Original Artikel
09. Oktober 2015 (inkl. update vom 11.11.15)


Atom-Manöver in der Eifel

von Otfried Nassauer


vom 12.-16. Oktober 2015 findet am einzigen Standort amerikanischer Atomwaffen in Deutschland, dem Fliegerhorst Büchel, das jährliche Atomwaffenmanöver der NATO, Steadfast Noon, statt. Mit diesem Manöver üben die an der Nuklearen Teilhabe beteiligten Staaten der NATO jedes Jahr einmal die Einhaltung der atomaren Sicherheitsstandards bei ihren nuklearfahigen Luftangriffskräften und deren Unterstützungskräften am Boden. Dieses Jahr findet die Übung in Büchel statt, wie eine Pressemitteilung der griechischen Luftwaffe vom heutigen Tag bestätigt. 

Der Luftraum über dem Flugplatz Büchel ist deshalb gleich an mehrern Tagen für die zivile Luftfahrt zeitweise gesperrt. Dies gaben die Deutsche Flugsicherung und die militärischen Luftfahrtbehörden der Bundesrepublik bereits vor einiger Zeit bekannt. Angekündigt wurde von ihnen jedoch eine zweiteilige Übung mit dem Namen „Cold Igloo“, deren erster Teil im September stattfand. Der zweite Teil steht nun an. Im September beteiligten sich nuklearfähige Kampfjets aus Lakenheath, Ghedi, Volkel, Kleine Brogel und Büchel. Für den zweiten Teil der Übung werden zusätzlich Jets aus Polen, Griechenland, der Türkei und Tschechien erwartet. Sie werden überwiegend nicht-nukleare Aufgaben in dem Manöver übernehmen. Außerdem entsendet die Gesellschaft für Flugzieldarstellung GFD einen Learjet, der elektronische Gegenmaßnahmen simulieren kann. 

Dies geht aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums an den grünen Bundestagsabgeordneten Tobias Lindner hervor, der nach dem Zweck der Übung Cold Igloo gefragt hatte: Das Ministerium wollte lediglich mitteilen, dass es „um die reibungslose  Zusammenarbeit der teilnehmenden Luftfahrzeugbesatzungen und des technischen Personals bei komplexen und fordernden Missionen“ und um einen „Kernaufgabe“ des Bündnisses gehe. 

Das „Cold Igloo seitens des Ministeriums als Versteck für  die Übung „Steadfast Noon“ genutzt werde, wurde seit geraumer Zeit vermutet, da ein älteres Nato-Dokument Steadfast Noon für den 12-16.Oktober 2015 angekündigt hatte. Es bedurfte wieder einmal der stolzen griechischen Luftwaffe, um endgültig Licht in das Dunkel zu bringen und zu zeigen, das die Pflicht zur Transparenz auch für die NATO gelten sollte.



 update
11. November 2015

 

Steadfast Noon 2015 – Ein Nachtrag

von Otfried Nassauer

 
Die Übungen Steadfast Noon 2015 und Cold Igloo haben stattgefunden. Eine erste Auswertung der Beobachtungen während der jährlichen Atomwaffen-Übung der NATO zeigt, dass diese deutliche Abweichungen zu den Übungen vergangener Jahre aufwies.

Die Übung dauerte trotz der bereits im September 2015 erfolgten ersten Phase von Cold Igloo zwei statt eine Woche. Geübt wurde nicht nur wie angekündigt in der Zeit vom 12.-16. Oktober, sondern zusätzlich auch in der Folgewoche. Für diesen Zeitraum waren Luftraumsperrungen angekündigt, jedoch als Ausweichtermin für den 12.-16. Oktober. Auffällig war zudem die größere Teilnehmerzahl im Vergleich zu früheren Übungen. Dies galt sowohl im Blick auf die Zahl der teilnehmenden Länder, als auch hinsichtlich der Zahl der von Spottern beobachteten Flugzeuge. (Vgl. die Teilnehmertabelle unten). Alle Luftwaffen reisten mit mindestens drei Luftfahrzeugen an. Die USA nahmen sogar mit vier Flugzeugen des Typs F-15E aus zwei Staffeln im britischen Lakenheath teil. Dieser Standort hat seit einigen Jahren normalerweise keine nuklearen Aufgaben mehr, kann diese aber wieder übernehmen. Auffällig war auch, dass die Tschechische Republik erstmals als Teilnehmer (der Übung Cold Igloo) angekündigt war, deren Jagdflugzeuge vom Typ Gripen jedoch nach Nörvenich und nicht nach Büchel verlegt wurden. Schließlich zeigte sich, dass das Übungsgeschehen selbst offenbar zweiteilig angelegt war: In der ersten Woche waren sowohl Luftfahrzeuge aus jenen Ländern, die im Rahmen der nuklearen Teilhabe der NATO für einen Nuklearwaffeneinsatz vorgesehen sind, beteiligt, als auch Flugzeuge aus Staaten, die bei einem solchen Einsatz ergänzende und unterstützenden Aufgaben übernehmen können. Für die zweite Woche blieben nur die Luftfahrzeuge jener Staaten, die Trägersysteme für nukleare Einsätze bereitstellen, darunter die F-15E der USA. Zu vermuten ist, dass in dieser zweiten Woche die bei Steadfast Noon üblichen Überprüfungen der sicheren Handhabung nuklearer Waffen stattfanden. 

Über die Gründe für diese Abweichungen von früheren Steadfast Noon-Manövern kann letztlich nur spekuliert werden. Naheliegend ist, dass die NATO das Manöver 2015 nutzte, um mehrere Signale zu senden: Das Bündnis wollte seinen eigenen Mitgliedern angesichts der Krise in der Ukraine zeigen, dass es die Aufgabe nuklearer Abschreckung nicht nur weiterhin ernst nimmt, sondern durch eigene Maßnahmen die Vorbereitungszeit für die Durchführung solcher Einsätze wieder verkürzen kann. Über ein öffentliches Signal dieser Art soll möglicherweise der NATO-Gipfel 2016 in Warschau entscheiden. Interessanterweise zeichnet sich schon jetzt eine Änderung ab: Wurde die Vorbereitungszeit bis zum Erreichen der vollen nuklearen Einsatzbereitschaft in den vergangenen Jahren meist mit mehreren Monaten angegeben, so ist in jüngeren Veröffentlichungen wieder häufiger von 30 Tagen die Rede.

Ein weiteres Signal richtet sich indirekt an Russland. Die NATO plant weiterhin mit Nuklearwaffen in Europa. Dieses Signal verschlechtert die Aussichten für die seit 2010 in der offiziellen Rhetorik der NATO angestrebte rüstungskontrollpolitische Zielsetzung einer Eliminierung der nicht-strategischen Nuklearwaffen. Washingtons Absicht, seine in Europa stationierten Atomwaffen zu Beginn des nächsten Jahrzehnts durch eine runderneuerte Version, die B61-12, abzulösen, trägt dazu ebenfalls bei. Zwei weitere Vorgänge deuten in die gleiche Richtung: Zum einen wird Moskau von westlicher Seite in letzter Zeit immer wieder nachgesagt, es habe weiteren nuklearen Rüstungskontrollbemühungen bereits eine endgültige Absage erteilt. Zum anderen haben sich die öffentlich nur unzureichend substantiierten Vorwürfe aus den USA verstärkt, Russland habe sich einer Verletzung des INF-Vertrages schuldig gemacht.

Die Übung Steadfast Noon 2015 signalisiert also auch einen Klimawandel. Nukleare Waffen in Europa werden nicht mehr als Auslaufmodell betrachtet. Sie gewinnen wieder an Bedeutung.


Anhang: Kampfflugzeuge der Übungen Steadfast Noon / Cold Eagle  2015

Kennzeichen

Typ

Land

Standort

von-bis

Ort







003

F16C

GR

Araxos

12.-17.10

Büchel

004

F16D

GR

Araxos

12.-17.10

Büchel

027

F16D

GR

Araxos

12.-17.10

Büchel







FA-56

F-16AM

BE

Kleine Brogel

12.-2?.10

Büchel

FA-87

F-16AM

BE

Kleine Brogel

12.-2?.10

Büchel

FA-124

F-16AM

BE

Kleine Brogel

12.-2?.10

Büchel







MM 7044/6-76

PA200

IT

Ghedi-Torre

12.-22.10

Büchel

MM 7075/6-07

PA200

IT

Ghedi-Torre

12.-22.10

Büchel

MM 7086 /6-60

PA200

IT

Ghedi-Torre

12.-22.10

Büchel







J-003

F16AM

NL

Volkel

12.-2?.10

Büchel

J-514

F16AM

NL

Volkel

12.-2?.10

Büchel

J-630

F16AM

NL

Volkel

12.-2?.10

Büchel







91-0602

F-15E

US

Lakenheath

9.-23.10.

Büchel

91-0306

F-15E

US

Lakenheath

9.-23.10.

Büchel

92-0021

F-15E

US

Lakenheath

9.-23.10.

Büchel

91-0327

F-15E

US

Lakenheath

9.-23.10.

Büchel







4067

F-16D

POL

Lask

9.-16.10

Büchel

4072

F-16C

POL

Lask

9.-16.10.

Büchel

4086

F-16D

POL

Lask

9.-16.10.

Büchel







92-0021

F-16C

TR

Balikesir

9.-16.10.

Büchel

88-0015

F-16D

TR

Balikesir

9.-16.10.

Büchel

88-0034

F-16C

TR

Balikesir

9.-16.10.

Büchel







44+33

PA200

GE

Büchel


Büchel

44+22

PA200

GE

Büchel


Büchel

45+09

PA200

GE

Büchel


Büchel

44+58

PA200

GE

Büchel


Büchel

44+29

PA200

GE

Büchel


Büchel

44+85

PA200

GE

Büchel


Büchel

Ggf weitere












9245

Gripen

CZ


12.-19.10.

Nörvenich

9235

Gripen

CZ


12.-19.10.

Nörvenich

9244

Gripen

CZ


12.-19.10.

Nörvenich

Quelle: Spotter-Angaben und Fotos u.a. auf www.scramble.nl und www.flugzeugforum.de

 


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS