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21. März 2015


G36 nach Bahrain - Ohne Sicherheitsrat, aber mit Steinmeiers Segen

von Otfried Nassauer


Transparenz hat manchmal ihren Preis. Das Wirtschaftsmministerium musste auf Anfrage jetzt zugeben, dass Außenminister Frank Walter Steinmeier 2009 einem heiklen  Waffenexport zugestimmt hat, ohne dass wie üblich der Bundessicherheitsrat eingeschaltet wurde.  

Kurz vor Ausbruch des arabischen Frühling im Februar 2011 erhielt das Königreich Bahrain brisante Fracht aus Deutschland. Die Oberndorfer Firma Heckler & Koch lieferte 2010 mehr als hundert moderne Sturmgewehre des Typs G36 in das autoritär regierte arabische Land. Eine Kriegswaffe, die nicht ohne Genehmigung und damit nicht ohne Wissen der Bundesregierung ausgeführt darf. Doch der Export war legal,  Heckler & Koch hatte die erforderlichen Papiere. Die Bundesregierung genehmigte die Lieferungen im Juni und September 2009.

Die Geschichte dieser Genehmigungen ist jedoch ungewöhnlich wie sich erst jetzt herausstellt. Die Erlaubnis zur Ausfuhr der Sturmgewehre nach Bahrain wurde weder im Bundessicherheitsrat noch im Vorbereitenden Ausschuss der Staatssekretäre beschlossen. Das ergibt sich aus einer Liste der Beschlüsse beider Gremien, die Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel kürzlich dem Bundestagsabgeordneten Jan van Aken (Die Linke) übermittelte. Mit Kriegswaffenexporten in problematische Drittländer wie Bahrain befasst sich jedoch normalerweise der Bundessicherheitsrat. In diesem geheim tagenden Kabinettsausschuss stimmen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre zuständigen Minister ab, ob brisante Ausfuhren genehmigt werden sollen oder nicht.

Wer aber verantwortete damals die Exportgenehmigung in ein Land, das mindestens so autoritär und mit harter Hand regiert wird wie Saudi Arabien?  Für  Genehmigungen von Rüstungsexporten hat der Bundeswirtschaftsminister die Federführung. Der hieß damals Karl Theodor zu Guttenberg. Da Sturmgewehre Kriegswaffen sind, müssen aber zwingend auch das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium beteiligt werden. Verteidigungsminister war damals Franz Josef Jung. Außenminister war mit Frank-Walter Steinmeier, auch heute der Amtsinhaber. Nur, wenn sich diese drei Ministerien einig sind, dürfen Kriegswaffen exportiert werden, ohne dass der Bundessicherheitsrat oder zumindest die Staatssekretäre mit dem Vorgang abschließend befasst werden. Das ist zum Beispiel oft bei Exporten in andere EU-Staaten der Fall, nicht aber bei Drittländern wie Bahrain.

Alle drei Ministerien müssen also Bahrain damals als unproblematischen Empfänger für die Sturmgewehre eingestuft haben. Auch das Auswärtige Amt, dem es obliegt, gegebenenfalls angesichts der Menschenrechtslage im Empfängerland Bedenken vorzutragen. Dort war aber mit Sicherheit bekannt, dass die bahrainischen Sicherheitskräfte erst wenige Monate vor der ersten Genehmigung im Februar 2009 willkürlich wichtige Menschenrechtsaktivisten verhaftet hatten und seit Jahren immer wieder Vorwürfe wegen überharten Vorgehens und Folterpraktiken laut wurden. Das sunnitsche Königshaus regiert ein Land mit überwiegend schiitischer Bevölkerung. Doch das Auswärtige Amt hat damals wohl keine Einwände gegen die Lieferung von Sturmgewehren geltend gemacht. 

Kurz nach der Auslieferung der Sturmgewehre erreichte der arabische Frühling im Februar 2011 auch Bahrain. Es kam zu Massendemonstrationen, auf denen lautstark der Rücktritt des Königs und eine neue Verfassung gefordert wurden. Die Unruhen wurden mit Gewalt unterdrückt und niedergeschlagen. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate kamen dem Königshaus in Bahrain mit ihrem Militär zuhilfe.

Aus Ministeriumskreisen war zu erfahren, damals habe die Bundesregierung „mit der Niederschlagung der Proteste 2011 Genehmigungen für Kleinwaffen“ nach Bahrain umgehend zurückgestellt und nicht mehr genehmigt.“ Das sei „bis heute so“. Eine späte Korrektur, genauer eine zu späte Korrektur. Denn da waren die ersten Sturmgewehre bereits in Bahrain. 

Frank Walter Steinmeier muss das 2009 anders eingeschätzt haben. Oder er hatte damals schlicht keine Zeit in die Akte zu schauen. Der Bundestagswahlkampf lief an und Steinmeier war damals Kanzlerkandidat der SPD. Fragen, ob Steinmeier damals mit der Angelegenheit persönlich befasst war, wollte das Auswärtige Amt nicht beantworten.

Am morgigen Montag befasst sich der Petitionsausschuss des Bundestags in einer öffentlichen Sitzung mit einer Forderung der von den Kirchen unterstützten „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“. Diese schlägt vor, große Teile des deutschen Rüstungsexports durch eine Grundgesetzänderung zu unterbinden.



ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS