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Bisheriges Trägersystem | Vorhaben | Status |
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Modernisierung und Lebensdauerverlängerung | wird derzeit durchgeführt |
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GBSD als Nachfolger | geplant |
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Lebensdauerverlängerung / Modernisierung | wird derzeit durchgeführt |
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SSBN-X als Nachfolger | Konzeption |
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Lebensdauerverlängerung / Modernisierung | geplant |
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Modernisierung | geplant |
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Modernisierung | geplant |
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LRS-B als Nachfolger | Konzeption und Entwicklung |
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LRSO als Nachfolger | geplant |
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F-35 / Joint Strike Fighter als Nachfolger | In Erprobung, nuklearfähige Variante soll entwickelt werden |
Schritt für Schritt sollen auch die atomaren
Sprengköpfe modernisiert werden. In den USA wird dies als
Verlängerung der Lebensdauer bezeichnet, weil
Präsident Obama angeordnet hat, weder neue
Nuklearsprengköpfe noch Sprengköpfe mit neuen
militärischen Fähigkeiten zu entwickeln. Die
zuständige National Nuclear Security Agency (NNSA)
interpretiert diese politische Vorgabe jedoch höchst
freizügig und sieht sie auch dann als erfüllt an,
wenn für neue Sprengköpfe die nuklearen Komponenten
alter Sprengköpfe abgeändert und wieder genutzt oder
nachgebaut werden. Was darüber hinaus noch an Modernisierung
politisch akzeptabel wäre, wird mit immer neuen trickreichen
Verbesserungsvorschlägen ausgetestet. Das Ergebnis wird wohl
der Entwicklung neuer Atomwaffen oder von Nuklearwaffen, die neue
militärische Fähigkeiten haben, sehr nahe kommen.
Begründet wird dieses Vorgehen unter anderem damit, dass eine
neue Generation von Wissenschaftlern und Ingenieuren ausgebildet werden
müsse, die den Bau von Atomwaffen vollständig
beherrscht.
Die NNSA hat einen langfristigen Modernisierungsplan für alle
Atomsprengsätze der USA ausgearbeitet, das sogenannte 3+2
Programm. Drei Sprengkopftypen für ballistische Raketen und
zwei für luftgestützte Atomwaffen sollen langfristig
alle bisherigen Kernwaffentypen ersetzen. Die NNSA verspricht, die
Gesamtzahl der Waffen zu verringern, die Menge des verbauten
waffenfähigen Nuklearmaterials abzusenken und auch die
Gesamtsprengkraft der atomaren Waffen der USA deutlich zu reduzieren,
weil nach der Modernisierung die Waffen mit der
größten Sprengkraft außer Dienst gestellt
werden können.
Weniger soll also mehr werden. Künftig sollen auch nicht mehr
ganze Raketensprengköpfe oder Bomben als Reserve für
den Fall eingelagert werden, dass technische oder Sicherheitsprobleme
einen bestimmten Sprengkopftyp außer Gefecht setzen, sondern
nur noch einzelne Komponenten, die im Austausch für die
fehlerhaften Teile eingebaut werden können. Bauteile, die in
mehrere Waffentypen passen, müssen aber oft erst entwickelt
werden. Auch ganze Sprengköpfe sollen künftig so
konzipiert werden, dass sie untereinander austauschbar sind. So soll
möglichst bald ein Atomsprengkopf (IW-1) entstehen, der sowohl
mit landgestützten als auch mit seegestützten
Langstreckenraketen verschossen werden kann.
Das derzeit wichtigste und zugleich das Einstiegsprojekt in diese
Zukunftsplanung ist die Modernisierung des atomaren Bombenarsenals der
USA. Es betrifft auch Europa, weil derzeit noch etwa 180 US-Bomben vom
Typ B61 in Europa gelagert werden, die ebenfalls modernisiert werden
sollen. Auf dieses Vorhaben soll etwas ausführlicher
eingegangen werden.
Die B61-12 – Eine All-in-One-Bombe
Die USA haben die Entwicklung einer Atombombe mit der
Bezeichnung
B61-12 begonnen. Sie soll alle bislang vorhandenen strategischen und
taktischen Atombomben der USA schrittweise ablösen. Die
Gesamtzahl der Bomben, ihre Sprengkraft, die Menge des verwendeten
atomaren Waffenmaterials sollen dabei reduziert werden, werben die
Befürworter. Die Modernisierung mache also weitere
Abrüstungsschritte möglich. Zugleich könne
die neue Waffen alle künftig noch relevanten
militärischen Funktionen übernehmen, die auch die
heute vorhandenen Atombomben erfüllen sollen.
Die B61-12 soll ein Produkt des digitalen Zeitalters werden: eine
All-in-one-Bombe, mit der all jene Ziele abgedeckt werden, für
die bislang viele unterschiedliche Waffen mit oft höherer
Sprengkraft benötigt wurden. Möglich wird das, weil
die bisherigen frei fallenden Eisenbomben durch Gleit- und Lenkwaffen
abgelöst werden sollen, die erheblich zielgenauer sind und
deshalb keine so große Sprengkraft mehr brauchen. Das
Zeitalter der atomaren Megatonnen-Waffen geht zu ende. 50 Kilotonnen,
die maximale Sprengkraft der kleinsten, älteren Version der
B61 sollen künftig reichen. Das ist noch immer das Vierfache
der Hiroshima-Bombe. Vielleicht wird die maximale Sprengkraft bei
einigen B61-12 auch etwas höher liegen. Wird der
Experten-Vorschlag aufgegriffen, auch auf eine bestimmte
Nuklearkomponente der bisherigen B61-10 (ehemals der Sprengkopf der
Pershing-II-Rakete) zurückzugreifen, dann kann sie auch 80
Kilotonnen betragen.
Zu einer präzisen Lenkwaffe wird die B61-12, weil sie ein
neues Heckleitwerk bekommt, mit dem sie auch nach dem Abwurf
elektronische Steuerbefehle in Flugbewegungen umsetzen kann, die die
Bombe dann viel genauer ins Ziel lenken, als dies mit einer frei
fallenden Bombe an einem Fallschirm möglich wäre.
Voraussetzung dafür, dass diese Fähigkeit umfassend
genutzt werden kann, ist allerdings, dass auch das
Trägerflugzeug digitalisiert ist. Dies ist bei
älteren Flugzeugen wie der F-16 oder dem Tornado nicht der
Fall. Damit auch sie die neue Bombe nutzen können, wird man
die B61-12 auch als analoge Gleitbombe nutzen können, die
nicht ganz so präzise trifft.
Die Sprengkraft der Waffe kann wahrscheinlich je nach Ziel flexibel auf
0,3, 1,5, 10 oder 50 Kilotonnen eingestellt werden. Das
erlaubt den Befürwortern ein zynisches Argument: Die neuen
Bomben verursachen deutlich geringere Kollateralschäden und
seien deshalb ein Beleg dafür, dass die Vorgaben des
humanitären Völkerrechts auch bei der Konstruktion
von atomaren Waffen berücksichtigt werden. Damit soll
internationalen Forderungen begegnet werden, Nuklearwaffen ganz zu
ächten, weil sie ähnlich anderer besonders inhumaner
Waffen unterschiedslos gegen Soldaten und Zivilisten wirken und
unnötiges Leiden verursachen.
Kritiker betonen dagegen: Die Kombination aus niedriger Sprengkraft,
hoher Zielgenauigkeit und vergleichsweise geringem Kollateralschaden
werde dazu führen, dass die Hemmschwelle sinken wird, solche
Waffen tatsächlich einzusetzen. Das seit Nagasaki existierende
Tabu, Nuklearwaffen zu Kriegszwecken einzusetzen, gerate nach 70 Jahren
in Gefahr, gebrochen zu werden. Dadurch werde die Rolle nuklearer
Waffen, anders als US-Präsident Obama vorgibt, eher wieder
größer. Bereits in den 1990er Jahren hatte der
US-Kongress Wünsche des Militärs, besonders kleine
Atomwaffen mit möglichst geringem Kollateralschaden zu
entwickeln, wiederholt gestoppt.
Schon die Tatsache, dass die neue Bombe viele unterschiedliche Waffen
ersetzen soll, deutet auf einen Verstoß gegen die
politischen Vorgaben Obamas hin, keine neuen Waffen und keine Waffen
mit neuen militärischen Fähigkeiten zu entwickeln.
Eine solche Waffe sei „vom Einsatz her betrachtet“
vorteilhaft, bestätigt der ehemalige Chef der US-Luftwaffe,
Norman Schwartz. „Eine höhere Zielgenauigkeit und
eine niedrigere Sprengkraft – das sind
wünschenswerte Fähigkeiten. Ohne Frage“, so
der General. Gefragt, ob die Modernisierung die bestehende Waffe nur
besser mache oder auch zu einer veränderten Zielplanung
führen werde, antwortete Schwartz: „Es
würde beide Effekte haben.“ Mit anderen Worten: Sie
führt zu neuen militärischen Fähigkeiten.
