Zu wenig Geld und kaum Soldaten?
Was von der anstehenden Irak-Geberkonferenz zu erwarten ist.
von Dr. Karl-Heinz Harenberg
Geld ist eine ganz besondere Waffe. Und selbst die USA, die hochgerüstete einzige
Supermacht auf dieser Erde, geraten in Schwierigkeiten, wenn ihr diese Waffen ausgehen.
Eben das geschieht zur Zeit. Der Überfall auf den Irak und dessen Folgen, eine Krieg ohne
Ende, ist für die USA zur Schuldenfalle geworden.
Während die amerikanischen Soldaten und deren Verbündete im Irak gegen einen
unsichtbaren Feind kämpfen, der ständig stärker zu werden scheint, wissen die politisch
Verantwortlichen im fernen Washington genau, dass sie diesen Krieg verlieren werden, wenn
sich die Lebensbedingungen für die seit Jahrzehnten geschundene Bevölkerung nicht schon
sehr bald nachhaltig verbessern. Aber diese Aufgabe erweist sich als zunehmend
schwieriger. Der Grund dafür liegt nicht nur in der Fortsetzung der Kämpfe, die
monatlich an die 4 Milliarden Dollar verschlingen; auch die immensen Kosten, die für den
Wiederaufbau des Landes aufgebracht werden müssen, überfordern die amerikanische
Finanzkraft. Allein für den Zeitraum bis Ende nächsten Jahres hat die
US-Besatzungsbehörde unter ihrem Leiter Paul Bremer vom US-Kongreß 20 Milliarden Dollar
für zivile Maßnahmen beantragt. Für die kommenden vier Jahre belaufen sich die
geschätzten Kosten sogar auf bis zu 75 Milliarden Dollar. Dass sich die Regierung Bush
bei diesen Aussichten um Unterstützung in aller Welt, vor allem natürlich bei den
Verbündeten in Europa und im fernen Osten bemüht, ist daher nur selbstverständlich.
Erste Versuche des amerikanischen Präsidenten, seine hochrangigen Gesprächspartner am
Rande der UN-Vollversammlung Ende vergangenen Monats in New York um Bares anzugehen,
blieben jedoch weitgehend erfolglos. Selbst der um Wiedergutmachung bemühte deutsche
Bundeskanzler wollte nur Ausbildungsbeihilfen beim Aufbau der irakischen Polizei anbieten.
Vor diesem Hintergrund wird die Geberkonferenz Ende kommender Woche in Madrid mit
Spannung erwartet. Mehrere Dutzend Staaten und Organisationen wie die UNO, die EU, die
Weltbank und der Internationale Währungsfonds wollen bei diesem Treffen entscheiden, was
sie jeweils als Wiederaufbauhilfe für den Irak beitragen können und wollen. Zwar sind
solche Geberkonferenzen durchaus üblich, wie vergleichbare Treffen über das ehemalige
Jugoslawien oder Afghanistan gezeigt haben; aber die Vorgeschichte des Irakkrieges wirft
für die Zusammenkunft in Madrid ganz besondere Probleme auf, herrscht doch gerade bei den
Gegnern dieses Krieges wie Deutschland, Frankreich oder Russland die Sorge, man trage
nachträglich zur Rechtfertigung des anglo-amerikanischen Angriffs auf den Irak bei, wenn
man sich jetzt nach amerikanischen Vorgaben am Wiederaufbau beteilige. Die Folge: Die
Kriegsgegner, aber auch andere Länder wie Indien oder Japan fordern nachdrücklich, dass
die USA die Verantwortung für den Wiederaufbau des Irak an die Vereinten Nationen
abgeben. Andernfalls wären nämlich die UNO und alle am Wiederaufbau beteiligten Länder
direkt dem amerikanischen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld unterstellt. Denn
Präsident Bush hatte Rumsfeld nach dem offiziellen Ende des Krieges auch mit der
Zuständigkeit für den zivilen Aufbau betraut - zur großen Verwunderung selbst in der
amerikanischen Hauptstadt. Daran ändert grundsätzlich auch die Tatsache nichts, dass
Bush jetzt eine neue Irak-Koordinierungsgruppe unter Leitung seiner Sicherheitsberaterin
Condoleezza Rice berufen und Rumsfeld damit einen Aufpasser zur Seite gestellt hat. Also:
Die Kriegsgegner als Aufbauhelfer im Irak unter dem Oberbefehl des amerikanischen
Verteidigungsministers? Eine diskriminierende - eine untragbare Situation. Ungeachtet
dessen weigert sich die amerikanische Regierung weiterhin hartnäckig, wie der jüngste
Resolutionsentwurf für den UN-Sicherheitsrat in dieser Woche gezeigt hat, die
Verantwortung für den Irak an die UNO zu übertragen.
Dieser Machtkampf zwischen den USA und der UNO ist aber nicht der einzige Grund, warum
die Geberkonferenz in Madrid unter einem schlechten Stern steht. Das geht unter anderem
aus der Mitteilung über die geplante Konferenz hervor, die die EU-Kommission in Brüssel
an den Europäischen Rat sowie das Europäische Parlament gerichtet hat.
Die Kommission fordert darin an erster Stelle, dass die öffentliche Sicherheit
entscheidend verbessert werden muss. Die zunehmenden Anschläge und Überfälle, sowohl
politisch als auch kriminell motiviert, erschweren schon jetzt in weiten Gebieten des Irak
den Wiederaufbau. Die Folge davon ist, dass zahlreiche Hilfsorganisationen, darunter auch
die UNO einen großen Teil ihrer nicht-irakischen Mitarbeiter abgezogen haben. Sodann
fordert die EU-Kommission, wie auch UN-Generalsekretär Kofi Annan, dass die Veranwortung
für den Wiederaufbau des Irak sehr viel schneller an Iraker selbst abgegeben wird, als es
die amerikanische Planung vorsieht. Die US-Regierung besteht darauf, dass die Ausarbeitung
einer Verfassung sowie die Ausrichtung von Wahlen noch unter ihrer Aufsicht stattfinden.
UNO, EU und viele andere Länder dagegen fordern, dass erst eine selbstverantwortliche
irakische Regierung berufen wird und diese dann für die weitere Entwicklung des Landes
allein zuständig ist. Zur Zeit haben der von der Besatzungsmacht bestellte irakische
Übergangsrat und dessen Kabinett so gut wie nichts zu sagen. Nicht einmal über die
Stationierung von Militär aus immer neuen Ländern können sie mitentscheiden. So bleiben
auch die Befürchtungen des Übergangsrates, dass der bevorstehende Einmarsch von
zehntausend türkischen Soldaten zu Auseinandersetzungen mit den irakischen Kurden führen
muss, in Washington ungehört - eine Ohnmacht, die den Widerstand gegen die
Besatzungsmacht zusätzlich verstärkt.
Aufgrund dieser Machtverhältnisse legt die Kommission der EU in ihrem Bericht
besonderen Wert darauf, zu klären, von wem die erwarteten Hilfsgelder vergeben werden.
"Die Geber ziehen es vor," heißt es in dem Bericht wörtlich, "ihren
Beitrag zum Wiederaufbau unabhängig von der Besatzungsbehörde und dem Irakischen
Entwicklungsfond zu leisten." Denn auch dieser Irakische Entwicklungsfonds, für den
bislang noch die UNO mit ihrem "Öl-für-Lebensmittel-Programm" verantwortlich
ist, muss im November an den amerikanischen Besatzungschef Bremer abgegeben werden. Das
heißt: die USA verstärken ihren Einfluss sogar noch, indem sie die Aufsicht über die
Erdölindustrie vollständig übernehmen.
Das Misstrauen, das die USA mit dieser Politik in aller Welt auf sich ziehen, wird
allerdings von den Skeptikern nur sehr diplomatisch vorgetragen. So fordert die EU, die
Verwaltung der Hilfsgelder müsse transparent erfolgen und dürfe keinen der Beteiligten
diskriminieren, namentlich - so der Bericht wörtlich: "im Zusammenhang mit dem
öffentlichen Auftragswesen". Bundeskanzler Gerhard Schröder umschrieb das Problem
kürzlich bei seinem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten mit den Worten, er
rechne nicht damit, dass die deutsche Wirtschaft wegen der Ablehnung des Krieges durch die
Bundesregierung bei der Vergabe von Aufträgen im Irak benachteiligt werde. Inzwischen
gibt es aber sogar im amerikanischen Kongress besorgte Fragen, unter welchen Bedingungen
denn die Bush-Regierung ohne jede Ausschreibung millionenschwere Aufträge an Konzerne wie
Halliburton oder Bechtel vergeben habe, in denen hohe Regierungsvertreter wie
Vizepräsident Dick Cheney oder Verteidigungsminister Donald Rumsfeld einst führende
Posten innehatten.
Wenn also die Geberkonferenz Ende kommender Woche wie geplant in Madrid
stattfindet, geht es nicht nur um die vermeintlich hehre Aufgabe, dem niedergeschlagenen
irakischen Volk wieder auf die Beine zu helfen. Das Ringen um Macht und Einfluss, die
Wahrung nationaler Wirtschaftsinteressen und nicht zuletzt die Absicht des amerikanischen
Präsidenten, sich ein Jahr vor den nächsten Wahlen als angeblich siegreicher Kriegsherr
und als erfolgreicher Friedensfürst zu präsentieren, werden den Verlauf des Treffens
entscheidend mitbestimmen. Dass die Iraker dabei mehr oder weniger eine Nebenrolle spielen
könnten, ist nicht auszuschließen.
Dr. Karl-Heinz Harenberg ist Journalist. Über Jahrzehnte war er für die
Hörfunk-Sendung Streitkräfte und Strategien beim NDR zuständig, das einzige
sicherheitspolitische Hörfunkmagazin Deutschlands.
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