HDW-Verkauf: Monopoly und Geheimnisse in trüben Gewässernvon Otfried Nassauer Die Nachricht im Frühjahr schlug ein wie eine Bombe: Der weltgrößte und erfolgreichste Hersteller konventioneller U-Boote, die Kieler Howaldts Deutsche Werft AG werden in die USA verkauft. Die bisherigen Eigentümer, der chronisch klamme Industrieanlagenbauer Babcock und die Preussag, heute bereits TUI, traten in einem überraschenden Schritt knapp 75% der HDW-Aktien an einen amerikanischen Investmentfond ab an One Equity Partners, OEP. Das war das Aus für die hochfliegenden Pläne von Babcock-Chef Klaus Lederer, HDW ganz zu übernehmen. Das Ende auch der Pläne, einen norddeutschen Werftenverbund zu schaffen und unter HDW-Führung sogar die U-Boot-Industrie Europas in deutscher Hand zu einen. Von einem Tag auf den anderen ein völlig neues Bild: Lederer verließ Babcock und wechselte ganz zu HDW. Babcock mußte seine Schulden aus der Lederer-Zeit an die eigene Tochter zurückzahlen und steht seither vor dem Aus - weil diese Schulden höher waren als der Erlös aus dem Verkauf der HDW-Anteile. Die Preussag ist fortan ein reiner Touristik-Konzern. Die amerikanische One Equity Partners dagegen wird nun ein gewichtiger Spieler im europäischen Rüstungsmonopoly und steht seitdem im Verdacht, im Zusammenspiel mit amerikanischen Rüstungskonzernen zu agieren. Die Berliner Politik beeilte sich, zu versichern, deutsche militärische Geheimnisse seien wohlgeschützt. Der norddeutsche Werftenverbund erhalte eine zweite Chance, da der US-Investor deutschen Firmen ein Vorkaufsrecht für 30% der Aktien eingeräumt habe und Babcock weiterhin 25% der Aktien halte. Ein Technologieabfluß und eine Umgehung der deutschen Rüstungsexportrichtlinien sei nicht zu befürchten. Doch Woche für Woche wurde immer deutlicher: HDW ist auf Dauer unter amerikanischer Kontrolle. OEP hat das Recht, der klammen Babcock auch deren restliche Aktien abzukaufen. Und, dass die HDW-Technologien vollständig geschützt seien, davon kann allenfalls mit Blick auf die vom Verteidigungsministerium bezahlten Entwicklungen wie das neue deutsche U-Boot der Klasse U-212 geredet werden. Anfang Juni war auch das Verteidigungsministerium aufgewacht. "Bisherige Erfahrungen beim Informationsaustausch lassen eher einen einseitigen Technologietransfer in die USA erwarten, ohne dass es positive Rückflüsse gibt", stellte die Staatssekretärin Brigitte Schulte fest. "Aus rüstungswirtschaftlicher Sicht" müsse dies als so wörtlich "bedenklich gewertet" werden. HDW erweist sich in der Tat als guter Fang im Netz der amerikanischen Investmentgesellschaft OEP ein Filetstück wie das Vereidigungsministerium bemerkt. Der deutsche U-Boot-Bauer hat eine exzellente Auftragslage und ist auf Jahre ausgelastet. Noch in diesem Jahr so die Erwartung - werden die schon jetzt prall-gefüllten Auftragsbücher weiter auf einen Bestand von 7 Mrd. anwachsen. HDW verfügt über erstklassige Hochtechnologie, und das gleich in mehreren Bereichen: Da sind zunächst die weltweit erfolgreichsten konventionellen Export-U-Boote der Klasse 209; da ist das neue Export-U-Boot der Klasse U-214, das bereits erste Exporterfolge in Griechenland und Südkorea feiern konnte. HDW verfügt über die beiden zukunftsträchtigsten und fortschrittlichsten außenluftunabhängigen U-Boot-Antriebe, die derzeit auf dem Markt verfügbar sind. Solche Antriebe schließen einen großen Teil der Lücke in der Leistungsfähigkeit zwischen konventionell und nuklear getriebenen U-Booten. HDW ist die einzige westliche Werft der Welt, die Torpedorohre zweier verschiedener Kaliber in ein U-Boot integriert. Die Werft ist darüber hinaus im Besitz der aus Schweden kommenden Technik, für Radaranlagen schlecht sichtbare Stealth-Korvetten bauen zu können. An diesen Schiffen zeigt die Küstenwache der USA starkes Interesse. Mit anderen Worten: HDW ist ein äußerst attraktives Kaufobjekt, dessen letztes Aktienpaket OEP dem angeschlagenen Babcock-Konzern wohl auch noch gerne abkaufen würde. Der HDW-Kauf ist darüber hinaus den amerikanischen Interessen äußert dienlich. Daran besteht kein Zweifel. Es werden gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe getroffen.
Und schließlich ist da noch ein Aspekt: Seit geraumer Zeit überlegen die USA, nach Jahrzehnten der Abstinenz in den Kreis der konventionellen U-Boot-Bauer zurückzukehren. Dagegen erhebt sich zwar der Widerspruch der einflußreichen amerikanischen Atom-U-Boot-Lobby. Aber jene, die gerne sehen würden, dass die USA auch wieder konventionelle U-Boote bauen, haben derzeit Aufwind. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe: Zum einen könnten moderne konventionelle U-Boote mit außenluftunabhängigen Antrieb für viele künftige Aufgabenbereiche die kostengünstigere Lösung sein. Zum zweiten hätten die Rüstungskonzerne der USA gerne ein größeres Stück vom künftig wieder wachsenden Exportmarkt für konventionelle U-Boote. Und schließlich hat Washington ein hausgemachtes Problem: Ägypten wurden Gelder aus dem amerikanischen Foreign Military Sales Program zugesagt, mit denen Ägypten gerne zwei konventionelle U-Boote kaufen würde. Gelder aus diesem Programm dürfen aber nur fließen, wenn der Hauptauftragnehmer in den USA sitzt. Dort aber gibt es keinen Hersteller konventioneller U-Boote. US-Präsident Bush, hat dieses Problem vor mehr als einem Jahr nochmals verschärft. Er sagte Taiwan zu, dass Washington der Inselrepublik helfen werde, in den Besitz von acht konventionellen U-Booten zu kommen. Da aber alle potentiellen Lieferländer mit Blick auf ihre Wirtschaftsinteressen in der Volksrepublik China von einer solchen U-Boot-Lieferung lieber Abstand nehmen, muss die Bush-Administration einen anderen Ausweg suchen, wenn sie ihr Versprechen halten will. Aus dieser Patsche helfen könnten George W. Bush nun ein Land und ein Mann, die Washingtons Unterstützung derzeit dringend nötig haben: Israel mit seinem Ministerpräsidenten Ariel Scharon. Jerusalem finanzierte in den achtziger Jahren Entwicklungsarbeiten in Deutschland für ein neues israelisches U-Boot. Damals war die Auftragslage der deutschen U-Boot-Entwickler so schlecht, dass sie sogar an einem U-Boot-Geschäft mit dem weißen Apartheids- und Embargostaat Südafrika bastelten. Wer die Musik bestellt und bezahlt, hat auch ein Anrecht auf sie. Die Folge: Israel verfügt über Rechte für ein U-Boot-Design aus deutscher Entwicklung, mit dem es Washington zu Hilfe kommen könnte. Da nimmt es nicht Wunder, dass in taiwanesischen Tageszeitungen bereits von Besuchen israelischer Emissäre zu lesen war, die das Interesse an einer israelisch-taiwanesischen Zusammenarbeit in Sachen U-Boot erkunden. Und ein Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrates Taiwans ließ sich unlängst zu einem Besuch des Stolzes der israelischen Marine einladen einem nagelneuen U-Boot der Dolphin-Klasse. Gebaut wurde es bei HDW mit deutschen Steuergeldern als verspätete Golfkiegshilfe. Das U-Boot hat eine Besonderheit: Es verfügt über vier zusätzliche Torpedorohre mit dem Kaliber 650 mm ein Sonderwunsch Israels. Denn Jerusalem braucht seine U-Boote auch als Plattform für nukleare Waffen.
ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).
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