Berliner Zeitung
11. Februar 2006


Transatlantische Wendemarke Iran

Analyse von Otfried Nassauer

Mit dem Iran scheint Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr außenpolitisches Thema gefunden zu haben. Scharfe und schärfste Töne gegenüber Teheran sind ihr ein Instrument, um die deutschen Beziehungen zu Washington zu verbessern und die Nato aufzuwerten. Das signalisierte ihr Auftritt während der Münchner Sicherheitskonferenz. Die Hoffnung dahinter: Wer Washingtons Agenda unterstützt, der wird auch wieder gehört. Merkel nutzte den Konflikt mit dem Iran als Beispiel, um zu beschreiben, was sie unter einer "Erneuerung der transatlantischen Partnerschaft" versteht. Sie ließ erkennen, mit dem Koalitionsversprechen auf Kontinuität in der Außen- und Sicherheitspolitik könnte auch Diskontinuität gemeint sein. Der Iran ist nicht der Irak - jedenfalls was den deutschen Umgang mit dem Thema betrifft. Und Merkel ist nicht Schröder.

Scharfe Angriffe gegen Teheran, das "mutwillig" ihm "bekannte ‚rote Linien' überschritten" habe, das Existenzrecht Israels bestreite und eine Warnung, den Iran nicht wie den deutschen Nationalsozialismus in den dreißiger Jahren gewähren zu lassen, prägten ihre Rede. Das Signal: Niemand kann Deutschland in Sachen Iran "Appeasement" vorwerfen. Auch Washington wird nicht deutlicher. Wird der Iran also zu einem Wendepunkt in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, weil der deutsche Umgang mit dem Thema zu einem Instrument der Verbesserung der Beziehungen zu den USA wird? Schon möglich. Merkel skizzierte eine Zukunft für die Nato, die Washington entgegenkommt: Das Bündnis soll wieder primärer Ort der transatlantischen Konsultation und der Koordination der politischen und militärischen Aktionen des Westens werden. Der Iran sei ein Thema für die Nato - wenn zunächst auch nur ein politisches.

Bezeichnend auch eine andere Bemerkung Merkels: "Ich will jetzt nicht über die Unterschiede zwischen den Worten "preemptive" und "preventive" philosophieren", sagte sie, "aber es ist hochinteressant, dass sich die Dinge doch in eine gemeinsame Richtung entwickeln." Verkoppelt mit ihrem Vorschlag, 2008 solle die Nato sich eine neue Strategie geben, wird das Angebot deutlich: Noch unter George W. Bush kann die Sicherheitspolitik der Nato neu ausgerichtet werden. Dazu passte eine leise Warnung: Die strategische Partnerschaft zwischen Deutschland und Russland müsse sich in der Iranfrage "bewähren", wobei man "sicherlich auch noch manche schwierige Diskussion führen" mit Moskau führen müsse.

Doch glaubt die Kanzlerin wirklich, ein Schulterschluss mit Washington in Sachen Iran führe zu mehr deutschem Einfluss gegenüber den USA führt? Dass der Iran einknickt und sich völkerrechtlich singularisieren lässt? Beides könnten folgenschwere Irrtümer sein. In Washington würde die Haltung als Berliner Bußgang nach den deutschen "Fehlern" in Sachen Irak verstanden. In Teheran als das Ende einer eigenständigen Politik der Europäer gegenüber der islamischen Welt. Der Streit dürfte weiter eskalieren. Die US-Politik dürfte US-Senator Liebermann vorgezeichnet haben, als er in München vorschlug, dass die "Nato jetzt mit der Planung beginnt, wie ihre militärischen Kapazitäten für unser gemeinsames Ziel eingesetzt werden können, das militärische Nuklearprogramm des Iran zu stoppen."


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS