„Das ist Lobbyismus für das Heer“
Experte Otfried Nassauer
spricht im Interview mit der Berliner Zeitung über das deutsche
Heer, neue Panzer und die Rüstungsindustrie.
Herr Nassauer, die
Verteidigungspolitiker der Koalition fordern für den Haushalt 2015
erstmals seit Langem, mehr Panzer anzuschaffen. Ist das die Konsequenz
aus den Krisen der Welt und der Ansage, Deutschland müsse mehr
Verantwortung übernehmen?
Wer Verteidigungspolitik als Vorsorge gegen Sicherheitsrisiken
aller Art betrachtet, kann die Ukraine-Krise auch nutzen, um mehr
Panzer zu fordern. Für die Risikovorsorge weltweit sind Panzer
meist zu schwer. Wenn Verteidigungspolitiker die aktuellen
Mängellisten aus dem Ministerium sehen, dann denken sie schnell:
Das ist die Chance auf mehr Geld. Und wenn sie das Jammern der
Rüstungsindustrie im Ohr haben, als deren Interessenvertreter
manche Abgeordnete sich ja auch sehen, dann geht das noch schneller.
Sollte diesem Denken Priorität eingeräumt werden? Nein.
Lange, teure Wunschlisten lehren die Bundeswehr nicht, das vorhandene
Geld endlich effizient auszugeben.
Woran machen Sie das fest?
Fast alle Vorschläge betreffen das Heer – Modernisierung des
Leopard-Panzers, mehr Boxer, Infanterist der Zukunft, zusätzliche
Gewehre. Sie könnten auch vom Förderkreis des Heeres kommen.
Das Heer hat im Parlament seine Lobby. Ehrlicherweise muss man aber
auch zugeben, dass das Heer unter den Fehlern leiden musste, die bei
Großbeschaffungen vor allem der Luftwaffe begangen wurden.
Ist es eine Kehrtwende der Rüstungspolitik, wenn die Rede von neuen Panzern für die Bundeswehr ist?
Es ist die Forderung nach einer Kehrtwende. Es sind die Wünsche,
die die Verteidigungspolitiker der Koalition in die Haushaltsberatungen
einbringen. Sie hielten die Panzeranzahlen schon immer für zu
klein und sehen jetzt eine Chance, eine Aufstockung zu fordern.
Spannend wird, ob die Haushälter mitspielen.
Halten Sie die Wünsche denn für legitim?
Legitim ist jede Forderung. Ich sehe darin aber das, was die externen
Berater der KPMG in ihrem Gutachten zur Beschaffungspolitik als eine
wichtige Ursache für die Probleme bei den Großbeschaffungen
benannt haben: Einflussnahme aus dem parlamentarischen Raum, die
falsche Schwerpunkte setzt, viel Geld kostet und zu problembehafteten
Großprojekten führt. Es gibt ja Abgeordnete, die es als
politische Gestaltungsaufgabe sehen, Steuergelder über
Rüstungsprojekte in ihre Wahlkreise, zu bestimmten Arbeitgebern
oder gar Parteispendern zu lenken – Effizienz oder Bedarf sind
dann oft nachrangig.
Wie meinen Sie das?
Die Industrie signalisiert der Bundesregierung derzeit sehr offen: Wenn
die Bundeswehr immer weniger bestellt und zugleich weniger Exporte
genehmigt werden, dann können wir auch ins Ausland abwandern. In
der Bundesregierung wird deshalb der Kampf ausgetragen, wer die
Arbeitsplätze in der heimischen Rüstungsindustrie
schützen soll: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, indem er mehr
Rüstungsexporte zulässt, oder Verteidigungsministerin von der
Leyen, die ihr Geld für Neuentwicklungen lieber für IT-,
Cyber- und Krypto-Projekte ausgeben will – und deshalb für
die klassischen Rüstungsbereiche wie U-Boote, Handfeuerwaffen und
Panzer eher eine Förderung durch Exporte anstrebt. Die
Weiterentwicklung deutscher U-Boote wird seit Jahrzehnten durch deren
Export finanziert.
Die Verteidigungspolitiker von
Union und SPD beantragen auch Projekte, die 2015 noch gar kein Geld
kosten werden. Was steckt dahinter?
Sie versuchen, den Bundestag darauf vorzubereiten, dass ab 2016 oder
2017 eine kräftige Erhöhung des Verteidigungshaushalts
erfolgt. Einige der Anträge zielen nicht auf den baldigen Kauf
neuer Waffen, sondern auf die Vorbereitung neuer Großprojekte.
Etwa beim künftigen Luftabwehrsystem der Bundeswehr. Sie wollen
Weichen dafür stellen, dass für diese Vorhaben später
auch bezahlt werden muss.
Der Ministerin könnte das doch im Grunde recht sein, oder?
Teilweise, es passt aber nicht dazu, dass sie das Beschaffungswesen
reformieren muss, um Großprojekte künftig besser
kontrollieren zu können. Hier würden ja neue
Großvorhaben geplant, bevor man effizientere
Beschaffungsstrukturen eingeführt und die Altlasten
aufgeräumt hat.
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Das Interview führte Steven Geyer |

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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