Deutsche Bunker-Buster für Südkorea
von Otfried Nassauer
Südkorea will schwere deutsche Marschflugkörper
beschaffen. Das hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel heute
während einer Pressekonferenz
indirekt bestätigt. Er teilte mit, die Bundesregierung habe 2015
eine Genehmigung erteilt, „Lenkflugkörper“ nach
Südkorea zu liefern. Den Wert dieser Lieferung bezifferte sein
Staatssekretär Matthias Machnig später in einem Schreiben an
den Linken-Abgeordneten Jan van Aken mit 270 Millionen Euro.
Gemeint sind damit schwere, luftgestützte Marschflugkörper vom Typ Taurus,
ein konventioneller Bunker-Buster, den Südkorea als Bewaffnung zum
Beispiel seiner Jagdbomber vom Typ F-15K ab Ende 2016 einsetzen will.
Die Integration des Taurus in diesen Flugzeugtyp ist bereits weit
fortgeschritten. Lieferant der Flugkörpern ist die Taurus Systems
GmbH in Schrobenhausen, ein Joint Venture der deutschen MBDA
(früher LFK-Lenkflugkörpersysteme GmbH) mit dem schwedischen
Rüstungskonzern SAAB Dynamics AB (früher Bofors).
Marschflugkörper vom Typ Taurus sind auch bei der
Bundeswehr als Bewaffnung für den Tornado eingeführt. Die
Luftwaffe kaufte von 2005 bis 2011 rund 600 Exemplare. Sie haben eine
Reichweite von mehr als 500 Kilometer und tragen einen 481kg schweren
konventionellen Penetratorsprengkopf vom Typ Mephisto. Da in die Waffe
eine weitgehend störresistente Präzisionslenkung integriert
wurde, die zusätzlich durch eine GPS-Lenkung unterstützt
werden kann, hat sie angeblich eine mittlere Zielabweichung von nur 2-3
Metern. Der Flugkörper wurde zudem entwickelt, um im tiefen
Geländefolgeflug auch leistungsfähige Luftverteidigungssystem
zu durchdringen. Mit einer Vorhohlladung kann sich der Hauptsprengkopf
seinen Weg quasi selbst freisprengen. Das als PIMPF bezeichnete
intelligente Zündsystem erlaubt es, die Waffen erst in einem
vorselektierbaren Hohlraum (z.B. einem bestimmten Stockwerk eines
Bunkers) zu zünden. Das macht die Taurus-Flugkörper zu einem
gut geeigneten Mittel zur Bekämpfung auch tief verbunkerter Ziele.
Südkorea will nach Medienmeldungen zunächst bis zu 200 dieser Waffen beschaffen.
Exporte weiterer Versionen dieses Marschflugkörpers nach
Südkorea sind in Vorbereitung. Seoul überlegt,
zusätzliche eine abgespeckte, leichtere Variante mit bis zu knapp
400 Kilometer Reichweite, den KEPD350-2 als Bewaffnung für das
koreanische Kampfflugzeug FA-50 zu beschaffen. Auf der
Rüstungsmessen ADEX2015 wurde zudem erstmals das Modell einer bodengestützten Variante des Taurus
vorgestellt, bei der die Marschflugkörper von einem LKW-basierten
Startgerät verschossen werden. Die Taurus Systems GmbH machte
diesen Vorschlag zusammen mit dem südkoreanischen Partner Lig Nex1.
Der Export von schweren Flugkörpern des Typs Taurus
fällt unter das Missile Technology Control Regime, in dem sich 34
Staaten, darunter Deutschland und Südkorea, dazu verpflichtet
haben, Flugkörperexporte dann besonders restriktiv zu
handhaben, wenn diese einen Sprengkopf mit 500 Kilogramm Gewicht
über mehr als 300 Kliometer Reichweite transportieren können.
Seoul bemüht sich seit einigen Jahren in verschiedenen
Ländern intensiv um die Beschaffung moderner Abstandwaffen, ganz
gleich, ob luft- oder bodengestützt, um seinem Nachbarn Nordkorea
und dessen Raketenprogrammen etwas entgegensetzen zu können. Eine
Anfrage in den USA, ob Washington bereit sei, Südkorea den
modernen US-Abstandsflugkörper JSSAM zu liefern, wurde jedoch
abgelehnt. Auch bei der jetzt geplanten deutschen Lieferung
könnten die USA sich noch als Stolperstein erweisen. Washington
muss für die Lieferung des Taurus der Lieferung der
militärischen Variante des GPS-Systems zustimmen und hat
kürzlich mitgeteilt, dass eine Genehmigung frühestens im August
erfolgen könne. Durch den Präsidentschaftswahlkampf in den
USA könnten weitere Verzögerungen eintreten. Der Plan
Südkoreas, den Taurus-Flugkörper bereits ab Ende 2016 in der
südkoreanischen Luftwaffe einzuführen, könnte somit in
Gefahr geraten.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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