Türkische Luftbrücke für Munition aus Südafrika
von Otfried Nassauer
Seit Ende April hat die türkische Luftwaffe eine
Luftbrücke für dringliche Munitionslieferungen aus
Südafrika aufgebaut. Lieferant der Munition ist das
deutsch-südafrikanische Joint Venture Rheinmetall Denel Munition
(RDM), das mehrheitlich der Rheinmetall AG in Düsseldorf
gehört.
Die türkische Luftwaffe nutzt dafür Transportflugzeuge
vom Typ A400M aus dem Hause Airbus. Ihr stehen bislang neun von zehn
bestellten Flugzeuge dieses Typs zur Verfügung. Im Abstand von
zwei Tagen fliegen derzeit jeweils zwei dieser Maschinen auf
unterschiedlichen Wegen aus der Türkei nach Kapstadt und holen vom
dortigen internationalen Flughafen die Lieferung ab. Ihre Ladung wird
– gut verpackt in stabilen Holzkisten – per LKW aus dem
nahen RDM-Werk in Somerset West angeliefert. Die
Explosivstoff-Transporte zum wenige Kilometer entfernten Flughafen
sichert das südafrikanische Militär ab.
Die Flüge waren aufgrund des corona-bedingt
ausgedünnten Flugverkehrs besonders gut zu beobachten. Die ersten
Transportflugzeuge erreichten Kapstadt am 30.April, zwei weitere
folgten am 2. Mai. Heute waren erneut zwei türkische Maschinen in
Kapstadt zu Besuch. Ob und wieviele weitere Flüge noch folgen, ist
ungewiss. Das erste Flugzeug nutzte die Türkei für eine
kleine, humanitäre Public Relations Mission. Es brachte auch
medizinische Hilfsgüter nach Südafrika mit, u.a. 100.000
Gesichtsmasken für Operationen, 100 Masken nach N95-Standard, 500
Schutzanzüge und 500 medizinische Schutzbrillen.
Doch der eigentliche Grund der weiten Reise war alles andere als
humanitär. Die Türkei hat in Südafrika Munition oder
explosive Stoffe für Munition bestellt. Für RDM ist dieser
Auftrag von großer Bedeutung, denn er füllt bei RDM eine
Lücke im Auftragsbuch. Seit Mai 2019 bekommt die Firma keine
südafrikanischen Ausfuhrgenehmigungen mehr für zwei ihrer
wichtigsten Kunden: Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen
Emirate. Diese weigern sich, eine Endverbleibserklärung zu
unterschreiben, die Südafrika das Recht geben würde, den
Verbleib ihrer Lieferungen im Empfängerland nachträglich und
vor Ort zu überprüfen. Saudi-Arabien und die VAE spielen
jedoch eine zentrale Rolle im Jemenkrieg und Munition ist beides,
Verbrauchsgut und so etwas wie ein Grundnahrungsmittel eines Krieges.
Die Emirate engagieren sich zudem im libyschen Bürgerkrieg auf
Seiten des Rebellengenerals Haftar. In beiden Konflikten sind bereits
südafrikanische Munition von RDM aufgetaucht.
Eigentlich sollten die Lieferungen an Ankara schon im März
beginnen. Dann aber kamen CoVid-19 und der Shutdown dazwischen
und erschwerten die Transportplanung. Doch Ankara hatte es offenbar so
eilig an die Lieferung aus Südafrika zu kommen, dass man
sich für eine ebenso unwirtschaftliche wie schnelle Lieferung
entschied. Statt einen Schiffstransport zu planen, entschied man sich
zur Organisation einer Luftbrücke.
Der A400M ist für den weiten Weg nach Südafrika nicht gerade
ideal. Zwar kann das Flugzeug leer die mehr als 8.300 Kilometer lange Strecke
non-stop überbrücken, muss dafür aber alle
Überfluggenehmigungen für die Nutzung des direkten Weges
haben. Für potentiell notwendige Umwege bleibt dann nur noch eine
kleine Reserve. Für Non-Stop-Flüge mit Munition aus
Südafrika an Bord zurück in die Türkei ist der Weg aber
deutlich zu weit. Weder mit einer maximalen Zuladung von 37 Tonnen noch
mit einer Zuladung von nur 20 Tonnen wäre die Reichweite
ausreichend. Zumindest eine Zwischenlandung zum Tanken ist also
nötig. Auch diese erfordern eine Genehmigung.
Zusätzliche Flüge mit kleinerer Ladung steigern aber
die Kosten. Was kann so dringlich sein, dass ein solcher Aufwand
gerechtfertigt ist? Übungsmunition für Ausbildungszwecke wie
die türkische Botschafterin, Elif Ülgen, den Großteil
der türkischen Bestellung gegenüber der südafrikanischen
Zeitung Daily Maverick beschrieb, wohl eher nicht. Verständlicher
wäre die Eile dagegen, wenn den türkischen Streitkräften
drohen würde, dass wichtige Einsatzmunition nicht mehr
verfügbar wäre oder in der Türkei nicht mehr produziert
werden könnte, weil Zulieferungen fehlen. Schließlich
führt auch die Türkei derzeit zwei Kriege – im Norden
Syriens und in Libyen.
In der Türkei landen die Transporte aus Südafrika scheinbar
auf dem militärischen Flugplatz von Etimesgut in Ankara. Von dort
ist es nicht weit nach Kirikale, einer Stadt, in der der türkische
Rüstungskonzern MKE wichtige Werke zur Munitionsherstellung
betreibt. MKE erwähnte die auch die türkische Botschafterin
in Südafrika als Empfänger. Sie sprach davon, die
Zusammenarbeit mit RDM habe vor zwei Jahren begonnen. Die Auslieferung
begann wohl erst jetzt.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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