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10. Oktober 2009


Raketenabwehrschiffe für Israel

von Otfried Nassauer

Seit Jahren plant die israelische Marine zwei neue Mehrzweck-Kriegsschiffe. Kleine Fregatten oder große Korvetten sollen es sein, mehr als doppelt so groß wie jene Korvetten des Typs Sa’ar 5, die heute Israels größte Kampfschiffe sind. Wichtigste Fähigkeit der neuen Schiffe soll die Luft- und Raketenabwehr sein.

Konzeption und Entwicklung sollen an die Hamburger Werft Blohm & Voss vergeben werden, die derzeit noch zu Thyssen Krupp Marine Systems gehört. Von den Hamburgern erhofft sich Israel, dass sie auf Basis einer deutlich vergrößerten Korvette des Typs MEKO A-100 ein 2.200-Tonnen-Schiff konzipieren, in dass modernste israelische Hochtechnologie integriert werden kann und das zugleich für das devisenarme Land bezahlbar bleibt.

Zwei frühere Anläufe mit Werften aus den USA scheiterten aus Kostengründen. Zunächst war in Kooperation mit dem US-Konzern Lockheed-Martin eine israelische Version des neuen 3.300 Tonnen großen Littoral Combat Ships (LCS-I) der US-Navy geplant. Doch mit 637 Millionen US-Dollar pro Einheit wäre das Projekt selbst dann zu teuer ausgefallen, wenn die israelische Marine die milliardenschwere jährliche Militärhilfe der USA für das Vorhaben in Anspruch genommen hätte. Der zweite Anlauf mit dem US-Konzern Northrop-Grumman eine deutlich größere Version der Sa’ar 5–Korvetten zu entwickeln, erwies sich noch immer als viel zu teuer. 450 Millionen Dollar pro Schiff sollte es kosten. Am 12. Februar 2009 schließlich teilte Israel den US-Werften mit, man wolle die Schiffe aus Kostengründen nicht länger in den USA bauen lassen. Wahrscheinlich werde man sie in Israel herstellen. Doch Israels einzige größere Werft, Israeli Shipyards in Haifa, hat weder Erfahrungen mit dem Bau großer Schiffe noch mit der Integration größerer Kriegsschiffe.

Die israelische Marine begann deshalb Gespräche mit der Hamburger Werft Blohm & Voss und dem deutschen Verteidigungsministerium. Blohm & Voss verfügt mit der MEKO A-100 über ein Schiffsdesign, dass bereits gebaut wird und hinlänglich variabel erscheint. Israel möchte in eine größere Version dieses Schiffe ein hochmodernes Luftabwehrradar der Firma Israeli Aircraft Industries – Elta Systems integrieren (wahrscheinlich das EL/M-2248 MF STAR), dass auch geeignet ist, anfliegende Raketen aufzufassen, und die Schiffe zudem mit einem US-amerikanischen Senkrechtstarter für Raketen vom Typ VLS Mk 41 ausstatten.. Dieser könnte sowohl Luftabwehrflugkörper des israelischen Systems Barak 8 als auch amerikanische Standardraketen der Typen SM-2 oder SM-3 aufnehmen. Letztere sind zur Abwehr von Mittelstreckenraketen geeignet und sollen künftig auch Langstreckenraketen abfangen können. Israel könnte den USA damit im Kontext der Neuausrichtung der Raketenabwehrplanung Washingtons einen verstärkten Eigenbeitrag anbieten.

Doch auch ein zweites dürfte die israelische Marine veranlasst haben, sich mit dem Vorhaben an Blohm & Voss bzw. Deutschland zu wenden. Wiederholt haben Bundesregierungen unterschiedlicher Couleur Jerusalem mit deutschen Steuergeldern bei der Beschaffung von Kriegsschiffen unterstützt. So bezuschusste die Bundesrepublik den Kauf von fünf U-Booten des Typs Dolphin bei HDW in Kiel bislang mit etwa 900 Millionen Euro. Derzeit laufen Verhandlungen über die Finanzierung eines sechsten U-Boots. Deshalb wäre es kaum verwunderlich, wenn Jerusalem hofft, den Bundeshaushalt erneut anzapfen zu können. Die Hilfe für Israel könnte zugleich als Hilfe für die krisengeplagten Werften dargestellt werden und deren Auslastung verbessern. Fiele sie hoch genug aus, so könnte sogar auf die risikobehafteten Pläne zum Bau der Schiffe in Israel wieder verzichtet werden.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS