Nachrichten aus Drehtür und Nebel - Saudi-Arabien greift nach Südafrikas Rüstungstechnik
von Otfried Nassauer
Dr. Andreas Schwer ist ein erfahrener Rüstungsmanager.
Erste Sporen verdiente er sich beim deutsch-französischen Luft-
und Raumfahrtkonzern Airbus. Später ging er zu Rheinmetall,
leitete dort den Geschäftsbereich für Kampffahrzeuge und das
internationale Geschäft. Schließlich betrat er erneut die
Drehtür, um Ende 2017 Vorstandsvorsitzender von SAMI, der Saudi
Arabian Military Industries, zu werden. Das ist eine 2017
gegründete staatliche Holding, die bis 2030 dazu beitragen soll,
dass das sunnitische Königreich seinen Rüstungshaushalt
verstärkt im eigenen Lande bleibt. Die Hälfte aller
Beschaffungsausgaben sollen dann bei der saudischen
Rüstungsindustrie ausgegeben werden. Heute sind es nur zwei
Prozent. SAMI soll bis dahin zu einer der 25 größten
Rüstungsfirmen der Welt aufsteigen. So fordert es der neue starke
Mann im Königreich, Mohammed bin Salman, Kronprinz und zugleich
Verteidigungsminister, in der "Vision 2030".(S.48ff) MbS, so der
Spitzname, will, dass Saudi-Arabien unabhängiger von Lieferungen
aus dem Ausland wird und sich selbst mit vielen
Rüstungsgütern versorgen kann. Um dieses Ziel zu erreichen,
nimmt Saudi-Arabien viel Geld in die Hand, das SAMI unter Führung
von Andreas Schwer investieren darf, um Gemeinschafsfirmen,
Beteiligungen und Technologie zu erwerben und eigene Entwicklungs- und
Produktionsstätten zu errichten.
Derzeit ist SAMI in vier Geschäftsbereiche gegliedert:
Luftfahrtsysteme, Landsysteme, Verteidigungselektronik und den Sektor
Waffe & Munition. Hinzu kommen Gemeinschaftsfirmen z.B. für
die Wartung von Flugzeugen und Hubschraubern mit Boeing und für
den Bau von Korvetten mit dem spanischen Marinekonzern Navantia.
Ein besonderes Augenmerk gilt in Saudi-Arabien offenbar den Beziehungen
zu Südafrika. Bei einem Besuch des neuen südafrikanischen
Präsidenten Cyril Ramaphosa in Saudi-Arabien im Juli signalisierte
die saudische Seite ihre Bereitschaft bis zu 10 Mrd. Dollar im
kriselnden Südafrika zu investieren. Ende November gab es ein
weiteres Treffen am Rande des G20-Gipfels in Argentinien.
Neben einer verstärkten Zusammenarbeit im Energiesektor gilt
offenbar der rüstungsindustriellen Kooperation ein besonderes
Augenmerk. Bereits während des Besuchs von Ramaphosa im Juli wurde
eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich
unterzeichnet. Im September 2018 beteiligte sich SAMI an der
Afrikanischen Luftfahrt- und Verteidigungsmesse (AAD2018) in
Südafrika. SAMI wolle eine Zusammenarbeit zum gegenseitigen
Nutzen, so Schwer damals: "Wir wollen in Südafrikas
Rüstungsindustrie investieren und mithelfen, um
Entwicklungsprojekte zu finanzieren, die aufgrund von Geldmangel
stecken geblieben sind. Wir wollen sowohl die Entwicklung als auch die
Herstellung in beiden Ländern anstreben und nicht nur Technologie
aus Südafrika nach Saudi-Arabien transferieren. Dieses Vorgehen
nutzt beiden Ländern." Der Idee sei es, "gemeinsam
Technologierechte zu entwickeln und den Rüstungsmarkt in
Saudi-Arabien für südafrikanische Firmen zu öffnen", so
Schwer.
Inzwischen hat SAMI Südafrika offenbar erste, konkretere Angebote
gemacht. Die saudische Holding will nach Medienberichten bis zu einer
Milliarde Dollar in den staatlichen südafrikanischen
Rüstungskonzern Denel investieren, der in erheblichen finanziellen
Schwierigkeiten steckt. Zum Kern des Angebots zählt offenbar eine
Beteiligung von SAMI an der deutsch-südafrikanischen
Gemeinschafsfirma Rheinmetall Denel Muntion. Das ist das derzeit
wirtschaftlich erfolgreichste Unternehmen, an dem Denel einen Anteil
von 49 Prozent hält und der operativ von dem deutschen
Rüstungskonzern Rheinmetall AG geführt wird.
Der Griff nach dem südafrikanischen Anteil an RDM wirkt auf den
ersten Blick verlockend. Schwer kennt die Firma aus seiner Zeit bei
Rheinmetall gut. Er weiß, dass RDM Gewinn macht, eine exzellente
operative Marge aufweist und Aufträge abarbeitet, die
sicherstellen, dass dies auch in den nächsten Jahren so bleibt.
Große Aufträge aus den Vereinigten Arabischen Emiraten,
Saudi Arabien und auch Katar spielen dabei eine wesentliche Rolle.
Für Denel ist der Anteil an RDM eine wichtige Einnahmequelle, ohne
die es um den südafrikanischen Konzern noch deutlich schlechter
stünde als derzeit erkennbar. Schwer weiß auch, dass RDM
über viele technologische Eigenentwicklungen und intellektuellen
Eigentumsrechte, sogenannte IPRs, verfügt. RDM kann Munition und
Munitionsbestandteile aus Südafrika in alle Welt exportieren ohne
Genehmigungen aus Deutschland zu benötigen. Saudi-Arabien ist
für RDM einer der wichtigsten Kunden, weil das Königreich am
Golf von RDM zwischen 2012 und 2016 eine Munitionsfabrik geliefert
bekam, deren Betrieb in den kommenden Jahren umfangreiche Zulieferungen
und technische Unterstützung aus Südafrika erfordert.
Schließlich weiß Schwer auch, dass RDM in der Lage ist,
eigene Munitionsfamilien zu entwickeln, also neue Technologierechte zu
schaffen.
Für SAMI wäre RDM also ein interessanter Partner, mit dem man
gemeinsam neue Projekte entwickeln, Technologierechte schaffen und
Fachpersonal ausbilden kann. RDM tut all dies bereits in
Südafrika, hat entsprechende Strukturen aufgebaut. In
Saudi-Arabien dagegen muss diese erst entstehen, allein schon, um die
Munitionsfabrik in Al-Kharij auf Dauer erfolgreich betreiben zu
können und eine größere Unabhängigkeit von
ausländischen Lieferungen zu erreichen. Schließlich kommt
noch hinzu, dass Andreas Schwer auch den Geschäftsführer von
RDM, Norbert Schulze, aus der Zusammenarbeit bei Rheinmetall seit
Jahren kennt.
An dieser vorteilhaften Einschätzung dürfte auch der schwere
Explosionsunfall nichts geändert haben, der im September acht
Mitarbeiter von RDM das Leben gekostet und ein wichtiges
Produktionsgebäude komplett zerstört hat. Dieser hat zwar
dazu geführt, dass RDM in der zweiten Jahreshälfte 2018
Aufträge im geschätzten Wert von 30 Mio. € nicht
abarbeiten konnte. Vielleicht aber kommt der Unfall dem Vorhaben und
Angebot Schwer's sogar entgegen, weil die Folgen des Unglücks das
wirtschaftliche Ergebnis von RDM auf mittlere Sicht belasten
könnten, wenn es Rheinmetall nicht gelingt, rasch geeignete
Ersatzlieferungen für die zerstörte Produktion zu
organisieren.
Anders dürfte die Lage bei Denel eingeschätzt werden. Denel
steckt zwar schon länger in einer tiefen Krise und hat erhebliche
Probleme, genug Betriebskapital selbst für Gewinn versprechende
Entwicklungen und Aufträge aufzutreiben. Mittlerweile wurden
jedoch große Teile des der Regierung Zuma verpflichteten
Managements und des Aufsichtsrates ausgetauscht. Die neue Führung
macht sich mit den ererbten Problemen vertraut, hat erste Schritte zu
Verbesserung der Lage unternommen und hofft vor allem auf finanzielle
Unterstützung seitens des Eigentümers, also des
südafrikanischen Staates.
Das Angebot von SAMI in Südafrika zu investieren erscheint also
einerseits vielleicht verlockend, andererseits aber auch wahrscheinlich
als ein Tropfen auf den heißen Stein, weil eine
erfolgversprechende Restrukturierung von Denel vermutlich deutlich
teurer würde. Zudem interessiert sich SAMI scheinbar vorrangig
für einige Rosinen aus dem Kuchen von Denel. Es bietet an, die
Denel-Anteile von RDM zu übernehmen und eine
Grundauslastungsgarantie durch Exporte nach Saudi-Arabien geben. Zudem
will es angeblich dabei zu helfen, erfolgversprechende
Flugkörperprojekte beschleunigt voranzutreiben, die bei Denel
Dynamics angesiedelt sind. Hier geht es um Luftverteidigungsraketen,
Luft-Boden-Flugkörper und Anbausätze, mit denen aus
freifallenden Standard-Bomben Präzisionswaffen gemacht werden
können.
Rheinmetall wollte sich zu der Möglichkeit, bei RDM künftig
mit einem neuen Miteigentümer konfrontiert zu sein, zunächst
nicht äußern. Dies sei eine Angelegenheit des
südafrikanische Staates. Zugleich dürfte es aber auch noch
eine weitere wichtige Ursache für diplomatische Zurückhaltung
geben. 2018 ist das mit Saudi-Arabien im Konflikt liegende Katar in den
Kreis der wirtschaftlich wichtigen Kunden von RDM aufgerückt.
Während RDM bislang lediglich einen vergleichsweise kleinen, aber
lukrativen Unterauftrag zur Lieferung von 155mm-Artilleriegeschossen im
Kontext des deutsch-katarischen Geschäfts über die
Panzerhaubitze 2000 verbuchen konnte, war man 2018 bei gleich zwei
größeren Geschäften wahrscheinlich mit von der Partie.
Zum einen vermeldete die Rheinmetall AG den Eingang einen über
dreieinhalb Jahre laufenden Großauftrag über Artillerie- und
Panzermunition im Wert von rund 380 Mio. € aus der MENA-Region,
der aus Katar gekommen sein dürfte, das neben den Haubitzen auch
Leopard-Panzer gekauft hat. Zum anderen haben Rheinmetall und die
katarische Holding Barzan, die ähnliche Aufgaben erfüllt wie
SAMI in Saudi-Arabien, im Frühjahr 2018 die Gründung eines
Joint Venture namens RBAT, Rheinmetall Barzan Advanced Technologies,
bekannt gegeben. Das Joint Venture soll unter anderem eine umfassende
Zusammenarbeit im Munitionsbereich ermöglichen. RBAT soll eine
Munitionsfabrik in Katar aufbauen, in der Mittel- und
Großkalibermunition sowie Raketen und Bomben für die
Luftwaffe hergestellt werden können. Eine entsprechende
Vereinbarung zwischen dem katarischen Staat und RBAT wurde
unterzeichnet.[ 1 ]
Für Rheinmetall und die Katargeschäfte entsteht also eine
veränderte Ausgangslage, sollte Saudi Arabien nicht nur Kunde,
sondern auch Miteigentümer bei RDM werden und diese Rolle nutzen,
um auf die Geschäftsbeziehungen zwischen RDM und Doha Einfluss zu
nehmen. Beide, Rheinmetall und Katar, haben nach Angaben
südafrikanischer Medien zudem eigene Angebote für ein
stärkeres wirtschaftliches Engagement bei RDM bzw. Denel
vorgelegt. Die südafrikanischen Regierung hat auf diese bislang
nicht positiv reagiert. Man darf gespannt sein, ob das bei dem Angebot
von SAMI anders sein wird. Andreas Schwer hofft jedenfalls, schon Ende
dieses Jahres erste Vereinbarungen in Südafrika abschließen
zu können. Und für die südafrikanische Regierung, die
weiß, dass ein Großteil der Rüstungsexporte von Denel
schon heute mit Saudi-Arabien abgewickelt wird, dürfte dies die
Entscheidung noch kniffliger machen.
Fußnote:
[ 1 ] RBAT
unterzeichnete zudem eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit mit der in
der Türkei angesiedelten Firma BMC über die Zusammenarbeit im
Bereich gepanzerter Fahrzeuge. An BMC hält Katar einen
wesentlichen Anteil. Diese Firma wurde in der Türkei mit der
Serienproduktion des künftigen Kampfpanzers Altay und der
Entwicklung eines eigenständigen Motors für diesen Panzer
beauftragt. Für dieses Vorhaben wünscht die Türkei eine
technologische Zusammenarbeit mit Rheinmetall und zu diesem Zweck wurde
bereits 2016 ein Joint Venture mit dem Namen RBSS (Rheinmetall BMC
Savunma Sayaniy) in der Türkei gegründet, an dem zudem die
malayische Etika Strategi SDN BHD beteiligt ist. Damals bei Rheinmetall
zuständig für dieses Vorhaben: Dr. Andreas Schwer.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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