Keine Korvetten aus Deutschland?
Eine Geschichte aus der Gerüchteküche in Israel
von Otfried Nassauer
Noch sind die Meldungen keine Woche alt. Israelische Medien berichten,
der Kauf neuer Korvetten für die israelische Marine in
Deutschland werde sich zerschlagen. Kanzlerin Angela Merkel habe dem
israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu mitgeteilt, dass Israel
beim Kauf solcher Schiffe nicht mit einem erheblichen Kostenbeitrag
durch Deutschland rechnen könne. Die Begleittöne der
Meldung sind wenig freundlich. Pikiert wird angemerkt, die deutsche
Absage sei ausgerechnet am 66. Gründungstag Israels
eingegangen. Es handele sich wohl eine Strafmaßnahme gegen
Israel, weil der israelische Premier, Benjamin Netanjahu, für
das Scheitern der jüngsten Friedensverhandlungen mit den
Palästinensern verantwortlich gemacht werde. Vielleicht gehe
die Absage auch auf US-Präsident Barack Obama zurück,
der sie bei den Deutschen angeregt habe. Das Schiffbauprojekt werde nun
wohl international ausgeschrieben. Werften in den USA, Italien und
Südkorea seien ebenfalls fähig, solche Schiffe zu
bauen. Auch andere Mütter haben schöne
Töchter, so die Logik, und die israelische Marine
benötige die Schiffe dringend. [ 1 ]
Worum geht es genau? Wie sieht die Vorgeschichte aus? Israel sucht seit
etlichen Jahren einen Nachfolger für seine Korvetten vom Typ
Sa’ar 5. Diese wurden in den 1990er Jahren von einer Werft
des US-Konzerns Nothrop Grumman gebaut und haben eine
Wasserverdrängung von rund 1.200 Tonnen. Den Blick richtete
Israel zunächst erneut in die USA. Dort wurde vor zehn Jahren
ein sogenanntes Littoral-Combat Ship der Freedom-Klasse [ 2
] entwickelt,
eine große Korvette mit deutlich mehr als 2.000 Tonnen
Wasserverdrängung. Tel Aviv hoffte, aus diesem Programm einen
Schiffstyp ableiten zu können, der seinen Vorstellungen
entsprach. Washington unterstützte den Plan und beauftragte
Lockheed Martin, den Konsortialführer für die
Freedem-Klasse, 2005 mit den Planungen für eine Anpassung.
Israelische Technologiebeistellungen, auch für die US-Schiffe,
und amerikanische Militärhilfegelder sollten deren Preis
für Israel tragbar machen. 2008 beantragte Israel, den Bau von
bis zu vier Schiffen aus Mitteln der US-Militärhilfe zu
unterstützen. Doch bald wurde klar: Daraus wird nichts. Die
US-Schiffe waren so teuer, dass die israelische Marine ihren
Kostenanteil nicht bezahlen konnte. Zudem wäre deren
Ausstattung und Bewaffnung nicht so vielseitig gewesen wie sich Israel
das vorstellte. Tel Aviv wünschte Schiffe, die gleichzeitig
zur Bekämpfung von U-Booten, Schiffen, Flugzeugen, Raketen und
Landzielen geeignet waren, die USA planten Schiffe mit
unterschiedlichen, austauschbaren Missionsausrüstungen. Israel
begann deshalb zu prüfen, ob man geeignete Schiffe auch in
Israel bauen könnte. Das Ergebnis: Auch das wäre zu
teuer geworden, denn die größte und
fähigste Werft des Landes, Israeli Shipyards, hätte
erst einmal umfassend modernisiert und ausgebaut werden
müssen, um so große Schiffe bauen zu können.
Die israelische Marine ging deshalb auf die kriselnde Hamburger Werft
Blohm & Voss und deren Mutterkonzern TKMS zu. Diese hatte auf
Basis ihres international erfolgreichen MEKO-Konzeptes bereits seit
2003 an der Freedom-Klasse mitgearbeitet. Tel Aviv fragte an, zu
welchen Konditionen zwei Korvetten des Typs MEKO A100 oder der
moderneren und größeren MEKO CSL (2.750 Tonnen) nach
israelischen Vorstellungen modifiziert und gebaut werden
könnten. Beide Typen lassen sich aufgrund ihres modularen
Aufbaus gut variieren. In Israel wünschte man sich zum
Beispiel die Möglichkeit, ein Raketenabwehrsystem, ein
AEGIS-ähnliches Radar und den Senkrechtstartbehälter
Mk 41 sowie viele israelische Elektronik- und Waffensysteme
einzurüsten, wofür auch eine offene Systemarchitektur
des Führungs- und Waffeneinsatzsystems erforderlich
wäre. Insgesamt will Israel vier solche Schiffe erwerben. Doch
der Preis der Hamburger war für Israel ebenfalls zu hoch. In
ihrem Budget waren für diese Schiffe damals nur etwa 600
Millionen Dollar vorgesehen.
Trotzdem hoffte man in Tel Aviv auf eine Realisierung: Hatte nicht
Deutschland Israel bereits vielfach projektgebunden finanzielle
Militärhilfe gewährt? Berlin schenkte Israel in den
1990er Jahren zwei Dolphin-U-Boote als Golfkriegshilfe, verlangte
für ein drittes Boot nur die Hälfte des Preises, trug
später für zwei weitere, modernere Boote erneut ein
Drittel des Preises bei und war außerdem bereit, eine
Devisenbeschaffungshilfe durch Einkäufe bei israelischen
Rüstungsfirmen im Umfang eines weiteren Drittels des Preises
zu leisten. Die Finanzierungsgespräche mit Deutschland
für das sechste und vorläufig letzte geplante
U-Bootes der Dolphin-Klasse standen noch aus. In diesem Kontext regte
Tel Aviv an, Berlin solle erneut einen Preisnachlass gewähren
- nicht nur für das sechste U-Boot, sondern auch für
zunächst zwei der neuen Korvetten.
Dazu war die Bundesregierung damals nicht bereit.
Möglicherweise wegen der Belastungen durch die Finanz- und
Eurokrise, möglicherweise aber auch, weil man
befürchtete, aus einer einmaligen Kostenbeteiligung
könne sich wie bei den U-Booten langfristig die Beteiligung am
Bau einer ganzen Schiffsklasse oder gar eine
regelmäßige Militärhilfe für
Israel entwickeln. Berlin winkte also ab und beschränkte im
März 2012 seine Zusage auf einen erneuten Zuschuss zu dem
U-Boot. Die Korvettenfrage wurde vertagt.
Ende vergangenen Jahres kam Israel auf sein Vorhaben zurück.
Die Entdeckung und Erschließung neuer, großer
Gasfelder im Mittelmeer [ 3 ] verlangte aus israelischer
Perspektive nach
militärischem Schutz gegen eine Vielzahl unterschiedlicher
Bedrohungen. Das geförderte Gas soll zu Teilen exportiert
werden und erheblich zur Wirtschaftsleistung Israels beitragen. Um den
Export auch im Krisenfall gewährleisten zu können,
sollen die Korvetten auch zur Absicherung dieser Gasfelder eingesetzt
werden. Seither werden sie auch gerne als Hochseepatrouillenboote
bezeichnet. Im Vorfeld der ersten Regierungskonsultationen mit der
neugewählten Großen Koalition in Deutschland warf
Israel die Frage einer finanziellen Beteiligung Deutschlands an den
Korvetten Ende 2013 wieder auf. Wieder gab es scheinbar aus Berlin
keine klare Absage. Wahrscheinlich versprach die Bundesregierung, den
israelischen Wunsch zu prüfen. Was Deutschland als
höfliche Variante eines „Neins“ oder
„Derzeit nicht“ verstanden wissen wollte,
interpretierte Tel Aviv als „Ja, in absehbarer
Zukunft“.
Ist das Vorhaben damit gestorben? Nicht unbedingt. Noch gibt es keine
Ausschreibung. An dieser könnten sich auch deutsche Firmen
beteiligen. Schraubt Israel seine Anforderungen an die neuen Schiffe
zurück, damit diese billiger gebaut werden können?
Eher nein, denn die israelische Marine will künftig ihre
Fähigkeit zu Präzisionsangriffen von See aus auf weit
entfernte Landziele deutlich verbessern. [ 4 ] Letztlich sind viele Fragen
noch ungeklärt. Doch wahrscheinlich ist bei Medienmeldungen
aus Nahost auch israelisch-deutsche Psychologie mit im Spiel. Im
kommenden Jahr feiern die diplomatischen Beziehungen zwischen Israel
und Deutschland ihre goldene Hochzeit. Sie bestehen dann seit 50 Jahren
und das soll groß gefeiert werden. Ein kleines
Millionengeschenk kann man aus diesem Anlass doch sicher erwarten,
damit der gemeinsame Ehrentag nicht mit zwei Ehepartnern begangen
werden muss, die sich wie die Kesselflicker streiten. Manch einer in
Israel dürfte jetzt Überlegungen in eine solche
Richtung anstellen.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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[ 1 ] Siehe z.B.:
Ma’ariv: Germany will Not Give Israel Discount on Missile
Boats for Navy, 15.5.2014, S.2; The Yeshia World Israel: Israel:
America May be Behind German’s Price Hike for Battleships,
18.5.2014 und Barabara Opall-Rome: Israel Balks at German Ship Deal;
Readies International Bid, in: Defense News, 17.5.2014
[ 2 ] Siehe: http://www.naval-technology.com/projects/littoral/
[zuletzt eingesehen am 15.5.2014]
[ 3 ] Einige heißen wie
Israels U-Boote z.B. Dolphin, Leviathan und Tanin.
[ 4 ] Yaakov Lappin: The Israeli
Navy is quietly enhancing ist capabilities for precision long range
missiles, in: Jerusalem Post, 13.5.2014
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