September 2010
Studie für die Heinrich Böll Stiftung


Kernwaffen und Kernenergie
Siamesische Zwillinge oder doppelte Null-Lösung?

von Otfried Nassauer


Hinweis:


Inhaltsverzeichnis:

1 Nichtverbreitungsbemühungen - Ein Blick zurück
2 Zivile Atomanlagen – ein kurzer Überblick
3 Staaten als Proliferationsrisiken
4 Risiken durch nichtstaatliche Akteure
4.1 Nuklearwaffen in terroristischen Händen
4.2 Schmutzige Bomben in terroristischer Hand
4.3 Nuklearschmuggel
4.4 Nichtstaatliche Akteure und die Sicherheit des Brennstoffkreislaufs
4.5 Weitere Proliferationsrisiken
5 Instrumente der Kontrolle und Begrenzung von Proliferation
5.1 Wesentliche Verträge
5.2 Nichtverbreitung durch "Safeguards"
5.3 Nichtverbreitung durch Exportkontrolle
5.4 Nichtverbreitung durch Zusammenarbeit
5.5 Zwangsmaßnahmen und militärische Maßnahmen gegen Proliferation
6 Ein widersprüchlicher Neuansatz – Nichtverbreitungspolitik unter Barack Obama
6.1 Der neue START-Vertrag
6.2 Der Nukleare Sicherheitsgipfel
6.3 Der Nuclear Posture Review
6.4 Worte und Taten – Probleme und Widersprüche
7 Eine Welt auf der Suche nach Energie


 

  As a nuclear power, as the only nuclear power to have used a nuclear weapon, the United States has a moral responsibility to act. (…). So today, I state clearly and with conviction America's commitment to seek the peace and security of a world without nuclear weapons. I'm not naive. This goal will not be reached quickly –- perhaps not in my lifetime. It will take patience and persistence. But now we, too, must ignore the voices who tell us that the world cannot change. We have to insist, "Yes, we can." (…) together we will strengthen the Nuclear Non-Proliferation Treaty as a basis for cooperation. The basic bargain is sound: Countries with nuclear weapons will move towards disarmament, countries without nuclear weapons will not acquire them, and all countries can access peaceful nuclear energy. (…)We must harness the power of nuclear energy on behalf of our efforts to combat climate change, and to advance peace opportunity for all people.[1]
   
  Barack Obama in Prag, 5.4.2009

 

Vor einem Jahr belebte U.S.-Präsident Barack Obama die Vision einer atomwaffenfreien Welt neu. Während einer Rede in Prag bekannte er sich zu diesem Ziel und versprach, seine Amtszeit zu nutzen, um erste Schritte auf dem Weg zu einer solchen Welt einzuleiten und Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung sowie Verbesserungen bei der Nichtverbreitung anzustreben. Ein Jahr später bestimmte das Thema erneut die Agenda des amerikanischen Präsidenten. Im Vordergrund der öffentlichen Aufmerksamkeit standen im April 2010:

  • die Unterzeichung eines neuen Abkommens zur Reduzierung der strategischen Nuklearwaffen zwischen den USA und Russland (New START);
  • die Veröffentlichung des Nuclear Posture Reviews, eines Berichtes der US-Regierung, mit dem sie ihre künftige Nuklearwaffenpolitik gegenüber dem Kongress darlegen muss;
  • eine internationale Staatenkonferenz zur Sicherheit waffengeeigneter Spaltmaterialien, zu der US-Präsident Barack Obama nach Washington eingeladen hatte;
  • eine Konferenz der NATO-Außenminister, bei der über die Zukunft nuklearer Waffen in der NATO und in Europa diskutiert werden soll;
  • und die nächste Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrages[2].

Hinzu kommen Bestrebungen, den Iran wegen seines Nuklearprogramms durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erneut mit schärferen Sanktionen zu belegen.

Folgende Themen bestimmten somit die öffentliche Diskussion über die Nukleartechnik: die Zukunft nuklearer Waffen, deren weitere zahlenmäßige Reduzierung und die Zukunft der nuklearen Nichtverbreitung. Ein weiteres Thema schwingt dabei immer mit: die Zukunft der Atomenergie.

Das kommt nicht von ungefähr. Denn die militärische und die zivile Nutzung der Kerntechnik sind technologisch eng verwandt bzw. verbunden. Aus der zivilen Anwendung der Nukleartechnik kann Wissen, Material und Technologie gewonnen werden, die auch für ein militärisches Atomprogramm verwendbar sind. Umfassende Nuklearprogramme – und seien sie als ausschließlich zivil deklariert - rufen deshalb fast immer substantielle Proliferationsbefürchtungen hervor. Der nun schon Jahre anhaltende Streit um das Atomprogramm des Irans ist dafür ein aktuelles  Beispiel.

Befördert durch den wachsenden Energiebedarf der Menschheit, vor allem an elektrischer Energie, und die Bemühungen zur Bekämpfung eines drohenden, katastrophalen Klimawandels mittels einer Reduktion des CO2-Ausstoßes auf der Erde, steht die zivile Nutzung der Atomenergie in den kommenden Jahrzehnten möglicherweise vor einer Renaissance. Barack Obama erwähnte deren möglichen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels in seiner Prager Rede ausdrücklich. Er hat inzwischen staatliche Kredite im Wert von mehr als 50 Milliarden Dollar bereitgestellt, die als Anreiz für den Bau neuer Atomkraftwerke genutzt werden können. Befürworter argumentieren, die Atomenergie ermögliche die Produktion großer Mengen elektrischer Energie ohne zugleich einen CO2-Ausstoß zu verursachen. Klimapolitisch ist das eine Verlockung. Doch wiegt dieser Vorteil die sicherheitspolitischen Risiken auf, die mit der Nutzung und vor allem mit einer weiteren Verbreitung der Atomenergie verbunden sein werden? Ist der Einsatz der Atomenergie in immer mehr Ländern – und sei es zu klimapolitischen Zwecken – die damit verbundenen Proliferationsrisiken wert? Oder überwiegen die wachsenden sicherheitspolitischen Risiken den angeblichen klimapolitischen Nutzen einer solchen Politik?

Zentrale Elemente des zivilen atomaren Brennstoffkreislaufs konfrontieren die Menschheit mit Sicherheitsrisiken, die für die Nukleartechnik charakteristisch sind. Die Anreicherungstechnologie zum Beispiel kann dazu genutzt werden, um den Brennstoff für Atomreaktoren zu gewinnen, aber auch dafür, um das Material herzustellen, aus dem Atomwaffen gebaut werden können.

Der Unterschied ist eher gradueller, denn grundsätzlicher Natur. Etliche Reaktortypen erlauben sowohl die Gewinnung nuklearwaffenfähigen Plutoniums als auch die Produktion von Strom. In Wiederaufbereitungsanlagen kann Waffenplutonium ebenso abgetrennt werden wie nicht ganz so waffentaugliches Reaktorplutonium. Atomare Technologien, das entsprechende Wissen und nukleares Material können weitergegeben werden. Nuklearexperten können reisen oder auswandern. Schon die Existenz einer breiten Palette spezifischer Exportkontrollen, von Verlässlichkeitstests für Mitarbeiter und einer gesonderten nuklearen Nichtverbreitungspolitik zeigen, dass die Gefahr der nuklearen Proliferation, also der Weiterverbreitung von Nuklearwaffen, ernst zu nehmen ist.

Im Folgenden soll – ohne zu sehr in technische Details und Einzelheiten zu gehen – verdeutlicht werden, wie eng die zivilen und militärischen Nutzungsmöglichkeiten der Kerntechnik und ihre Risiken miteinander verwandt und verwoben sind. Sie ähneln siamesischen Zwillingen. Daraus resultiert das Risiko der Weiterverbreitung der militärischen Nutzung der Kerntechnik. Letztlich erlaubt wohl nur der Verzicht auf beide Nutzungen der Kerntechnik – eine doppelte Null-Lösung [3] - die Umsetzung der Vision einer atomwaffenfreien Welt, weil nur unter dieser Voraussetzung gewährleistet, kontrolliert und überprüft werden kann, dass keine militärische Nutzung der Kerntechnik mehr stattfindet.

 

1 Nichtverbreitungsbemühungen - Ein Blick zurück

Während des Ost-West-Konflikts richteten sich die Proliferationsbefürchtungen vor allem auf Staaten, von denen man annahm, dass sie ein Interesse an Material, Technologie oder Wissen für Nuklearwaffen hatten. In den 1960er und den frühen 1970er Jahren gehörten dazu zum Beispiel die Bundesrepublik Deutschland, Indien, Israel, Japan, die Schweiz und Schweden. Mitte der 1970er und Anfang der 1980er Jahre zählten Argentinien, Brasilien, Ägypten, Indien, der Irak, Pakistan, Südkorea, Taiwan und Südafrika zu der Staatengruppe, deren nuklearen Ambitionen misstraut wurde. Seit Beginn der 1990er Jahre waren es vor allem der Irak, Iran, Pakistan und Nordkorea. Beinahe alle Nichtkernwaffenstaaten, die eine umfassende nukleare Forschung oder Atomenergieprogramme betreiben, sind bereits zu einem frühen Zeitpunkt während des Aufbaus ihrer Nuklearprogramme skeptisch beäugt und mit Blick auf ihre nuklearen Absichten durchleuchtet worden.

Dennoch blieb bis zum Ende des Ost-West-Konflikts die Zahl der Länder, die tatsächlich über Atomwaffen verfügten, bemerkenswert klein. Dies ist vor allem dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Nuklearwaffen (NVV) zu verdanken. Weitere Beiträge leisteten die Bemühungen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO), zu deren Aufgabe die Überprüfung ziviler Atomanlagen gehört. Hinzu kommen multilaterale oder nationale Technologie- und Exportkontrollregime, die freiwillige Selbstbeschränkung von Nichtkernwaffenstaaten, Sicherheitsgarantien der Atommächte und – wenn die Gefahr einer militärischen Nutzung der Nukleartechnik gesehen wurde – diplomatischer Druck sowie Zwangsmaßnahmen der internationalen Gemeinschaft.

Zu den fünf nuklearen Mitgliedern des Atomwaffensperrvertrages kamen nach der Unterzeichnung des Vertrages und während des Kalten Krieges lediglich noch Israel, Indien und Südafrika hinzu. Bei Indien und Israel waren sich die USA schon während der Aushandlung des Vertrags recht sicher, beide Staaten nicht von der Entwicklung der Atomwaffe abhalten zu können. Dies sollte sich schon wenige Jahre später als richtig erweisen. Der Apartheidstaat Südafrika war somit das einzige Land, dem es während dieser Zeit überraschend gelang, trotz des bestehenden Nichtverbreitungsregimes Nuklearwaffen zu bauen. Erst nach dem Ende des Kalten Krieges gelang dies auch Pakistan und – nach eigenen Angaben – mit Nordkorea erstmals einem Staat, der zuvor nicht-nukleares Mitglied des NVV-Regimes war.

Anfang der 1990er Jahre gab es – ausgelöst durch das Ende des Kalten Krieges – für kurze Zeit sogar eine gewisse Hoffnung, dass nukleare Abrüstung und weitere Nichtverbreitungsbemühungen die Welt von der Gefahr atomarer Vernichtung vielleicht doch noch befreien könnten. Die USA und Russland einigten sich in rascher Folge auf vertraglich vereinbarte Reduzierungen ihrer Atomwaffen großer Reichweite (START-Verträge) und mit den Presidential Nuclear Initiatives auch auf wechselseitig, einseitige Reduzierungen ihrer taktischen Atomwaffen. Südafrika gab nach dem Ende der Apartheid sein nukleares Arsenal auf. Weißrussland, Kasachstan und die Ukraine willigten – wenn auch unter Druck – ein, ihre von der Sowjetunion geerbten Atomwaffen aufzugeben und dem Atomwaffensperrvertrag als nicht-nukleare Mitglieder beizutreten. Mit Brasilien und Argentinien traten dem Vertrag zwei Staaten als nicht-nukleare Mitglieder bei, denen lange die Befürchtung gegolten hatte, sie verfolgten militärisch-nukleare Ambitionen. Im Jahr 1995 gelang es, eine zeitlich unbegrenzte und nicht an Bedingungen geknüpfte Verlängerung des zunächst nur auf 25 Jahre Gültigkeit ausgelegten Atomwaffensperrvertrages zu vereinbaren.

Inzwischen hat sich die Lage erneut deutlich verändert. Die Proliferation wird von vielen Regierungen wieder als eines der größten Risiken für die internationale Sicherheit betrachtet. Dazu haben unterschiedlichste Faktoren beigetragen. Die Atomwaffenstaaten haben ihre nuklearen Waffenarsenale nicht mehr so schnell reduziert, wie es viele atomwaffenfreie Staaten erhofften und nach dem Ende des Ost-West-Konflikts auch erwarteten. Die Atommächte sprechen wieder häufiger von der Notwendigkeit, ihre nuklearen Arsenale zu modernisieren, und signalisieren damit, dass sie noch auf Jahrzehnte an ihren Atomwaffen festhalten wollen. Die Auflösung der Sowjetunion und die darauffolgende Schwäche Russlands riefen neue, ernsthafte Sorgen hervor: Würden die jungen und krisengeschüttelten Nachfolgestaaten der Sowjetunion die Fähigkeit besitzen, die Atomwaffen, das Nuklearmaterial, die Technologie und das Expertenwissen auf ihrem Territorium ausreichend zu sichern? Nach dem Golfkrieg 1991 deckten darüber hinaus internationale Inspektoren ein geheimes irakisches Atomwaffenprogramm auf. Im Jahr 1998 musste Pakistan – wie bereits seit geraumer Zeit erwartet – auf die Liste der Atommächte gesetzt werden, weil es erstmals erfolgreich Atomwaffen getestet hatte. Schließlich trat Nordkorea nach einer langen Hängepartie als erster Staat 2003 aus dem Nichtverbreitungsvertrag aus und erklärte, es verfüge über Atomwaffen.

Seit dem 11. September 2001 ist die öffentliche Aufmerksamkeit für die Risiken der Proliferation erneut gewachsen. Die von den Terroranschlägen getroffenen USA fügten ihrer sicherheitspolitischen Risikoanalyse ein neue Gruppe von Akteuren und potenziellen Nutznießern der Proliferation hinzu: transnationale nichtstaatliche Akteure wie z.B. Terroristen, organisierte Kriminalität, religiöse Extremisten oder transnationale Konzerne. Während etliche Fachleute diese Akteure schon seit vielen Jahrzehnten auf ihrem Radarschirm hatten, machten sich Politik und breite Öffentlichkeit erst nach den Terrorattacken von New York und Washington erkennbar Sorgen. Was wäre, wenn Terroristen bei künftigen Terrorattacken eine atomare Waffe oder auch nur eine „schmutzige Bombe“ aus radioaktivem Material und herkömmlichen Sprengstoffen einsetzen würden?

Tatsächlich war und ist ein großer Teil der neuen Aufmerksamkeit auf Politiker, Think Tanks und Industrie in den Vereinigten Staaten und anderswo zurückzuführen. Diese Akteure versuchten äußerst erfolgreich, aus der Bedrohung durch den Terrorismus – speziell den Terrorismus mit Massenvernichtungswaffen – Verkaufsargumente für ihre eigenen Produkte, Dienstleistungen und Interessen zu machen und sich den Zugriff auf entsprechende finanzielle Ressourcen zu sichern. In der Regierung George W. Bushs fanden sie nur allzu bereite und breite Unterstützung. [4] Soviel ist trotzdem richtig: Transnationale nichtstaatliche Akteure wie Terroristen könnten in der Tat versucht sein, sich Zugang zu nuklearem Material, zu Technologien und entsprechendem Know-how zu verschaffen. Falls diese Gruppen tatsächlich planen würden, schmutzige, primitive oder sogar hochwertige Atomsprengkörper zu bauen, zu stehlen oder zu erwerben, so würde schon allein die Möglichkeit, dass sie Erfolg haben könnten, ein gravierendes Problem darstellen.

Da die Proliferation wieder an die Spitze der Agenda internationaler Sicherheitspolitik zurückgekehrt ist, gewinnen auch Risiken wieder zusätzlich an Aufmerksamkeit, die aus zivilen und militärischen Nuklearprogrammen erwachsen. Die aktuelle Diskussion über das iranische Nuklearprogramm ist ein gutes Beispiel: Man misstraut dem Iran nicht nur, weil er Nukleartechnologie geheim eingeführt und einige seiner Verpflichtungen als nichtnukleares Mitglied des Atomwaffensperrvertrages, das den Kontrollen der IAEO unterliegt, verletzt hat, sondern auch aufgrund der Erfahrungen mit dem Irak und mit Nordkorea. Das irakische Beispiel hatte deutlich gemacht, dass ein Land sein militärisches Atomprogramm unter dem Deckmantel eines zivilen vorantreiben und vor den Kontrollen durch die IAEO verbergen konnte. Auch Nordkorea war über ein zunächst „ziviles“ Nuklearprogramm zu einem militärischen vorgedrungen. Obwohl man Nordkorea früh verdächtigte und später auch scharfe Sanktionen gegen das Land verhängte, kam es nahe genug an die Möglichkeit der Entwicklung funktionierender Atomwaffen heran, um den Austritt aus dem Sperrvertrag zu riskieren und vorzugeben, man besitze nun Atomwaffen. Wiederum einige Jahre demonstrierte Nordkorea seine Bereitschaft, erste Versuche mit nuklearen Sprengladungen zu unternehmen [5]. In der Konsequenz wird heute oft argumentiert, es gelte zu verhindern, dass der Iran ein „zweites Nordkorea“ werde. Selbst wenn das iranische Atomprogramm und die Absichten des Landes rein ziviler Natur wären, wie Teheran es behauptet, müsse man dem Iran aufgrund der mit Nordkorea gemachten Erfahrungen misstrauen.

Mittlerweile werden alle neuen zivilen Atomprogramme, die über den Betrieb von importierten Leichtwasserreaktoren hinausgehen und auf die Beherrschung größerer Teile des Brennstoffkreislaufs zielen, mit sehr viel größerer Skepsis betrachtet als in der Vergangenheit. Der Iran ist das erste Land, das sich mit dem neuen Klima in der Nichtverbreitungspolitik konfrontiert sieht. Er könnte zum Präzedenzfall für den künftigen Umgang mit Staaten werden, die umfassend in die Nutzung der Nukleartechnik einsteigen wollen.

 

2 Zivile Atomanlagen – ein kurzer Überblick

Nach Angaben der IAEO betrieben 2009 32 der 193 Länder auf der Erde insgesamt 438 kommerzielle atomare Reaktorblöcke zur Stromerzeugung. Im Bau befanden sich im vergangenen Jahr 54 weitere Anlagen. Fünf Reaktorblöcke waren zu Überholungszwecken abgeschaltet. [6]  Die im Betrieb befindlichen Reaktoren stellten weniger als fünf Prozent des gesamten Weltenergieverbrauchs zur Verfügung, produzierten aber 2007 immer noch etwa 14 Prozent der weltweit verfügbaren Elektrizität. [7] Die große Mehrheit aller kommerziellen Atomreaktoren wird von Ländern in der industrialisierten Welt betrieben. Die USA betrieben 2008 104 Reaktoren, Frankreich 59, Japan 55, Russland 31 und Großbritannien 19. Deutschland hat 17 Reaktoren, Kanada 18 und die Ukraine 15. Südkorea hat 20 Atomkraftwerke, Indien 17 und China 11. Taiwan betreibt sechs, Argentinien, Mexiko, Pakistan und Südafrika betreiben je zwei Anlagen. [8] Neue Reaktorblöcke bauen vor allem China (21), Russland (9), Indien (6) und Südkorea (6). [9] Der Iran steht in Bushehr vor der Fertigstellung seines ersten Reaktors und plant weitere. Die Mehrzahl der Reaktoren sind Druckwasserreaktoren (264). Hinzu kommen Schwerwasserreaktoren (44), Siedewasserreaktoren (94), leichtwassergekühlte graphitmoderierte Reaktoren (16) und gasgekühlte graphitmoderierte Reaktoren (18). Die überwiegende Mehrheit der Atomkraftwerke nutzt niedrig angereichertes Uran („Lowly Enriched Uranium“, LEU), das zwei bis fünf Prozent U-235 enthält. Einige Anlagen, wie z.B. etliche Schwerwasserreaktoren, können mit Natururan betrieben werden. Bis heute gibt es nur zwei Schnelle Brüter. [10]