Die neue Waffe kann aufgrund von Verzögerungen
frühestens 2020/21 eingeführt werden. Nicht
ausgeschlossen ist, dass sie sich weiter verspätet. Bei ersten
Tests mit einem Modell im Windkanal traten von den Entwicklern
„nicht erwartete Effekte“ auf.
Die B61-12 wird auch erheblich teurer als gedacht. Wurde
zunächst mit Kosten von 3-4 Milliarden Dollar gerechnet, so
räumt das zuständige Energieministerium inzwischen
Kosten von 8 Milliarden Dollar ein. Das Verteidigungsministerium
schätzt, dass es mindestens 10 Milliarden werden.
Zuzüglich jener 1,8 Milliarden Dollar, die für das
neue Heckleitwerk anfallen, und der erheblichen Kosten für die
Integration der neuen Bomben in diverse Jagdbomber (F-16, F-15E, JSF,
Tornado) und Bomber (B-2, LRSB). Mit der Integration in die in Europa
stationierten älteren Jagdbomber soll bereits im Haushaltsjahr
2015 begonnen werden. Ebenso wie mit einer Verbesserung der Sicherheit
der Atomwaffenlager in Europa. Erste Gelder dafür hat die
Obama-Administration bereits beantragt.
Auf dieses Einstiegsprojekt sollen weitere folgen. Langfristig sollen
drei sogenannte „interoperable“
Sprengköpfe für ballistische Raketen entwickelt
werden. Sie sollen jeweils auf zwei Raketentypen verwendet werden und
somit fünf bisherige Sprengkopftypen ablösen. Zwei
Sprengköpfe, die B61-12 und ein neuer Sprengsatz für
Marschflugkörper, sollen insgesamt sieben derzeit verwendet
luftgestützte Nuklearwaffen ersetzen. Die Sprengkopfplanung
der USA in der Übersicht:
Sprengkopftyp |
Vorhaben |
Status |
Bomben der Typen B61-3, B61-4, B61-7, B-61-10, B61-11 und B83 |
B61-12 als Nachfolger |
In Entwicklung |
W78 Raketensprengkopf |
Lebensdauerverlängerung / Modernisierung |
geplant |
W76-1 Raketensprengkopf |
Lebensdauerverlängerung / Modernisierung |
wird derzeit stationiert |
W88-1 Raketensprengkopf |
Lebensdauerverlängerung / Modernisierung |
geplant |
W80 für Marschflugkörper |
Ersatz durch modernisierten / lebensdauer-verlängerten Sprengkopf W80-1 oder W84 |
geplant |
W78 und W88-1 Raketensprengköpfe |
Ersatz durch IW-1 |
geplant |
W87 und W88-1 Raketensprengköpfe |
Ersatz durch IW-2 |
geplant |
W76-1 Raketensprengkopf |
Ersatz durch IW-3 |
geplant |
In und für Washington ist also klar: In den
nächsten Jahrzehnten soll das gesamte Atomwaffenpotential der
USA einmal runderneuert werden, damit es für die dann
folgenden Jahrzehnte garantiert, dass die USA die führende
Atommacht bleiben.
Russlands Kampf um seine Zweitschlagfähigkeit
Auch Moskau plant langfristig mit seinen Atomwaffen. Sie
garantieren,
dass Washington Moskaus Interessen zumindest teilweise beachten muss
und Russland weiterhin als Großmacht wahrgenommen wird. In
vielen anderen Punkten unterscheidet sich die russische
Planung aber von der Washingtons. Das hat historische, technische und
auch militärisch-strategische Gründe.
Ein rascher Blick zurück: Schon das atomare Potential der
UdSSR war deutlich anders zusammengesetzt als jenes der USA. Zwar
besaßen beide Supermächte Tausende strategischer
Atomwaffen an Land, auf See und in der Luft. Doch der
größte Teil der sowjetischen Waffen bestand immer
aus landgestützten Interkontinentalraketen, während
die USA als Seemacht die meisten ihrer atomaren Sprengköpfe
auf U-Booten stationiert hatte. Der Zerfall der UdSSR führte
dazu, dass Moskau die Kontrolle über große Teile des
sowjetischen Territoriums und damit auch über Teile der
Infrastruktur für Entwicklung, Bau und Betrieb atomarer Waffen
verlor. Ein sehr sichtbares Zeichen dafür war der
„Verlust“ des riesigen Atomtestgeländes in
Semipalatinsk an Kasachstan, ein weniger sichtbares bestand darin, dass
Moskau die technische Fähigkeit verlor, schwere
landgestützte Interkontinentalraketen mit
Mehrfachsprengköpfen im eigenen Land zu produzieren. Wichtige
Fabriken lagen nun im Ausland, zum Beispiel in der Ukraine.
Daraus resultierte für Russland ein schwerwiegendes Problem.
Wer schwere Interkontinentalraketen mit Mehrfachsprengköpfen
nur durch leichte mit Einfachsprengkopf ersetzen kann, der muss viel
mehr Geld aufwenden, um eine bestimmte Zahl von atomaren Waffen nutzen
zu können als derjenige, der Raketen mit
Mehrfachsprengköpfen durch ebensolche ersetzen kann. Der Bau
der Trägersysteme kostet erheblich mehr als jener der
Sprengköpfe. Russland fehlte in den 1990er Jahren und bis
heute schon das Geld um veraltende Trägersysteme eins zu eins
zu ersetzen. Es hatte zunächst nur die Möglichkeit,
die Abrüstungsabsprachen nach Ende des Kalten Krieges mit
einer Lebensdauerverlängerung alter schwerer
Interkontinentalraketen und einem begrenzten Neubau leichter
Langstreckenraketen möglichst effektiv zu kombinieren, um die
politisch bedeutsamer gewordene Rolle als große Nuklearmacht
aufrecht zu erhalten. An die Möglichkeit neue, schwerere
Raketen mit Mehrfachsprengköpfen aufzustellen, war nur
längerfristig zu denken.
In den 1990er Jahren produzierte Russland also nur leichte
Interkontinentalraketen wie die SS-25 oder später die SS-27
neu. Dies geschah in eher eng begrenzten Stückzahlen. Zudem
versuchte man, schwere Raketen wie die SS-18 oder SS-19 länger
in Dienst zu halten als ursprünglich geplant. Etliche Jahre
später gelang es auch, die SS-27 so zu modifizieren, dass sie
auch bis zu vier atomare Sprengsätze tragen konnte. Trotzdem
konnten mit den begrenzten technischen und finanziellen Ressourcen
nicht genug neue Träger gebaut werden, um die veraltenden
Interkontinentalraketen oder gar deren Sprengköpfe eins zu
eins zu ersetzen. Russland Nuklearmacht schrumpfte kontinuierlich. Im
Kern ist das bis heute so.
Russland verfolgt heute vor allem das Ziel, auch für den Fall
eines überraschenden US-amerikanischen Erstangriffs auf die
russischen Nuklearstreitkräfte nach diesem Schlag noch genug
„überlebende“ Atomwaffen zu besitzen, um
den USA inakzeptabel großen Schaden zufügen zu
können – eine gesicherte
Zweitschlagfähigkeit. Wer sie besitzt, muss sich nicht in
jeder potentiell nuklearen Krise fragen, ob es als erster losschlagen
müsste. Auch deshalb reagiert Russland so allergisch auf die
Kündigung des ABM-Vertrages durch die USA und die
Stationierung amerikanischer Raketenabwehrsysteme. Wenn durch
Raketenabwehrsysteme jener Teil der Zweitschlagskapazität
abgefangen werden könnte, der einen Erstschlag des Gegeners
überlebt, dann muss das eigene Zweitschlagspotential schnell
größer sein als man es sich leisten kann.
Russland strebt eine umfassende Modernisierung sowohl seiner
verbliebenen atomaren Trägersysteme als auch seiner atomaren
Sprengköpfe zu tragbaren Kosten an. In den nächsten
zehn Jahren muss es alle verbliebenen landgestützten
Langstreckenraketen aus Zeiten des Kalten Krieges ersetzen.
Ähnliches gilt für die seegestützten
Nuklearwaffen. Möglichst viele der künftigen
Trägersysteme, sollen mehrere Sprengköpfe tragen, um
Kosten zu sparen. Diese Sprengköpfe sollen gegen eine
Raketenabwehr bestmöglich geschützt,
manövrierbar und möglichst leicht und zielgenau sein.
Auch leichtere Interkontinentalraketen sollen mehrere
Sprengköpfe tragen.
Russland ist bei seiner nuklearen Modernisierung in den letzten 20
Jahren auf erhebliche technische, finanzielle und zeitliche
Probleme gestoßen, obwohl es der Erneuerung seiner
Nuklearstreitkräfte nach dem Kalten Krieg lange
Priorität vor einer Verbesserung der konventionellen
Kräfte eingeräumt hat. Jahrelang verlief die
Einführung neuer leichter Interkontinentalraketen eher
schleppend denn wie geplant. Es gab Jahre, in denen weniger als zehn
Langstreckenraketen neu aufgestellt werden konnten. Der rapide
numerische Niedergang des russischen Potentials an Langstreckenraketen
konnte nur zum Teil kompensiert werden, als es gelang, mit Hilfe
ausländischer Betriebe vorhandene schwere Atomraketen
länger in Dienst zu halten als ursprünglich
für möglich gehalten. Trotzdem sank die Zahl der
landgestützten russischen Interkontinentalraketen von etwa
1.300 im Jahr 1990 auf nur noch 313 Ende des Jahres 2013. Sie wird
vorhersehbar noch weiter zurückgehen. Neue Systeme wie die
SS-27 Mod 2 laufen langsamer zu als alte (SS-19, SS-18 und SS-25)
außer Dienst gestellt werden müssen. Man will zwar
in den kommenden 10-15 Jahren auch wieder eine schwerere
Interkontinentalrakete mit Flüssigtreibstoffantrieb (Sarmat)
bauen, aber es ist keineswegs sicher, ob das auch gelingt.
Auch die Einführung neuer atomarer Raketen-U-Boote und neuer
Raketen zur Bewaffnung solcher Boote stieß auf Probleme.
Russland verfügt derzeit nur noch über sieben
ältere Boote der Klassen Delta III und IV, die
Langstreckenraketen tragen können. Die ersten zwei von acht
geplanten neuen Booten der Borei-Klasse haben sich Jahr um Jahr
verzögert und sind bis heute nicht voll einsetzbar. Die neue
seegestützte Langstreckenrakete Bulava konnte bislang nicht
wirklich eingeführt werden, weil Testschüsse ein ums
andere Mal fehlschlugen und zunächst Zwischenlösungen
auf Basis vorhandener Raketen des Typs SS-N-23 entwickelt werden
mussten. Trotzdem wird an den Plänen festgehalten, die neuen
Systeme letztlich einzuführen. Russland kann schon seit Jahren
nicht mehr kontinuierlich Raketen-U-Boote auf Patrouille schicken. Auch
ein neuer strategischer Bomber und ein neuer nuklear
bestückter Langstrecken-Marschflugkörper sind in
Entwicklung. Die Situation bei den Trägersystemen im
Überblick:
Strategisches Trägersystem |
Vorhaben |
Status |
SS-27 Mod 1 mobil und Silo |
Stationierung |
abgeschlossen |
SS-27 Mod 2 mobil |
Stationierung |
wird umgesetzt (1 Standort, vorgesehen: drei weitere) |
SS-27 Mod. 2 Silo |
Stationierung |
geplant für 2 Standorte |
Sarmat/RS-26 –schwerere ICBM |
Einführung |
geplant |
Neue Raketen-U-Boote der Borei-Klasse |
Einführung |
in Bau / Stationierung |
SS-N-23 / Sineva /Liner SLBM |
Lebensdauerverlängerung/ Modernisierung |
in Umsetzung / Stationierung |
SS-N-32 SLBM Bulava |
Einführung |
Erprobung / Stationierung? |
Bomber Tu 160 |
Modernisierung |
geplant |
Bomber Tu 95 |
Modernisierung |
geplant |
Neuer Bomber (PAK PA) |
Einführung |
geplant |
Luftgestützter Marschflugkörper Kh-102 |
Einführung |
in Erprobung/ Stationierung? |
|
|
|
Taktische Trägersysteme |
|
|
Tu-22 Jagdbomber |
Lebensdauerverlängerung / Modernisierung |
unklar |
Su-34 Jagdbomber |
Einführung |
Stationierung |
Kurzstreckenraketen SS-26 Iskander |
Einführung |
Stationierung, nukleare Version? |
Luftabwehrrakete S-400 / SA-21 |
Einführung |
Stationierung, nukleare Variante? |
Raketenabwehrsystem A-135 |
Einführung |
geplant |
Seegestützter Marschflugkörper SS-N-30 |
Einführung |
geplant, nukleare Version? |
Nuklear angetriebenes Angriffs-U-Boot der Swerodwinsk-Klasse |
Einführung |
geplant, nukleare Bewaffnung? |
Besonderen Wert legt Russland auf die Entwicklung und
Einführung von leichten Sprengköpfen für
Langstreckenwaffen, die eine künftige US-Raketenabwehr
durchdringen können. Vermehrte Tests solcher Waffen in Kapustin Yar,
einer Testeinrichtung auch für
Luftverteidigungssysteme, deuten darauf hin. Derzeit wird an geeigneten
Sprengköpfen für die SS-27 und für eine
modifizierte SS-N-23 U-Boot-Rakete gearbeitet, die den Namen Liner
tragen soll.
Unklar ist trotzdem, ob Russland eine uneingeschränkte atomare
Zweitschlagfähigkeit auf Dauer aufrecht erhalten kann. Auch
wer über wenige Interkontinentalraketen mit relativ vielen
Sprengköpfen verfügt, ist gegenüber
demjenigen im Nachteil, der über relativ viele Raketen mit nur
einem Sprengkopf verfügt, wenn letzterer zuerst angreift.
