ami
Nr. 7-8/2003


US-Kasernen auf Wanderschaft

Gerhard Piper

"Amis go home" war viele Jahre der Schlachtruf einiger Linker in der Bundesrepublik gegen die Präsenz der amerikanischen (Besatzungs-) Macht. Tatsächlich hat die US-Regierung ihre Militärpräsenz in Deutschland und ganz Europa in den neunziger Jahren erheblich reduziert. In den nächsten Jahren wird die Truppenstärke in der BRD weiter abnehmen, während sie in Europa mehr oder weniger gleich bleibt: Die US-Steitkräfte wollen einen Teil ihrer Verbände aus den alten NATO-Ländern Westeuropas in die neuen NATO-Mitgliedsstaaten Osteuropas verlegen, in die alten Kasernen der früheren Sowjetstreitkräfte. Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien gelten als potentielle Aufnahmeländer dieses grenzüberschreitenden Personenverkehrs. Nur in Tschechien heißt es: "Amis don’t come".

 

US-Truppenabzug

Das European Command (EUCOM) der US-Streitkräfte in Europa umfaßt rund 112.000 Soldaten. Die Masse der US-Soldaten ist in der Bundesrepublik (68.000 Mann) stationiert, gefolgt von der 6. US-Flotte im Mittelmeer (14.000 Matrosen). Größere Kontingente stehen in Großbritannien (12.000) und Italien (10.000), [1] kleinere Truppenteile sind in der Türkei und Spanien (jeweils 2000 Mann) stationiert. Der Rest verteilt sich auf Norwegen, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Portugal und Griechenland. [2]. Zur Zeit unterhält das EUCOM in Westeuropa 499 Standorte.[3] Im Rahmen des permanenten Reorganisationsprozesses, in dem sich die US-Streitkräfte befinden, hat es in den letzten Jahren mehrere Runden von Standortschließungen (Base Realignment and Closure – BRAC) gegeben: 1988, 1992, 1993, 1995 und 1998. [4] Dabei wurden mindestens 400 Militärkomplexe geschlossen. Die Zahl der US-Soldaten wurde von 1,6 auf 1,4 Millionen reduziert.

Nach Angaben von General James L. Jones gegenüber dem Military Construction Appropriations Subcommittee könnten von den 499 Installationen der US-Streitkräfte in Europa mindestens 97 Anlagen, also mindestens 20 Prozent, geschlossen werden. "Wir werden die unnötigen Basen so schnell und einfach wie möglich schließen," erklärte General Jones.[5] Dabei hatte sich Jones während seiner Zeit als Kommandant des US Marine Corps noch strikt gegen die Schließung von Militäranlagen ausgesprochen: "Wenn sie Militärstrukturen abschaffen, kriegen sie sie nie wieder," erklärte Jones im Jahr 2001 zur geplanten Truppenreduzierung in Fort Riley.[6] Nun gehen Militärexperten gar davon aus, daß das US-Militär über die Hälfte ihrer Soldaten abziehen könnten.[7] Für eine Verlegung der Großwaffensysteme nach Südosteuropa käme die Donau als billiger Transportweg in Frage.

Für die Standortschließungen werden unterschiedliche Gründe genannt:

1. Die stationierten Truppen sind nach dem Ende des Kalten Krieges militärisch überflüssig.
2. Die Stationierungskosten sind (z. B. in Deutschland) zu hoch.
4. Es fehlen große Truppenübungsplätze.
5. Die Umweltauflagen sind zu streng.

 

BRD: Da über 60% der US-Truppen in Europa in Deutschland stationiert sind, was schätzungsweise 7 Milliarden Dollar pro Jahr kostet,[8] wäre die Bundesrepublik von einem Abzug der amerikanischen Einheiten aus Europa am stärksten betroffen. "Wozu brauchen wir eine Joint Force in Deutschland, wo sowieso nichts passiert? Wir sollten unsere Truppen in der Nähe von Häfen und Flughäfen stationieren, die näher zum Operationsraum liegen," stellte ein hoher Militär aus dem Pentagon fest und erklärte damit indirekt die Bundeswehr für überflüssig. [9] Nur der Militärhistoriker Frederick Kagan warnte vor einem Abzug der Amerikaner aus Deutschland, dies könne der NATO einen irreparablen Schaden zufügen.[10] Bisher steht fest, daß zwischen 2006 und 2008 3.400 Soldaten mit ihren 5.000 Familienangehörigen abziehen werden. Betroffen sind die Standorte Bad Nauheim, Butzbach, Frankfurt/Main, Friedberg, Giessen und Wetzlar.[11] Bestandsgarantien gibt es für die Hauptquartiere mit ihrer teuren und komplexen Infrastruktur in Ramstein und Heidelberg. Wieviele Amis insgesamt aus der BRD abziehen werden, ist nicht bekannt. War zunächst von bis zu 15.000 Soldaten die Rede, [12] wurde später eine Größenordnung von rund 35.000 Mann genannt. [13] Wenn sich dies als richtig erweisen sollte, könnte die Hälfte aller US-Standorte geschlossen werden. Dann dürfte so mancher deutsche Bürgermeister angesichts der klammen Gemeindekassen von dem Beschluß der Amerikaner unangenehm überrascht werden. Zur Zeit bieten die US-Streitkräfte 14.900 Arbeitsplätze für deutsche Zivilbedienstete.[14]

Demgegenüber versuchte ausgerechnet der deutsche Verteidigungsminister Peter Struck die amerikanischen Abzugspläne halbherzig zu dementieren. Nach dem Besuch bei seinem amerikanischen Amtskollegen Donald Rumsfeld im Mai 2003 erklärte Struck blauäugig: "Er hat mir bestätigt, dass es nicht um einen Abzug aus Deutschland geht, sondern um die Erarbeitung eines weltweiten Stationierungskonzepts der US-Kräfte. Das ist in Arbeit, doch, wie mir die amerikanische Seite versichert hat, längst noch nicht fertig. Aber klar ist schon jetzt, dass die großen US-Standorte in Deutschland wie Frankfurt, Ramstein, Grafenwöhr, Heidelberg und andere erhalten bleiben sollen." [15] Was die Amerikaner auf ihren Stützpunkten in Deutschland treiben, darüber habe er "keine Kenntnis", erklärte Regierungssprecher Bela Anda, auch sein Kollege vom Bundesverteidigungsministerium Hannes Wendroth pflichtete ihm bei: "Ich kann die Frage nicht beantworten." [16]

Türkei: Mit dem Ende des Irakkrieges wurde auch die frühere Operation Northern Watch zur Überwachung der kurdischen Autonomiezone im Nordirak eingestellt. Entsprechend zog die US-Luftwaffe zum 1. Mai 2003 ihre 39th Expeditionary Wing mit 1.400 Mann und 50 Flugzeugen vom türkischen Fliegerhorst Incirlik ab. Dort bleiben 1.400 US-Soldaten stationiert. [17] Mit der Verlegung von US-Truppen von West- nach Südosteuropa verliert die Türkei die strategische Exklusivposition, die sie als Aufmarschgebiet bisher in der Region innehatte.

 

US-Truppenverlegungen nach Osteuropa

Mit ihren Erklärungen zur beabsichtigten Truppenverlegung nach Osteuropa hat die US-Regierung große Erwartungen in den potentiellen Aufnahmeländern geweckt. Die Gründe, die gegen eine fortdauernde Stationierung in Westeuropa sprechen, können umgekehrt ein Argument für Osteuropa sein (billigere Stationierungkosten, saloppe Umweltauflagen, etc.). So könnten die US-Truppen - im Gegensatz zu Truppenübungsplätzen in Deutschland (z. B. Grafenwöhr) - die Manövergebiete in Südosteuropa das ganze Jahr über benutzen. Darüber hinaus ist die US-Regierung noch wegen anderer Faktoren an einer Verlegung ihrer Einheiten in osteuropäische Länder interessiert:

  1. Die US-Regierung möchte – nach Möglichkeit – in jedem Land, mit dem sie NATO-Bündnisverpflichtungen eingegangen ist, militärisch präsent sein.
  2. Es ist im politischen und strategischen Interesse der US-Regierung, die neuen "Demokratien" Osteuropas durch eine militärische Präsenz zu "stabilisieren".
  3. Durch Stärkung ihres Einflusses in Osteuropa kann die US-Regierung die alten europäischen Regionalmächte in Westeuropa aushebeln.
  4. Die Einheiten sollen näher an ihre potentiellen Einsatzgebiete (Nahost, Kaukasus etc.) herangeführt werden.

