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08. Oktober 2015


Teures Beschaffungschaos bei der Bundeswehr

von Otfried Nassauer


Das wird teuer. Sehr teuer sogar. Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik  und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz  rechnet in den nächsten vier Jahren offenbar mit Kosten von 285,6 Millionen Euro, um das Chaos im Beschaffungswesen der Bundeswehr aufzuarbeiten. Die Koblenzer Mammutbehörde hat kommerzielle Beratungsunternehmen aus der ganzen EU aufgefordert, bis Ende Oktober Interesse an einem solchen Auftrag zu bekunden. Dieser könne um weitere „36 Monate“ verlängert werden, lockt die Behörde. Sechs Unternehmen will man zu Angeboten auffordern.

Das  BAAINBw will mit dem Geld vor allem die gravierenden Projektmanagement- und Qualitätssicherungsprobleme im Beschaffungswesen lösen. Unternehmensberater von KPMG haben sie im ergangenen Jahr beschrieben, als sie zehn Großprojekte, darunter den Schützenpanzer Puma, die Hubschrauber Tiger und NH90, das Transportflugzeug A400M und die Fregatte 125 untersuchten, um herauszufinden, warum die Bundeswehr neue Waffensysteme meist um viele Jahre vrerzögert, um Milliarden teurer als geplant und oft auch weit weniger leistungsfähig als versprochen von der Industrie erhält. Mittlerweile wurden weitere Projekte unter die Lupe genommen und das Verteidigungsministerium hat in zwei Berichten zu Rüstungsangelegenheiten eingeräumt, dass es ähnliche Probleme und Risiken auch bei vielen anderen Beschaffungsprojekten gibt. Einen etwas euphemistischen Überblick über den Stand der Aufarbeitung bietet der zweite Bericht des Bundesministeriums der Verteidigung zu Rüstungsangelegenheiten, der heute veröffentlicht wurde. 

Mit der dreistelligen Millionensumme sollen binnen vier Jahren „1225 Personenjahre“ an externer Beratung für das BAAINBw eingekauft und finanziert werden. Über einen Rahmenvertrages will die Behörde sich das Recht sichern, flexibel und nach Bedarf fachliche Unterstützung in einem Arbeitsumfang anzufordern, der rund 300 Planstellen entspricht. Die Berater sollen vor allem das Projekt- und Risikomanagement sowie die Qualitätssicherung, also die Güte- und Stückprüfung unterstützen. Mit knapp tausend Euro pro Tag sind die Kosten ohne Mehrwertsteuer pro Beratertag kalkuliert. Mit knapp 200.000 € pro Jahr und Person kosten die Berater aber auch etwa das Doppelte dessen, was eine entsprechenmde Anzahl festangestellter Bundesbediensteter kosten würde. Beraterkosten sind jedoch Sachkosten und keine Personalkosten, also auch keine zusätzlichen Planstellen, die oft nur zurückhaltend bewilligt werden. Externe Dienstleistungen sind deshalb ein beliebter Weg, aus Personalkosten leichter zu rechtfertigende Sachkosten zu machen, steigern aber auch die Projektkosten nicht unerheblich.

Offenbar ist bislang noch nicht klar, ob die geplante teure Reparatur des Beschaffungswesens im BAAINBw schon ausreichend sein wird. Die Anfrage des Amtes sieht zwei Verlängerungsoptionen von zusammen „36 Monaten“ Dauer vor, also drei zusätzliche Jahre. Kalkuliert man deren Kosten analog zu den ersten vier Jahren, so dürfte sich der künftige Auftragnehmer möglicherweise noch einmal über 214 Millionen Euro Umsatz freuen, also über einen Gesamtauftragswert von rund einer halben Milliarrde.

Auffällig ist zudem, dass die von BAAINBw angeforderten Beratungsleistungen vor allem das Projektmanagement und die Qualitätssicherung betreffen .Die Berater der KPMG hatten dagegen im vergangenen Jahr auch die Vertragsgestaltung und das Vertragsmanagement sowie die Arbeit der Vertragsjuristen in der Behörde als Schwachstelle ausgemacht, für die sie externe Beratung empfahlen. Externe juristische Berater werden seitens des BAAINBw jedoch im Rahmen der aktuellen Ausschreibung nicht angefordert. Obwohl das Amt offenbar in den letzten Monaten zusätzliche Juristen fest angestellt hat, könnte sich hier ein weiterer kostenträchtiger Beratungsbereich auftun.

Ausgegeben werden die Steuergelder, um Probleme und Fehler der Koblenzer Bürokraten aus der Vergangenheit zu korrigieren. Deren Umfang ist – was das BAAINBw scheinbar erheblich größer als bislang bekannt. Der Wurm hat weite Teile des Bauwerks BAAINBw befallen und bekanntlich gilt: Wo er einmal drin ist....

Noch sind die entsprechenden Haushaltmittel im Entwurf des Verteidigungshaushalts für 2016 nicht veranschlagt. Um den Vertrag 2016 abschließen zu können, müssten sie in diesen   noch eingestellt werden. Das könnte zu einer weiteren Erhöhung des Einzelplans 14 führen.  Am kommenden Montag tagen die Berichterstatter des Haushaltsauschusses. Die geplante Aufräumaktion beim BAAINBw dürfte sicher erheblichem Erklärungsbedarf hervorrufen.

Tobias Lindener, der zuständiger Berichterstatter der GRÜNEN ärgerte sich: „Das Chaos in Koblenz“ müsse offenbar „noch viel größer sein als bisher bekannt.“ Das Hinzuziehen von Beratern sei bereits von der KPMG empfohlen worden, aber „eine Beratertruppe im Wert von hunderten von Millionen“ , das sei „eine neue Dimension.“

Nachtrag vom 9.Oktober 2015
Aufgeschreckt durch die kritischen Nachfragen zu diesem Vorhaben, kündigte das BMVg nur einem Tag später, am 9.Oktober 2015 an, „die jetzige Ausschreibung“ werde „aufgehoben“. Der Bedarf  an diesen Beratungsleistungen sei jedoch weiter gegeben, „lohnend und angemessen“. Eine neue Ausschreibung erfolge „deshalb in Kürze.“ Der Auftrag werde möglicherweise „in Lose“ aufgeteilt. Ein kleinteiligere Auftragsvergabe soll  wohl vor allem weniger kritische Aufmerksamkeit auf sich ziehen, kann aber auch schnell  nochmals teurer werden. Aufgeben will das Koblenzer Amt das Vorhaben jedenfalls nicht.



ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS