Originalbeitrag
19. Februar 2016


Deutsche Bunker-Buster für Südkorea

von Otfried Nassauer


 Südkorea will schwere deutsche Marschflugkörper beschaffen. Das hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel heute während einer Pressekonferenz indirekt bestätigt. Er teilte mit, die Bundesregierung habe 2015 eine Genehmigung erteilt, „Lenkflugkörper“ nach Südkorea zu liefern. Den Wert dieser Lieferung bezifferte sein Staatssekretär Matthias Machnig später in einem Schreiben an den Linken-Abgeordneten Jan van Aken mit 270 Millionen Euro.

Gemeint sind damit schwere, luftgestützte Marschflugkörper vom Typ Taurus, ein konventioneller Bunker-Buster, den Südkorea als Bewaffnung zum Beispiel seiner Jagdbomber vom Typ F-15K ab Ende 2016 einsetzen will. Die Integration des Taurus in diesen Flugzeugtyp ist bereits weit fortgeschritten. Lieferant der Flugkörpern ist die Taurus Systems GmbH in Schrobenhausen, ein Joint Venture der deutschen MBDA (früher LFK-Lenkflugkörpersysteme GmbH) mit dem schwedischen Rüstungskonzern SAAB Dynamics AB (früher Bofors).

Marschflugkörper vom Typ Taurus sind auch bei der Bundeswehr als Bewaffnung für den Tornado eingeführt. Die Luftwaffe kaufte von 2005 bis 2011 rund 600 Exemplare. Sie haben eine Reichweite von mehr als 500 Kilometer und tragen einen 481kg schweren konventionellen Penetratorsprengkopf vom Typ Mephisto. Da in die Waffe eine weitgehend störresistente Präzisionslenkung integriert wurde, die zusätzlich durch eine GPS-Lenkung unterstützt werden kann, hat sie angeblich eine mittlere Zielabweichung von nur 2-3 Metern. Der Flugkörper wurde zudem entwickelt, um im tiefen Geländefolgeflug auch leistungsfähige Luftverteidigungssystem zu durchdringen. Mit einer Vorhohlladung kann sich der Hauptsprengkopf seinen Weg quasi selbst freisprengen. Das als PIMPF bezeichnete intelligente Zündsystem erlaubt es, die Waffen erst in einem vorselektierbaren Hohlraum (z.B. einem bestimmten Stockwerk eines Bunkers) zu zünden. Das macht die Taurus-Flugkörper zu einem gut geeigneten Mittel zur Bekämpfung auch tief verbunkerter Ziele. Südkorea will nach Medienmeldungen zunächst bis zu  200 dieser Waffen beschaffen.

Exporte weiterer Versionen dieses Marschflugkörpers nach Südkorea sind in Vorbereitung. Seoul überlegt, zusätzliche eine abgespeckte, leichtere Variante mit bis zu knapp 400 Kilometer Reichweite, den KEPD350-2 als Bewaffnung für das koreanische Kampfflugzeug FA-50 zu beschaffen. Auf der Rüstungsmessen ADEX2015 wurde zudem erstmals das Modell einer bodengestützten Variante des Taurus vorgestellt, bei der die Marschflugkörper von einem LKW-basierten Startgerät verschossen werden. Die Taurus Systems GmbH machte diesen Vorschlag zusammen mit dem südkoreanischen Partner Lig Nex1.

Der Export von schweren Flugkörpern des Typs Taurus fällt unter das Missile Technology Control Regime, in dem sich 34 Staaten, darunter Deutschland und Südkorea, dazu verpflichtet haben, Flugkörperexporte  dann besonders restriktiv zu handhaben, wenn diese einen Sprengkopf mit 500 Kilogramm Gewicht über mehr als 300 Kliometer Reichweite transportieren können.

Seoul bemüht sich seit einigen Jahren in verschiedenen Ländern intensiv um die Beschaffung moderner Abstandwaffen, ganz gleich, ob luft- oder bodengestützt, um seinem Nachbarn Nordkorea und dessen Raketenprogrammen etwas entgegensetzen zu können. Eine Anfrage in den USA, ob Washington bereit sei, Südkorea den modernen US-Abstandsflugkörper JSSAM zu liefern, wurde jedoch abgelehnt. Auch bei der jetzt geplanten deutschen Lieferung könnten die USA sich noch als Stolperstein erweisen. Washington muss für die Lieferung des Taurus der Lieferung der militärischen Variante des GPS-Systems zustimmen und hat kürzlich mitgeteilt, dass eine Genehmigung frühestens im August erfolgen könne. Durch den Präsidentschaftswahlkampf in den USA könnten weitere Verzögerungen eintreten. Der Plan Südkoreas, den Taurus-Flugkörper bereits ab Ende 2016 in der südkoreanischen Luftwaffe einzuführen, könnte somit in Gefahr geraten.



ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS