Neues Deutschland
05. April 2003


Schlingerkurs vor Gibraltar - Bundesmarine schert aus Sicherungskommando an der Meerenge aus

von Gerhard Piper


Die Straße von Gibraltar ist kaum 13 Kilometer breit. Obwohl der Krieg weit entfernt ist, können die Anwohner den vorbeiziehenden Truppenaufmarsch der US-Streitkräfte vom Strand aus zusehen. Und es gibt immer mehr zu schauen: Das Angriffskontingent im Golf wird um 100.000 Soldaten verstärkt. Die Mobilmachung gilt auch für Verbände aus Deutschland, deren Militärgerät zum Teil über Antwerpen verschifft wird und das Nadelöhr Gibraltar passieren muß.

Spaniens Sicherheitsbehörden befürchten nach den Terroranschlägen auf den US-Zerstörer "Cole" im Jahr 2000 und den französischen Tanker "Limburg" ein Jahr später gerade dort weitere Schläge. Bereits Anfang Juni 2002 nahmen die marokkanischen Sicherheitsdienste drei Mitglieder der Al Qaida fest. Es handelte sich um Zuher Al Tbaiti, Hilal Yaber Alissiri und Abdullah Al Ghamdi. Sie hatten die Örtlichkeiten ausgespäht und waren auf der Suche nach einem geeigneten Schlauchboot, um damit einen weiteren Anschlag zu verüben.

Um dies zu verhindern, starteten die Marinestreitkräfte der NATO am 9. Februar 2003 eine Überwachungsoperation zum Schutz ihrer Kriegsschiffe, die Operation "Strong Escort". Im Einsatz sind die amerikanische Fregatte "Halyburton", die portugiesische Fregatte "Vasco da Gama", die spanische Fregatte "Numancia" und das spanische Patrouillenboot "Barceló". Ein Seeraumüberwachungsflugzeug "Orion" und mehrere Hubschrauber "Sea King" sichern jeden Konvoi aus der Luft. Erleichtert wird die Kontrolle durch das Radarüberwachungssystem "Sistema Integrado de Vigilancia Exterior" (SIVE), das eigentlich zur Abwehr illegaler Einwanderer aus Afrika errichet wurde. Rund um die Uhr tasten die Radarkeulen 5.000 qkm Wassermassen ab und erfassen auch kleine Boote in zehn Kilometer Entfernung. Deutsche Rüstungsfirmen sind am SIVE-Aufbau beteiligt.

Zu einem ernsten Zwischenfall ist es bisher nicht gekommen. Allerdings gab es einen Fall von "friendly fire" im spanischen Marinestützpunkt Rota bei Cadiz. Beim Manövrieren rammte die portugiesische Fregatte "Vasco da Gama" die spanische Fregatte "Victoria", die jetzt repariert werden muß. Nachdem die Umweltschutzorganisation Greenpeace mit ihrem Schiff "Rainbow Warrior" die US-Kriegsschiffe "Dalles" und "Cape Horn" am Ein- bzw. Auslaufen gehindert hatte, kaperte ein Prisenkommando der Guardia Civil am 14. März das Protestschiff. Kapitän Daniel Rizzoti und die beiden Friedensaktivisten Carlos Bravo und Phil Lloyd wurden vorrübergehend festgenommen.

Am 9. März 2003 beschloß die NATO, beim maritimen Begleitschutz mitzuwirken. Schon nach dem 11. September hatte die Allianz den Bündnisfall verhängt und am 26. Oktober 2001 die Operation "!ctive Endeavour" zur Überwachung des Schiffsverkehrs im östlichen Mittelmeer initiiert. Bisher wurden fast 25.000 Handelsschiffe kontrolliert. Die Kontrollen werden abwechselnd durch die Ständige Eingreifflotte Atlantik (STANAVFORLANT) mit den deutschen Fregatten "Emden" und "Spessart" und die Ständige Eingreifflotte Mittelmeer (STANAVFORMED) mit der Fregatte "Ausgsburg" durchgeführt. Gegenwärtig ist der Mittelmeerverband an der Reihe, an dem sich acht NATO-Mitgliedsstaaten mit jeweils einem Schiff beteiligen. Nun soll die Operation auf den Konvoischutz in der Straße von Gibraltar ausgeweitet werden. In der Bundesregierung war erwogen worden, zu diesem Zweck drei zusätzliche Schnellboote zu entsenden, aber schließlich sagte man ab. Auch die Fregatte "Augsburg" wird sich nicht am Begleitschutz in der Straße von Gibraltar beteiligen, wie Verteidigungsminister Struck dieser Tage erklärte. Damit stellt sich die Bundesregierung gegen eine Entscheidung der NATO, die sie zunächst mitgetragen hatte. Sollte STANAVFORMED nach Gibraltar verlegt werden, müßte die "Augsburg" im östlichen Mittelmeer zurückbleiben, wodurch der multinationale NATO-Schiffsverband auseinander gerissen würde.

Die Entscheidung der Bundesregierung steht im Gegensatz zur bisherigen Interventionspolitik. Im Rahmen der Operation "Enduring Freedom" hat die Bundesmarine am Horn von Afrika bisher dreißig Mal US-Kriegsschiffe eskortiert. An der internationalen "Task Force 150" sind zur Zeit die Fregatte "Mecklenburg-Vorpommern", der Tender "Elbe", ein Patrouillenflugzeug "Breguet Atlantic" und zwei Hubschrauber "Sea Lynx" beteiligt. Ein weitgefaßtes Bundestagmandat, dem die SPD-Fraktion zugestimmt hat, deckt diese Bundeswehrmission ab. Das Hickhack um die Verlegung von deutschen Schnellbooten nach Gibraltar ist ein weiteres Indiz für das außenpolitische Lavieren der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Golfkrieg.