Originalbeitrag
29. Juli 2016


Gefährliche Menetekel-Malerei

von Otfried Nassauer

Russlands frühere Verbündete, die „Satelliten“ Moskaus aus dem Kalten Krieg, sind heute  schärfste Kritiker Russlands. Seit sie in der NATO sind, werden sie nicht müde, die Bedrohung durch Russland als Menetekel an die Wand zu malen. Sicherheit soll in Europa vor Moskau geschaffen werden, nicht mit Russland, so ihre Devise. Deshalb gilt für sie immer wieder: Soviel militärische Abschreckung wie möglich, Dialog mit Moskau nur dann, wenn unvermeidlich. Ein Mitspracherecht Moskaus in Fragen europäischer Sicherheit? Keineswegs, das wäre ja ein Eingriff in ihre Souveränitat. Rüstungskontrolle oder Rücksichtnahme der NATO in militärischen Belangen? Keinesfalls. Dann wäre ja an der Bündnistreue jener NATO-Staaten zweifeln, die Rüstungskontrolle befürworten, wenn es denn zum Schwur kollektiver Verteidigung käme.

Der Warschauer NATO–Gipfel und sein Umfeld machte die entstehenden Dilemmata deutlich: Manöver folgte auf Manöver, die NATO musste sich auf die permanente Stationierung rotierender Truppenteile einlassen. Und immer wieder die Forderung nach mehr: Aufkündigung der Zusagen aus der NATO-Russland-Akte oder gar die Stationierung nuklearer Waffen in den neuen Mitgliedstaaten.

Seit Moskau nach einer langen Geschichte der Enttäuschung (1991-2007) die Hoffnung aufgegeben hat, seine Interessen in Absprache mit USA, NATO und EU wahren zu können und in der Georgienkrise 2008 und der Ukrainekrise 2014 seine Interessen wieder einseitig und auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen, bietet es immer häufiger Anlass, die o.g. Argumente als bestätigt zu betrachten und zu schärfen.

Daraus resultiert die Kernfrage: Besteht die Gefahr, dass sich diese Argumente und die Bedrohungsperzeption in Mittelosteuropa zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung entwickeln?

Die nächsten Runden dieser Auseinandersetzung sind absehbar: Die Wiederaufstellung der 1.Gardearmee, der Bau der US-Raketenabwehrstation in Slupsk, eine permanente Stationierung von nuklearfähigen (nicht zwingend nuklear bewaffneten) Iskander-Raketen in Kaliningrad, die Modernisierung der US-Atomwaffen in Europa.

Als AM Steinmeier kürzlich vor weiterem Kriegsgeheul warnte, erinnerte er zugleich daran, dass im Kalten Krieg Abschreckung und Dialog seit dem Harmel-Bericht 1967 gleichgewichtige Seiten einer Medaille gewesen seien und warnte damit vor einem Rückfall in die Anfangsjahre des Kalten Kriegs. Es scheint als sei dies  keineswegs mehr eine absurde Entwicklungsrichtung.



ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS