Gastbeitrag
Streitkräfte und Strategien - NDR info
29. Januar 2011


Entzauberung eines Hoffnungsträgers
Plagiatsaffäre mit Folgen für die Bundeswehrreform?

Andreas Flocken

In der vergangenen Woche nannte Karl-Theodor zu Guttenberg die Plagiatsvorwürfe noch abstrus. Dann räumte er gravierende handwerkliche Fehler ein, legte den Titel nieder, entschuldigte sich. Und in dieser Woche ist ihm der Doktortitel ganz offiziell von der Universität Bayreuth aberkannt worden. Trotzdem ist für den Verteidigungsminister die umstrittene Doktorarbeit kein Plagiat – weil er nicht bewusst und mit Vorsatz getäuscht habe, so zu Guttenberg.

Die Opposition sieht das naturgemäß anders. Und weil der Verteidigungsminister einen Rücktritt ablehnt, muss er sich heftige Kritik gefallen lassen. Beispielsweise im Bundestag durch den Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann:

O-Ton Oppermann
„Sie haben getäuscht, Sie haben betrogen, Sie haben gelogen ... Ich finde es unerträglich, dass die Bundeskanzlerin die Entscheidung getroffen hat, dass ein akademischer Hochstapler und Lügner weiterhin dem Kabinett angehören darf.“

Zum Verantwortungsbereich des Verteidigungsministers gehören zwei Bundeswehr-Universitäten. Für den ehemaligen Professor der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg, Wolfgang Gessenharter, ist der Vertrauensverlust auch bei den Soldaten groß. Zu Guttenberg könne kein Vorbild mehr sein.

O-Ton Gessenharter
„Ich gehe mal davon aus, dass er, jedenfalls in der Art, wie er das alles hier mit seiner Dissertation gemacht hat, nicht mehr taugt für unsere Studenten, weder für diese Studenten als Soldaten, noch für diese Studenten als junge Wissenschaftler, die sie gerade sind ... Unsere Studenten, meine ehemaligen Studenten, haben, denke ich, wirklich einen Minister verdient, der an diesem Punkt ein wirklich vertrauenswürdiger Vorgesetzter ist.“

Der populärste deutsche Politiker, dessen Markenzeichen Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Gradlinigkeit gewesen sind, - den viele als eine Lichtgestalt und designierten Nachfolger von Angela Merkel gesehen haben – dieser Ausnahmepolitiker zu Guttenberg ist auf das Normalmaß zurückgestutzt worden. Er hat an Glaubwürdigkeit und Vertrauen eingebüßt.

Die Folgen dieser Affäre reichen aber viel weiter. Die Rücktrittsforderungen werden nicht verstummen. Und die weitere Diskussion geht letztlich zu Lasten der Bundeswehr, insbesondere der Soldaten im Auslandseinsatz. Das weiß auch zu Guttenberg. Allerdings: Für diese Entwicklung macht er nicht sich selbst, sondern andere verantwortlich: Die Medien. Der CSU-Politiker am Montag auf einer Wahlkampfveranstaltung im hessischen Kelkheim:

OT Guttenberg
„Dass wir am vergangenen Freitag in der Bundesrepublik, wenn man den Fernseher angeschaltet hatte oder wenn man sich am nächsten Tag auch die gesamte Medienlandschaft in diesem Land angesehen hat, den Hauptaugenmerk mit Sondersendungen, allem Pipapo auf die gegebenen oder nicht gegebenen Fußnoten in einer ministeriellen Doktorarbeit gelegt haben, und gleichzeitig der Umstand, dass in Afghanistan drei Soldaten gefallen sind und 10 Soldaten mitunter schwer verwundet wurden, wo aber immer noch zwei mit dem Leben ringen, dieser Umstand zur Randnotiz verkommen ist, ist in meinen Augen kein wirkliches Beispiel exzellenten Journalismus.“

Altbekannte Muster bei zu Guttenberg. Nichts gelernt, sagen Kritiker. Ein Sündenbock muss her. In der Kundus-Affäre wurden Staatssekretär Wichert und Generalinspekteur Schneiderhan geschasst. Nach den Vorkommnissen auf der Gorch Fock wurde der Kommandant suspendiert – offiziell um ihn zu schützen.

Doch diesmal liegen die Dinge anders. Zu Guttenberg ist allein für die Affäre verantwortlich - die Doktorarbeit ist der Sündenbock. Die Affäre ist aber mit dem Verzicht bzw. der Aberkennung des Doktortitels nicht zu Ende. Der Verteidigungsminister ist irreparabel beschädigt. Er macht weiter Negativ-Schlagzeilen. Und das wird erhebliche Auswirkungen auf die Truppe haben. Der Chef des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch:

O-Ton Kirsch
„Das Ganze hat natürlich einen Streueffekt. Und ich mache mir im Moment schon Sorgen, dass wir letztendlich als Truppe mit den Dingen zusammen gebracht werden, die sehr persönlich den Minister betreffen. Zumindest habe ich den Eindruck, dass das in ersten Satiresendungen schon der Fall ist. Und von daher kann ich nur mein Bedauern zum Ausdruck bringen, dass das diese Wendung genommen hat.“

Zu Guttenbergs Höhenflug ist beendet. Er ist angeschlagen. Das wird auch Folgen haben für die Bundeswehr-Reform. Sie ist eine Herkules-Aufgabe, erfordert einen starken und einflussreichen Minister. Denn der Umbau droht an der Finanzierungsfrage zu scheitern. Dass die Sparvorgabe in dieser Woche um ein Jahr gestreckt worden ist, wird daran nichts ändern. Das Kabinett hatte im Sommer beschlossen – mit Zustimmung des Verteidigungsministers –, dass die Bundeswehr bis 2014 8,3 Milliarden Euro einsparen muss. Inzwischen hat der CSU-Politiker realisiert: Die Verkleinerung der Bundeswehr gibt es nicht zum Null-Tarif. Der Verteidigungsminister fordert mittlerweile sogar eine Anschubfinanzierung. Bei seinen Kabinettskollegen ist er damit allerdings auf wenig Verständnis gestoßen. Doch zu Guttenberg ist jetzt ein politisches Leichtgewicht. In den weiteren Gesprächen mit Finanzminister Schäuble wird er für die Bundeswehr wohl nichts mehr herausholen können.

Die Soldaten haben große Erwartungen in den Verteidigungsminister gesetzt. Doch inzwischen macht sich Ernüchterung breit – vor allem bei den höheren Dienstgraden. Der Hoffnungsträger zu Guttenberg ist entzaubert. Schlechte Voraussetzungen für einen erfolgreichen Umbau der Bundeswehr.


 

Andreas Flocken ist Redakteur für die Hörfunk-Sendung "Streitkräfte und Strategien" bei NDRinfo.