G36 nach Bahrain - Ohne Sicherheitsrat, aber mit Steinmeiers Segen
von Otfried Nassauer
Transparenz hat manchmal ihren Preis. Das
Wirtschaftsmministerium musste auf Anfrage jetzt zugeben, dass
Außenminister Frank Walter Steinmeier 2009 einem
heiklen Waffenexport zugestimmt hat, ohne dass wie
üblich der Bundessicherheitsrat eingeschaltet wurde.
Kurz vor Ausbruch des arabischen Frühling im Februar 2011
erhielt das Königreich Bahrain brisante Fracht aus
Deutschland. Die Oberndorfer Firma Heckler & Koch lieferte 2010
mehr als hundert moderne Sturmgewehre des Typs G36 in das
autoritär regierte arabische Land. Eine Kriegswaffe, die nicht
ohne Genehmigung und damit nicht ohne Wissen der Bundesregierung
ausgeführt darf. Doch der Export war legal, Heckler
& Koch hatte die erforderlichen Papiere. Die Bundesregierung
genehmigte die Lieferungen im Juni und September 2009.
Die Geschichte dieser Genehmigungen ist jedoch ungewöhnlich
wie sich erst jetzt herausstellt. Die Erlaubnis zur Ausfuhr der
Sturmgewehre nach Bahrain wurde weder im Bundessicherheitsrat noch im
Vorbereitenden Ausschuss der Staatssekretäre beschlossen. Das
ergibt sich aus einer Liste der Beschlüsse beider Gremien, die
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel kürzlich dem
Bundestagsabgeordneten Jan van Aken (Die Linke) übermittelte.
Mit Kriegswaffenexporten in problematische Drittländer wie
Bahrain befasst sich jedoch normalerweise der Bundessicherheitsrat. In
diesem geheim tagenden Kabinettsausschuss stimmen sich Bundeskanzlerin
Angela Merkel und ihre zuständigen Minister ab, ob brisante
Ausfuhren genehmigt werden sollen oder nicht.
Wer aber verantwortete damals die Exportgenehmigung in ein Land, das
mindestens so autoritär und mit harter Hand regiert wird wie
Saudi Arabien? Für Genehmigungen von
Rüstungsexporten hat der Bundeswirtschaftsminister die
Federführung. Der hieß damals Karl Theodor zu
Guttenberg. Da Sturmgewehre Kriegswaffen sind, müssen aber
zwingend auch das Auswärtige Amt und das
Verteidigungsministerium beteiligt werden. Verteidigungsminister war
damals Franz Josef Jung. Außenminister war mit Frank-Walter
Steinmeier, auch heute der Amtsinhaber. Nur, wenn sich diese drei
Ministerien einig sind, dürfen Kriegswaffen exportiert werden,
ohne dass der Bundessicherheitsrat oder zumindest die
Staatssekretäre mit dem Vorgang abschließend befasst
werden. Das ist zum Beispiel oft bei Exporten in andere EU-Staaten der
Fall, nicht aber bei Drittländern wie Bahrain.
Alle drei Ministerien müssen also Bahrain damals als
unproblematischen Empfänger für die Sturmgewehre
eingestuft haben. Auch das Auswärtige Amt, dem es obliegt,
gegebenenfalls angesichts der Menschenrechtslage im
Empfängerland Bedenken vorzutragen. Dort war aber mit
Sicherheit bekannt, dass die bahrainischen Sicherheitskräfte
erst wenige Monate vor der ersten Genehmigung im Februar 2009
willkürlich wichtige Menschenrechtsaktivisten verhaftet hatten
und seit Jahren immer wieder Vorwürfe wegen
überharten Vorgehens und Folterpraktiken laut wurden. Das
sunnitsche Königshaus regiert ein Land mit
überwiegend schiitischer Bevölkerung. Doch das
Auswärtige Amt hat damals wohl keine Einwände gegen
die Lieferung von Sturmgewehren geltend gemacht.
Kurz nach der Auslieferung der Sturmgewehre erreichte der arabische
Frühling im Februar 2011 auch Bahrain. Es kam zu
Massendemonstrationen, auf denen lautstark der Rücktritt des
Königs und eine neue Verfassung gefordert wurden. Die Unruhen
wurden mit Gewalt unterdrückt und niedergeschlagen.
Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate kamen dem
Königshaus in Bahrain mit ihrem Militär zuhilfe.
Aus Ministeriumskreisen war zu erfahren, damals habe die
Bundesregierung „mit der Niederschlagung der Proteste 2011
Genehmigungen für Kleinwaffen“ nach Bahrain umgehend
zurückgestellt und nicht mehr genehmigt.“ Das sei
„bis heute so“. Eine späte Korrektur,
genauer eine zu späte Korrektur. Denn da waren die ersten
Sturmgewehre bereits in Bahrain.
Frank Walter Steinmeier muss das 2009 anders eingeschätzt
haben. Oder er hatte damals schlicht keine Zeit in die Akte zu schauen.
Der Bundestagswahlkampf lief an und Steinmeier war damals
Kanzlerkandidat der SPD. Fragen, ob Steinmeier damals mit der
Angelegenheit persönlich befasst war, wollte das
Auswärtige Amt nicht beantworten.
Am morgigen Montag befasst sich der Petitionsausschuss des Bundestags
in einer öffentlichen Sitzung mit einer Forderung der von den
Kirchen unterstützten „Aktion Aufschrei –
Stoppt den Waffenhandel!“. Diese schlägt vor,
große Teile des deutschen Rüstungsexports durch eine
Grundgesetzänderung zu unterbinden.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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