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25. Mai 2014


Rüstungsexport: Airbus kollidiert mit Gabriel

von Otfried Nassauer

Der Untergang des Abendlandes, genauer der deutschen Rüstungsindustrie naht. Das jedenfalls glaubt offenbar der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU im Bundestag, Dr. Joachim Pfeiffer, aus dem württembergischen Wahlkreis Nürtingen. „German free“, frei von deutschen Komponenten, würden künftig die großen internationalen Rüstungsprojekte ablaufen, weil die Partner im westlichen Ausland sich nicht mehr sicher sein könnten, dass das deutsche Wirtschaftsministerium unter Sigmar Gabriel den fest eingeplanten Export deutscher Komponenten genehmigen werde. „Die  deutsche Technologie würde dann von solchen internationalen Projekten ausgeschlossen, weil die Deutschen keine verlässlichen Verbündeten mehr wären,“ orakelte Pfeiffer in der Aktuellen Stunde des Bundestages am letzten Freitag. 

Airbus Chef Thomas Enders gab Pfeiffer anlässlich der Internationalen Luftfahrtausstellung in Berlin indirekt, aber zeitgleich Flankenschutz per Interview. „Mir macht die zunehmend restriktive Rüstungsexportpolitik Deutschlands Sorgen. Diese kann weitere Entlassungen über unsere bisherige Planung hinaus auslösen“, drohte er. „Letztlich könnte es sein, dass wir uns überlegen müssen, ganze Produktionslinien oder Standorte in Deutschland zu schließen oder ins Ausland zu verlegen,“ so Enders gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. 

Was war geschehen? Das Wirtschaftsministerium unter Sigmar Gabriel hatte der Verteidigungssparte des Airbus-Konzerns signalisiert, derzeit sei nicht mit einer Genehmigung für den beabsichtigten Export von Zielerfassungssystemen nach Kanada zu rechnen, weil diese Systeme – eingebaut in einen Radpanzer – letztlich nach Saudi Arabien exportiert werden sollen. Unklar ist, ob Airbus das Signal schriftlich erhielt oder ob die Ministerialen den Konzern nur informell in Kenntnis setzten, dass ein solcher Antrag oder eine Voranfrage kaum Aussicht auf Erfolg haben würde. Der zweite, informelle Weg ist der wahrscheinlichere. In einem solchen Fall werden von der Industrie meist keine förmlichen Voranfragen oder Ausfuhranträge mehr gestellt, da man sich keine amtliche Ablehnung einhandeln will. Ob Sigmar Gabriel persönlich in den Vorgang involviert war oder seine Beamten dem Konzern lediglich mitteilten, welche Entscheidung ihrer Meinung nach zu erwarten sei, ist offen. Für Airbus aber war das bereits genug des Anlasses, um den Minister und die von ihm verantwortete Rüstungsexportpolitik frontal anzugreifen.

Aus Sicht der Konzernleitung ist das nachvollziehbar. Sie wünscht sich frühzeitige Planungssicherheit. Dazu gehört auch Klarheit darüber, wie eine neue Bundesregierung künftig mit Rüstungsexportgenehmigungen umzugehen gedenkt. Airbus Defence and Space Systems, die reorganisierte Wehrtechniksparte von Airbus, steckt in einer Krise und baut europaweit derzeit weit mehr als 5.000 Arbeitsplätze ab. 2016 soll im Licht der Auftragslage entschieden werden, wie es mit dem Arbeitsplatzabbau weitergeht. Der Export von rund 2.000 modernen Zielerfassungssystemen für 500 Millionen durch die 2012 übernommene Tochter Zeiss Optronics im württembergischen Oberkochen wäre zumindest für diesen Konzernteil mit seinen insgesamt 700-800 Mitarbeitern ein willkommenes Entspannungssignal gewesen. 

Die deutschen Zielerfassungssysteme sind für einen Radpanzer  der kanadischen Tochter des U.S. Rüstungskonzerns General Dynamics Land Systems (GDLS) bestimmt. Der Panzer wird seit etlichen Jahren konzipiert und soll in den kommenden zwei Jahren zuende entwickelt werden. Er fußt auf einer erfolgreichen älteren Entwicklung der Schweizer GDLS-Tochter MOWAG, dem Pirhana. In Kanada wurde dieses Basisfahrzeug zum sogenannten Light Armoured Vehicle (LAV) weiterentwickelt, von dem es auch bereits mehrere Generationen gibt. Aus dem LAV entstand zum Beispiel der Stryker, den die US-Streitkräfte nutzen. Für Saudi Arabien, das ebenfalls bereits ältere Versionen in großer Stückzahl betreibt, entsteht derzeit in internationaler Kooperation erneut eine erheblich modernisierte Version. Zulieferungen sollen u.a. aus Kanada, den USA, Belgien und Deutschland kommen. 

Im Februar dieses Jahres schloss Kanada nach mehrjährigen Verhandlungen einen Regierungsvertrag mit dem saudischen Königreich, der die Entwicklung, Lieferung und Wartung und Versorgung einer ungenannten Zahl aber großen solcher Fahrzeuge vorsieht. Der Vertrag läuft über 14 Jahre und ist zehn oder sogar 13-14 Milliarden Dollar wert, wenn Saudi Arabien alle enthaltenen Optionen nutzt. Kein Kleinkram also, sondern ein industriepolitisch relevantes Geschäft. Das größte, das Kanada bis dato abschließen konnte. Die achträdrigen Fahrzeuge mit 105mm-Kanone sollen ab 2016 durch GDLS ausgeliefert werden.[ 1 ]

Radpanzer mit 105mm-Kanone zeichnen sich sind durch eine hohe Beweglichkeit und eine im Vergleich zu schweren Kampfpanzern deutlich besseren Nutzen in städtischem bzw. besiedelten Umfeld aus. Für ihre Kanonen existieren Geschosse, die speziell dazu geeignet sind, eine gegnerische Deckung wie zum Beispiel Mauern zu durchschlagen und Weichziele, also zum Beispiel Infanteristen oder auch oppositionelle Zivilisten, zu bekämpfen. Der Einsatz solcher Panzer bei Konflikten im Inneren ist also ebenso denkbar wie ihre Nutzung an den langen, teils unruhigen Außengrenzen Saudi Arabiens. Deshalb regte sich in Kanada auch erheblicher Widerspruch und Protest von Menschenrechtsgruppen als das Geschäft öffentlich wurde. Die Menschenrechtslage im autoritär regierten Saudi Arabien ist bekanntlich alles andere als zufriedenstellend.  

Joachim Pfeiffer, den wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, ficht das nicht an: „Saudi-Arabien ist, ob uns das gefällt oder nicht, seit Jahrzehnten ein verlässlicher Verbündeter des Westens, ein Stabilitätsanker im Mittleren Osten, der dafür sorgt, dass Bürgerkriege wie in Syrien, im Jemen und im Iran eine gewisse abschreckende Wirkung haben“. argumentierte Pfeiffer im Bundestag. Deshalb sei es richtig, „dass wir dazu stehen und die Instrumente liefern müssen. Wenn wir dies in diesem Fall nicht machen würden, wären wir auch bei anderen Projekten nicht mehr dabei.“ Vielleicht wäre das bei ähnlichen Projekten gar nicht mal so schlecht.



ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS

 


[ 1 ] http://www.defensenews.com/article/20140214/DEFREG02/302140037/Saudis-Sign-10B-Vehicle-Deal-GDLS-Canada