Gegen eine Verlegung der Truppen sprechen die hohen Kosten für neue Infrastrukturmaßnahmen in Osteuropa und die Tatsache, daß es für einen Einsatz im Nahen Osten egal ist, ob die Soldaten aus Deutschland oder Polen eingeflogen werden müssen. Mit dem Programm "Partnerschaft für den Frieden" wurden Kontakte zwischen den amerikanischen und den einheimischen Militärs geknüpft und die Mitgliedschaft in der NATO vorbereitet. Für ihre Zustimmung zur NATO-Osterweiterung will die US-Regierung nun Stationierungsrechte einfordern. Die Regierungen in Osteuropa haben an einer Dislozierung von US-Truppen in erster Linie ein ökonomisches Interesse. Eine Unterbringung der amerikanischen Soldaten wäre kein Problem, da dazu die leerstehenden Kasernen der früheren Sowjetstreitkräfte genutzt werden könnten. Da mit der Aufnahme in die NATO die militärische Infrastruktur längerfristig modernisiert werden muß, um Bündniskriterien zu genügen, könnte die US-Regierung bei einer Truppenverlegung für diese hohen Kosten aufkommen, da sie die Stützpunkte für ihren eigenen Bedarf sowieso modernisieren muß.

Baltikum: Soweit bekannt, wird eine Stationierung amerikanischer Einheiten in den drei baltischen Staaten derzeit nicht erwogen, um den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht zu verprellen, auf dessen Wohlwollen die US-Regierung in ihrem "Krieg gegen den Terrorismus" angewiesen bleibt.

Polen: Zwar unterhalten die US-Streitkräfte offiziell bisher keine Einheiten in Polen, aber seit dem polnischen NATO-Beitritt im Jahre 1999 beteiligten sich US-Truppen an verschiedenen Manövern (Victory Strike, Immediate Response etc.) im Land und sind damit quasi ständig vor Ort präsent. Knapp hundert Kilometer hinter der deutschen Grenze haben die US-Streitkräfte "ideale" Trainingsmöglichkeiten auf Übungsplätzen wie Drawsko Pomorskie oder Wedrzyn – ohne deutsche Umweltschutzauflagen oder Bürgerproteste. Parallel dazu haben die NATO-Verteidigungsminister bei ihrem Treffen am 12. Juni 2003 in Brüssel beschlossen, in Bydgoszcz ein "Joint Force Training Centre" zu errichten. [18] Als mögliche Stationierungsorte für US-Einheiten sind die Fliegerhorste Krzesiny bei Posen und Bidla Podlaska im Gespräch. [19] Nach dem NATO-Beitritt wurde zwischen der polnischen und der amerikanischen Regierung in mehreren Militärabkommen eine engere Zusammenarbeit vereinbart, so in einem Abkommen des V. US-Korps vom August 2001 und die Military Cooperation Initiative im Jahre 2002.

Tschechien: Unter den möglichen osteuropäischen Stationierungskandidaten ist Tschechien das einzige Land, das dem Ansinnen der US-Regierung eher ablehnend gegenübersteht. So sprachen sich in einer Meinungsumfrage lediglich ein Drittel der Befragten für eine Stationierung von U.S. Einheiten aus, 43% der Befragten waren dagegen. Schon in der Vergangenheit hatten die Tschechen ausländische Truppen auf ihrem Territorium abgelehnt, bis 1968 die Sowjetunion zur Niederschlagung des "Prager Frühlings" intervenierte und bis zum Ende des Kalten Krieges im Lande blieb. Nun sprach sich nicht nur die kommunistische Partei, sondern auch der neue Staatspräsident Vaclav Klaus gegen eine dauerhafte Stationierung von US-Einheiten aus. Entgegen diesen öffentlichen Bekundungen hieß es, insgeheim verhandele die Regierung in Prag mit dem Pentagon über eine Nutzung der Luftwaffenbasis bei Ostrava.[20] Die tschechische Regierung möchte den Eindruck vermeiden, sie stünde als Nutznießer dar, wenn die US-Streitkräfte aus Deutschland abziehen. Schließlich ist die Bundesrepublik der wichtigste Wirtschaftspartner. [21]

Ungarn: Die US-Streitkräfte nutzen bereits heute den Luftstützpunkt Taszár. Im Kosovokrieg 1999 waren hier US-Einheiten stationiert und im Vorfeld des Irak-Krieges 2003 war in Taszár vorrübergehend das "Camp Democracy" untergebracht. Hier unterrichtete das US-Militär Exiliraker, die nach dem Kriegsende im Irak Verwaltungsfunktionen übernehmen sollten.

Rumänien: Schon während des Golfkrieges konnten die US-Streitkräfte Militäranlagen wie den Militärhafen Constanza für ihren Truppenaufmarsch nutzen. Es heißt, daß die Amerikaner noch in diesem Jahr mit Militärübungen in Rumänien oder Bulgarien eine dauerhafte Präsenz vorbereiten könnten, also noch vor deren offiziellem Beitritt zur NATO im Mai 2004. Langfristig ist die Rede von insgesamt 3.000 bis 15.000 US-Soldaten (in Rumänien und Bulgarien). Als mögliche Stationierungsorte wurden genannt: Die Luftwaffenbasis Mihail Kogalniceanu, die die US-Streitkräfte bereits während des Irak-Krieges nutzten, die Flottenstützpunkte Constanza und Mangalia am Schwarzen Meer und das Trainingsgelände Babdag. [22]

Bulgarien: Die US-Streitkräfte sollen sich für folgende Militärstützpunkte interessieren: Die Fliegerhorste Dobritsch, Graf Ignatiewo, Krowmowo, Sarafowo (bei Burgas) und die Truppenübungsplätze Koren und Nowo Selo. [23] Der Fliegerhorst in Sarafowo wird schon seit November 2000 von der amerikanischen Task Force Burgas genutzt, die von der 29th Support Group aus Kaiserslautern gestellt wird. Ihre Aufgabe war es, den Aufbau und die Versorgung von Camp Able Sentry während der Makedonienkrise zu unterstützen. Am 14. November 2001 gewährte das bulgarische Parlament den US-Streitkräften Überflug- und Stationierungsrechte im Rahmen der Operation Enduring Freedom. Neben amerikanischen Kampfflugzeugen fliegen auch britische, niederländische, französische und italienische Militärmaschinen regelmäßig bulgarische Basen an. [24]

Ex-Jugoslawien: Auf dem Balkan unterhalten die US-Streitkräfte seit den Bürgerkriegen in Ex-Jugoslawien mehrere Camps: Able Sentry (Makedonien), Bondsteel (Kosovo), Comanche, Dobol und McGovern (alle in Bosnien). Wenige Jahre nach Erringung ihrer Unabhängigkeit haben Slowenien und Kroatien kein Interesse an einer Stationierung von US-Truppen auf ihren Territorien.

 

Veränderungen im weltweiten US-Stützpunktsystem

Afrika: Zum Befehlsbereich des amerikanischen EUCOM-Regionalkommandos zählt nicht nur Europa, sondern auch große Teile Afrikas. General Jones deutete im April 2003 an, daß ein Teil der US-Einheiten von Europa nach Afrika verlegt werden könnten, um dort im Anti-Terror-Krieg eingesetzt zu werden. "Ich glaube, daß wir uns mehr auf diesem Kriegsschauplatz engagieren müssen," sagte Jones. [25] Damit würden die USA zum ersten Mal seit dreißig Jahren wieder dauerhaft Stützpunkte auf dem schwarzen Erdteil unterhalten. Früher waren US-Streitkräfte in Marokko und Libyen disloziert gewesen.

Irak: Trotz der offiziellen US-Dementis wird damit gerechnet, daß die amerikanischen Besatzungstruppen für längere Zeit im Irak stationiert bleiben. Die Rede ist von vier Luftbasen: Baghdad International Airport, Bashur, H-1 und Tallil. [26]

Saudi-Arabien: Die US-Streitkräfte durften ihre in Saudi-Arabien stationierten Einheiten nur bedingt im Krieg gegen den Irak einsetzen. Schon vor Beginn des Golfkrieges vereinbarten die Regierungen in Riad und Washington, daß nach Einstellung der Kampfhandlungen die US-Truppen nach zwanzigjähriger Präsenz aus Saudi-Arabien abgezogen werden würden. Im April 2003 wurde offiziell angekündigt, daß die US-Streitkräfte sich noch vor Ablauf des Jahres fast vollständig aus Saudi-Arabien zurückziehen. Betroffen sind rund 5000 Soldaten und 5000 Zivilpersonen. [27] Das Hauptquartier für die US-Streitkräfte in der Region ist jetzt auf dem Fliegerhorst Al Udeid in Qatar.

Innerasiatische Republiken: In drei der vier früheren Sowjetrepubliken - Kirgisistan (Fliegerhorst Peter Ganci bei Manas), Tadschikistan (Fliegerhorst Kulyab) und Usbekistan (Fliegerhorst Khanabad) - unterhalten die US-Streitkräfte seit 2001 Militärbasen, die in den letzten Jahren als Basis für den Afghanistankrieg und heute zur Einkreisung des Iran dienen. [28]

Afghanistan: Zwei Jahre nach Kriegsbeginn sind US-Truppen immer noch in Afghanistan stationiert und eine Konfliktbeilegung scheint noch in weiter Ferne zu liegen. Wichtige Militärbasen der Amerikaner sind der Fliegerhorst Baghram bei Kabul, Kandahar, Khost und Mazar-e-Sharif.

Pakistan: Seit Beginn des Afghanistankrieges im Oktober 2001 nutzen die US-Streitkräfte vier große Militärbasen, darunter Dalbandin und der Luftstützpunkt Jacobabad.

Südkorea: Trotz des Säbelrasselns auf der koreanischen Halbinsel in den letzten Monaten könnte es sein, daß die US-Regierung einen Teil ihrer 37.000 Soldaten aus Südkorea abzieht. [29] US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erklärte dazu am 6. März 2003: "Ob diese Truppen in die USA zurückkommen, ob sie auf der Halbinsel weiter nach Süden verlegt werden, oder ob sie in benachbarte Regionen verlegt werden, sind die Fragen, die jetzt geklärt werden müssen." [30] Am 4. Juni 2003 wurde von beiden Regierungen die "Future of the ROK-US Alliance Policy Initiative" vorgestellt, danach planen die US-Streitkräfte die Masse ihrer in der Grenzregion nördlich des Han-Flusses stationierten Einheiten (Camp Casey, Camp Red Could, etc.) nach Süden zu verlegen. [31] Im Oktober 2003 soll zwischen den US-Streitkräften und der Regierung in Seoul ein neues Abkommen über die Militärischen Beziehungen unterzeichnet werden. In Japan sind weitere 42.000 bis 45.000 GIs stationiert.

Philippinen: Im Rahmen ihres weltweiten Anti-Terror-Krieges sind US-Spezialeinheiten seit 2001 im Einsatz gegen die Abu Sayyaf-Gruppe auf den Philippinen. Nun wird überlegt, die früheren US-Militärstützpunkte Clark AFB und den Kriegshafen Subic Bay wieder in Betrieb zu nehmen. Die philippinische Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo erklärte sich damit vorab einverstanden. [32]

Australien: Australien gilt als zuverlässiger und sicherer US-Verbündeter. Die US-Streitkräfte wollen ihre Präsenz auf dem fünften Kontinent ausbauen.

 

Interventionistisches Stationierungkonzept

Während des Kalten Krieges richteten sich die US-Streitkräfte auf eine lange Präsenz in Übersee ein. Die Soldaten brachten oftmals ihre Ehefrauen und Kinder mit und blieben durchschnittlich zwei Jahre an einem Standort stationiert. So bestanden die US-Anlagen nicht nur aus einer Kaserne, sondern dazu gehörten Supermarkt, Frisör, McDonalds, Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, etc. Es entstanden die sogenannten "small-town USA". Dieses Modell gehört der Vergangenheit an; stattdessen sollen an den neuen Standorten nur noch die Soldaten ohne Familienanhang stationiert werden, mit dem Allernötigsten an Infrastruktur. Damit die Trennung der Soldaten von ihren Familien nicht zu einer zu großen Belastung wird, sollen die hochmobilen Einheiten alle sechs Monate rotieren. Innerhalb der US-Army wurde dieses Konzept als "Lily Pad"-Variante bezeichnet. Ein neuerer Vorschlag sieht vor, daß die Basen so ausgerichtet werden, daß eine kleine Stammbesatzung und das Militärmaterial vor Ort bleibt, während die Masse der Soldaten jeweils ausgewechselt wird. [33] Diese neue Version ist nicht unproblematisch, weil für die dauerhafte Stationierung von Rüstungsmaterial weitreichendere Rüstungsbeschränkungen durch das Abkommen über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) gelten.

Angesichts eines Militärhaushaltes von rund 380 Milliarden Dollar in diesem Jahr geht es der US-Regierung bei den BRAC-Plänen natürlich nicht in erster Linie darum, Kosten zu sparen, vielmehr dient die Redislozierung der US-Interventionspolitik. So gelten die zukünftigen Basen als "Forward Operating Bases" (FOB) oder kleinere "Forward Operating Locations" (FOL). Muster für die neuen Standorte ist das Camp Bondsteel im Kosovo oder das Camp Lemonier in Djibouti. Statt bloßer Kasernenanlagen irgendwo im Landesinneren haben die US-Militärs nur Häfen und Flughäfen im Auge, um jederzeit ihre kleinen, aber kampfstarken und hochmobilen Verbände, wie sie die Heeresstruktur "Objective Force" ab dem Jahre 2010 vorsieht, schnell verlegen zu können. Hinzu kommen große Truppenübungplätze, auf denen die Soldaten kampfbereit gemacht werden können. Die strategische Funktion der Basen ändert sich damit fundamental. Sie besteht nicht mehr darin, das Gastland zu verteidigen, sondern die Standorte dienen als Sprungbrett für Militärinterventionen in Drittländern.

Herkömmliche Basen mit umfassender Infrastruktur will man zukünftig nicht mehr errichten, nicht nur weil die Investitionen sehr hoch wären, sondern weil man sich damit auch in die Abhängigkeit vom militärpolitischen Wohlwollen des Gastlandes begibt. Es soll sich nicht wiederholen, daß eine ausländische Regierung den USA die Nutzung ihrer Militärbasen verweigert, wie dies die türkische Regierung beim Irakkrieg gemacht hat. Nach der ablehnenden Haltung von Bundeskanzler Gerhard Schröder gegenüber dem Irakkrieg, wird das gleiche der Bundesregierung vorgeworfen, obwohl die rot-grüne Koalition die Bewegungsfreiheit der Amerikaner de facto nie eingeschränkt hatte. Durch eine Diversifizierung der Basen vermeidet man solche politischen Abhängigkeiten und erhöht die eigene strategische Flexibilität. Das Konzept "Operational Manoeuvre from Strategic Distances" sieht kleine hochmobile Einheiten, verbesserte Transportkapazitäten und eine vermehrte Nutzung von Kriegsschiffen als Truppenbasis vor. [34]

 

Diskussion im US-Kongreß

Möglicherweise werden nicht alle aus Westeuropa abgezogenen US-Einheiten nach Osteuropa verlegt; ein Teil könnte auch zurück in die USA überführt werden, wie das Luftwaffengeschwader aus Incirlik. Dort müßten dann neue Unterkünfte bereitgestellt werden, nachdem in den letzten Jahren zahlreiche Kasernen geschlossen wurden. Gleichzeitig stehen auch in den USA weitere Standortschließungen an, was jedesmal zu Auseinandersetzungen im amerikanischen Kongreß führt, weil einzelne Abgeordnete für den Erhalt der Standorte in ihrem Wahlkreis eintreten, um deren wirtschaftliche Vorteile für die jeweilige Region zu bewahren. Angesichts der ablehnenden Haltung von Belgien, Frankreich, Deutschland, Österreich und der Türkei im letzten Golfkrieg nutzten mehrere Parlamentarier die Frage möglicher Standortschließungen, um ihren Unmut über das Aufmupfen der europäischen Vasallen deutlich zu machen: Jim Cooper, Jim Saxton, etc.

Nachdem zahlreiche US-Standorte in den letzten Jahren in mehreren Runden geschlossen worden waren, stoppte der US-Kongreß im Jahr 2001 weitergehende Pläne. Die Parlamentarier forderten, daß die US-Regierung nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erst einmal ihr strategisches Konzept der neuen Bedrohungslage anpassen sollte, bevor sie voreilig weitere US-Militärstützpunkte dicht macht. Andererseits stoppte das Military Construction Appropriations Subcommittee im April 2003 vorübergehend eine Milliarde US-Dollar für den Ausbau der Infrastruktur auf US-Basen in Übersee, diese sollten erst "so spät wie möglich in diesem Jahr" ausgezahlt werden. Die nächste Runde der Schließung von Stützpunkten ist nach dem McCain/Levin-Gesetz für das Jahr 2005 geplant.

Noch haben die US-Militärbehörden keine konkreten Entscheidungen darüber getroffen, welche Standorte geschlossen oder erhalten bleiben sollen. Mit solchen Beschlüssen ist wahrscheinlich erst im nächsten Jahr zu rechnen. Dann muß auch geklärt werden, wieviele US-Soldaten tatsächlich aus der Bundesrepublik abgezogen werden. Keiner der drei Gründe, die die US-Militärs offiziell für ihren Abzug angeben (Kostensparen, Übungsmöglichkeiten, geographische Nähe zu potentiellen Einsatzgebieten), kann wirklich überzeugen. Aber da die neuen NATO-Mitglieder in Osteuropa auf ihrem Territorium US-Einheiten stationiert haben wollen und die US-Regierung ihre Truppenstärke in Europa nicht erhöht, bleibt als einzige Möglichkeit nur eine kontinentale Truppenverschiebung. Diese ist eingebunden in die Wandlungen des weltweiten US-Stationierungssystems seit Beginn des Anti-Terror-Krieges im Jahre 2001. Die neuen Kasernen und die darin untergebrachten hochmobilen Kampfeinheiten sind der omnipräsente Ausdruck für die interventionistische Bush-Doktrin.


ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).

 

 

Anmerkungen:

[1] Robert Schlesinger, US remaking look, locations of bases abroad, Boston Globe, 7.7.2003, www.globalsecurity.org/org/news/2003/030707-us-bases01.htm

[2] Vgl. ami 3.4/2003, S. 27ff.

[3] David Morris, Questionable Overseas Military Bases Up For Pentagon Review, National Journal’s Congress Daily, 30.4.2003.

[4] US Army Corps of Engineers, Base Realignment and Closure, www.usace.army.mil/military.html#BRAC

[5] David Morris, Questionable Overseas Military Bases Up For Pentagon Review, National Journal’s Congress Daily, 30.4.2003.

[6] N.N., Fort Riley not part of military cutbacks – Rumsfeld likely won’t close bases to pay for missile defense, CJ-Online - Topeka Capital Journal, 1.9.2001, www.cjonline.com/stories/09012001/kan_fortriley.shtml

[7] Robert Schlesinger, US remaking look, locations of bases abroad, Boston Globe, 7.7.2003, www.globalsecurity.org/org/news/2003/030707-us-bases01.htm

[8] Carlos Yárnoz, Nuevos amigos, nuevos aliados, nuevas bases, El País, 16.3.2003, S. 12. Den Großteil der Summe zahlt der amerikanische Steuerzahler, die restlichen 27% die deutsche Bevölkerung.

[9] Esther Schrader, U.S. Expedites Reshuffing of Europe Troops, Los Angeles Times, 1.5.2003.

[10] William Matthews, Out of (Western) Europe, Armed Forces Journal, April 2003, S. 10.

[11] Will Dunham, Saudi Move Part of Broader U.S. Military Realignment, Reuters, 30.4.2003.

[12] N.N., US-Militär bereitet Abzug von Truppen aus Deutschland vor, Spiegel-Online, 4.6.2003, www.spiegel-de/politik/deutschland/0,1518,251484,00.html

[13] Robert Schlesinger, US remaking look, locations of bases abroad, Boston Globe, 7.7.2003, www.globalsecurity.org/org/news/2003/030707-us-bases01.htm

[14] Luke Hill, US plan for bases no boon to "new" Europe, Jane’s Defence Weekly, 12.3.2003, S. 5.

[15] Friedemann Weckbach-Mara, "In den Irak gegen unsere Soldaten nicht", Interview mit dem Bundesverteidigungsminister, Welt am Sonntag, 19.5.2003, www.wams.de/data/2003/05/18/97820.html

[16] Severin Weiland, Nichts sehen, nichts wissen, nichts sagen, Spiegel-Online, 24.3.2003, www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,241898,00.html

[17] Leyla Boulton, US to Reduce Troops at Airbase in Turkey, London Financial Times, 22.4.2003, S. 7.

[18] Luke Hill, NATO base cuts in new command revealed, Jane’s Defence Weekly, 11.6.2003, S. 3.

[19] Esther Schrader, U.S. Expedites Reshuffling of Europe Troops, Los Angeles Times, 1.5.2003; Luke Hill, US plan for bases no boon to "new" Europe, Jane’s Defence Weekly, 12.3.2003, S. 5.

[20] Jaroslav Polivka, Streit um USA-Stützpunkte, Neues Deutschland, 12.5.2003, www.nd-online.de/artprint.asp?AID=35260&IDC=2&DB=

[21] ebd.

[22] N.N., US-Militär bereitet Abzug von Truppen aus Deutschland vor, Spiegel-Online, 4.6.2003, www.spiegel-de/politik/deutschland/0,1518,251484,00.html

[23] René Heilig, Spekulationen über Umzug von USA-Truppen, Neues Deutschland, 6.6.2003, www.nd-online.de/artprint.asp?AID=36519&IDC=2&DB= ; Carlos Yárnoz, Nuevos amigos, nuevos aliados, nuevas bases, El País, 16.3.2003, S. 12.

[24] Hannes Hofbauer, "Trojanischer Esel" der NATO, Neues Deutschland, 23.5.2003, www.nd-online.de/artprint.asp?AID=35856IDC=2&DB=

[25] David Morris, Questionable Overseas Military Bases Up For Pentagon Review, National Journal’s Congress Daily, 30.4.2003.

[26] Leyla Boulton, US to Reduce Troops at Airbase in Turkey, London Financial Times, 22.4.2003, S. 7.

[27] Robert Schlesinger, US remaking look, locations of bases abroad, Boston Globe, 7.7.2003, www.globalsecurity.org/org/news/2003/030707-us-bases01.htm

[28] Sidney E. Dean, Wie lange ist "vorrübergehend"?, Europäische Sicherheit, 6/2002, S. 22-24.

[29] Will Dunham, Saudi Move Part of Broader U.S. Military Realignment, Reuters, 30.4.2003.

[30] Kim Burger, US moves towards more flexible global basing, Jane’s Defence Weekly, 7.5.2003, S. 2.

[31] Robert Karniol, Seoul, US to realign basing of troops, Jane’s Defence Weekly, 11.6.2003, S. 4.

[32] Mark Landler, Philippines Offers U.S. Its Troops and Bases, New York Times, 3.10.2001.

[33] Esther Schrader, U.S. Expedites Reshuffing of Europe Troops, Los Angeles Times, 1.5.2003.

[34] Kim Burger, US moves towards more flexible global basing, Jane’s Defence Weekly, 7.5.2003, S. 2.