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22. September 2015


Neue Investitionen in alte NATO-Atomwaffenstandorte

von Otfried Nassauer


Auch mehr als  25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges unterhält die NATO in Europa noch sechs Standorte für US-Atomwaffen. Rund 180 amerikanische Kernwaffen werden dort gelagert. Die nuklearen Standorte befinden sich in Büchel in der Eifel, Kleine Brogel in Belgien, Volkel in den Niederlanden, Aviano und Ghedi in Italien und in Incirlik in der Türkei. Nun mehren sich die Anzeichen, dass diese Standorte weitere Jahrzehnte Atomwaffen beherbergen sollen und dafür mit viel Geld modernisiert werden.

Die USA, die NATO und auch die Bundeswehr planen substantielle Investitionen in die alten europäischen Atomwaffenstandorte: Die militärische Infrastruktur soll modernisiert und sicherer gemacht werden. Mit ersten Baumaßnahmen wurde bereits begonnen. Darüber berichtet Hans Kristensen von der Federation of American Scientists. 

Im türkischen Incirlik werden derzeit 21 jener 25 Flugzeuschutzbauten, in denen in den 1990er Jahren unterirdische Magazine (Vaults) zur Lagerung von jeweils bis zu vier atomaren Bomben der Typen B61-3 und B61-4 eingebaut wurden, mit neuen Sicherheitsanlagen umgeben. Doppelzäune, Patrouillenwege und Beleuchtungsanlagen werden neu gebaut. Zusätzlich wird dort die Werkstatthalle für die Spezial-LKWs modernisiert, mit denen Wartungsarbeiten an die Nuklearwaffen durchgeführt werden.

In Aviano entsteht ebenfalls eine neue Sicherungsanlage, die zwölf Flugzeugschutzbauten umgibt, von denen höchstwahrscheinlich elf  je ein unterirdisches Magazin zur Lagerung atomarer Waffen enthalten. Sieben weitere Schutzbauten, in die bis 1996 solche Magazine eingebaut wurden, und früher die Alarmstellung des Stützpunktes darstellten erhalten ähnlich wie die vier Bauten der alten Alarmstellung in Incirlik derzeit keine neue zusätzliche äußere Absicherung.

In Incirlik entstehen somit besonders gesicherte Lagerstätten für bis zu 84 atomare Waffen, in Aviano könnten bis zu 44 Waffen in dem neuen Sicherheitsbereich untergebracht werden. An beiden Standorten dürften diese Maßnahmen vor allem ergriffen worden sein, um die Lagersicherheit zu erhöhen. Incirlik liegt nahe Adana in der Südosttürkei und dient unter anderem derzeit als Stützpunkt für die US-Luftangriffe gegen den IS in Syrien und im Irak. Die US-Regierung hat rund 900 Familienangehörige ihrer Soldaten in Incirlik erst kürzlich zur Ausreise geraten. In Italien machten Meldungen die Runde, Terroristen, die einen Angriff auf ein Atomwaffenlager geplant hätten, seien festgenommen worden. Weitere Baumaßnahmen sind für die Zukunft geplant: Im italienischen Ghedi und im belgischen Kleine Brogel sollen  neue Gebäude entstehen, um die Magazine für die atomaren Waffen zu überwachen. In Kleine Brogel soll zudem eine neue Befehls- und Operationszentrale für die US-Soldaten entstehen, die dort für Wartung und Sicherung der Atomwaffen zuständig sind.

Washington modernisiert seine Sicherheitseinrichtungen an den Nuklearstandorten in Europa kontinuierlich. Aus US-Haushaltsunterlagen für das kommende Jahr geht hervor, das seit dem Jahr 2000 dafür 80 Millionen US-Dollar aufgewendet wurden und weitere 154 Millionen US-Dollar für die kommenden Jahre eingeplant sind. Aus dem NATO-Budget seien aus dem NATO Sicherheitsinvestitionsprogramm (NSIP) rund 300 Millionen US-Dollar für die sichere  Lagerung der atomaren Waffen und deren Verbesserung aufgebracht worden, was etwa 75% der Gesamtkosten entspreche, erläuterten Pentagon-Mitarbeiter im Kongress. Die Gesamtinvestitionen in die nukleare Infrastruktur liegen jedoch deutlich höher, weil die Luftwaffenbasen, auf denen sich die Lagerstätten befinden, aus den nationalen Haushalten der Gastgeberländer finanziert werden.

Als Beispiel dafür kann der einzig verbliebenen deutschen Atomwaffenstandort Büchel dienen. Auch dort tut sich etwas, wie Ende August die Rhein-Zeitung meldete. Nach Angaben des SPD-Mitglieds im Verteidigungsausschuss Thomas Hitschler will die Bundesregierung in den kommenden Jahren rund 120 Millionen Euro in Büchel verbauen. Mit diesem Geld soll zum einen die Landebahn des Flugplatzes für rund 30 Millionen Euro grundsaniert und mit einem modernen Instrumentenanflugsystem sowie mit einer neuen Landebahnbefeuerung ausgestattet werden. Zum anderen sollen die Unterbringungsmöglichkeiten für die Soldaten verbessert und weitere Modernisierungsmaßnahmen vorgenommen werden.

Hinter dieser Investitionsplanung steckt natürlich auch das Wissen,  dass die NATO zu Beginn des nächsten Jahrzehntes die bisher in Büchel gelagerten Atomwaffen gegen modernisierte Nuklearwaffe des Typs B61-12 austauschen will.  Damit bleibt die nukleare Rolle des Tornado-Geschwaders in Büchel für weitere Jahrzehnte erhalten. So beginnen zum Beispiel in diesem Jahr auch die US-Arbeiten zur Anpassung des Tornados an die neue Nuklearwaffe B61-12. In der Bundeswehr werden derzeit erste Überlegungen angestellt, wie die Flugzeuge dieses Typs auch über das Jahr 2025 oder 2030 hinaus in Dienst gehalten werden können. Mit weiteren Investitionen in die Infrastruktur im Zusammenhang mit der Einlagerung der neuen Nuklearwaffen muss also gerechnet werden.



ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS