Große Koalition – Zweckbündnis auf Kosten
der Bundeswehr?
von Otfried Nassauer
Koalitionsverträge haben eine
Ähnlichkeit mit manchen Eheverträgen. Sie
können ein Zweckbündnis besiegeln. Eine
Zugewinngemeinschaft, die von Anbeginn an als zeitlich begrenzt
betrachtet wird. Der Vertrag soll dann potenzielle künftige
Konflikte der Partner regulieren und zugleich Ziele festschreiben, von
denen beide etwas haben.
Der Koalitionsvertrag, den CDU/CSU und SPD für die kommenden
vier Jahre ausgearbeitet haben, ist so ein Zweckbündnis.
Zumindest im Bereich der Sicherheitspolitik. Verantwortlich zeichnen
vor allem zwei Politiker – jeder für seinen
Zuständigkeitsbereich: Thomas de Maizière
für die Verteidigung und Frank- Walter Steinmeier für
die Außenpolitik. Beide waren Verhandlungsführer
ihrer Parteien in der Arbeitsgruppe Außenpolitik und
Verteidigung. Jeder hat dem anderen nur da in dessen Entwurf
hineingeredet, wo eine Schmerzgrenze von SPD oder Union
überschritten wurde oder wichtige Wahlversprechen betroffen
waren. Schon dieses Verfahren garantierte eine hohe Wahrscheinlichkeit,
dass beide Partner mit dem Ergebnis zufrieden sein würden. So
war es denn auch. Frank-Walter Steinmeier für die SPD:
O-Ton
Steinmeier:
„Die
Gespräche waren mitunter nicht einfach, aber
ich darf sagen, sehr kollegial geführt, sehr an der Sache
orientiert und das ist, glaube ich, der Grund, weshalb wir zu
Ergebnissen gekommen sind, und, wie ich finde, guten Ergebnissen
gekommen sind, von denen ich überzeugt bin, dass die Mehrheit
der SPD-Mitglieder sie am Ende tragen können und tragen
werden.“
Und Thomas de Maizière für die CDU:
O-Ton de Maizière:
„Die
Neuausrichtung der Bundeswehr wird konsequent
fortgesetzt. Die Bundeswehr braucht Planungssicherheit. An den
getroffenen Entscheidungen halten wir grundsätzlich fest. Im
Rahmen der ohnehin vorgesehenen Evaluierung im nächsten Jahr
wird nachgesteuert, wo sich Änderungsbedarf ergibt.“
Herausgekommen ist zu erheblichen Teilen eine Addition
der jeweiligen
Wünsche. Die Koalitionäre versuchen sich bei
Streitkräfteplanung und Bundeswehrreform an einer Quadratur
des Kreises: Die Grundzüge sollen erhalten bleiben, in
Einzelfragen kann nachgesteuert werden. Da wird zum einen der
Personalumfang der Bundeswehr mit markigen Worten festgeschrieben
– Zitat:
Zitat
Koalitionsvertrag:
„Der festgelegte militärische Personalumfang von bis
zu 185.000 Soldatinnen und Soldaten entspricht dem Bedarf
einer leistungsfähigen, aufgaben- und einsatzorientierten
Bundeswehr (...) Eine weitere Reduzierung des Personalumfangs der
Bundeswehr ist keine Perspektive.“
Gleichzeitig soll es bei der mittelfristigen
Finanzplanung bleiben.
Mehr Geld gibt es also nicht. Zitat:
Zitat
Koalitionsvertrag:
„Die bestehende mittelfristige Finanzplanung bildet
dafür die Grundlage.“
Zugleich werden aber Mehrausgaben ins Auge gefasst, die
bislang nicht
Gegenstand der Haushaltsplanung waren: Die Zahl der
Zivilbeschäftigten soll noch einmal
überprüft und die Zielgröße von
55.000 bei Bedarf angepasst – also nach oben korrigiert
werden. Die Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr soll
durch verschiedene Maßnahmen erhöht werden. Der im
vergangenen Monat ausgeschiedene Vorsitzende des Bundeswehrverbandes,
Ulrich Kirsch, freute sich kürzlich im Deutschlandfunk:
O-Ton
Kirsch:
„Also diese Koalitionsvereinbarung beinhaltet eine Menge
unserer Forderungen als Berufsverband. (...) Das steht jetzt so drin
und das ist berücksichtigt. Ich denke, da können wir
aus den sozialen Gesichtspunkten, die so ein Berufsverband wie der
unsrige natürlich immer ganz nach vorne stellt, schon ganz
zufrieden mit sein. Das heißt, wir haben unsere Argumente
offensichtlich auch so scharf weitergegeben, dass das angenommen werden
konnte.“
Das wird nicht billig. Und auch andere Zusagen werden
Geld kosten: So
soll die Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer
wehrtechnischer Betriebe durch höhere Ausgaben für
Forschung und Entwicklung gestärkt werden.
Offen bleibt, woher dieses Geld in den nächsten
vier Jahren
kommen soll, wenn es bei der bisherigen Finanzplanung bleibt.
Natürlich kann man immer auf künftige Minderausgaben
hoffen: Der Abzug aus Afghanistan senkt die Kosten für die
Auslandseinsätze. Aber zunächst kostet er Geld.
Richtig ist auch: Die Ausgaben für den technisch noch nicht
ausgereiften neuen Schützenpanzer Puma werden später
anfallen, weil er anders als eigentlich geplant, kürzlich von
der Bundeswehr nicht abgenommen worden ist. Ähnliches gilt
für Groß-Drohnen, die derzeit noch nicht zugelassen
werden können. Auch die Auslieferung des neuen
Transportflugzeugs A400M wird sich noch einmal verzögern.
Aufgeschoben heißt aber nicht, dass diese Kosten aufgehoben
sind.
So mancher Einsparung stehen zudem noch nicht
eingeplante Mehrkosten
gegenüber: Das teuerste Beispiel ist der Eurofighter. Die
große Koalition muss im kommenden Jahr entscheiden, ob sie
die letzten 37 der ursprünglich geplanten 180 Flugzeuge noch
beschafft und dafür die ältesten bereits
ausgelieferten Flugzeuge dieses Typs weiterverkauft. Weil der
Eurofighter viel teurer wurde als geplant, kostet die weitere
Eurofighter-Beschaffung etliche Milliarden, die bisher im Haushalt
nicht eingeplant sind. Einnahmen aus dem Verkauf älterer
Flugzeuge könnten dagegen ein frommer Wunsch bleiben, wenn
sich kein Käufer findet. Im Koalitionsvertrag findet sich zu
diesem Problemkomplex nichts. Die Rüstungsplanung wird mit
wenigen allgemeinen Worten abgehandelt – Zitat:
Zitat
Koalitionsvertrag:
„Unsere Soldatinnen und Soldaten brauchen die
bestmögliche Ausrüstung. Dabei steht ihre Sicherheit
im Mittelpunkt. Die Bundeswehr beschafft, was sie braucht und nicht,
was ihr angeboten wird.“
Das klingt gut und ist eigentlich
selbstverständlich. Das gilt
auch für den folgenden Satz:
Zitat
Koalitionsvertrag:
„Der Staat kann erwarten, dass bestellte
militärische Ausrüstungsgüter
vertragsgerecht, pünktlich und unter Einhaltung der
verabredeten Preise und Qualität geliefert werden.“
Eigentlich eine Binse. Jedoch nicht bei der Bundeswehr.
Angesichts der
Beschaffungswirklichkeit fällt es schwer, beim Lesen solcher
Sätze nicht am eigenen Lachen zu ersticken. Sie haben einfach
zu viel Chuzpe. Wenn es hart auf hart kommt, so wie jetzt bei der
Restrukturierung des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns
EADS, dürften andere Aussagen des Koalitionsvertrages ernst
genommen werden. Dort heißt es auch - Zitat:
Zitat
Koalitionsvertrag:
„Deutschland hat ein elementares Interesse an einer
innovativen, leistungs- und wettbewerbsfähigen nationalen
Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.“
Bei der Entscheidung zur Zukunft des Eurofighters geht
es um mehr Geld
als bei allen anderen Vorhaben, die angesprochen werden. Im
Koalitionsvertrag wird aber so getan, als gäbe es dieses
Problem nicht. Damit wird diese wichtige Frage der tagespolitischen
Taktik, den Lobbygesprächen in Hinterzimmern und den aktuellen
sogenannten Sachzwängen überlassen. Bekannt ist, dass
die Luftwaffe die neuen Flugzeuge gerne hätte. Bekannt ist
auch, dass der Eurofighter im bayrischen Manching gebaut wird, einem
Standort bei dem EADS den Rotstift ansetzen könnte.
Umgekehrt gibt es folgendes Problem: Werden die
zusätzlichen
Flugzeuge bestellt, so durchstößt die
Rüstungsplanung der Bundeswehr mit ihrem Helm die finanzielle
Decke, unter der sie traditionell hängt. Die schönen
Versprechen des Koalitionsvertrages könnten dann nur
eingelöst werden, wenn es wieder einmal deutlich mehr Geld
geben würde als bisher vorgesehen. Politische Zweckehen und
Zugewinngemeinschaften kosten etwas – bezahlen muss sie der
Steuerzahler.

ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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