Gefährliche Menetekel-Malerei
von Otfried Nassauer
Russlands frühere Verbündete, die
„Satelliten“ Moskaus aus dem Kalten Krieg, sind heute
schärfste Kritiker Russlands. Seit sie in der NATO sind, werden
sie nicht müde, die Bedrohung durch Russland als Menetekel an die
Wand zu malen. Sicherheit soll in Europa vor Moskau geschaffen werden,
nicht mit Russland, so ihre Devise. Deshalb gilt für sie immer
wieder: Soviel militärische Abschreckung wie möglich, Dialog
mit Moskau nur dann, wenn unvermeidlich. Ein Mitspracherecht Moskaus in
Fragen europäischer Sicherheit? Keineswegs, das wäre ja ein
Eingriff in ihre Souveränitat. Rüstungskontrolle oder
Rücksichtnahme der NATO in militärischen Belangen?
Keinesfalls. Dann wäre ja an der Bündnistreue jener
NATO-Staaten zweifeln, die Rüstungskontrolle befürworten,
wenn es denn zum Schwur kollektiver Verteidigung käme.
Der Warschauer NATO–Gipfel und sein Umfeld machte die
entstehenden Dilemmata deutlich: Manöver folgte auf Manöver,
die NATO musste sich auf die permanente Stationierung rotierender
Truppenteile einlassen. Und immer wieder die Forderung nach mehr:
Aufkündigung der Zusagen aus der NATO-Russland-Akte oder gar die
Stationierung nuklearer Waffen in den neuen Mitgliedstaaten.
Seit Moskau nach einer langen Geschichte der Enttäuschung
(1991-2007) die Hoffnung aufgegeben hat, seine Interessen in Absprache
mit USA, NATO und EU wahren zu können und in der Georgienkrise
2008 und der Ukrainekrise 2014 seine Interessen wieder einseitig und
auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen, bietet es immer
häufiger Anlass, die o.g. Argumente als bestätigt zu
betrachten und zu schärfen.
Daraus resultiert die Kernfrage: Besteht die Gefahr, dass sich diese
Argumente und die Bedrohungsperzeption in Mittelosteuropa zu einer sich
selbst erfüllenden Prophezeiung entwickeln?
Die nächsten Runden dieser Auseinandersetzung sind absehbar: Die
Wiederaufstellung der 1.Gardearmee, der Bau der US-Raketenabwehrstation
in Slupsk, eine permanente Stationierung von nuklearfähigen (nicht
zwingend nuklear bewaffneten) Iskander-Raketen in Kaliningrad, die
Modernisierung der US-Atomwaffen in Europa.
Als AM Steinmeier kürzlich vor weiterem Kriegsgeheul warnte,
erinnerte er zugleich daran, dass im Kalten Krieg Abschreckung und
Dialog seit dem Harmel-Bericht 1967 gleichgewichtige Seiten einer
Medaille gewesen seien und warnte damit vor einem Rückfall in die
Anfangsjahre des Kalten Kriegs. Es scheint als sei dies
keineswegs mehr eine absurde Entwicklungsrichtung.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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