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10. August 2013


Saudi Arabien goes NATO

von Otfried Nassauer


Mit Saudi Arabien hat Ende 2012 erstmals ein arabisches Land einen Sitz in einer NATO-Agentur erhalten. Das geht aus einer Mitteilung der Eurofighter GmbH hervor. Als guter Kunde europäischer Kampfflugzeuge erhielt das autokratisch regierte Königreich einen Sitz im Gemeinsamen Lenkungsausschuss (Joint Steering Committee) der NETMA, der NATO Eurofighter and Tornado Management Agency mit Sitz in Unterhaching bei München. Diese zwischenstaatliche Agentur schließt für die Nutzerstaaten der Kampfflugzeuge alle Entwicklungs-, Produktions- und Logistikverträge mit der Industrie und legt zum Beispiel fest, welche Komponenten wann neu in die Flugzeuge integriert werden sollen.

Für Saudi Arabien bedeutet die Mitarbeit in der NETMA deutlich größere Mitspracherechte. So will der Golfstaat durchsetzen, dass der Integration des französischen Laserzielbeleuchtungspods „Damocles“ Priorität eingeräumt wird und ist scheinbar bereit, die Kosten dafür zu tragen. Während alle europäischen Nutzerstaaten für diese Aufgabe den israelischen Pod Lightning III nutzen wollen, muss Saudi Arabien aufgrund des arabischen Boykotts israelischer Güter auf einer andere Lösung zurückgreifen. Um den Eurofighter auch als Jagdbomber mit Präzisionswaffen gegen Bodenziele einsetzen zu können, ist ein solcher Pod unerlässlich. Saudi Arabien ist zudem daran interessiert, dass der Eurofighter möglichst bald eine weitreichenden Marschflugkörper einsetzen kann. Die Wahl fiel auf einen Flugkörper von MBDA. Der heißt „Storm Shadow“ und hat eine Reichweite von mehr als 250 Kilometern.

Die Herstellernationen von Eurofighter und Tornado erhoffen sich von der saudischen Mitarbeit in der NETMA einen weiteren zahlungskräftigen Partner und verbesserte Chancen auf weitere Kampfflugzeugexporte in die Golfregion. Bislang hat Saudi Arabien 72 Tornado-Flugzeuge und 28 Eurofighter erhalten. Weitere 44 Eurofighter sind fest bestellt und werden derzeit in europäischer Kooperation produziert. Die Industrie hofft, künftig bis zu 72 weitere Kampfflugzeuge an Saudi-Arabien verkaufen zu können. Auch bezüglich der Weiterentwicklung des Eurofighters hat man Interesse an dem zahlungskräftigen Ölstaat. Zum einen stehen die europäischen Eurofighter-Nutzer im kommenden Jahr vor der Entscheidung, ob die ursprünglich angedachte Tranche 3B im Umfang von weiteren 124 Luftfahrzeugen noch bestellt werden soll, obwohl damit milliardenschwere Zusatzkosten verbunden wären. Zwei Länder, Italien und Spanien, wollen davon bereits ganz oder weitegehend Abstand nehmen. Zum anderen muss bald über ein weiteres Milliardenprojekt im Zusammenhang mit dem Eurofighter entschieden werden: Die abschließende Entwicklung und Integration eines neuen AESA-Radars, das die gleichzeitige Auffassung, Verfolgung und Bekämpfung von Luft- und Bodenzielen erlauben würde. Da sich das Fehlen eines solchen Radars als Nachteil bei Exportbemühungen erwiesen hat, besteht an diesem Projekt ein besonderes Interesse. Eine finanzielle Beteiligung Saudi Arabiens könnte sowohl die Entscheidung für die Tranche 3B als auch für das neue Radar erleichtern.

Die Mitgliedschaft Saudi Arabiens in der NETMA ist jedoch vor allem ein deutliches politisches Signal, dass die NATO-Mitglieder ordnungspolitisch weiter auf eine stabilisierende Wirkung konservativer Autokratien in der arabischen Welt setzen. Trotz erheblicher öffentlicher Proteste angesichts der schlechten Menschenrechtslage in diesen Ländern überwiegen ihre Interessen an milliardenschweren Rüstungsexporten. Auch wenn Großbritannien die treibende Kraft hinter der Aufnahme Saudi-Arabiens in die NETMA gewesen sein dürfte, spielt dieser Schritt der Politik einer Bundesregierung in die Hände, die im Rahmen ihrer „Merkel-Doktrin“ regionale Partner durch Rüstungsexporte und eine erweiterte sicherheitspolitische Zusammenarbeit stärken und ordnungspolitisch befähigen will.

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS