Gastbeitrag
Streitkräfte und Strategien - NDR info
11. Januar 2014


Auf dem Weg zu einem gescheiterten Staat?
Hausgemachte Konflikte im Irak

Andreas Flocken

In der an Syrien grenzenden Provinz Anbar gewinnen der Terrororganisation  Al Qaida nahestehende Gruppierungen zunehmend an Einfluss. Tagelang haben Dschihadisten die Stadt Falludscha und Teile der Provinzhauptstadt Ramadi kontrolliert. Dort leben vor allem Sunniten. Sie fühlen sich von der schiitisch dominierten Regierung in Bagdad diskriminiert und unterdrückt. Die sunnitischen Stammesführer wehren sich zwar gegen den zunehmenden Einfluss der islamistischen Extremisten. Einen Einsatz der irakischen Sicherheitskräfte lehnen sie jedoch ab -  weil man ihnen misstraut. Ein Stammesvertreter in der vergangenen Woche:

O-Ton Stammesvertreter (overvoice)
„Die Situation gerät außer Kontrolle. Wir wollen aber trotzdem nicht, dass die Armee in die Städte der Provinz einmarschiert. Sie könnte die Lage nur vorübergehend in den Griff bekommen.“

Die Befürchtungen der Sunniten: Durch eine Militäroperation werde der Einfluss Bagdads in der Region noch weiter gestärkt. Der Dauerkonflikt zwischen Sunniten und Schiiten und der Bürgerkrieg im benachbarten Syrien hat das Erstarken der Dschihadisten im  Westirak erst möglich gemacht.

Auch wenn sich die Al Qaida-Anhänger inzwischen offenbar wieder zurückgezogen haben  -  dem  Irak könnte ein ähnliches Schicksal drohen wie Syrien. Im vergangenen Jahr sind mehr als 8.000 Menschen durch Anschläge und andere Gewaltakte im Irak getötet worden. Nach dem Abzug der US-Truppen 2011 besteht die Gefahr, dass sich das Land zu einem Failed state, einem gescheiterten Staat, entwickelt. Zu diesem Schluss kommt eine jetzt vorgelegte Studie des renommierten Centers for Strategic and International Studies CSIS in Washington.

Die US-Regierung zeigt sich besorgt. Nach anfänglichen Bedenken werden jetzt Aufklärungsdrohnen und Luft-Boden-Raketen an die irakische Regierung geliefert. Eine Rückkehr von US-Truppen schließt Washington allerdings kategorisch aus. Außenminister Kerry setzt auf die Regierung in Bagdad:

O-Ton John Kerry
„We are not, obviously, contemplating returning. We’re not contemplating putting boots on the ground. This is their fight, but we’re going to help them in their fight. And yes, we have an interest. We have an interest in helping the legitimate and elected government be able to push back against the terrorists. This is a fight that is bigger than just Iraq.”

Es geht um mehr als allein um den Irak. In der Tat. Es geht darum, einen  Flächenbrand zu verhindern, eine Verschmelzung des syrischen und irakischen Konfliktes. Doch die schiitisch dominierte Regierung von Ministerpräsident Nuri al Maliki hat bisher keine Bereitschaft gezeigt, sich mit den Sunniten im Land auszusöhnen. Im Gegenteil. US-Waffenlieferungen und ein Eingreifen der von den Sunniten als Unterdrückungsinstrument wahrgenommenen irakischen Sicherheitskräfte in Falludscha oder Ramadi könnten den Konflikt noch weiter eskalieren.

Hinzu kommt, dass die Erfolgsaussichten der seit langem geplanten Syrienkonferenz weiter schwinden. Denn die Teilnahme wichtiger syrischer Oppositionsgruppen bleibt ungewiss. Ob es in diesem Monat zu dem bereits mehrmals verschobenen Treffen in der Schweiz wirklich kommen wird, das bleibt offen. Wahrlich keine friedlichen Aussichten für die Krisen-Region.


 

Andreas Flocken ist Redakteur für die Hörfunk-Sendung "Streitkräfte und Strategien" bei NDRinfo.