Nordlichternde Rätsel
Geschrieben am 23.03.2003 um 23.00 Uhr / von Otfried Nassauer


Pleiten, Pech und Pannen der US-Alliierten bestimmen die Schlagzeilen. Amerikanisches „Friendly Fire“ holt einen britischen Tornado vom Himmel. Der Irak brüstet sich mit US-Kriegsgefangenen. Heftige Bombardements gehen weiter, aber der Vormarsch auf Bagdad stoppt. Nur eines fehlt in den deutschen Medien: Brauchbares zum Krieg im Norden des Iraks, in den Kurdengebieten.

Gerade das aber müsste schon von den politischen Rahmenbedingungen her interessieren. Die Türkei hat ihre Linie eingehalten – der US-Plan einer eigenständigen Nordfront ist gescheitert – trotz verlockender US-Finanzangebote mit Hilfen und Krediten von bis zu 30 Milliarden US-Dollar. Washington gesteht sein Scheitern und verlegt seine modernste Heeresdivision, die 4. Infanteriedivision aus dem Mittelmeer durch den Suezkanal nach Süden. Jetzt muß sich Ankara nicht mehr sorgen, ob türkische Soldaten unter US-Oberbefehl gestellt werden könnten. Jetzt kann Ankara selbst seine Regionalmacht-Karten ausspielen. Die wichtigste: Die immer wieder angekündigte Absicht, selbst in den Nordirak einzudringen und – so die offizielle Begründung - zu verhindern, dass ein unabhängiger Kurdenstaat ausgerufen wird.

Das ruft Washington, Brüssel und Berlin auf den Plan: In selten gewordener Einmütigkeit warnen sie Ankara vor einem solchen Schritt. Berlin droht gar mit dem Abzug der deutschen AWACS-Soldaten, die lediglich zum Schutz der Türkei befugt seien, nicht aber zur Unterstützung eines türkischen Angriffskrieges auf den Irak. Und doch: Es scheint, dass Ankara auch her seinen Preis fordert – und bekommen könnte.

Das lässt uns den Blick über die Grenze in das Kriegsgebiet werfen: Es ist schon erstaunlich. Obwohl seit Beginn der massiven Bombardierungen des Iraks immer wieder Nachrichten auftauchen, dass heftigste Schläge gegen Ziele im Nordirak, z.B.um die Städte Mossul und Kirkuk, erfolgen – alle Informationen, die ein schlüssiges Bild über die Lage im Norden vermitteln könnten fehlen – als habe die Nachrichtenlosigkeit System. Washington bereitet des Krieg medial auf, aber der Nordirak wird so gut wie ausgeblendet. Vielleicht, weil es nicht opportun erscheint, die Lage in einem Gebiet zu erhellen, in dem es wohl in nicht allzu großer Ferne zu größeren Luftlandeoperationen kommen wird.

Nur eines ist medial klar: Im Nordostirak, an jener Grenze zum Iran, über die die kurdische Schiitenbrigade einrückte und nahe der Washington die Al-Qaida-Unterstützer wähnt, wird bombardiert, was das Zeug hält. Hier sterben Dutzende, wenn nicht Hunderte von Menschen.

Gegen die Probleme, die sich im Nordirak abzeichnen, könnten jene, die am heutigen Tag die Schlagzeilen beherrscht haben, Kinkerlitzchen gewesen sein.

 

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