"Moralisch und politisch fragwürdig"
WAFFENDEAL - DER BUNDESTAG STREITET ÜBER DIE PANZERLIEFERUNG AN SAUDI-ARABIEN. DIE BUNDESREGIERUNG SCHWEIGT UND BERUFT SICH AUF IHRE GEHEIMHALTUNGSPFLICHT. EXPERTEN KRITISIEREN DIE WAFFENLIEFERUNG IN DIE KRISENREGION.
Friedensforscher Ottfried Nassauer leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS). Er kritisiert die Lieferung der Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien.
Berliner Zeitung:
Herr Nassauer, darf die Bundesrepublik überhaupt Panzer an Saudi-Arabien liefern?
Otfried Nassauer: Ein solcher Schritt steht zumindest in einem eklatanten moralischen und politischen Widerspruch sowohl zu den deutschen Richtlinien für den Rüstungsexport als auch zu den gemeinsamen europäischen Regeln, die ebenfalls rechtsverbindlich sind. Ein solcher Schritt wäre nicht nur fragwürdig wegen der Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien, sondern auch wegen der Verwicklung dieses Landes in die Niederschlagung des Aufstandes im Nachbarland Bahrain.
Deutsche Abgeordnete beklagen, dass die Bundesregierung solche Geschäfte nicht nur im Alleingang, sondern auch unter tiefster Geheimhaltung anbahnt. Müssen die Verfahren reformiert werden?
Das Parlament akzeptiert seit vielen Jahrzehnten, dass die Entscheidung über Rüstungsexporte das Privileg der Regierung sind und die Abgeordneten allenfalls informiert werden müssen. Wenn er es wollte, könnte der Bundestag das durch eine entsprechende Gesetzgebung ändern. Aber er hat es bisher nicht einmal versucht. Anders ist das in der Frage der Transparenz: Die Parlamentarier beklagen zu Recht, dass die Bundesregierung sie über Rüstungsexporte unzureichend und zu spät informiert. Auch das könnte das Parlament ändern, indem es die Gesetze ändert.
Sehen Sie strategische deutsche Interessen, die den Panzerexport nach Saudi-Arabien aus Gründen der Realpolitik rechtfertigen könnten?
Man kann geostrategische Argumente ins Feld führen, beispielsweise die Behauptung, Saudi-Arabien müsse als ein Gegengewicht zum Iran aufgerüstet werden. Aber man muss natürlich fragen, ob das nötig ist, und ob es die Aufgabe Deutschlands sein sollte, dies zu tun. Dazu kommt die Frage, warum die deutsche Regierung so deutliche Signale zur Unterstützung eines reaktionären arabischen Regimes aussendet, während mit dem arabischen Frühling ein Umbruch in der Region zu beobachten ist.
Wie sicher ist denn, dass Saudi-Arabien deutsche Panzer nicht auch als Gegengewicht gegen die Militärmacht Israels betrachtet?
Israel hat offenbar keinen Widerspruch gegen den Panzerdeal eingelegt. Möglicherweise, weil man auch dort Saudi-Arabien als Gegengewicht gegen Iran sieht. Aber vielleicht erhofft man sich auch, dass auch die israelischen Wünsche an deutsche Rüstungshilfe künftig erfüllt werden. Sei es, dass die Deutschen erneut Finanzhilfen für den Kauf von Kriegsschiffen und U-Booten geben. Sei es, dass künftig argumentiert wird: Wenn Saudi-Arabien gepanzerte Fahrzeuge bekommen darf, gibt es wenige Gründe, sie Israel zu verweigern.
Markiert der Panzerdeal eine Wende in der deutschen Rüstungspolitik?
Die wurde schon im Koalitionsvertrag vereinbart, wo Union und FDP festgelegt haben, die Rüstungsexporte nicht mehr restriktiv, sondern "verantwortungsbewusst" zu handhaben. Unter einem solch schwammigen Begriff lässt sich natürlich viel ungestörter exportieren.
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Das Interview führte
Frank Herold |
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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