Berliner Zeitung
22. Januar 2004

Irans Atom-Knowhow stammt aus Westeuropa
Niederländische Regierung: Zentrifugentechnologie in deutsch-holländischem Projekt entwickelt

von Otfried Nassauer

Die Atomtechnologie, mit der Pakistan und der Iran Uran für militärische Zwecke anreichern, kommt aus Almelo in Holland. Dort betreibt die Firma Urenco, ein deutsch-holländisch-britisches Gemeinschaftsprojekt, eine Urananreicherungsanlage für zivile Zwecke. Das bestätigte jetzt die holländische Regierung auf Anfragen im niederländischen Parlament.

Zudem könne es sein, dass diese Zentrifugentechnologie auch in Nordkorea eingesetzt werde und in Libyen habe zum Einsatz kommen sollen. Außenminister Bernard Bot und Wirtschaftsminister Laurens Brinkhorst bestätigten, "dass Urenco-Technologie involviert" sei. Die Vorgänge hätten die volle Aufmerksamkeit der Kommission, in der Regierungsvertreter der beteiligten Staaten Urenco beaufsichtigen.

In Pakistan war in der vergangenen Woche der als Vater der pakistanischen Atombombe bekannte Abdul Qadeer Khan zusammen mit sieben weiteren Personen verhaftet worden. [Korrektur: Im Hause von Khan wurde sein Nachfolger als Leiter des pakistanischen Atomforschungszentrum, Islam-ul Haq, verhaftet] Khan hatte in den siebziger Jahren bei Urenco gearbeitet und war stark in Verdacht geraten, Blaupausen der verwendeten Zentrifugen gestohlen zu haben. Khan steht auch im Verdacht, Nordkorea, Libyen und dem Iran Zentrifugentechnik zugänglich gemacht zu haben

Inspektoren der Internationalen Atomenergie Organisation IAEO hatten vergangenen Sommer im iranischen Natanz ein bis dahin unbekanntes, umfangreiches Anreicherungsprogramm entdeckt, das der Iran als ziviles Vorhaben bezeichnete. Nach Auswertung der Inspektionsergebnisse hatte der Direktor der IAEO, El-Baradei, am 16. August berichtet, das Programm beruhe auf einem "frühen europäischen Design". Der Iran hat inzwischen nach einem Treffen mit drei europäischen Außenministern eingewilligt das Vorhaben einzustellen.

Libyen betrieb ein unbekanntes kleines Urananreicherungsprogramm, das Ende 2003 bekannt wurde. Ein deutscher Frachter, der in Malaysia und in Dubai Fracht für Libyen geladen hatte, wurde nach einem Hinweis der CIA nach Italien umgeleitet, wo die Zentrifugenteile an Bord gefunden wurden. Dieser Zwischenfall könnte mit dazu beigetragen haben, dass Libyen inzwischen seine Bereitschaft erklärt hat, alle Programme für Massenvernichtungswaffen aufzugeben und IAEO-Inspektoren bereits im Land sind. Die Untersuchungen gegen Iran und Libyen lieferten der IAEO wichtiges Beweismaterial, um die Herkunft der Technologie zu klären.

IAEO-Experten haben inzwischen ihre Kontrolltätigkeit in Libyen aufgenommen. Die beiden Mitarbeiter der Behörde sollen zunächst Daten und Material über das libysche Atomprogramm sammeln, ehe sie - mit weiteren Kollegen - mit der eigentlichen Überwachung beginnen können, erläuterte eine Sprecherin. Daneben sind auch US-Inspekteure vor Ort.

 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).