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03. September 2015


Rheinmetall statt Heckler & Koch

von Otfried Nassauer


Die Oberndorfer Waffenschmiede Heckler & Koch gilt meist als Hauptschuldiger an der großen Verbreitung des Sturmgewehrs G3. Exzessive und teilweise skrupellose Exporte sowie  Lizenzvergaben an Länder wie Myanmar, Pakistan, Mexiko, die Türkei oder Portugal haben dazu beigetragen, dass das ehemalige Standardgewehr der Bundeswehr heute zu den am meisten verbreiteten Waffen der Welt gehört und in vielen Krisen und Kriegen zum Einsatz kommt.

Vergleichsweise unbekannt ist dagegen, dass die Rheinmetall AG in den 1950er und 1960er Jahren zu der massiven Verbreitung des Gewehres erheblich beitrug. Der Düsseldorfer  Rüstungskonzern stellte dieses Sturmgewehr ebenfalls her, hielt einige der relevanten Patente und vermarktete es aggressiv im Ausland. Rheinmetall bot das G3 oft in Kombination mit seinen begehrten Maschinengewehren MG 42 und MG3 an und trat auf Exportmärkten als  Konkurrent von Heckler & Koch auf. Der Konzern wurde nicht nur in NATO-Staaten wie Dänemark und Norwegen vorstellig, sondern vor allem in Drittstaaten und versuchte, das G3 loszuschlagen: Es wurde u.a. in Indonesien, Myanmar, Pakistan, Nigeria, dem Sudan, Jordanien, dem Libanon, Kolumbien, Malaysia, Mexiko, Argentinien und Brasilien von Rheinmetall angeboten und in etlichen Ländern führte das Angebot zum Erfolg.

Christian Leitzbach, Archivar und Biograph des Konzerns hielt im vergangenen Jahr fest: „Der Exportanteil von 30% am Gesamtumsatz der Rheinmetall AG Berlin 1963 bildete keinen Ausnahmefall. Fast der gesamte Betriebsgewinn der Rheinmetall GmbH aus der MG- und G3-Fertigung stammte aus dem Ausland.“ Kein Wunder, dass der Export in autokratisch regierte Länder und Militärdiktaturen dabei eine wesentliche Rolle spielte. Gerade problematische Empfänger des G3 waren oft die Kunden Rheinmetalls.

Indonesien konnte bereits 1959 die ersten 12.500 Sturmgewehre vom Typ G3 bei Rheinmetall bestellen, die bis 1961 geliefert wurden, obwohl der erst vor wenigen Jahren unabhängig gewordene Staat ab 1957 immer wieder von Aufständen erschüttert. Burma wurde zwar von einer zivilen Regierung geführt als Rheinmetall 1961 die erste Esportgenehmigung für 10.000 Sturmgewehre erhielt, aber die Folgelieferungen weiterer 12.000 Gewehre fielen bereits in die Zeit der 1962 beginnenden Militärdiktatur. „Auswirkungen auf die Verhandlungen über Waffennlieferungen mit Rheinmetall hatte das kaum. Man erwog im Gegenteil eine Ausweitung des Geschäfts“, und lieferte in der Folge auch Maschinengewehre, hält Christian Letzbach fest. Zusammen mit der Fritz Werner AG ermöglichte man dem burmesischen Militär den Nachbau des G3 in einer eigenen Fabrik, der 1964 begann. Auch die G-3-Lizenz für Pakistan war das Werk von Rheinmetall. Dieser Vertrag stammte aus dem Jahr 1967. 1970 kam es zudem zu einer Lizenzfertigung des MG3 in Pakistan. Erst als die G3-Fertigung in Deutschland in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre bei Heckler & Koch konzentriert wurde, reduzierte sich die Rolle von Rheinmetall als G3-Exporteur schrittweise.

Die erneuten Hinweise auf die Mitverantwortung Rheinmetalls für die Verbreitung des G3 verdankt die Öffenlichkeit Christian Leitzbach, der zum 125-jährigen Bestehen Rheinmetalls in seinem zweibändigen Werk „Vom Reiz, im Rheinland ein großes Werk zu errichten“ darauf hinwies. Viele seiner Angaben bestätigen Archiv-Recherchen, die Roman Decker während seiner Mitarbeit bei BITS vor einigen Jahren publizierte und die auf www.bits.de nachlesbar sind.



ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS