Originalbeitrag
04. April 2016


Geheime Landminenexporte aus Deutschland

von Otfried Nassauer


„Genehmigungen für Minenexporte hat es in der Vergangenheit nur in äußerst geringem Umfang gegeben“, teilte das Auswärtige Amt in einem Schreiben im Oktober 1994 der Bundestagsabgeordneten Angelika Beer (Grüne) mit. Ein Jahr später ergänzte das Wirtschaftsministerium für den Zeitraum 1985-1995: „Ausfuhrgenehmigungen für Anti-Personen-Minen konnten für den genannten Zeitraum nicht identifiziert werden.“ Bereits ein Jahr zuvor hatte die Bundesregierung am 8. Juni 1994  erklärt: "Die Bundesregierung unterstützt die Resolution 48/75K vom 16. Dezember 1993 der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die sich für ein weltweites Moratorium hinsichtlich des Exports von Anti-Personenminen (Schützenabwehrminen) ausspricht. Die Bundesregierung beschließt, daß für einen Zeitraum von drei Jahren ab dem 1. Juli 1994 keine Genehmigung für den Export von Anti-Personenminen erteilt wird.“

Diese Aussagen führten in die Irre. Deutschland hat vor dem Exportmoratorium im großen Stil Anti-Personenminen exportiert. Die Minen stammten aus Beständen der Bundeswehr. Die Bundesregierung mußte also von dem Export wissen. Das Verteidigungsministerium war der Exporteur. In der Antwort auf eine weitere Anfrage der grünen Abgeordneten Beer teilte sie damals mit: Ja, es habe Minenexporte gegeben, die auf Wunsch der Empfänger geheim gehalten würden. Den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, damals Paul Breuer (CDU), habe man in Kennntnis gesetzt.

Inzwischen ist  klar: Die Bundeswehr hat damals mehr als die Hälfte ihrer Antipersonenminen exportiert. Insbesamt waren es mehr als 2,5 Millionen dieser damals politisch höchst umstrittenen Spengkörper. Empfänger der Minen waren die NATO-Staaten Griechenland und Türkei. Beide bekamen riesige Mengen.  

Zuvor hatten also in den Bundeswehrdepots mehr als 3 Millionen Minen des Typs DM11 und etwa 1,2 Millionen DM31 gelagert.

Über diese Exporte schwieg die Bundesregierung auch weiterhin. Sie präsentierte sich als Befürworterin einer Verbotskonvention und konnte, als die Konvention in Kraft trat, den Vereinten Nationen mitteilen, sie habe bereits all ihre Antipersonenminen vernichtet. Mehr als 2,5 Millionen ehemals deutscher Minen, für deren Vernichtung die Bundesrepublik nunmehr nicht mehr zuständig war, gab es dagegen noch. Sie waren in die Türkei und nach Griechenland abgeschoben worden – einschließlich der Zuständigkeit für ihre Vernichtung. 

Sowohl in Griechenland als auch in der Türkei existieren noch heute Minen aus deutscher Produktion und Lieferung. Das größere Problem besteht dabei in Griechenland. Dort existieren noch Hunderttausende Schützenminen vom Typ DM31 Sie lagerten 2015 in Griechenland und Bulgarien  und in kleiner Stückzahl in der Türkei. Diese hatte 2014 noch 3.774 DM 11 zu Ausbildungszwecke im Bestand.

Griechenland und die Türkei einigten sich erst 2003, die Ottawa-Konvention zu ratifizieren.  2004 mussten sie deshalb erstmals über ihre Bestände berichten. Unbemerkt blieb dabei in der deutschen Öffentlichkeit, dass beide Länder umfangreiche Bestände an Minen aus deutscher Herstellung meldeten. 

Von den Exporten der Bundeswehr hat scheinbar auch die herstellende Industrie nichts erfahren. Die Firma.Diehl hielt noch 2009 im Brustton der Überzeugung  in einer Stellungnahme fest, man habe zwar bis 1965 Antipersonenminen hergestellt, aber: „Jede einzelne dieser Minen stand nachweisbar bis zu ihrer Vernichtung Ende 1997 im Gewahrsam der Bundeswehr.“ Falsch und weit gefehlt. Mehr als die Hälfte der von Diehl hergestellten Anti-Personen-Minen befand sich 1997 noch in türkischen Depots und wurde erst 2004 an die Vereinten Nationen gemeldet und danach vernichtet.

Zwei Ereignisse veranlassten BITS, noch einmal nachzuforschen: Im März 2016 hatte die türkische Zeitung Daily Sabah, berichtet, dass türkische Sicherheitskräfte acht DM 11-Minen deutscher Herkunft bei einer Hausdurchsuchung im Kontext der Bekämpfung der PKK entdeckt hätten. Die Zeitung erwähnte nicht, dass diese Minen aus türkischen Beständen stammen könnten. 

Bei Griechenland lag der Anlass etwas weiter zurück: Am 1.Oktober 2014 gab es eine gewaltige Detonation im nordbulgarischen Dörfchen Gorni Lom, bei der 15 Menschen ums Leben kamen. In den Berichten zu diesem Unglück wurde erwähnt, dass in dieser Fabrik griechische Landminen zerstört wurden. Fotos zeigten die Verpackungen deutscher DM31-Minen. Bei dem Unglück wurde die Fabrik dem Erdboden gleichgemacht. Zurück blieben in dem weitläufigen Gelände mehr als 192.000 Minen, die glücklicherweise nicht explodiert waren. Sie sollen nun nach Griechenland zurücktransportiert und dort zerstört werden. Rechtlich war Griechenland durch die Ottawa-Konvention eigentlich verpflichtet, all seine Minen bis 2008 zu zerstören. Auch die Türkei setzte ihre Vernichtungsverpflichtung verspätet um und zerstörte ihre letzten Antipersonenminen nicht bis 2008 sondern erst 2010.



ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS