Geheime Landminenexporte aus Deutschland
von Otfried Nassauer
„Genehmigungen für Minenexporte hat es in der
Vergangenheit nur in äußerst geringem Umfang gegeben“,
teilte das Auswärtige Amt in einem Schreiben im Oktober 1994 der
Bundestagsabgeordneten Angelika Beer (Grüne) mit. Ein Jahr
später ergänzte das Wirtschaftsministerium für den
Zeitraum 1985-1995: „Ausfuhrgenehmigungen für
Anti-Personen-Minen konnten für den genannten Zeitraum nicht
identifiziert werden.“ Bereits ein Jahr zuvor hatte die
Bundesregierung am 8. Juni 1994 erklärt: "Die
Bundesregierung unterstützt die Resolution 48/75K vom 16. Dezember
1993 der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die sich für
ein weltweites Moratorium hinsichtlich des Exports von
Anti-Personenminen (Schützenabwehrminen) ausspricht. Die
Bundesregierung beschließt, daß für einen Zeitraum von
drei Jahren ab dem 1. Juli 1994 keine Genehmigung für den Export
von Anti-Personenminen erteilt wird.“
Diese Aussagen führten in die Irre. Deutschland hat vor
dem Exportmoratorium im großen Stil Anti-Personenminen
exportiert. Die Minen stammten aus Beständen der Bundeswehr. Die
Bundesregierung mußte also von dem Export wissen. Das
Verteidigungsministerium war der Exporteur. In der Antwort auf eine
weitere Anfrage der grünen Abgeordneten Beer teilte sie damals
mit: Ja, es habe Minenexporte gegeben, die auf Wunsch der
Empfänger geheim gehalten würden. Den Vorsitzenden des
Verteidigungsausschusses, damals Paul Breuer (CDU), habe man in
Kennntnis gesetzt.
Inzwischen ist klar: Die Bundeswehr hat damals mehr als die
Hälfte ihrer Antipersonenminen exportiert. Insbesamt waren es mehr
als 2,5 Millionen dieser damals politisch höchst umstrittenen
Spengkörper. Empfänger der Minen waren die NATO-Staaten
Griechenland und Türkei. Beide bekamen riesige Mengen.
Zuvor hatten also in den Bundeswehrdepots mehr als 3 Millionen Minen des Typs DM11 und etwa 1,2 Millionen DM31 gelagert.
Über diese Exporte schwieg die Bundesregierung auch weiterhin. Sie
präsentierte sich als Befürworterin einer Verbotskonvention
und konnte, als die Konvention in Kraft trat, den Vereinten Nationen
mitteilen, sie habe bereits all ihre Antipersonenminen vernichtet. Mehr
als 2,5 Millionen ehemals deutscher Minen, für deren Vernichtung
die Bundesrepublik nunmehr nicht mehr zuständig war, gab es
dagegen noch. Sie waren in die Türkei und nach Griechenland
abgeschoben worden – einschließlich der Zuständigkeit
für ihre Vernichtung.
Sowohl in Griechenland als auch in der Türkei existieren
noch heute Minen aus deutscher Produktion und Lieferung. Das
größere Problem besteht dabei in Griechenland. Dort
existieren noch Hunderttausende Schützenminen vom Typ DM31 Sie
lagerten 2015 in Griechenland und Bulgarien und in kleiner
Stückzahl in der Türkei. Diese hatte 2014 noch 3.774 DM 11 zu Ausbildungszwecke im Bestand.
Griechenland und die Türkei einigten sich erst 2003, die
Ottawa-Konvention zu ratifizieren. 2004 mussten sie deshalb
erstmals über ihre Bestände berichten. Unbemerkt blieb dabei
in der deutschen Öffentlichkeit, dass beide Länder
umfangreiche Bestände an Minen aus deutscher Herstellung
meldeten.
Von den Exporten der Bundeswehr hat scheinbar auch die
herstellende Industrie nichts erfahren. Die Firma.Diehl hielt noch 2009
im Brustton der Überzeugung in einer Stellungnahme fest, man
habe zwar bis 1965 Antipersonenminen hergestellt, aber: „Jede
einzelne dieser Minen stand nachweisbar bis zu ihrer Vernichtung Ende
1997 im Gewahrsam der Bundeswehr.“ Falsch und weit gefehlt. Mehr
als die Hälfte der von Diehl hergestellten Anti-Personen-Minen
befand sich 1997 noch in türkischen Depots und wurde erst 2004 an
die Vereinten Nationen gemeldet und danach vernichtet.
Zwei Ereignisse veranlassten BITS, noch einmal nachzuforschen: Im März 2016 hatte die türkische Zeitung Daily Sabah,
berichtet, dass türkische Sicherheitskräfte acht DM 11-Minen
deutscher Herkunft bei einer Hausdurchsuchung im Kontext der
Bekämpfung der PKK entdeckt hätten. Die Zeitung erwähnte
nicht, dass diese Minen aus türkischen Beständen stammen
könnten.
Bei Griechenland lag der Anlass etwas weiter zurück: Am
1.Oktober 2014 gab es eine gewaltige Detonation im nordbulgarischen
Dörfchen Gorni Lom, bei der 15 Menschen ums Leben kamen. In den
Berichten zu diesem Unglück wurde erwähnt, dass in dieser
Fabrik griechische Landminen zerstört wurden. Fotos zeigten die
Verpackungen deutscher DM31-Minen. Bei dem Unglück wurde die
Fabrik dem Erdboden gleichgemacht. Zurück blieben in dem
weitläufigen Gelände mehr als 192.000 Minen, die
glücklicherweise nicht explodiert waren. Sie sollen nun nach
Griechenland zurücktransportiert und dort zerstört werden.
Rechtlich war Griechenland durch die Ottawa-Konvention eigentlich
verpflichtet, all seine Minen bis 2008 zu zerstören. Auch die
Türkei setzte ihre Vernichtungsverpflichtung verspätet um und
zerstörte ihre letzten Antipersonenminen nicht bis 2008 sondern
erst 2010.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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