Rüstungsexport: Airbus kollidiert mit Gabriel
von Otfried Nassauer
Der Untergang des Abendlandes, genauer der deutschen
Rüstungsindustrie naht. Das jedenfalls glaubt offenbar der
wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU im Bundestag, Dr. Joachim
Pfeiffer, aus dem württembergischen Wahlkreis
Nürtingen. „German free“, frei von
deutschen Komponenten, würden künftig die
großen internationalen Rüstungsprojekte ablaufen,
weil die Partner im westlichen Ausland sich nicht mehr sicher sein
könnten, dass das deutsche Wirtschaftsministerium unter Sigmar
Gabriel den fest eingeplanten Export deutscher Komponenten genehmigen
werde. „Die deutsche Technologie würde
dann von solchen internationalen Projekten ausgeschlossen, weil die
Deutschen keine verlässlichen Verbündeten mehr
wären,“ orakelte Pfeiffer in der Aktuellen Stunde
des Bundestages am letzten Freitag.
Airbus Chef Thomas Enders gab Pfeiffer
anlässlich der
Internationalen Luftfahrtausstellung in Berlin indirekt, aber
zeitgleich Flankenschutz per Interview. „Mir macht die
zunehmend restriktive Rüstungsexportpolitik Deutschlands
Sorgen. Diese kann weitere Entlassungen über unsere bisherige
Planung hinaus auslösen“, drohte er.
„Letztlich könnte es sein, dass wir uns
überlegen müssen, ganze Produktionslinien oder
Standorte in Deutschland zu schließen oder ins Ausland zu
verlegen,“ so Enders gegenüber der
Nachrichtenagentur Reuters.
Was war geschehen? Das Wirtschaftsministerium unter
Sigmar Gabriel
hatte der Verteidigungssparte des Airbus-Konzerns signalisiert, derzeit
sei nicht mit einer Genehmigung für den beabsichtigten Export
von Zielerfassungssystemen nach Kanada zu rechnen, weil diese Systeme
– eingebaut in einen Radpanzer – letztlich nach
Saudi Arabien exportiert werden sollen. Unklar ist, ob Airbus das
Signal schriftlich erhielt oder ob die Ministerialen den Konzern nur
informell in Kenntnis setzten, dass ein solcher Antrag oder eine
Voranfrage kaum Aussicht auf Erfolg haben würde. Der zweite,
informelle Weg ist der wahrscheinlichere. In einem solchen Fall werden
von der Industrie meist keine förmlichen Voranfragen oder
Ausfuhranträge mehr gestellt, da man sich keine amtliche
Ablehnung einhandeln will. Ob Sigmar Gabriel persönlich in den
Vorgang involviert war oder seine Beamten dem Konzern lediglich
mitteilten, welche Entscheidung ihrer Meinung nach zu erwarten sei, ist
offen. Für Airbus aber war das bereits genug des Anlasses, um
den Minister und die von ihm verantwortete
Rüstungsexportpolitik frontal anzugreifen.
Aus Sicht der Konzernleitung ist das nachvollziehbar.
Sie
wünscht sich frühzeitige Planungssicherheit. Dazu
gehört auch Klarheit darüber, wie eine neue
Bundesregierung künftig mit
Rüstungsexportgenehmigungen umzugehen gedenkt. Airbus Defence
and Space Systems, die reorganisierte Wehrtechniksparte von Airbus,
steckt in einer Krise und baut europaweit derzeit weit mehr als 5.000
Arbeitsplätze ab. 2016 soll im Licht der Auftragslage
entschieden werden, wie es mit dem Arbeitsplatzabbau weitergeht. Der
Export von rund 2.000 modernen Zielerfassungssystemen für 500
Millionen durch die 2012 übernommene Tochter Zeiss Optronics
im württembergischen Oberkochen wäre zumindest
für diesen Konzernteil mit seinen insgesamt 700-800
Mitarbeitern ein willkommenes Entspannungssignal gewesen.
Die deutschen Zielerfassungssysteme sind für
einen
Radpanzer der kanadischen Tochter des U.S.
Rüstungskonzerns General Dynamics Land Systems (GDLS)
bestimmt. Der Panzer wird seit etlichen Jahren konzipiert und soll in
den kommenden zwei Jahren zuende entwickelt werden. Er fußt
auf einer erfolgreichen älteren Entwicklung der Schweizer
GDLS-Tochter MOWAG, dem Pirhana. In Kanada wurde dieses Basisfahrzeug
zum sogenannten Light Armoured Vehicle (LAV) weiterentwickelt, von dem
es auch bereits mehrere Generationen gibt. Aus dem LAV entstand zum
Beispiel der Stryker, den die US-Streitkräfte nutzen.
Für Saudi Arabien, das ebenfalls bereits ältere
Versionen in großer Stückzahl betreibt, entsteht
derzeit in internationaler Kooperation erneut eine erheblich
modernisierte Version. Zulieferungen sollen u.a. aus Kanada, den USA,
Belgien und Deutschland kommen.
Im Februar dieses Jahres schloss Kanada nach
mehrjährigen
Verhandlungen einen Regierungsvertrag mit dem saudischen
Königreich, der die Entwicklung, Lieferung und Wartung und
Versorgung einer ungenannten Zahl aber großen solcher
Fahrzeuge vorsieht. Der Vertrag läuft über 14 Jahre
und ist zehn oder sogar 13-14 Milliarden Dollar wert, wenn Saudi
Arabien alle enthaltenen Optionen nutzt. Kein Kleinkram also, sondern
ein industriepolitisch relevantes Geschäft. Das
größte, das Kanada bis dato abschließen
konnte. Die achträdrigen Fahrzeuge mit 105mm-Kanone sollen ab
2016 durch GDLS ausgeliefert werden.[ 1 ]
Radpanzer mit 105mm-Kanone zeichnen sich sind durch eine hohe
Beweglichkeit und eine im Vergleich zu schweren Kampfpanzern deutlich
besseren Nutzen in städtischem bzw. besiedelten Umfeld aus.
Für ihre Kanonen existieren Geschosse, die speziell dazu
geeignet sind, eine gegnerische Deckung wie zum Beispiel Mauern zu
durchschlagen und Weichziele, also zum Beispiel Infanteristen oder auch
oppositionelle Zivilisten, zu bekämpfen. Der Einsatz solcher
Panzer bei Konflikten im Inneren ist also ebenso denkbar wie ihre
Nutzung an den langen, teils unruhigen Außengrenzen Saudi
Arabiens. Deshalb regte sich in Kanada auch erheblicher Widerspruch und
Protest von Menschenrechtsgruppen als das Geschäft
öffentlich wurde. Die Menschenrechtslage im autoritär
regierten Saudi Arabien ist bekanntlich alles andere als
zufriedenstellend.
Joachim Pfeiffer, den wirtschaftspolitischen Sprecher der
CDU/CSU-Fraktion, ficht das nicht an: „Saudi-Arabien ist, ob
uns das gefällt oder nicht, seit Jahrzehnten ein
verlässlicher Verbündeter des Westens, ein
Stabilitätsanker im Mittleren Osten, der dafür sorgt,
dass Bürgerkriege wie in Syrien, im Jemen und im Iran eine
gewisse abschreckende Wirkung haben“. argumentierte Pfeiffer
im Bundestag. Deshalb sei es richtig, „dass wir dazu stehen
und die Instrumente liefern müssen. Wenn wir dies in diesem
Fall nicht machen würden, wären wir auch bei anderen
Projekten nicht mehr dabei.“ Vielleicht wäre das bei
ähnlichen Projekten gar nicht mal so schlecht.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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