Weitere Dolphin-U-Boote für Israel?
von Otfried Nassauer
Hinter verschlossen Türen diskutieren deutsche und israelische
Regierungsvertreter offenbar über einen Milliardendeal. Israel
plant, zwei oder drei weitere U-Boote aus Deutschland zu beschaffen. Es
geht um moderne Boote der Dolphin-II-Klasse, die mit einem von der
Außenluft unabhängigen Brennstoffzellenantrieb
ausgerüstet sind. Eine erste Vereinbarung zwischen beiden Staaten
soll angeblich bereits Anfang November unterzeichnet werden. Das
berichteten israelische Medien wiederholt in den letzten Tagen. Die
Bundesregierung hüllt sich weitgehend in Schweigen, bestätigt
aber Gespräche und ein israelisches Interesse an neuen U-Booten,
die ab 2027 geliefert werden sollen, also gefühlt in ferner
Zukunft. Konkreter will man nicht werden. Was aber ist dran an den
Meldungen aus Israel? Was spricht dafür, dass Israel erneut
U-Boote in Deutschland kaufen will?
Die Beschaffung moderner U-Boote mit einem
Brennstoffzellenantrieb ist ein Langzeitprojekt. Zwischen
Vertragsabschluss und Auslieferung liegen mindestens fünf bis
sechs Jahre. Für die technisch anspruchsvollen und in der
Finanzierung komplexen Dolphin-U-Boote für Israel ist sogar noch
mehr Zeit nötig wie die Vergangenheit zeigt. Die beiden 2014 und
2015 ausgelieferten Boote wurden bereits 2005 vereinbart und 2006 fest
bestellt. Die politischen Vorgespräche darüber begannen sogar
schon 2002/03. Das derzeit im Bau befindliche Boot, wurde 2011
vereinbart, 2012 fest bestellt und soll 2018 ausgeliefert werden.
Politische Vorgespräche über eine neue Tranche U-Boote und
die dafür erforderlichen Regierungsabkommen und finanziellen
Regelungen sind also durchaus vorstellbar und im zeitlichen Rahmen,
wenn die Boote in der zweiten Hälfte des kommenden Jahrzehnts
ausgeliefert werden sollen. Derzeit geht es wohl um die
Voraussetzungen, die Rahmenbedingungen und die Finanzierung für
eine Festbestellung, die später folgen soll.
Die operative Logik
Aus israelischer Sicht ist die Bestellung weiterer
Dolphin-U-Boote nachvollziehbar. Derzeit nutzt die israelische Marine
drei ältere diesel-elektrische U-Boote der Dolphin-Klasse, die
1999 und 2000 aus Deutschland geliefert wurden, sowie zwei
Brennstoffzellen-U-Boote der Dolphin-II-Klasse, die in den letzten
beiden Jahren in Dienst gestellt wurden. Ein weiteres Boot der
Dolphin-II-Klasse ist bei TKMS in Kiel im Bau und wird voraussichtlich
2018 nach Israel überführt.
Israel hat also U-Boote zweier Generationen mit
unterschiedlichem Antrieb und unterschiedlicher Größe, die
zudem technologisch ca. 15 Jahre Altersunterschied aufweisen. Es muss
entscheiden, ob es seine heute mehr als 15 Jahre alten U-Boote in den
nächsten Jahren noch einmal gründlich und für viel Geld
modernisiert, um sie dann erneut 10-15 Jahre zu nutzen oder ob es
gleich neue U-Boote kauft und die verbliebenen älteren U-Boote in
etwa zehn Jahren außer Dienst stellt. Diese Entscheidung scheint
bereits vor einigen Jahren getroffen worden zu sein. Wenn Israel 2018
das dritte Boot der Dolphin-II-Klasse erhält, soll dieses Boot
eines der ersten drei Dolphin-U-Boote ersetzen. Dann wäre es nur
logisch, später auch die beiden anderen Boote der ersten
Dolphin-Klasse durch Neubauten abzulösen. Am Ende dieses Prozesses
wären alle israelischen U-Boote mit einem Brennstoffzellenantrieb
ausgestattet und schiffbaulich sehr ähnlich. Es würde
zugleich bedeuten, dass eine kontinuierliche Einführung von
Waffen- und Elektroniksystemen der jeweils modernsten Generation
gewährleistet wäre. Die israelische Marine würde dann
auf eine operativ einsetzbare Flotte von fünf U-Booten zielen, die
rollierend nach jeweils etwa 15-20 Jahren modernisiert oder ersetzt
werden könnten. Dafür müssten zwei neue U-Boote
demnächst fest bestellt werden. Die Option auf ein drittes
würde es ermöglichen, in etwa 10-15 Jahren einen weiteren
Generationswechsel einzuleiten.
Finanzielle Erwägungen
Der Kauf neuer U-Boote ist zwar um etliche Hundert Millionen
Euro teurer als die Modernisierung vorhandener. Doch dieses Argument
wird durch mehrere Aspekte relativiert: Zum einen ist der
Preisunterschied zwischen den beiden Modernisierungsstrategien nicht so
gewaltig. Wollte Israel seine Boote der Dolphin-I-Klasse bei Antrieb,
Elektronik, Waffen- und Aufklärungssystemen auf den heute
möglichen Stand der Technik bringen, so würde dies eine
Vergrößerung der U-Boote um eine Brennstoffzellensektion und
Investitionen von mindestens 100-150 Millionen Euro pro Boot erfordern.
Danach könnte das Boot noch einmal rund 15 Jahre genutzt werden.
Ein Neubau ist teurer und kostet schon heute rund 450 Millionen Euro.
Er kann aber auch wieder 20-30 Jahre genutzt werden. Eine technisch
einheitlichere Flotte spart zudem Betriebs- und Ausbildungskosten.
Zudem greifen an dieser Stelle Mechanismen des
Sonderverhältnisses zwischen Deutschland und Israel. Sie
reduzieren die Kostendifferenz aus israelischer Sicht
beträchtlich. Deutschland sieht sich der Existenz Israels in
besonderer Weise verpflichtet und hat israelische U-Boot-Beschaffungen
immer wieder unterstützt. Zunächst finanziell, später
durch die Bereitstellung von Technologie, Bauteilen und Geld
(GAL-Klasse) und schließlich seit den 1990er Jahren durch den Bau
der U-Boote der beiden Dolphin-Klassen, bei dem die Bundesrepublik
einen großen Teil der Kosten trug – also eine Art
regelmäßiger Militärhilfe leistete.
Für die drei diesel-elektrisch angetriebenen U-Boote der
Dolphin-I-Klasse galt: Deutschland bezahlte zwei Boote komplett, beim
dritten übernahm es theoretisch die Hälfte der Kosten und
praktisch mehr als die Hälfte. Insgesamt wurde Israel bei diesen
Booten eine Hilfe im Wert von mehr als 560 Millionen Euro gewährt.
Für die drei Boote der erheblich teureren
Dolphin-II-Klasse, die in diesem Jahrzehnt in Dienst gestellt werden,
gibt es eine andere Kostenaufteilung. Berlin trägt ein Drittel der
Baukosten aus deutschen Steuergeldern, Tel Aviv das zweite Drittel und
für das fehlende letzte Drittel wurden Gegengeschäfte
vereinbart, die als Devisenhilfe bezeichnet werden können:
Deutschland sicherte Israel zu, militärische Dienstleistungen und
Güter im Wert des dritten Drittels in Israel einzukaufen, damit
der israelische Staat diese Waren und Leistungen mit Schekel bezahlen
aber für Euro nach Deutschland verkaufen kann und somit jene
Devisen einnimmt, die Israel zur Bezahlung der deutschen Werft braucht.
Ein vergleichbares Arrangement mit anderen Prozentzahlen wurde auch
für den Bau von vier Korvetten getroffen, die Israel derzeit in
Kiel bauen lässt.
Jedes U-Boot- oder Schiffsprojekt, das Israel unter einem
solchen Arrangement in Deutschland realisieren lässt, hat also zur
Folge, dass die Bundeswehr Waren und Dienstleistungen in dreistelligem
Millionenwert aus Israel identifizieren und kaufen muss, damit Tel Aviv
die Kosten für einen Teil der Erstehungskosten seiner U-Boote oder
Schiffe tragen kann. Aus dieser vertraglichen Verpflichtung resultiert
also zugleich eine kontinuierliche Vertiefung der bilateralen
rüstungswirtschaftlichen und sicherheitspolitischen
Zusammenarbeit.
Größere deutsch-israelische Projekte wie das seit
Jahren praktizierte Leasing von Heron-Aufklärungsdrohnen für
die Bundeswehreinsätze in Afghanistan und inzwischen auch Mali
oder das gerade beschlossene Leasing bewaffenbarer Drohnen vom Typ
Heron TP für die Zeit bis 2025 und die geplante Beschaffung von
israelischen Panzerabwehrlenkflugkörpern für die Bundeswehr
spiegeln solche Verpflichtungen.
Zugleich kann durch solche Gegengeschäfte eine
zusätzliche Dynamik entstehen: Identifiziert die Bundeswehr mehr
und teurere Projekte zum Einkauf von Waren und Dienstleistungen aus
Israel als sie es vertraglich muss, so kann Israel früher bzw.
leichter darüber nachdenken, in Deutschland erneut um Mithilfe bei
der Finanzierung israelischer Beschaffungswünsche anzuklopfen.
Teile der erforderlichen Devisenhilfe sind dann ja bereits abgesichert
und es geht dann vorrangig um den deutschen Kostenbeitrag zu der
israelischen Beschaffung. Eine solche Situation könnte derzeit
bereits eingetreten sein und den Wunsch Israels nach weiteren U-Booten
befördert haben.
Absicherung deutscher Militärhilfe
Israel sieht sich vielleicht auch deshalb in der Lage, zwei
bis drei weitere U-Boote aus Deutschland zu kaufen, wenn dies zu
gleichen oder ähnlichen Konditionen möglich ist wie bislang.
Es tritt also an Deutschland mit der Bitte um die Zusage einer weiteren
Militärhilfe aus deutschen Steuergeldern heran. Bleibt es dabei,
dass Deutschland etwa ein Drittel der Kosten des Baus der U-Boote
direkt trägt, dann könnte stimmen, was israelische Medien
berichten: Drei weiter modernisierte Boote würden Israel in der
zweiten Hälfte des kommenden Jahrzehnts rund 1,2 Milliarden Euro
kosten. Deutschland käme für bis zu 600 Millionen Euro
zusätzlich auf. Pro U-Boot entspräche das in etwa dem Preis,
den auch Singapur Mitte des nächsten Jahrzehnts für seine
neuen U-Boote an TKMS zahlen wird.
Tel Aviv will wahrscheinlich auch die Gunst der Stunde nutzen,
dass derzeit eine große Koalition in Berlin regiert. Ein
Beschluss noch vor der Bundestagswahl würde damit auch jede
künftige Regierungskoalition binden. Zudem weiß man, dass
die Steuereinnahmen in Deutschland derzeit zu
Haushaltsüberschüssen führen, die den Finanzminister
großzügiger stimmen könnten.
Schließlich spielen die israelischen Medienberichte auch
deutlich mit Hinweisen, dass ein solcher Schritt deutschen Interessen
industriepolitisch entgegen käme. Sie präsentieren
Lockvogel-Argumente: TKMS habe einen großen U-Boot-Auftrag aus
Australien nicht bekommen und wisse seine Produktionskapazitäten
nur noch bis 2020 voll ausgelastet. Ein Anschlussauftrag aus Israel
könnte also auch im deutschen Interesse sein. Der Auftrag
könne eine Brücke darstellen bis die Bundeswehr im kommenden
Jahrzehnt selbst weitere U-Boote bestellt. An der Existenz eines
unabhängigen deutschen U-Boot-Baus sei nicht nur Deutschland
gelegen, sondern auch Israel.
Im Kern geht es Tel Aviv bei diesen Argumenten um folgende
Ziele: Zum einen soll nach der erfolgreichen Verhandlung über die
deutsche Finanzhilfe für den Bau israelischer Korvetten nun auch
die deutsche Unterstützung für die israelische U-Boot-Flotte
für die Zukunft abgesichert werden. Damit könnte Israel dann
auf eine kontinuierliche deutsche Militärhilfe sowohl für
Überwasserschiffe als auch für U-Boote hoffen und je nach
eigenem Bedarf um Zuschüsse für zusätzliche Korvetten
oder U-Boote anfragen.
Zum anderen entlastet eine kontinuierliche deutsche
Militärhilfe nicht nur den israelischen Verteidigungshaushalt. Sie
führt auch zu signifikanten Export- und Leasinggeschäften
für die wehrtechnische Industrie Israels und trägt damit zu
deren Auslastung, Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung bei –
zum Beispiel im Bereich großer Drohnen.
Last but not least: Natürlich wird auch das
Abschreckungspotential Israels weiter gestärkt. Besteht die
gesamte U-Boot-Flotte Israels künftig aus Booten mit
Brennstoffzellenantrieb, so können alle Boote für Wochen
statt nur Tage getaucht operieren und während einer Krise
länger unerkannt vor Ort operieren. Boote, die nuklear bewaffnet
werden können, stellen in längeren Krisen und während
längerer Phasen der Unsicherheit ein wirksameres
Abschreckungspotential dar als Boote, die bereits nach einigen Tagen
schnorcheln müssen und deshalb Gefahr laufen, ihre Anwesenheit und
ihren Standort zu verraten.
Die Bundesregierung muss sich deshalb weiterhin fragen, ob sie
sich dem Vorwurf der Beihilfe zur Aufrechterhaltung des
unerklärten atomaren Abschreckungspotential Israels weitere
Jahrzehnte aussetzen will und ob sie sich dauerhaft darauf einstellen
will, Israel – ähnlich wie die USA - regelmäßig
mit Militärhilfe zu unterstützen.
20. November 2016
Nicht nur U-Boote? – Ein Nachtrag
Am 26. Oktober 2016 fasste das israelische Kabinett nach
Presseberichten den Beschluss, drei weitere U-Boote zu beschaffen. Es
soll sich um weiterentwickelte Dolphin-II-Boote handeln, in die
modernste, im kommenden Jahrzehnt verfügbare Technologie
integriert wird. Noch unklar aber möglich ist, dass dieser
Beschluss auch die Beschaffung von zwei auf die U-Boot-Jagd
spezalisierten Überwasserkampfschiffen in Deutschland beinhaltet,
über die ebenfalls berichtet wird. Schiffbauliche Basis für
diese Vorhaben könnten die vier MEKO-Korvetten sein, die derzeit
bei German Naval Yards in Kiel im Bau sind. Für den 7. November
2016 waren angeblich Gespräche in Deutschland über dieses
Vorhaben geplant. Über deren Ergebnis ist bislang nichts nach
außen gedrungen.
In Israel mehren sich, aufsetzend auf einen Bericht des Fernsehsenders
Channel 10, in diesen Tagen die Forderungen, das von
Premierminister Benjamin Nertanjahu vorangetriebene U-Boot-Projekt
staatsanwaltlich untersuchen zu lassen. Netanjahus privatem
Rechsvertreter, David Shimron, wird nachgesagt, auch der
Rechtsvertreter eines ehemaligen Marineoffiziers und Unternehmers, Miki
Ganor zu sein, der nicht nur als Interessensvertreter von TKMS in
Israel agiert, sondern auch ein Interesse hat, die bislang staatliche
Wartungswerft der Dolphin-U-Boote bei deren Privatisierung zu
übernehmen.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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