Die meisten Länder, die Atomkraftwerke betreiben, verfügen nicht über einen vollständigen geschlossenen Brennstoffkreislauf, sondern entweder ausschließlich über Reaktoren oder aber zusätzlich über einzelne Anlagen eines Brennstoffkreislaufs. Es handelt sich also um offene Brennstoffkreisläufe. [11] Geschlossene Brennstoffkreisläufe betreiben insbesondere jene Länder, die ein Atomwaffenprogramm haben oder hatten oder aber über die Fähigkeit verfügen, ein solches Programm aufzubauen. Der größte Atomwaffenstaat, die USA, verfügt über einen offenen zivilen Brennstoffkreislauf, da Washington sich 1980 entschloss, auf die Wiederaufbereitung abgebrannter ziviler Brennelemente aus Kernreaktoren zu verzichten.

Das Uran [12], das in den Reaktoren als Brennstoff genutzt wird, kommt hauptsächlich aus zwei Quellen. Fast zwei Drittel stammen aus Uranminen, die es in 19 Ländern gibt und die zwischen 40.000 und 50.000 Tonnen Natururan pro Jahr fördern. Die größten Lieferländer sind Kanada, Australien und Kasachstan. Zusammen lieferten sie 2007 knapp 60 Prozent des neu geförderten Urans. Weitere große Lieferanten sind Niger, Russland, Namibia und Usbekistan. [13] Auch der Iran fördert seit einigen Jahren Uran für den Eigenbedarf. Während 2003 noch 46 Prozent der weltweiten Uranversorgung für zivile Nuklearreaktoren aus sekundären Quellen wie der Wiederanreicherung abgereicherten Urans, der Wiederaufbereitung von Brennstäben und der Abreicherung hoch angereicherten Urans („Highly Enriched Uranium“, HEU) aus ehemaligen Militärbeständen kamen, sind es heute nur noch etwas mehr als 30 Prozent. [14] Wie hoch der Anteil sekundärer Bezugsquellen künftig sein wird, ist unklar. Er hängt z.B. davon ab, ob Nuklearwaffenstaaten künftig erneut HEU aus dem militärischen Bereich zur Abreicherung durch „Downblending“[15] bereitstellen oder die weltweiten Wiederaufbereitungskapazitäten deutlich erhöht werden.

Die IAEO und die OECD erwarten, dass der Bedarf an Uran durch bekannte Lagerstätten bei heutiger Verbrauchsrate noch 83 Jahre gedeckt werden kann, bei steigendem Verbrauch entsprechend kürzer. [16] Die OECD, die einen Anstieg des Bedarfs für neu gefördertes Uran ab 2020 erwartet, listete insgesamt 43 Länder auf, die über verwertbare Uranressourcen verfügen. Beide Organisationen gehen davon aus, dass die Nutzung der Atomenergie deutlich zunimmt.
Um Uran anzureichern, können verschiedene Technologien genutzt werden. Am weitesten verbreitet ist die Anreicherung mit Hilfe von Gaszentrifugen. Genutzt werden aber auch Gasdiffusion, die elektromagnetische Separation von Isotopen und das sogenannte Becker-Verfahren. Die fünf traditionellen Atommächte betreiben Anreicherungsanlagen für zivile Zwecke und haben solche Anlagen auch für militärische Zwecke betrieben. [17] Auch Pakistan betreibt die Anreicherung zu militärischen und zivilen Zwecken. [18] Deutschland, die Niederlande, Japan und Südafrika betreiben kommerzielle Anreicherungsanlagen für zivile Zwecke. Laborforschung sowie Versuchs- oder kleinere Anlagen gibt es unter anderem in Australien und Südkorea. Der Iran ist dabei, sich eine Anreicherungskapazität aufzubauen, die aus mehreren Anlagen besteht und unter dem Verdacht steht, künftig auch einem militärischen Nuklearprogramm dienen zu sollen. [19] Nordkorea steht im Verdacht, ein unerklärtes militärisches Anreicherungsprogramm zu haben. Brasilien nahm im Mai 2006 erste Zentrifugen einer kleineren kommerziellem Urananreicherungsanlage in Betrieb, die so konfiguriert ist, dass dort Uran bis zu 5% angereichert werden kann; sie ließe sich aber auch so umrüsten, dass dort hoch angereichertes Uran hergestellt werden könnte. Mit der IAEO, die die Anlage überwacht, gab es Konflikte darüber, wie weitgehend Brasilien der Behörde Zugang zur Technik der verwendeten Zentrifugen gewähren muss. [20] Seit 2009 ist die Anlage im Probebetrieb.

Brennstäbe, die in Reaktoren genutzt wurden, können entweder langfristig eingelagert [21] oder in kommerziell betriebenen Anlagen in Großbritannien, Frankreich und Russland wiederaufbereitet werden. Japan ist seit 2008 der erste atomwaffenfreie Staat, der eine kommerzielle Wiederaufbereitungsanlage betreibt. [22]

Wiederaufbereitungsanlagen nutzen eine moderne Version des PUREX-Verfahrens, mittels dessen u.a. das Uran aus den Brennelementen zur Wiederverwendung recycelt und das entstandene Reaktorplutonium abgetrennt wird. Militärische Wiederaufbereitungsanlagen, die Plutonium für Nuklearwaffen abtrennen, gibt es nicht nur in den fünf anerkannten Nuklearwaffenstaaten, sondern auch in Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea.

Einige Länder, z.B. Deutschland, Belgien, die Schweiz und die Niederlande, die zivile Atomkraftwerke betreiben, schicken ihre abgebrannten Brennstäbe zur Wiederaufbereitung ins Ausland. Das Reaktorplutonium, das dort abgetrennt wird, wird danach entweder zurückgeschickt, treuhänderisch zwischengelagert oder in anderen Anlagen zur Herstellung von Mischoxid-Brennelementen (MOX) verwendet. Abgetrenntes Reaktorplutonium wird von einer Reihe entwickelter Länder entweder auf dem eigenem Staatsgebiet oder in den Ländern gelagert, die für sie den Brennstoff wiederaufbereiten. [23] Die Lager in Nichtatomwaffenstaaten unterliegen den Sicherheitskontrollen („safeguards“) der IAEO. [24] Das gilt auch für Anlagen zur MOX-Produktion. Atomanlagen in den Atomwaffenstaaten unterliegen nur dann internationaler Überwachung, wenn das betroffene Land ausdrücklich zustimmt.

Die meisten sich entwickelnden Länder, die Atomkraftwerke betreiben, nehmen keine Wiederaufbereitung vor. Stattdessen werden die Brennstäbe eingelagert oder in die Lieferländer zurückgeschickt. Abgebrannte Brennstäbe enthalten den Großteil des Reaktorplutoniums, das derzeit weltweit vorhanden ist. Ohne eine Entscheidung darüber, was letztlich mit diesem hoch radioaktiven Abfallmaterial geschehen soll, ist es schwer, konkret zu beurteilen, ob daraus längerfristig Proliferationsrisiken entstehen.

Belgien, Frankreich, Großbritannien, Indien und Japan produzieren kommerziell MOX-Brennstoff. Einerseits erlaubt die Nutzung von MOX eine Begrenzung der Bestände an separiertem Reaktorplutonium; andererseits gelangt aber so zusätzliches Plutonium in den Brennstoffkreislauf. Zu diesen Ländern zählen Belgien, Deutschland [25], Schweden und die Schweiz. Aus China sind entsprechende Überlegungen bekannt. Japan und Russland beabsichtigen, Schnelle Brüter mit MOX zu betreiben. Deutschland plante einst eine MOX-Produktion im großen Ausmaß, hat aber mittlerweile sowohl die Pilotanlagen als auch die kommerzielle Anlage zur MOX-Produktion abgebaut.

Russland und die USA steigen in die Herstellung von MOX ein, um ihre Bestände an Waffenplutonium zu reduzieren.
HEU-Brennstoff wurde im Jahr 2004 noch in etwa 130 Forschungsreaktoren genutzt, Bis 2010 blieb die Zahl in etwa gleich. [26] Darunter befindet sich als einziger deutscher Forschungsreaktor Garching II [27], der derzeit mit zu 93% angereichertem Uran betrieben wird. Die Verwendung von HEU-Brennstoffen in solchen Reaktoren ruft schon lange Sicherheits- und Proliferationsbefürchtungen hervor, weil HEU bei vergleichsweise geringem Risiko relativ leicht zu handhaben ist und viele Forschungsreaktoren keine elaborierten Sicherheitssysteme haben. Erhebliche Mengen gebrauchten HEU-Brennstoffs lagern zudem noch immer in stillgelegten Forschungsreaktoren. Mehr als die Hälfte der bis 2004 außer Dienst gestellten etwa 380 Reaktoren wurden bis zu diesem Zeitpunkt nicht vollständig rückgebaut. [28]

Die proliferationsträchtigsten Elemente des zivilen Brennstoffkreislaufs sind:

  • Technologien und Anlagen zur Anreicherung von Uran;
  • HEU-Brennstoff für Forschungs- und Schiffsreaktoren;
  • Forschungsreaktoren und Atomkraftwerke, die Plutonium herstellen können;
  • Wiederaufbereitungsanlagen, die die Separierung von Plutonium möglich machen, sowie die Technologie, die in solchen Anlagen eingesetzt wird;
  • Lager für separiertes militärisches Plutonium und Reaktorplutonium sowie für hoch angereichertes Uran;
  • Forschungs- und Produktionsanlagen für die Herstellung anderer, für Nuklearwaffen geeigneter Materialien wie Tritium oder Polonium-210.



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[1] http://www.whitehouse.gov/the_press_office/Remarks-By-President-Barack-Obama-In-Prague-As-Delivered Das Manuskript dieses Beitrages wurde Mitte April 2010 abgeschlossen. Alle Verweise auf Quellen im Internet wurden zuletzt am 13.4.2010 geprüft.

[2] Diese Bezeichnung ist nur in Deutschland üblich. International wird der Vertrag als nuklearer Nichtverbreitungsvertrag, Non-Proliferation Treaty (NPT), bezeichnet. Die deutsche Bezeichnung signalisiert das Unbehagen, mit dem frühere Bundesregierungen Aushandlung, Abschluss, Unterzeichnung und Ratifizierung dieses Vertrages begleitet haben.

[3] Als doppelte Null-Lösung bezeichnete man den INF-Vertrag aus dem Jahr 1987. Dieser erste nukleare Abrüstungsvertrag eliminierte zwei Klassen nuklearer Trägersysteme aus den Beständen der NATO und der Warschauer Vertragsorganisation: Mittelstreckenwaffen großer und kurzer Reichweite. Seither dürfen die Vertragsstaaten, Russland und die USA, keine landgestützten Trägersysteme mit Reichweiten von 500 bis 5.500 Kilometern mehr besitzen.

[4] Auch unter Barack Obama, der die Verhinderung des Nuklearterrorismus mittlerweile mit dem Nuclear Posture Review 2010 im April zu einer Priorität seiner Politik erhob, zeigen sich solche strukturellen Muster weiterhin bis in die Welt akademischer Studien. Vgl. http://belfercenter.ksg.harvard.edu/files/al-qaeda-wmd-threat.pdf und als Kritik dazu: http://sitrep.globalsecurity.org/articles/100126542-the-busted-watch-of-us-wmd-thr.htm .

[5] Die meisten Experten werten die nordkoreanischen Testexplosionen bislang nicht als gelungene Nuklearwaffentests.

[6]  IAEA: Nuclear Power Reactors in the World, Reference Data Series No 2, 2009 Edition, Vienna, 2009, http://www-pub.iaea.org/MTCD/publications/PDF/RDS2-29_web.pdf  und: http://www.iaea.org/programmes/a2/index.html
Die IAEA hat neben der Aufgabe, die nukleare Nichtverbreitung im militärischen Bereich zu überwachen, auch den Auftrag, die zivile Nutzung der Nukleartechnik zu fördern und zu unterstützen. Eine grundsätzlich kritische Auseinandersetzung mit der zivilen Nutzung ist ihr deshalb nicht möglich. Die Daten, die sie bereitstellt, sind aufgrund ihrer Aufgabenstellung gelegentlich möglicherweise ebenfalls „positiv eingefärbt“. Deutlich wird das z.B., wenn die pessimistischsten Prognosen der IAEO über die künftige Nutzung der Atomenergie immer wieder einmal höher ausfallen als die optimistischen der Internationalen Energie-Agentur oder des US-Energieministeriums. Die IAEO-Daten stehen jedoch regelmäßig und damit vergleichbar zur Verfügung und beruhen auf den Informationen der Mitgliedstaaten sowie den Erkenntnissen der IAEO aus der weltweiten Überwachung nuklearer Anlagen. Ein vergleichbar großer und hochwertiger Datenpool steht anderweitig nicht öffentlich zur Verfügung.

[8] IAEA: a.a.O, S.10f.

[10] IAEA, a.a.O, S.61

[11]  Ein geschlossener Brennstoffkreislauf ist ein Zyklus, in dem Reaktorbrennstoff aus Natururan hergestellt werden kann, in einen Reaktor eingespeist, dann abgebrannt und danach wieder aufbereitet und zu neuem Brennstoff aufbereitet wird. Ein offener Brennstoffkreislauf liegt vor, wenn der Brennstoff den Reaktor nur einmal durchläuft. Die abgebrannten Brennelemente werden danach nicht wiederaufbereitet, sondern gelagert.

[12]  Eine Vielzahl nützlicher Informationen zu Uran, dem Brennstoffkreislauf und uranverarbeitenden Anlagen auf der ganzen Welt findet sich auf der Webseite des Uranium-Projects von WISE. Vgl.: www.wise-uranium.org .

[13]  http://www.iaea.org/Publications/Reports/Anrep2008/fuelcycle.pdf
Die Daten fußen auf dem sogenannten „Red Book“, dass IAEO und OECD alle zwei Jahre publizieren. Der o.g. Quelle liegt die Ausgabe des Jahres 2008 zugrunde, weil die Ausgabe des Jahres 2010 noch nicht erschienen ist. Daten des „Red Books“ sind zudem in einer guten, regelmäßig aktualisierten Visualisierung online verfügbar ist unter: http://www.wise-uranium.org/umaps.html .

[14]  Ebd.

[15] Beim „Downblending“ wird – vereinfacht gesagt – hochangereichertes Uran solange mit anderem Uran vermischt, bis es nur noch leicht angereichert ist.

[16] In ihrer optimistischsten Prognose ging die IAEO vor der Finanzkrise 2008 davon aus, dass sich die Elektrizitätserzeugung durch Kernreaktoren von 372 GW(e) im Jahr 2008 bis 2030 auf 748 GW(e) verdoppeln könnte. Mit einem massiven Zubau neuer Reaktoren wird gerechnet. Vgl. ebd. S. 26 In solch optimistischen Szenarien für die Zukunft der Kernenergie spiegelt sich die für die Atomenergienutzung werbende Zweitrolle der IAEO ebenso wie in optimistischer werdenden Aussagen über die wirtschaftlich abbaubaren Uranreserven und damit über die Verfügbarkeitsperspektiven des Kernbrennstoffs.

[17]  China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA reichern nicht länger für militärische Zwecke an.

[18]  Indien und Israel hatten Versuchsprogramme zur Anreicherung aufgelegt; ihre Nuklearwaffen entstanden jedoch auf Plutoniumbasis.

[19] Der Iran baute zunächst eine Versuchsanlage, in der mittlerweise drei unterschiedliche Zentrifugentypen erprobt wurden. Eine größere Anreicherungsanlage in der bis zu 50.000 Zentrifugen zum Einsatz kommen sollen, befindet sich im Bau. Dort wird mit einigen Tausend Zentrifugen bereits Uran auf weniger als 5% angereichert. Künftig soll dort auch auf 20% angereichert werden, um einen iranischen Forschungsreaktor mit Brennstoff versorgen zu können. Zudem hat der Iran den Bau von bis zu zehn weiteren, kleineren Anlagen angekündigt, von denen eine im Bau ist. Unklar ist angesichts des heftigen Streits um das iranische Nuklearprogramm, ob der wirtschaftlich wie technisch eigentlich nicht sinnvolle Bau einer Vielzahl von kleineren Anlagen erfolgt, weil Teheran eine Zerstörung seiner Nuklearanlagen durch Luftangriffe erschweren will.

[20]  Brasilien befürchtet angeblich Technologiespionage, da es Zentrifugen entwickelt haben will, die Uran erheblich effizienter und kostengünstiger anreichern können. Es argumentiert, die IAEO könne ihre Kontrollaufgaben auch ausüben, ohne alle technischen Details der Zentrifugentechnik zu kennen. Vgl.: http://www.giga-hamburg.de/dl/download.php?d=/content/publikationen/pdf/gf_lateinamerika_0606.pdf . Zur aktuellen Situation vgl.: http://www.swp-berlin.org/common/get_document.php?asset_id=6948

[21] Der Brennstoffkreislauf bleibt dann offen und das Vorgehen wird „once through“ genannt.

[22] Vgl. http://www.sckcen.be
Die Wiederaufbereitungsanlage in Rokasho-Mura kann 800 Tonnen Brennstoff jährlich aufbereiten. Um dem Proliferationsrisiko entgegenzuwirken, wird das separierte Plutonium vorort in Mischoxid (MOX) umgewandelt.

[23] Da die vorhandenen Wiederaufbereitungsanlagen nur  rund ein Drittel der jährlich anfallenden abgebrannten Brennelemente verarbeiten und die verfügbaren MOX-Anlagen eine noch geringere Kapazität haben, liegt die überwiegende Menge des Reaktorplutoniums in Form zwischengelagerter Brennelemente vor. Diese Menge wächst weiter an, ebenso die Menge an abgetrenntem, gelagertem Reaktorplutonium.

[24] In den Mitgliedstaaten von EURATOM führt EURATOM und nicht die IAEO die Safeguard-Maßnahmen in zivilen Nuklearanlagen durch. Diese Länder kontrollieren sich somit in multilateraler Zusammenarbeit selbst.

[25] Voraussetzung für diesen Pu-„Entsorgungsweg“ ist die Exístenz von in Betrieb befindlichen MOX-geeigneten Leichtwasserreaktoren oder Schnellen Brütern. Die Restlaufzeit der deutschen MOX-zugelassenen Reaktoren wird wohl nicht ausreichen, um das bereits vorhandene Reaktor-Plutonium bis zum politisch vereinbarten Atomausstieg vollständig aufzubrauchen, sodass zusätzlich nach Endlagerungsmöglichkeiten und -Technologien gesucht werden muss.

[26] Vgl. http://www.iaea.org/NewsCenter/Features/ResearchReactors/security20040308.html
Aktuelle Daten zum Status jedes einzelnen Forschungsreaktors bietet die IAEO hier an: http://www.iaea.org/worldatom/rrdb/
Für 2010 scheint eine ähnliche Zahl (etwa 130) in Betrieb gewesen zu sein. Vgl. die Diskussion der Zahlen in: Matthew Bunn: Managing the Atom 2010, Harvard University/Nuclear Threat Initiative, April 2010, S. 43f. Vgl. http://www.nti.org/e_research/Securing_The_Bomb_2010.pdf

[27] Der Reaktor Garching II wird seit 2004 – gegen die dringende Bitte der USA – mit bis zu 93% abgereichertem Uran, das aus Russland importiert wurde, betrieben. Während des Jahres 2010 sollte er – wenn technisch möglich – umgerüstet  werden. Da bislang weltweit kein alternativer Brennstoff zur Verfügung steht, der den Betrieb einer vergleichbar starken Neutronenquelle ermöglicht, wird der Reaktor auch weiterhin mit HEU betrieben. An Uranmolybdän-Brennstoffen mit einem niedrigeren Anreicherungsgrad (bis zu 60%) wird weiter geforscht. Nunmehr wird angenommen, dass diese ggf. gegen Ende dieses Jahrzehnts erstmals zum Einsatz kommen könnten.

[28] Vgl. http://www.iaea.org/NewsCenter/Features/ResearchReactors/security20040308.html
Aktuelle Daten zum Status jedes einzelnen Forschungsreaktors bietet die IAEO hier an: http://www.iaea.org/worldatom/rrdb/