Hemmungslos und unersättlich – Rheinmetall und die
Munitionsexporte
von Otfried Nassauer
Am 26. Oktober 2016 veröffentlichte
BITS in Zusammenarbeit mit anderen Nichtregierungsorganisationen die
Fallstudie „Hemmungslos in alle Welt
– Die
Munitionsexporte der Rheinmetall AG“. Sie sollte
darauf
aufmerksam machen, dass der größte in Deutschland
ansässige Rüstungskonzern auch einer der weltweit
wichtigsten Exporteure von Munition ist und mahnt eine
öffentliche Diskussion über dieses oft
vernachlässigte Thema an. Munition ist ein Grundnahrungsmittel
Krieges. Gerade die wirksamsten Mittel der Zerstörung,
feuerstarke Waffensysteme, werden zu Hindernissen bei der
Kriegführung, wenn ihnen die Munition ausgeht. Die Parallele
zu einem alten Soldatenspruch drängt sich auf: „Ohne
Mampf kein Kampf“.
Nur wenige Tage sind seit der Veröffentlichung vergangen und
trotzdem haben bereits zusätzliche Daten deutlich gemacht,
dass dem Thema Munitionsexport eine wachsende Bedeutung zukommt und die
kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema unerlässlich
ist. Deshalb ist schon jetzt ein kurzer Nachtrag zu unserer Studie
sinnvoll.
Das Bundesministerium für Wirtschaft veröffentlichte
Ende Oktober seinen Bericht über die im 1.Halbjahr 2016
erteilten Rüstungsexportgenehmigungen.
Munitionsexporte
spielen darin eine ungewohnt große Rolle. Aus dem Bericht
geht – wie in vielen Medien berichtet - hervor, dass der Wert
der Genehmigungen für Kleinwaffenmunition sich im Vergleich
zum voraufgegangen Jahr verzehnfacht hat. Das war die kleinere
Überraschung. Die größere fand sich
versteckt in den Angaben zu den wichtigsten
Empfängerländern. Für die 20
größten Empfängerländer wurden im
1. Halbjahr 2016 Exportgenehmigungen für Munition erteilt, die
mehr als ein Fünftel des Wertes aller in diesem Zeitraum
erteilten Exportgenehmigungen darstellen. Der Wert der
Munitionsgenehmigungen für diese Länder betrug rund
820 Millionen Euro.[ 1 ] Der Wert aller Exportgenehmigungen lag bei rund 4
Milliarden Euro.
Tatsächlich liegt der Anteil der Munition an den durch die
Bundesregierung erteilten Genehmigungen wahrscheinlich noch
höher: Zum einen handelt es sich bei den 820 Millionen
lediglich um Genehmigungen für die Warengruppe A0003, also
Munitionen und Teile dafür, die aus Läufen und Rohren
verschossen werden, also zum Beispiel Gewehr- und Panzermunition,
Mörser- und Artilleriegeschosse. Torpedos, Bomben oder
Lenkflugkörper sind auch Munition, werden aber in einer
anderen Warengruppe mit der Nummer A0004 erfasst. Auch hier gab es
Genehmigungen, zum Beispiel für schwere
Marschflugkörper vom Typ Taurus, die nach
Südkorea
exportiert werden dürfen, ein Geschäft in
dreistelliger Millionenhöhe. Zum anderen sind die 20
wichtigsten Empfängerländer nicht alle Staaten, in
die der Export von Munition genehmigt wurde. Für alle anderen
Länder liegen derzeit allerdings noch keine Zahlen vor. Der
Munitionsexport – so macht der Bericht deutlich –
stellt zweifellos einen wichtigen und wachsenden Teil des deutschen
Rüstungsexports dar.
Ebenso interessant sind einige Zahlen, die die Rheinmetall AG zusammen
mit ihren Geschäftszahlen für das
3.Quartal 2016 am
3.November veröffentlichte. Aus diesen geht hervor, dass der
Rüstungsbereich des Konzerns in den ersten neun Monaten dieses
Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum seinen Auftragseingang
um 31% und seinen Umsatz um 18% steigern konnte. Er ist wirtschaftlich
dauerhaft in die Gewinnzone zurückgekehrt.
Die Ursache dafür ist überwiegend in einem Teil
dieses Konzernbereichs zu finden: dem Geschäftsbereich Waffe
und Munition (RWM). Dort stieg Umsatz in den ersten 9 Monaten im
Vergleich zum Vorjahr um 51% auf 720 Millionen Euro.[ 2 ] Die
Pressemitteilungen des Konzerns berichten für diesem Zeitraum
zudem von neuen Munitionsaufträgen in einem Wert von
über 750 Millionen Euro. Der Munitionsbereich des Konzerns
wächst also kräftig und der in unserer Studie
konstatierte hemmungslose Export von Munition ist eine wesentliche
Triebfeder dafür, das der Konzernbereich wieder Gewinn macht.
Auch das zeigt der Quartalsbericht: Standen bei Rheinmetall Defence
2015 nach 9 Monaten noch elf Millionen Euro Defizit zu Buche, so konnte
der Bereich 2016 erstmals seit vier Jahren im gleichen Zeitraum wieder
einen Gewinn verbuchen. Der Bereich Waffe und Munition gleicht mit
einem Gewinn von 45 Millionen Euro die Verluste der anderen Bereiche
der Rüstungssparte von insgesamt 13 Millionen Euro aus und
führt den gesamten Rüstungsbereich mit 32 Millionen
Euro trotzdem noch deutlich in die Gewinnzone. Wäre RWM mit
seinen Auslandstöchtern und Exporten nicht so erfolgreich,
wäre die Rüstungssparte der Rheinmetall AG wohl noch
immer defizitär, signalisieren die Konzernzahlen.
Die geschäftliche Trendwende im Rüstungsbereich des
Rheinmetall-Konzerns ist also bislang eng mit dem Bereich Waffe und
Munition verbunden und damit auch mit dem Export von Munition. Das
merken auch erste Analysten bei den Banken jetzt an:
Die
Erträge aus dem Munitionsgeschäft seien keine
Eintagsfliege, sondern wiederkehrend, urteilte der Commerzbank-Analyst
Sebastian Growe.
Für Rheinmetall Chef Armin Papperger ist es dennoch nicht
genug des Erfolges. Während des Celler Trialogs, einer
jährlichen Veranstaltung von Bundeswehr, Politik und
Industrie, erklärte er vor rund zwei Wochen: „Unsere
Produkte sind spitze. Doch die Exportpolitik für
Rüstungsgüter ist in Deutschland zu restriktiv.
Andere Länder sind viel großzügiger bei
Exportgenehmigungen.“ Der letzte Satz mag richtig sein, die
beiden ersten klingen nach Unersättlichkeit.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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