Originalbeitrag
20. November 2019


Türkischer Panzer Altay – Verzögerung mangels Technologie

von Otfried Nassauer


Wenn Politiker befreundeten Unternehmern einen staatlichen Milliardenauftrag zuzuschanzen wollen, lassen sie gerne fünf grade sein und wollen sogar unglaubliche Versprechungen glauben. Als der türkische Präsident Erdogan vor einem Jahr, im November 2018,  seinem AKP-Vorstandskollegen Etem Sancak, einem Miteigentümer der türkisch-katarischen Firma BMC, den Auftrag zuschob, den künftigen Kampfpanzer Altay in Serie zu produzieren und dafür auch einen Motor zu enwickeln, durfte es keine Rolle spielen, dass die Prototypen dieses Panzers von einer anderen Firma, Otokar, entwickelt und gebaut worden waren. Es spielte auch keine Rolle, dass der AKP-Kollege kaum glaubliche Dinge versprach. Binnen 18 Monaten wollte BMC die Panzer einer Tranche von 40 Panzern an die türkischen Streitkräfte ausliefern – mit einem MTU-Motor, dessen Zulieferung noch nicht zugesichert war. Offenbar ein Ding der Unmöglichkeit, denn auch das geplante neue Werk zum Bau der Panzer war noch nicht einmal ansatzweise fertig. 

Dass Lügen kurze Beine haben, wurde nur elf Monate später erkennbar. Im Oktober 2019 sprach BMC-Chef Sancak plötzlich davon, dass die türkischen Streitkräfte die ihre ersten neuen Panzer erst zwei Jahre später bekommen werde. Vier Wochen später, also ein Jahr nach dem ersten vollmundigen Versprechen, erklärten auch türkische Offizielle: Der Zugang zu erforderlicher Technologie mache es unmöglich, das äußerst ambitionierte zeitliche Ziel einzuhalten.  Die Lieferung  entscheidender technologischer Komponenten, namentlich eines geeigneten Motors und eines  passenden Getriebes sei nicht rechtzeitig zu gewährleisten. 

Dass es gar nicht so einfach ist, die im Leopard 2 und in der Exportversion des Leclerc-Panzers genutzten Antriebslösung, bestehend aus einem MTU-Motor und einem Renk-Getriebe, durch eine nationale Entwicklung zu ersetzen, hätte die Türkei problemlos in Südkorea in Erfahrung bringen können. Dort hat Ankara seit 2008 in großem Umfang Technologie für seinen neuen Altay-Panzer eingekauft. Südkorea hatte das erste 100 Exemplare starke Los seiner Kampfpanzer K2 (Black Panther), das den Streitkräften bis 2013 zulief, mangels nationaler Alternativen mit MTU-Motoren  und Getrieben von Renk (HSWL 295) ausgestattet. Seoul plante, das 2. Los mit einen mit einem eigenen 1500 PS starken Dieselmotor und einem auf nationalen Technologierechten beruhenden Getriebe von S&T Dynamics auszustatten. Das allerdings klappte nur teilweise und mit deutlicher Verzögerung. Obwohl die Beschaffung des zweiten Loses des um mehrere Jahre nach hinten verschoben wurde, entschied man sich 2018, erneut auf deutsche Technik zurückzugreifen. Zwar gab es inzwischen einen Motor aus nationaler südkoreanischer Produktion, aber immer noch kein verlässlich funktionierendes Getriebe. Die südkoreanische Eigenentwicklung war auch beim sechsten Versuch durchgefallen, die geforderte Dauerbelastbarkeit nachzuweisen. Also entschied sich das Seouler Verteidigungsministerium, weitere 106 Kampfpanzer mit Getrieben von Renk auszurüsten, um die Serienproduktion des K2 nicht stilllegen zu müssen. Bis 2021 laufen also jetzt weitere K2 mit deutschem Getriebe zu.

Der Türkei droht nun ein ähnliches Dilemma. Sie ist in Deutschland, Österreich und der Ukraine aus unterschiedlichen Gründen mit dem Versuch gescheitert, einen industriellen Partner für den Bau eines eigenen Motors zu finden, den die Türkei frei und ohne Auflagen nutzen und exportieren könnte. Im Blick auf die Beschaffung der Technologie für ein passendes Getriebe herrscht sogar noch völliges Schweigen im Walde. 

Der nationale türkische Kampfpanzer Altay wird also mangels Verfügbarkeit wichtiger Komponenten noch einige Jahre auf sich warten lassen. Vielleicht sogar länger als für die Entwicklung nationaler Komponenten mit Hilfe ausländischer Technologiegeber normalerweise nötig. Durch ihre militärischen Interventionen in Nordsyrien hat sich die Regierung Erdogan den Import der nötigten Technologien sicher nicht leichter gemacht. 

Der bei Exportvorhaben in umstrittene Empfängerländer sonst wenig zimperliche deutsche Konzern Rheinmetall, der ursprünglich für die Technologiehilfe beim türkischen Panzerbau bereitstehen wollte, hat sich jedenfalls aus dem schon gegründeten industriellen Gemeinschaftsstrukturen mit BMC inzwischen wieder zurückgezogen. Der deutsche Motorenlieferant MTU hat sich, obwohl in der Türkei schon lange aktiv, gar nicht erst auf ein solches Unterfangen eingelassen. Für Renk, die Spezialfirma für den Bau solcher Getriebe, gilt offenbar ähnliches. Das Prestigeprojekt „Altay“ steht damit vorläufig vor  einer ungewissen Zukunft und nur schwer kalkulierbaren Kosten.


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS