die Regierung in Tel Aviv signalisierte, sie wolle künftig regelmäßig bei deutschen Rüstungsexporten in den Nahen und Mittleren Osten regelmäßig konsultiert werden.
Die Bundesregierung wollte das Geschäft zunächst weder bestätigen noch dementieren, inzwischen aber ist klar: Der Bundessicherheitsrat hat am 28. November 2011 grünes Licht gegeben.[ 5 ] Bundeskanzlerin Angela Merkel informierte kurz darauf den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu, die beiden Verteidigungsministerien waren zu diesem Thema im Kontakt. Aus Israel kam damals kein Protest. Vielleicht auch, weil Tel Aviv Ende 2011 mit der Bundesregierung noch immer über die Modalitäten einer finanziellen Beteiligung Deutschlands am Kauf eines sechsten, deutlich moderneren Dolphin-U-Bootes im Wert von 400 bis 500 Mio. Euro für die israelische Marine verhandelte. Der Regierungsvertrag über das U-Boot für Israel wurde im März 2012 unterzeichnet.
Anfang September 2012, viele deutsche Politiker planten gerade Israel-Reisen im Umfeld der Gedenkfeiern zum Münchener Olympia-Attentat 1972, reagierte die israelische Regierung dann doch noch: Eine Vielzahl namentlich nicht genannter Offizieller protestierte lautstark über die Medien gegen das deutsch-ägyptische Vorhaben und forderte, es abzubrechen.
Schließlich versprach Angela Merkel ihrem israelischen Kollegen Netanjahu, der Bundessicherheitsrat werde sich noch einmal mit dem Geschäft befassen und die Genehmigung versagen, sollte sich Ägypten gegenüber Israel „feindselig“ verhalten. Verteidigungsminister de Maiziere stellte jedoch klar, dass man Israel keine weitergehenden Zugeständnisse machen werde: "Kein Land der Welt hat ein Veto-Recht gegenüber Entscheidungen der Bundesregierung".[ 6 ]
In der Praxis bedeutet das Versprechen Merkels, dass der Bau der U-Boote für Ägypten wie geplant erfolgen kann. Es ist üblich, dass der Bundessicherheitsrat deutschen Firmen bei zeitaufwändigen Exportvorhaben wie einem U-Boot-Bau zunächst nur ein „grünes Licht“ erteilt. Die Firma kann dann mit ihrem potentiellen Kunden in der Annahme verhandeln und kooperieren, die Bundesregierung werde den Export schlussendlich auch genehmigen, wenn er in einigen Jahren ansteht. Der eigentliche Antrag zur Genehmigung des Exportes ins Empfängerland wird nämlich erst gestellt, wenn das entsprechende Waffensystem so weit fertig ist, dass es voraussichtlich innerhalb der nächsten 12 Monate auch zum Empfänger überführt werden kann. Diese Genehmigung ist meist eine reine Formalie. Die Bundesregierung kann sie nur dann noch verweigern, wenn sich die Umstände des Geschäftes oder die Lage beim Empfänger gravierend verändert haben. Die Firma könnte aber gegen eine solche Entscheidung klagen. In der Regel kommt es jedoch zu solchen Konflikten nicht, weil zuvor informelle Absprachen getroffen werden, vorübergehend keinen Antrag zu stellen.
Die Haltung Berlins zielt also darauf, die aufgeregte Debatte in Israel und Deutschland zu beruhigen. Bis sich der Bundessicherheitsrat erneut mit der Lieferung nach Ägypten befassen wird, werden noch einige Jahre vergehen und zudem neue Regierungen in Israel und Deutschland gewählt worden sein. Mit einer Indienststellung der beiden Boote in Ägypten ist aufgrund der langen Bau- und Erprobungszeit nicht vor 2017/18 zu rechnen.
Für HDW dagegen ist Ägypten ein wichtiger Neukunde, den zu gewinnen man sich seit vielen Jahren bemüht hat. Die Bundesregierung hat im November 2011 nicht zum ersten Mal signalisiert, dass sie ein solches Geschäft genehmigen würde. Seit der ersten Hälfte der 1990er Jahre ist ein U-Boot-Geschäft mit Ägypten immer wieder einmal im Gespräch gewesen. Ende 1994 gab der Bundessicherheitsrat grünes Licht für den Export der Bauunterlagen für U-Boote der Klasse 209 an Litton Ingalls Shipbuilding in den USA, wo damals mit U.S.-Militärhilfegeldern U-Boote für Ägypten gebaut werden sollten.[ 7 ] Das Vorhaben musste aufgegeben werden, nicht aber die Idee, mit Ägypten ins Geschäft zu kommen. Diese tauchte immer wieder einmal auf. 2004 bemühte sich eine Beratungsfirma der umstrittenen Politikberaterin Margarita Mathiopoulos darum, einen Bauauftrag für Ägypten-Boote zu Hellenic Shipyards zu lotsen [ 8 ]. Berichtet wurde, Ägypten interessiere sich für die Übernahme gebrauchter griechischer U-Boote des Typs 209/1100 (Glavkos-Klasse)[ 9 ]. Wiederholt gab es Meldungen, Kairo plane die Bestellung von zwei Booten der Klasse 209. Die Marine Ägyptens versucht seit vielen Jahren, vier alte in China gebaute Boote U-Boote der sowjetischen Romeo-Klasse zu ersetzen.[ 10 ]
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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[ 1 ] Lübecker Nachrichten, 4.9.2012, online: http://www.ln-online.de/nachrichten/3543155/deutsche-u-boote-fuer-aegypten-hdw-erhaelt-millionen-auftrag
[ 2 ] Zitiert nach: Kieler Nachrichten, 2.9.12, online: http://www.kn-online.de/Schleswig-Holstein/Wirtschaft/Aegypten-ordert-U-Boote-bei-HDW
[ 3 ] Vgl. Focus, 2.9.2012, online: http://www.focus.de/politik/ausland/nahost/waffengeschaeft-empoert-israel-deutsche-u-boote-fuer-die-aegyptische-kriegsmarine_aid_811600.html
[ 4 ] Bild, 9.9.2012, online: http://www.bild.de/politik/ausland/israel/neue-runde-im-u-boot-streit-zwischen-deutschland-und-israel-26107016.bild.html
[ 5 ] Spiegel, 11.9.2012, online: http://www.spiegel.de/politik/ausland/u-boot-deal-mit-aegypten-israel-ringt-merkel-zugestaendnisse-ab-a-855224.html
[ 6 ] Frankfurter Rundschau 15.9.2012, online: http://www.fr-online.de/politik/interview--aus-gutem-grund-geheim-,1472596,17256118.html
[ 7 ] Der Spiegel 32/1996, S.20; vgl. auch: Kahrs, Rainer: Das U-Boot, MS eines Hörfunkfeatures für den WDR, Forum Kultur, 1997 (im Archiv des Autors)
[ 8 ] So die Auskunft von Prof. Margarita Mathiopulos zur Erklärung, wofür eine ihrer beiden Consulting-Firmen 1,2 Mio. Euro von Ferrostaal erhalten habe. Vgl.
Der Spiegel, 2/2011, S.60 in Verbindung mit der Richtigstellung in: Der Spiegel 8/2011, S.13
[ 9 ] Marineforum, Heft 9-2006, S.35
[ 10 ] Kieler Nachrichten 27.3.2009, online: http://www.kn-online.de/Schleswig-Holstein/Wirtschaft/Widerstand-auf-den-Werften und Kieler Nachrichten 18.6.2009, online: http://www.kn-online.de/microsites/weitere_inhalte/97945_Auch-Aegypten-hat-Interesse-an-HDW-U-Booten.html [zuletzt eingesehen am 14.2.2012] Vgl.auch: Kahrs, Rainer: Das U-Boot, MS eines Hörfunkfeatures für den WDR, Forum Kultur, 1997 (im Archiv des Autors)
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