Neue Investitionen in alte NATO-Atomwaffenstandorte
von Otfried Nassauer
Auch mehr als 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges
unterhält die NATO in Europa noch sechs Standorte für
US-Atomwaffen. Rund 180 amerikanische Kernwaffen werden dort gelagert.
Die nuklearen Standorte befinden sich in Büchel in der Eifel,
Kleine Brogel in Belgien, Volkel in den Niederlanden, Aviano und Ghedi
in Italien und in Incirlik in der Türkei. Nun mehren sich die
Anzeichen, dass diese Standorte weitere Jahrzehnte Atomwaffen
beherbergen sollen und dafür mit viel Geld modernisiert werden.
Die USA, die NATO und auch die Bundeswehr planen substantielle
Investitionen in die alten europäischen Atomwaffenstandorte: Die
militärische Infrastruktur soll modernisiert und sicherer gemacht
werden. Mit ersten Baumaßnahmen wurde bereits begonnen.
Darüber berichtet Hans Kristensen von der Federation of American Scientists.
Im türkischen Incirlik werden derzeit 21 jener 25
Flugzeuschutzbauten, in denen in den 1990er Jahren unterirdische
Magazine (Vaults) zur Lagerung von jeweils bis zu vier atomaren Bomben
der Typen B61-3 und B61-4 eingebaut wurden, mit neuen
Sicherheitsanlagen umgeben. Doppelzäune, Patrouillenwege und
Beleuchtungsanlagen werden neu gebaut. Zusätzlich wird dort die
Werkstatthalle für die Spezial-LKWs modernisiert, mit denen
Wartungsarbeiten an die Nuklearwaffen durchgeführt werden.
In Aviano entsteht ebenfalls eine neue Sicherungsanlage, die zwölf
Flugzeugschutzbauten umgibt, von denen höchstwahrscheinlich
elf je ein unterirdisches Magazin zur Lagerung atomarer Waffen
enthalten. Sieben weitere Schutzbauten, in die bis 1996 solche Magazine
eingebaut wurden, und früher die Alarmstellung des
Stützpunktes darstellten erhalten ähnlich wie die vier Bauten
der alten Alarmstellung in Incirlik derzeit keine neue zusätzliche
äußere Absicherung.
In Incirlik entstehen somit besonders gesicherte Lagerstätten
für bis zu 84 atomare Waffen, in Aviano könnten bis zu 44
Waffen in dem neuen Sicherheitsbereich untergebracht werden. An beiden
Standorten dürften diese Maßnahmen vor allem ergriffen
worden sein, um die Lagersicherheit zu erhöhen. Incirlik liegt
nahe Adana in der Südosttürkei und dient unter anderem
derzeit als Stützpunkt für die US-Luftangriffe gegen den IS
in Syrien und im Irak. Die US-Regierung hat rund 900
Familienangehörige ihrer Soldaten in Incirlik erst kürzlich
zur Ausreise geraten. In Italien machten Meldungen die Runde,
Terroristen, die einen Angriff auf ein Atomwaffenlager geplant
hätten, seien festgenommen worden. Weitere Baumaßnahmen sind
für die Zukunft geplant: Im italienischen Ghedi und im belgischen
Kleine Brogel sollen neue Gebäude entstehen, um die Magazine
für die atomaren Waffen zu überwachen. In Kleine Brogel soll
zudem eine neue Befehls- und Operationszentrale für die
US-Soldaten entstehen, die dort für Wartung und Sicherung der
Atomwaffen zuständig sind.
Washington modernisiert seine Sicherheitseinrichtungen an den Nuklearstandorten in Europa kontinuierlich. Aus US-Haushaltsunterlagen
für das kommende Jahr geht hervor, das seit dem Jahr 2000
dafür 80 Millionen US-Dollar aufgewendet wurden und weitere 154
Millionen US-Dollar für die kommenden Jahre eingeplant sind. Aus
dem NATO-Budget seien aus dem NATO Sicherheitsinvestitionsprogramm
(NSIP) rund 300 Millionen US-Dollar für die sichere Lagerung
der atomaren Waffen und deren Verbesserung aufgebracht worden, was etwa
75% der Gesamtkosten entspreche, erläuterten Pentagon-Mitarbeiter
im Kongress. Die Gesamtinvestitionen in die nukleare Infrastruktur
liegen jedoch deutlich höher, weil die Luftwaffenbasen, auf denen
sich die Lagerstätten befinden, aus den nationalen Haushalten der
Gastgeberländer finanziert werden.
Als Beispiel dafür kann der einzig verbliebenen deutschen
Atomwaffenstandort Büchel dienen. Auch dort tut sich etwas, wie
Ende August die Rhein-Zeitung meldete. Nach Angaben des SPD-Mitglieds
im Verteidigungsausschuss Thomas Hitschler will die Bundesregierung in
den kommenden Jahren rund 120 Millionen Euro in Büchel verbauen.
Mit diesem Geld soll zum einen die Landebahn des Flugplatzes für
rund 30 Millionen Euro grundsaniert und mit einem modernen
Instrumentenanflugsystem sowie mit einer neuen Landebahnbefeuerung
ausgestattet werden. Zum anderen sollen die
Unterbringungsmöglichkeiten für die Soldaten verbessert und
weitere Modernisierungsmaßnahmen vorgenommen werden.
Hinter dieser Investitionsplanung steckt natürlich auch
das Wissen, dass die NATO zu Beginn des nächsten Jahrzehntes
die bisher in Büchel gelagerten Atomwaffen gegen modernisierte
Nuklearwaffe des Typs B61-12 austauschen will. Damit bleibt die
nukleare Rolle des Tornado-Geschwaders in Büchel für weitere
Jahrzehnte erhalten. So beginnen zum Beispiel in diesem Jahr auch die
US-Arbeiten zur Anpassung des Tornados an die neue Nuklearwaffe B61-12.
In der Bundeswehr werden derzeit erste Überlegungen angestellt,
wie die Flugzeuge dieses Typs auch über das Jahr 2025 oder 2030
hinaus in Dienst gehalten werden können. Mit weiteren
Investitionen in die Infrastruktur im Zusammenhang mit der Einlagerung
der neuen Nuklearwaffen muss also gerechnet werden.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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