Minister auf Abruf? Thomas de Maizière verheddert sich in der Drohnen-Affäre
Andreas Flocken
Jetzt wird sich also ein Untersuchungsausschuss mit dem Debakel beschäftigen. Zu befürchten ist allerdings, dass es in dem Gremium weniger um die Sache als vielmehr um Wahlkampf geht. Dabei gibt es weiterhin Aufklärungsbedarf.
Ein dreistelliger Millionenbetrag an Steuergeldern ist durch das gescheiterte Rüstungsprojekt in den Sand gesetzt worden - weil die 15 Tonnen schwere Superdrohne keine Chance auf eine Zulassung für den europäischen Luftraum hatte. Wer für dieses Missmanagement verantwortlich ist, das lässt der Verteidigungsminister weiter offen. Er hält offenbar niemanden für verantwortlich – auch sich selbst nicht. Warum auch - die Verteidigungsstrategie des Ministers lautet nämlich so:
O-Ton de Maizière
„Die Entscheidung zum geordneten Ende des seit über 10 Jahre dauernden Euro Hawk Projektes ist richtig….Das Verfahren allerdings wies Mängel auf…. Die Leitung des Verteidigungsministeriums hat gehandelt, sobald ihr die Probleme berichtet wurden.“
Doch gehandelt hat der Verteidigungsminister lange Zeit gerade nicht. Erst am 13. Mai, nachdem er eine Vorlage seiner Staatssekretäre bekommen hatte, will der CDU-Politiker erfahren haben, dass die Probleme des Euro Hawks unlösbar sind. Im Verteidigungsausschuss hatte Thomas de Maizière in der vergangenen Woche mitgeteilt, er habe von den Zulassungsproblemen erstmals im März 2012 erfahren. Und das sei auch der einzige Zusammenhang gewesen, in dem er vor dem 13. Mai mit dem Thema Euro Hawk befasst worden sei.
Der einzige Zusammenhang? Ganz so war es dann aber doch nicht, wie der Verteidigungsminister in dieser Woche einräumen musste. Für einen Besuch der EADS-Tochter Cassidian im Dezember vergangenen Jahres war er über die Drohne von seinen Mitarbeitern gebrieft worden - und zwar umfassend. In der sogenannten Sprechempfehlung seines Ministeriums heißt es u.a. zu den Problemen des Euro Hawks:
Zitat
„Aufgrund der Zulassungsproblematik und weiterer Unsicherheiten ist derzeit
keine Grundlage gegeben, um eine Entscheidung für eine Serienbeauftragung
zu befürworten oder gar zu treffen.“
Die Botschaft war also: Die Superdrohne steht vor dem Aus.
Der Verteidigungsminister hatte außerdem Kenntnis von der Antwort seines Ressorts an den SPD-Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Bartels im März dieses Jahres. Aus ihr ging ebenfalls hervor, dass es mit dem Rüstungsprojekt nicht zum Besten bestellt war. Angesichts der Zulassungsprobleme werde geprüft, ob eine Beschaffung des Euro Hawks zu rechtfertigen sei, hieß es in dem Schreiben.
Und da gab es noch den Redaktionsbesuch des Ministers Anfang Mai beim DONAUKURIER in Ingolstadt. Dort ließ de Maizière durchblicken, dass das Rüstungsprojekt vor dem Scheitern stand. Die Zeitung hat darüber dann auch berichtet. Chefredakteur Gerd Schneider:
O-Ton Schneider
„In dem Artikel damals stand auch schon drin, dass Herr de Maizière von großen Problemen gesprochen habe. Und auf die Frage ob die fünf Euro Hawks
für die Bundeswehr angeschafft würden, folgendes geantwortet hat: Man könne
das noch nicht so genau sagen, das sei noch in der Erprobungsphase. Aber im
Moment sieht es nicht danach aus.“
Im Moment sieht es nicht danach aus. Alles das kommt nur scheibchenweise ans Licht. Der Verteidigungsminister war also anders als behauptet mehrmals mit den Problemen des Rüstungsprojekts befasst gewesen. Thomas de Maizière hat sich mit seinen Einlassungen heillos verheddert, wirkt sichtlich überfordert.
Ein Minister kennt die Probleme des Milliarden-Projekts, reagiert aber nicht, fragt nicht nach. Kümmert sich nur um Entscheidungsvorlagen. Der „Flurfunk“ des Ministeriums und alle anderen Hinweise werden offenbar nicht zur Kenntnis genommen. Erstaunlich. Kein Wunder, dass der Verteidigungsminister, der noch vor kurzem als Reservekanzler und möglicher Nachfolger von Angela Merkel gehandelt wurde, erheblich an Glaubwürdigkeit verloren hat. Statt im Wahlkampf zu punkten, ist er jetzt zu einer Belastung für Bundeskanzlerin Merkel geworden.
Thomas de Maizière ist politisch angeschlagen, ein Minister auf Abruf. Dabei steht die Bundewehr vor riesigen Herausforderungen. Die eingeleitete Bundeswehrreform ist eine Herkules-Aufgabe. Ein schwacher Minister wird diese nicht stemmen können. Nicht nur Thomas de Maizière - auch den Soldaten stehen nun schwere Zeiten bevor.

Andreas Flocken ist Redakteur für die Hörfunk-Sendung "Streitkräfte
und Strategien" bei NDRinfo.
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