Teures Beschaffungschaos bei der Bundeswehr
von Otfried Nassauer
Das wird teuer. Sehr teuer sogar. Das Bundesamt für
Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr
(BAAINBw) in Koblenz rechnet in den nächsten vier Jahren
offenbar mit Kosten von 285,6 Millionen Euro, um das Chaos im
Beschaffungswesen der Bundeswehr aufzuarbeiten. Die Koblenzer
Mammutbehörde hat kommerzielle Beratungsunternehmen aus der ganzen
EU aufgefordert, bis Ende Oktober Interesse an einem solchen Auftrag zu
bekunden. Dieser könne um weitere „36 Monate“
verlängert werden, lockt die Behörde. Sechs Unternehmen will
man zu Angeboten auffordern.
Das BAAINBw will mit dem Geld vor allem die gravierenden
Projektmanagement- und Qualitätssicherungsprobleme im
Beschaffungswesen lösen. Unternehmensberater von KPMG haben sie im
ergangenen Jahr beschrieben, als sie zehn Großprojekte, darunter
den Schützenpanzer Puma, die Hubschrauber Tiger und NH90, das
Transportflugzeug A400M und die Fregatte 125 untersuchten, um
herauszufinden, warum die Bundeswehr neue Waffensysteme meist um viele
Jahre vrerzögert, um Milliarden teurer als geplant und oft auch
weit weniger leistungsfähig als versprochen von der Industrie
erhält. Mittlerweile wurden weitere Projekte unter die Lupe
genommen und das Verteidigungsministerium hat in zwei Berichten zu
Rüstungsangelegenheiten eingeräumt, dass es ähnliche
Probleme und Risiken auch bei vielen anderen Beschaffungsprojekten
gibt. Einen etwas euphemistischen Überblick über den Stand
der Aufarbeitung bietet der zweite Bericht des Bundesministeriums der
Verteidigung zu Rüstungsangelegenheiten, der heute
veröffentlicht wurde.
Mit der dreistelligen Millionensumme sollen binnen vier Jahren
„1225 Personenjahre“ an externer Beratung für das
BAAINBw eingekauft und finanziert werden. Über einen
Rahmenvertrages will die Behörde sich das Recht sichern, flexibel
und nach Bedarf fachliche Unterstützung in einem Arbeitsumfang
anzufordern, der rund 300 Planstellen entspricht. Die Berater sollen
vor allem das Projekt- und Risikomanagement sowie die
Qualitätssicherung, also die Güte- und Stückprüfung
unterstützen. Mit knapp tausend Euro pro Tag sind die Kosten ohne
Mehrwertsteuer pro Beratertag kalkuliert. Mit knapp 200.000 € pro
Jahr und Person kosten die Berater aber auch etwa das Doppelte dessen,
was eine entsprechenmde Anzahl festangestellter Bundesbediensteter
kosten würde. Beraterkosten sind jedoch Sachkosten und keine
Personalkosten, also auch keine zusätzlichen Planstellen, die oft
nur zurückhaltend bewilligt werden. Externe Dienstleistungen sind
deshalb ein beliebter Weg, aus Personalkosten leichter zu
rechtfertigende Sachkosten zu machen, steigern aber auch die
Projektkosten nicht unerheblich.
Offenbar ist bislang noch nicht klar, ob die geplante teure Reparatur
des Beschaffungswesens im BAAINBw schon ausreichend sein wird. Die
Anfrage des Amtes sieht zwei Verlängerungsoptionen von zusammen
„36 Monaten“ Dauer vor, also drei zusätzliche Jahre.
Kalkuliert man deren Kosten analog zu den ersten vier Jahren, so
dürfte sich der künftige Auftragnehmer möglicherweise
noch einmal über 214 Millionen Euro Umsatz freuen, also über
einen Gesamtauftragswert von rund einer halben Milliarrde.
Auffällig ist zudem, dass die von BAAINBw angeforderten
Beratungsleistungen vor allem das Projektmanagement und die
Qualitätssicherung betreffen .Die Berater der KPMG hatten dagegen
im vergangenen Jahr auch die Vertragsgestaltung und das
Vertragsmanagement sowie die Arbeit der Vertragsjuristen in der
Behörde als Schwachstelle ausgemacht, für die sie externe
Beratung empfahlen. Externe juristische Berater werden seitens des
BAAINBw jedoch im Rahmen der aktuellen Ausschreibung nicht angefordert.
Obwohl das Amt offenbar in den letzten Monaten zusätzliche
Juristen fest angestellt hat, könnte sich hier ein weiterer
kostenträchtiger Beratungsbereich auftun.
Ausgegeben werden die Steuergelder, um Probleme und Fehler der
Koblenzer Bürokraten aus der Vergangenheit zu korrigieren. Deren
Umfang ist – was das BAAINBw scheinbar erheblich
größer als bislang bekannt. Der Wurm hat weite Teile des
Bauwerks BAAINBw befallen und bekanntlich gilt: Wo er einmal drin
ist....
Noch sind die entsprechenden Haushaltmittel im Entwurf des
Verteidigungshaushalts für 2016 nicht veranschlagt. Um den Vertrag
2016 abschließen zu können, müssten sie in
diesen noch eingestellt werden. Das könnte zu einer
weiteren Erhöhung des Einzelplans 14 führen. Am
kommenden Montag tagen die Berichterstatter des Haushaltsauschusses.
Die geplante Aufräumaktion beim BAAINBw dürfte sicher
erheblichem Erklärungsbedarf hervorrufen.
Tobias Lindener, der zuständiger Berichterstatter der GRÜNEN
ärgerte sich: „Das Chaos in Koblenz“ müsse
offenbar „noch viel größer sein als bisher
bekannt.“ Das Hinzuziehen von Beratern sei bereits von der KPMG
empfohlen worden, aber „eine Beratertruppe im Wert von hunderten
von Millionen“ , das sei „eine neue Dimension.“
Nachtrag vom 9.Oktober 2015
Aufgeschreckt
durch die kritischen Nachfragen zu diesem Vorhaben, kündigte das
BMVg nur einem Tag später, am 9.Oktober 2015 an, „die
jetzige Ausschreibung“ werde „aufgehoben“. Der
Bedarf an diesen Beratungsleistungen sei jedoch weiter gegeben,
„lohnend und angemessen“. Eine neue Ausschreibung erfolge
„deshalb in Kürze.“ Der Auftrag werde
möglicherweise „in Lose“ aufgeteilt. Ein
kleinteiligere Auftragsvergabe soll wohl vor allem weniger
kritische Aufmerksamkeit auf sich ziehen, kann aber auch schnell
nochmals teurer werden. Aufgeben will das Koblenzer Amt das Vorhaben
jedenfalls nicht.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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