Wenige Ziele mit vielen Raketen anzugreifen ist einfacher als
umgekehrt. Zum Vergleich: Die USA werden 400 Minuteman-3-Raketen mit je
einem Sprengkopf weiter betreiben.
Zudem deuten sich in Russland neue wirtschaftliche Schwierigkeiten an.
Die Krise in der Ukraine kann zudem zu einem längerfristigen
Ausfall relevanter Lieferungen und damit zu Problemen bei der geplanten
Indiensthaltung vorhandener älterer Raketen führen.
Ob es Moskau gelingt, neue schwerere Interkontinentalraketen mit
Flüssigtreibstoff auf Basis allein der heimischen Industrie zu
bauen, bleibt abzuwarten. Wahrscheinlicher ist, dass die geplante
schwerere Waffe wieder auf Basis der SS-27 entstehen muss.
Russland verfügt wie die USA über nicht-strategische
Nuklearwaffen. Dazu gehören Sprengköpfe für
die Luft- und Raketenabwehr, für den Seekrieg, atomare Bomben
für die Luftwaffe und möglicherweise auch noch Waffen
für Kurzstreckenraketen der Landstreitkräfte, obwohl
Moskau sich bereits 1991 zu deren Denuklearisierung verpflichtet hat.
Die Trägersysteme wurden und werden teilweise modernisiert
(Su-34- Jagdbomber, Iskander-M-Kurzstreckenraketensystem,
bodengestützte Marschflugkörper vom Typ R-500), ob
dafür aber auch neue Nuklearsprengköpfe entwickelt
oder produziert wurden, ist unbekannt.
Natürlich spielen wir weiter mit - Die kleineren
Atommächte
Auch
die kleineren Atommächte lassen nicht erkennen, dass sie
ihre Nuklearpotentiale in dem kommenden Jahrzehnten stark reduzieren
oder gar aufgeben wollen. Sie haben sie seit Ende des Kalten Krieges
reduziert, aber ganz aufgeben wollen sie diese nicht.
China
besaß immer nur ein vergleichsweise kleines
Nuklearpotential. Heute ist es mit 200-250 Sprengköpfen und
Trägersystemen, an deren Modernisierung langsam, aber
beharrlich und kontinuierlich gearbeitet wird, Ausdruck der
chinesischen Strategie einer Minimalabschreckung. Derzeit ersetzt China
schrittweise alte Mittel- und Langstreckenraketen mit
Flüssigtreibstoffantrieb durch neue mit Feststoffantrieb.
Künftig soll es vor allem mobile landgestützte Lang-
und Mittelstreckenraketen geben, die derzeit stationiert werden.
Außerdem baut Peking erstmals ein größeres
seegestütztes und damit gut geschütztes
Nuklearwaffenpotential an Bord von U-Booten auf. Über den
Sprengkopfbau Chinas ist nur wenig bekannt. Gerüchte und
Vorhersagen, dass China wie andere Nuklearmächte
künftig auf Raketen mit einzeln lenkbaren
Mehrfachsprengköpfen setzen werde, gibt es schon lange, aber
bislang sind solche Waffen in China nicht eingeführt
worden. Möglicherweise steht dies mit der
nächsten Generation chinesischer Interkontinentalraketen an.
Chinas Modernisierungsvorhaben im Überblick:
Trägersystem |
Vorhaben |
Status |
Mobile Interkontinentalrakete DF-31 |
Stationierung |
in Umsetzung |
Mobile Interkontinentalrakete DF-31A |
Stationierung |
in Umsetzung |
Mobile Mittelstreckenrakete DF-21 |
Stationierung |
in Umsetzung |
Mobile Interkontinentalrakete DF-41 |
Neueinführung |
geplant |
Seegestützte Langstreckenrakete JL-2 |
Stationierung |
in Umsetzung |
Raketen-U-Boote der Jin Klasse (094) |
Stationierung |
im Bau / Umsetzung |
Raketen-U-Boote des Typs 096 |
Neueinführung |
geplant |
Landgestützte Marschflugkörper (DH-10 / CJ-10) |
Stationierung |
in Umsetzung, möglw. Nuklearversion |
Luftgestützter Marschflugkörper CJ-20 |
Stationierung |
geplant, möglw. Nuklearversion |
Frankreich
hat seine Nuklearwaffenzahl nach dem Ende des Kalten Krieges ebenfalls
mehrfach reduziert und heute noch über knapp 300 atomare
Sprengköpfe, mit denen zum einen Langstreckenraketen auf vier
U-Booten und zum anderen Marschflugkörper an Bord von
Flugzeugen der Typen Rafale F3 und Mirage 2000N bestückt sind.
