Rheinmetall statt Heckler & Koch
von Otfried Nassauer
Die Oberndorfer Waffenschmiede Heckler & Koch gilt meist
als Hauptschuldiger an der großen Verbreitung des Sturmgewehrs
G3. Exzessive und teilweise skrupellose Exporte sowie
Lizenzvergaben an Länder wie Myanmar, Pakistan, Mexiko, die
Türkei oder Portugal haben dazu beigetragen, dass das ehemalige
Standardgewehr der Bundeswehr heute zu den am meisten verbreiteten
Waffen der Welt gehört und in vielen Krisen und Kriegen zum
Einsatz kommt.
Vergleichsweise unbekannt ist dagegen, dass die Rheinmetall AG in den
1950er und 1960er Jahren zu der massiven Verbreitung des Gewehres
erheblich beitrug. Der Düsseldorfer Rüstungskonzern
stellte dieses Sturmgewehr ebenfalls her, hielt einige der relevanten
Patente und vermarktete es aggressiv im Ausland. Rheinmetall bot das G3
oft in Kombination mit seinen begehrten Maschinengewehren MG 42 und MG3
an und trat auf Exportmärkten als Konkurrent von Heckler
& Koch auf. Der Konzern wurde nicht nur in NATO-Staaten wie
Dänemark und Norwegen vorstellig, sondern vor allem in
Drittstaaten und versuchte, das G3 loszuschlagen: Es wurde u.a. in
Indonesien, Myanmar, Pakistan, Nigeria, dem Sudan, Jordanien, dem
Libanon, Kolumbien, Malaysia, Mexiko, Argentinien und Brasilien von
Rheinmetall angeboten und in etlichen Ländern führte das
Angebot zum Erfolg.
Christian Leitzbach, Archivar und Biograph des Konzerns hielt im
vergangenen Jahr fest: „Der Exportanteil von 30% am Gesamtumsatz
der Rheinmetall AG Berlin 1963 bildete keinen Ausnahmefall. Fast der
gesamte Betriebsgewinn der Rheinmetall GmbH aus der MG- und
G3-Fertigung stammte aus dem Ausland.“ Kein Wunder, dass der
Export in autokratisch regierte Länder und Militärdiktaturen
dabei eine wesentliche Rolle spielte. Gerade problematische
Empfänger des G3 waren oft die Kunden Rheinmetalls.
Indonesien konnte bereits 1959 die ersten 12.500 Sturmgewehre vom Typ
G3 bei Rheinmetall bestellen, die bis 1961 geliefert wurden, obwohl der
erst vor wenigen Jahren unabhängig gewordene Staat ab 1957 immer
wieder von Aufständen erschüttert. Burma wurde zwar von einer
zivilen Regierung geführt als Rheinmetall 1961 die erste
Esportgenehmigung für 10.000 Sturmgewehre erhielt, aber die
Folgelieferungen weiterer 12.000 Gewehre fielen bereits in die Zeit der
1962 beginnenden Militärdiktatur. „Auswirkungen auf die
Verhandlungen über Waffennlieferungen mit Rheinmetall hatte das
kaum. Man erwog im Gegenteil eine Ausweitung des Geschäfts“,
und lieferte in der Folge auch Maschinengewehre, hält Christian
Letzbach fest. Zusammen mit der Fritz Werner AG ermöglichte man
dem burmesischen Militär den Nachbau des G3 in einer eigenen
Fabrik, der 1964 begann. Auch die G-3-Lizenz für Pakistan war das
Werk von Rheinmetall. Dieser Vertrag stammte aus dem Jahr 1967. 1970
kam es zudem zu einer Lizenzfertigung des MG3 in Pakistan. Erst als die
G3-Fertigung in Deutschland in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre
bei Heckler & Koch konzentriert wurde, reduzierte sich die Rolle
von Rheinmetall als G3-Exporteur schrittweise.
Die erneuten Hinweise auf die Mitverantwortung Rheinmetalls für
die Verbreitung des G3 verdankt die Öffenlichkeit Christian
Leitzbach, der zum 125-jährigen Bestehen Rheinmetalls in seinem
zweibändigen Werk „Vom Reiz, im Rheinland ein großes
Werk zu errichten“ darauf hinwies. Viele seiner Angaben
bestätigen Archiv-Recherchen, die Roman Decker während seiner
Mitarbeit bei BITS vor einigen Jahren publizierte und die auf www.bits.de nachlesbar sind.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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