Original Artikel
18. Mai 2014


Keine Korvetten aus Deutschland?
Eine Geschichte aus der Gerüchteküche in Israel

von Otfried Nassauer


Noch sind die Meldungen keine Woche alt. Israelische Medien berichten, der Kauf neuer Korvetten für die israelische Marine in Deutschland werde sich zerschlagen. Kanzlerin Angela Merkel habe dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu mitgeteilt, dass Israel beim Kauf solcher Schiffe nicht mit einem erheblichen Kostenbeitrag durch Deutschland rechnen könne. Die Begleittöne der Meldung sind wenig freundlich. Pikiert wird angemerkt, die deutsche Absage sei ausgerechnet am 66. Gründungstag Israels eingegangen. Es handele sich wohl eine Strafmaßnahme gegen Israel, weil der israelische Premier, Benjamin Netanjahu, für das Scheitern der jüngsten Friedensverhandlungen mit den Palästinensern verantwortlich gemacht werde. Vielleicht gehe die Absage auch auf US-Präsident Barack Obama zurück, der sie bei den Deutschen angeregt habe. Das Schiffbauprojekt werde nun wohl international ausgeschrieben. Werften in den USA, Italien und Südkorea seien ebenfalls fähig, solche Schiffe zu bauen. Auch andere Mütter haben schöne Töchter, so die Logik, und die israelische Marine benötige die Schiffe dringend. [ 1 ]

Worum geht es genau? Wie sieht die Vorgeschichte aus? Israel sucht seit etlichen Jahren einen Nachfolger für seine Korvetten vom Typ Sa’ar 5. Diese wurden in den 1990er Jahren von einer Werft des US-Konzerns Nothrop Grumman gebaut und haben eine Wasserverdrängung von rund 1.200 Tonnen. Den Blick richtete Israel zunächst erneut in die USA. Dort wurde vor zehn Jahren ein sogenanntes Littoral-Combat Ship der Freedom-Klasse [ 2 ] entwickelt, eine große Korvette mit deutlich mehr als 2.000 Tonnen Wasserverdrängung. Tel Aviv hoffte, aus diesem Programm einen Schiffstyp ableiten zu können, der seinen Vorstellungen entsprach. Washington unterstützte den Plan und beauftragte Lockheed Martin, den Konsortialführer für die Freedem-Klasse, 2005 mit den Planungen für eine Anpassung. Israelische Technologiebeistellungen, auch für die US-Schiffe, und amerikanische Militärhilfegelder sollten deren Preis für Israel tragbar machen. 2008 beantragte Israel, den Bau von bis zu vier Schiffen aus Mitteln der US-Militärhilfe zu unterstützen. Doch bald wurde klar: Daraus wird nichts. Die US-Schiffe waren so teuer, dass die israelische Marine ihren Kostenanteil nicht bezahlen konnte. Zudem wäre deren Ausstattung und Bewaffnung nicht so vielseitig gewesen wie sich Israel das vorstellte. Tel Aviv wünschte Schiffe, die gleichzeitig zur Bekämpfung von U-Booten, Schiffen, Flugzeugen, Raketen und Landzielen geeignet waren, die USA planten Schiffe mit unterschiedlichen, austauschbaren Missionsausrüstungen. Israel begann deshalb zu prüfen, ob man geeignete Schiffe auch in Israel bauen könnte. Das Ergebnis: Auch das wäre zu teuer geworden, denn die größte und fähigste Werft des Landes, Israeli Shipyards, hätte erst einmal umfassend modernisiert und ausgebaut werden müssen, um so große Schiffe bauen zu können.
 
Die israelische Marine ging deshalb auf die kriselnde Hamburger Werft Blohm & Voss und deren Mutterkonzern TKMS zu. Diese hatte auf Basis ihres international erfolgreichen MEKO-Konzeptes bereits seit 2003 an der Freedom-Klasse mitgearbeitet. Tel Aviv fragte an, zu welchen Konditionen zwei Korvetten des Typs MEKO A100 oder der moderneren und größeren MEKO CSL (2.750 Tonnen) nach israelischen Vorstellungen modifiziert und gebaut werden könnten. Beide Typen lassen sich aufgrund ihres modularen Aufbaus gut variieren. In Israel wünschte man sich zum Beispiel die Möglichkeit, ein Raketenabwehrsystem, ein AEGIS-ähnliches Radar und den Senkrechtstartbehälter Mk 41 sowie viele israelische Elektronik- und Waffensysteme einzurüsten, wofür auch eine offene Systemarchitektur des Führungs- und Waffeneinsatzsystems erforderlich wäre. Insgesamt will Israel vier solche Schiffe erwerben. Doch der Preis der Hamburger war für Israel ebenfalls zu hoch. In ihrem Budget waren für diese Schiffe damals nur etwa 600 Millionen Dollar vorgesehen.

Trotzdem hoffte man in Tel Aviv auf eine Realisierung: Hatte nicht Deutschland Israel bereits vielfach projektgebunden finanzielle Militärhilfe gewährt? Berlin schenkte Israel in den 1990er Jahren zwei Dolphin-U-Boote als Golfkriegshilfe, verlangte für ein drittes Boot nur die Hälfte des Preises, trug später für zwei weitere, modernere Boote erneut ein Drittel des Preises bei und war außerdem bereit, eine Devisenbeschaffungshilfe durch Einkäufe bei israelischen Rüstungsfirmen im Umfang eines weiteren Drittels des Preises zu leisten. Die Finanzierungsgespräche mit Deutschland für das sechste und vorläufig letzte geplante U-Bootes der Dolphin-Klasse standen noch aus. In diesem Kontext regte Tel Aviv an, Berlin solle erneut einen Preisnachlass gewähren - nicht nur für das sechste U-Boot, sondern auch für zunächst zwei der neuen Korvetten.

Dazu war die Bundesregierung damals nicht bereit. Möglicherweise wegen der Belastungen durch die Finanz- und Eurokrise, möglicherweise aber auch, weil man befürchtete, aus einer einmaligen Kostenbeteiligung könne sich wie bei den U-Booten langfristig die Beteiligung am Bau einer ganzen Schiffsklasse oder gar eine regelmäßige Militärhilfe für Israel entwickeln. Berlin winkte also ab und beschränkte im März 2012 seine Zusage auf einen erneuten Zuschuss zu dem U-Boot. Die Korvettenfrage wurde vertagt.

Ende vergangenen Jahres kam Israel auf sein Vorhaben zurück. Die Entdeckung und Erschließung neuer, großer Gasfelder im Mittelmeer [ 3 ] verlangte aus israelischer Perspektive nach militärischem Schutz gegen eine Vielzahl unterschiedlicher Bedrohungen. Das geförderte Gas soll zu Teilen exportiert werden und erheblich zur Wirtschaftsleistung Israels beitragen. Um den Export auch im Krisenfall gewährleisten zu können, sollen die Korvetten auch zur Absicherung dieser Gasfelder eingesetzt werden. Seither werden sie auch gerne als Hochseepatrouillenboote bezeichnet. Im Vorfeld der ersten Regierungskonsultationen mit der neugewählten Großen Koalition in Deutschland warf Israel die Frage einer finanziellen Beteiligung Deutschlands an den Korvetten Ende 2013 wieder auf. Wieder gab es scheinbar aus Berlin keine klare Absage. Wahrscheinlich versprach die Bundesregierung, den israelischen Wunsch zu prüfen. Was Deutschland als höfliche Variante eines „Neins“ oder „Derzeit nicht“ verstanden wissen wollte, interpretierte Tel Aviv als „Ja, in absehbarer Zukunft“.

Ist das Vorhaben damit gestorben? Nicht unbedingt. Noch gibt es keine Ausschreibung. An dieser könnten sich auch deutsche Firmen beteiligen. Schraubt Israel seine Anforderungen an die neuen Schiffe zurück, damit diese billiger gebaut werden können? Eher nein, denn die israelische Marine will künftig ihre Fähigkeit zu Präzisionsangriffen von See aus auf weit entfernte Landziele deutlich verbessern. [ 4 ] Letztlich sind viele Fragen noch ungeklärt. Doch wahrscheinlich ist bei Medienmeldungen aus Nahost auch israelisch-deutsche Psychologie mit im Spiel. Im kommenden Jahr feiern die diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland ihre goldene Hochzeit. Sie bestehen dann seit 50 Jahren und das soll groß gefeiert werden. Ein kleines Millionengeschenk kann man aus diesem Anlass doch sicher erwarten, damit der gemeinsame Ehrentag nicht mit zwei Ehepartnern begangen werden muss, die sich wie die Kesselflicker streiten. Manch einer in Israel dürfte jetzt Überlegungen in eine solche Richtung anstellen. 


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS

 

[ 1 ] Siehe z.B.: Ma’ariv: Germany will Not Give Israel Discount on Missile Boats for Navy, 15.5.2014, S.2; The Yeshia World Israel: Israel: America May be Behind German’s Price Hike for Battleships, 18.5.2014 und Barabara Opall-Rome: Israel Balks at German Ship Deal; Readies International Bid, in: Defense News, 17.5.2014

[ 2 ] Siehe: http://www.naval-technology.com/projects/littoral/ [zuletzt eingesehen am 15.5.2014]

[ 3 ] Einige heißen wie Israels U-Boote z.B. Dolphin, Leviathan und Tanin.

[ 4 ] Yaakov Lappin: The Israeli Navy is quietly enhancing ist capabilities for precision long range missiles, in: Jerusalem Post, 13.5.2014