Türkischer Panzer Altay – Verzögerung mangels Technologie
von Otfried Nassauer
Wenn Politiker befreundeten Unternehmern einen staatlichen
Milliardenauftrag zuzuschanzen wollen, lassen sie gerne fünf grade
sein und wollen sogar unglaubliche Versprechungen glauben. Als der
türkische Präsident Erdogan vor einem Jahr, im November
2018, seinem AKP-Vorstandskollegen Etem Sancak, einem
Miteigentümer der türkisch-katarischen Firma BMC, den Auftrag
zuschob, den künftigen Kampfpanzer Altay in Serie zu produzieren
und dafür auch einen Motor zu enwickeln, durfte es keine Rolle
spielen, dass die Prototypen dieses Panzers von einer anderen Firma,
Otokar, entwickelt und gebaut worden waren. Es spielte auch keine
Rolle, dass der AKP-Kollege kaum glaubliche Dinge versprach. Binnen 18 Monaten
wollte BMC die Panzer einer Tranche von 40 Panzern an die
türkischen Streitkräfte ausliefern – mit einem
MTU-Motor, dessen Zulieferung noch nicht zugesichert war. Offenbar ein
Ding der Unmöglichkeit, denn auch das geplante neue Werk zum Bau
der Panzer war noch nicht einmal ansatzweise fertig.
Dass Lügen kurze Beine haben, wurde nur elf Monate später erkennbar. Im Oktober 2019 sprach BMC-Chef Sancak
plötzlich davon, dass die türkischen Streitkräfte die
ihre ersten neuen Panzer erst zwei Jahre später bekommen werde.
Vier Wochen später, also ein Jahr nach dem ersten vollmundigen
Versprechen, erklärten auch türkische Offizielle:
Der Zugang zu erforderlicher Technologie mache es unmöglich, das
äußerst ambitionierte zeitliche Ziel einzuhalten. Die
Lieferung entscheidender technologischer Komponenten, namentlich
eines geeigneten Motors und eines passenden Getriebes sei nicht
rechtzeitig zu gewährleisten.
Dass es gar nicht so einfach ist, die im Leopard 2 und in der
Exportversion des Leclerc-Panzers genutzten Antriebslösung,
bestehend aus einem MTU-Motor und einem Renk-Getriebe, durch eine
nationale Entwicklung zu ersetzen, hätte die Türkei
problemlos in Südkorea in Erfahrung bringen können. Dort hat
Ankara seit 2008 in großem Umfang Technologie für seinen
neuen Altay-Panzer eingekauft. Südkorea hatte das erste 100
Exemplare starke Los seiner Kampfpanzer K2 (Black Panther), das den
Streitkräften bis 2013 zulief, mangels nationaler Alternativen mit
MTU-Motoren und Getrieben von Renk (HSWL 295) ausgestattet. Seoul
plante, das 2. Los mit einen mit einem eigenen 1500 PS starken
Dieselmotor und einem auf nationalen Technologierechten beruhenden
Getriebe von S&T Dynamics auszustatten. Das allerdings klappte nur
teilweise und mit deutlicher Verzögerung. Obwohl die Beschaffung
des zweiten Loses des um mehrere Jahre nach hinten verschoben wurde, entschied man sich 2018,
erneut auf deutsche Technik zurückzugreifen. Zwar gab es
inzwischen einen Motor aus nationaler südkoreanischer Produktion,
aber immer noch kein verlässlich funktionierendes Getriebe. Die
südkoreanische Eigenentwicklung war auch beim sechsten Versuch
durchgefallen, die geforderte Dauerbelastbarkeit nachzuweisen. Also
entschied sich das Seouler Verteidigungsministerium, weitere 106
Kampfpanzer mit Getrieben von Renk auszurüsten, um die
Serienproduktion des K2 nicht stilllegen zu müssen. Bis 2021
laufen also jetzt weitere K2 mit deutschem Getriebe zu.
Der Türkei droht nun ein ähnliches Dilemma. Sie ist
in Deutschland, Österreich und der Ukraine aus unterschiedlichen
Gründen mit dem Versuch gescheitert, einen industriellen Partner
für den Bau eines eigenen Motors zu finden, den die Türkei
frei und ohne Auflagen nutzen und exportieren könnte. Im Blick auf
die Beschaffung der Technologie für ein passendes Getriebe
herrscht sogar noch völliges Schweigen im Walde.
Der nationale türkische Kampfpanzer Altay wird also
mangels Verfügbarkeit wichtiger Komponenten noch einige Jahre auf
sich warten lassen. Vielleicht sogar länger als für die
Entwicklung nationaler Komponenten mit Hilfe ausländischer
Technologiegeber normalerweise nötig. Durch ihre
militärischen Interventionen in Nordsyrien hat sich die Regierung
Erdogan den Import der nötigten Technologien sicher nicht leichter
gemacht.
Der bei Exportvorhaben in umstrittene
Empfängerländer sonst wenig zimperliche deutsche Konzern
Rheinmetall, der ursprünglich für die Technologiehilfe beim
türkischen Panzerbau bereitstehen wollte, hat sich jedenfalls aus
dem schon gegründeten industriellen Gemeinschaftsstrukturen mit
BMC inzwischen wieder zurückgezogen. Der deutsche Motorenlieferant
MTU hat sich, obwohl in der Türkei schon lange aktiv, gar nicht
erst auf ein solches Unterfangen eingelassen. Für Renk, die
Spezialfirma für den Bau solcher Getriebe, gilt offenbar
ähnliches. Das Prestigeprojekt „Altay“ steht damit
vorläufig vor einer ungewissen Zukunft und nur schwer
kalkulierbaren Kosten.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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