Neue Koalition:
„Tauschen Atomwaffen gegen Wehrpflicht“
von Otfried Nassauer
Koalitionsverhandlungen sind eine Form des „do ut des“. Das belegt auch
der heute veröffentlichte Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und
FDP. Beide Parteien mussten geben, damit ihnen gegeben wurde.
Der FDP wurde gegeben, dass sie sich mit ihrer Forderung durchsetzen
konnte, die verbliebenen Nuklearwaffen aus Deutschland abzuziehen. Im
Kontext der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages
2010 und „im Zuge der Ausarbeitung eines neuen strategischen Konzeptes
der NATO werden wir uns im Bündnis sowie gegenüber den amerikanischen
Verbündeten dafür einsetzen, dass die in Deutschland verbliebenen
Atomwaffen abgezogen werden.“ So der Koalitionsvertrag auf Seite 112.
Dem kleinen neuen Koalitionspartner gewährte die CDU/CSU, was sie
dem großen, bisherigen immer wieder verweigert hatte.
Einlenken und nachgeben musste die FDP dagegen bei einem anderen Thema:
Der Wehrpflicht. Diese bleibt bestehen. Der Wehrdienst soll auf sechs
Monate verkürzt werden. Damit soll ermöglicht werden, dass mehr
junge Männer zum Wehrdienst gezogen werden und die von Gerichten
zuletzt immer wieder angezweifelte „Wehrgerechtigkeit“ noch einmal ein
paar Jahre behauptet werden kann.
Gut möglich aber, dass beide Zielzugeständnisse von den Regierungspartnern
in spe im Laufe der kommenden Legislaturperiode nicht umgesetzt werden
können. Die Bundeswehr steht aus finanziellen und strukturellen Gründen
vor einer erneuten Umgestaltung, die tiefe Einschnitte in Personalstruktur
und –umfang implizieren wird. Eine Kommission soll dem designierten Verteidigungsminister
Gutenberg dafür bis Ende des kommenden Jahres Vorschläge unterbreiten,
zu denen eine längerfristige Beibehaltung der Wehrpflicht nicht zwingend
gehören muss.
Auch dafür, dass in der kommenden Legislaturperiode die verbliebenen
10-20 Nuklearwaffen der USA aus Büchel abgezogen werden, gibt es
keine Garantie. Selbst wenn die Regierungen in Bonn und Washington einen
solchen Schritt befürworten - was nunmehr als wahrscheinlich gelten
darf - können sich unerwartete Hindernisse auftun. Ein taktisches
Bündnis neuer NATO-Mitglieder, wie Polen, Tschechien und Baltische
Republiken, mit Vertretern des bürokratischen Beharrungsvermögens
in der NATO könnte aus anti-russischen Motiven auf einer Beibehaltung
des substrategischen Nuklearpotentials der NATO beharren oder gar darauf
drängen, diese Waffen im Falle eines Abzuges aus Deutschland auf
dem Territorium der neuen NATO-Mitglieder zu stationieren. Vor die Wahl
gestellt, solchen Wünschen nachzukommen und somit politisch verbindliche
Zusagen zu brechen, die Washington Moskau 1997 angesichts der ersten NATO-Osterweiterung
gab (die sogenannten drei bzw sechs No’s), könnte es aus Sicht der
USA als kleineres Übel erscheinen, vorläufig alles beim Alten
zu belassen.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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