Das französische Nuklearpotential läuft derzeit auf
das Ende eines Modernisierungszyklus zu, der bereits in den 1990er
Jahren begann. Bis 2018 sollen alle vier U-Boote der Triomphant-Klasse
mit neuen Raketen ausgestattet werden. Zwei Boote wurden bereits auf
neue Raketen des Typs M51.1. mit Atomsprengköpfen vom Typ TN
75 umgerüstet, die anderen beiden sollen ab 2015 eine
verbesserte Version, die M51.2 erhalten, die auch neue
Atomsprengköpfe vom Typ TNO trägt.
Längerfristig ist eine weitere Version der Rakete, die M51.3,
geplant. Hinzu kommen die in den letzten Jahren eingeführten,
modernen luftgestützten Marschflugkörper ASMP-A mit
ebenfalls modernen Sprengköpfen vom TNA.
Großbritannien
verfügt schon länger über das wohl kleinste
Atomwaffenpotential im Kreis der traditionellen Atommächte. Es
besitzt etwa 225 Sprengköpfe, von denen rund 160 auf vier
U-Booten mit Trident-D5-Langstreckenraketen stationiert sind.
Die Raketen hat man von den USA geleast. Teils sind sie mit einem,
teils mit mehreren Sprengköpfen ausgestattet, die
Großbritannien ebenfalls aus einem US-Sprengkopf, dem W-76,
abgeleitet hat. Die U-Boote und auch die Sprengköpfe der
Atomwaffen sollen in den nächsten Jahrzehnten ersetzt werden.
Etliche Jahren wurde darüber heftig gestritten, ob drei oder
vier neue U-Boote gebaut werden sollen. Die endgültige
Entscheidung soll 2016 fallen, aber wenig deutet darauf hin, dass auf
das Projekt noch verzichtet werden könnte. Mittlerweile haben
Konzeption und Entwicklung begonnen. Die neuen Boote sollen erneut
Trident-II-Raketen tragen. Geplant ist, deren modernisierte Version aus
den USA erneut zu leasen. Derzeit werden in Großbritannien
modernisierte Sprengköpfe vom Typ W76-1 und neue
Wiedereintrittsflugkörper eingeführt, denen
längerfristig eine Entscheidung über den
Bau neuer Sprengköpfe folgen könnte, wenn auch die
USA einen Nachfolger entwickeln. Großbritannien
will auf seinen Status als Nuklearmacht nicht verzichten.
Allerdings hat dieser einen Preis: Ohne die weitere massive technische
Unterstützung der USA ist das kaum möglich. Zudem
steht das Königreich derzeit vor einer weiteren
Weichenstellung: Sollte Schottland sich bei dem geplanten Referendum
für die Unabhängigkeit entscheiden, so muss London
sich möglicherweise einen neuen Stützpunkt
für seine U-Boote suchen. Der bisherige liegt in Schottland.
Auch die rivalisierenden Nachbarn Indien und Pakistan wollen auf ihre
Atomwaffen nicht verzichten. Beide entwickeln ihre
Trägersysteme und ihr atomares Arsenal kontinuierlich weiter
und verfügen heute über je rund 90-120 atomare
Sprengköpfe. Beide Staaten verfügen über
landgestützte Mittelstreckenraketen und nuklearfähige
Jagdbomber.
Indien baut sein Nuklearpotential, dass sowohl Pakistan als auch China abschrecken soll, in einer Weise aus, die deutlich stärker an Peking als an Pakistan orientiert ist. Neben reichweitengesteigerten weiter verbesserten Mittel- und Langstreckenraketen, die noch in Planung oder Entwicklung sind (Agni V und VI) will Indien einen Teil seiner Atomwaffen künftig unverwundbar auf U-Booten stationieren. Erste nuklear angetriebene U-Boote sind im Bau und eine seegestützte ballistische Mittelstreckenrakete wird ebenfalls entwickelt bzw. getestet. Es gibt Vermutungen, dass Indien atomare Mehrfachsprengköpfe entwickelt.
Pakistan plant die Weiterentwicklung mehrerer nuklearfähiger Kurzstreckenraketen sowie die Einführung einer Mittelstreckenrakete (Shaheen II), die Nuklearwaffen tragen könnte. Außerdem entwickelt es land-, see- und luftgestützte Marschflugkörper, die mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden könnten.
Beide Staaten bauen ihre militärisch nutzbare
nuklearindustrielle Infrastruktur weiter aus. Über die
technische Entwicklung ihrer Sprengköpfe ist wenig
öffentlich bekannt.
Den Entwicklungsweg zu U-Boot-gestützten Nuklearwaffen geht
scheinbar auch Israel, das seit etlichen Jahrzehnten über
luft- und landgestützte Trägersysteme für
Atomwaffen verfügt. Israel beschafft seit den 1990er Jahren
mit deutscher Hilfe sechs Dolphin-U-Boote, die so ausgestattet werden
können, dass aus ihren Torpedorohren auch nuklear
bestückte Marschflugkörper verschossen werden
können. Israel plant zudem die Einführung von
leistungsfähigen Flugkörpern, mit denen von See Ziele
an Land beschossen werden können. Darüber ist der
Kauf moderner Jagdbomber des Typs F-35 in den USA vorgesehen. Von
diesem Flugzeug soll es künftig eine nuklearfähige
Version geben. Zudem ist es möglich, dass Israel eine neue
Generation seiner landgestützten Mittelstreckenraketen vom Typ
Jericho beschafft, die von ihrer Reichweite her als strategische Waffe
eingestuft werden muss.
Bei Nordkorea
ist weiterhin nicht ganz klar, ob das Land bereits über
funktionsfähige Atomwaffen verfügt. Zwar wurden erste
Testexplosionen durchgeführt, von denen einige
möglicherweise erfolgreich waren. Allerdings ist es von einem
funktionsfähigen Sprengsatz bis hin zu einer
funktionsfähigen Atomwaffe noch ein ganzes Stück des
Weges. Neben Plutonium will Nordkorea offenbar auch Uran als Basis
für seine Waffen nutzen. Das Land treibt die Entwicklung von
Kurz-, Mittel- und Langstreckenraketen voran, die als
Nuklearwaffenträger genutzt werden könnten.
Nukes forever?
In allen acht Staaten, die über Nuklearwaffen verfügen, wird darauf hingearbeitet, dass sie auch in 20 oder 40 Jahren noch über solche Waffen verfügen. Nordkorea will scheinbar zum neunten Mitglied des nuklearen Klubs werden.
Natürlich wollen die einzelnen Länder
jeweils die ihnen verfügbare modernste Technologie nutzen. Das
russische Beispiel zeigt aber auch , dass auch abschreckungspolitische
Zielsetzungen technologische Anforderungen vorantreiben
können: Die Fähigkeit strategischer Nuklearwaffen,
Raketenabwehrsystemen auszuweichen, steht dafür ebenso als
Beispiel wie die Notwendigkeit, kleinere Atomsprengköpfe auf
leichten Interkontinentalraketen einzusetzen, wenn diese
Mehrfachsprengköpfe tragen sollen. Ein weiteres Beispiel zeigt
sin angesichts der Absicht mehrerer Staaten, ihre Atomwaffen
künftig möglichst unverwundbar auf U-Booten zu
stationieren. Seegestützte Marschflugkörper
großer Reichweite mit Nuklearsprengköpfen
könnten hier als Trägersystem der kleineren Nationen,
für die ballistische Raketen zu teuer oder technisch zu
aufwändig sind, eine Alternative darstellen. Die neuen
Nuklearmächte versuchen sich an der Miniaturisierung und
Flexibilisierung ihrer Nuklearwaffen und wollen deren
Trägersysteme diversifizieren. Und natürlich muss man
– gerade in einem so von Geheimhaltung geprägten
Bereich wie der Nuklearwaffenforschung – damit rechnen, dass
auch Forschung betrieben wird, die überraschend zu technischen
Neuerungen oder veränderte militärischen
Fähigkeiten in dem einen oder anderen Staat führen
kann.
Diese Trends lassen schwere Zeiten für die nukleare
Abrüstung und für die weltweiten Bemühungen
um nukleare Nichtverbreitung erwarten. Größere
Fortschritte bei der Abrüstung über den New
START-Vertrag hinaus sind in den nächsten Jahren kaum
wahrscheinlich. Trotzdem mag es aus Kostengründen
weitere Reduzierungen geben, weil qualitative Verbesserungen diese
ermöglichen oder wirtschaftliche Zwänge sie
erfordern. Geringe Fortschritte im Bereich nuklearer Abrüstung
implizieren jedoch zumeist aber auch geringere Optionen, sich
international auf verbesserte Nichtverbreitungsregelungen zu einigen.
Im Gegenteil: Die Gefahr, dass weitere Staaten sich auf den Weg zu
einem eigenen Nuklearpotential begeben, wächst, je weiter die
Vision einer Welt ohne Atomwaffen aus dem Blick gerät.
ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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