Rheinmetalls Niebel
von Otfried Nassauer
Was sich Armin Papperger und seine Kollegen im Vorstand der
Rheinmetall AG da wohl gedacht haben? Auf den ersten Blick erscheint
die Berufung des ehemaligen Entwicklungshilfeministers Dirk Niebel
zum „strategischer Berater“ des großen deutschen
Rüstungskonzerns wie eine vielversprechende Idealbesetzung – aus
Sicht des künftigen Arbeitgebers jedenfalls. Auf den zweiten Blick
aber könnte sie auch ein entscheidendes Eigentor sein.
Das Reizvolle für den Konzern zuerst: Dirk Niebel war 2009-2013
Minister, verfügt also über aktuelle und aktive Netzwerke und
Kontakte im In- und Ausland. Die FDP ist derzeit weder
Regierungspartei noch im Bundestag vertreten – der Verdacht, Niebel
könne Firmeninteressen direkt durchsetzen, als etwas weiter
hergeholt. Zu entscheidenden Politikern, nationalen und
internationalen Bürokraten und zu wichtigen Funktionsträgern in
Internationalen Organisationen hat der Ex-Minister trotzdem noch
gute, aktuelle Kontakte. Was also könnte Rheinmetall mehr wollen?
Als Mitglied des Bundessicherheitsrates ist Dirk Niebel zudem mit
den Usancen und vielleicht auch mit den Feinheiten der Genehmigung
von Rüstungsexporten vertraut. Rheinmetall ist ein Rüstungskonzern
– zur Hälfte jedenfalls. Einer der größten in Deutschland.
Mithin kann das von Vorteil sein. Als ehemaliger Soldat und Minister
verfügt Niebel zudem sicher auch noch über Kontakte im deutschen
Militär. Hinzu kommen jene politishen Verbindungen, die er während
seiner Amtszeit im Nahen und Mittleren Osten, in Afrika, Asien und
Lateinamerika gesammelt hat. Also in jenen Drittstaaten, in die die
deutsche Wehrtechnik-Industrie gerne verstärkt exportieren würde,
um die rückläufigen Aufträge von der Bundeswehr zu kompensieren.
Niebel kann also seine Verbindungen spielen lassen, wenn
Rheinmetall, seine Töchter und seine Beteiligungen gepanzerte
Radfahrzeuge oder geschützte Militär-LKWs von MAN ins Ausland
verkaufen wollen. Ähnliches gilt Kanonen und Munition, die
Luftabwehrgeschütze der Schweizer Tochter Oerlikon, die Elektronk
von RDE und vieles andere mehr.
Dirk Niebel war zudem Mitglied des Interministeriellen
Ausschusses, also jenes Kabinettsausschusses, der beschließt, welche
deutschen Exportgeschäfte mit staatlichen Ausfuhrbürgschaften,
sogenannten Hermesbürgschaften, abgesichert werden. Gibt es eine
solche Bürgschaft, so sichert die Politik mit dem Geschäft
verbundene Zahlungsrisiken durch den Steuerzahler ab. Für
Rheinmetall ist das im Blick auf seine Rüstungsgeschäfte mit
Drittländern interessant, aber – vielleicht noch viel mehr – im
Blick auf ein neues Geschäftsfeld, dass sich der Konzern gerade
durch ein Joint Venture erschließt: Rheinmetall hat sich in einem
Joint Venture mit dem korruptionsumwitterten Anlagenbauer Ferrostaal
verbunden, um Industrieanlagen z.B. für die petrochemische Industrie
und die Rüstungsindustrie zu konzipieren.Vor allem im Ausland.
Dirk Niebel gehörte in seiner Ministerzeit auch zu den Förderern
des Konzeptes der vernetzten Sicherheit und machte sich dafür stark,
der Industrie und auch der Sicherheitsindustrie verstärkt
Zugriffsmöglichkeiten auf Entwicklungshilfemittel zu eröffenen.
Sicherheit sei schließlich eine Voraussetzung für Entwicklung. Ist
er also für den Konzern eine Idealbesetzung?
Eher nicht. Und nicht nur, weil seit seiner Tätigekeit als
Minister erst wenig Zeit verstrichen ist bzw. mit seinem Wechsel ein
„Geschmäckle“ verbunden ist. Niebels Wechsel wirkt (ob er es ist
oder nicht) wie ein verspätetes Dankeschön an einen ehemaligen
Minister und eine Partei, die Pate gestanden haben, als Rheinmetall
während der schwarz-gelben Koalition milliardenschwere Aufträge für
Drittländer einsammelte und diese auch immer wieder genehmigt bekam:
-
Algerien vereinbarte 2011 mit Rheinmetall–RMMV die
Lieferung von zunächst 54 Radpanzern vom Typ Fuchs 2 sowie die
Ausbildung algerischer Arbeitskräfte. In einem zweiten Schritt
sollen 980 dieser Radpanzer in Algerien in Lizenz produziert werden.
Die dafür erforderliche Fabrik plant das Rheinmetall Joint Venture
mit Ferrostaal. Etwa drei Milliarden Euro dürfte allein dieses
Geschäft wert sein. Weitere Aufträge aus Algerien – z.B. im
Bereich der Grenzsicherung oder der Öl- und Gasindustrie könnten
folgen.
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Rheinmetall prodzuiert Munition und plant bzw. betreibt
zusammen mit seinen Kunden auch Munitionsfabriken. In die Zeit der
Regierungsbeteiligung Niebels fallen zum Beispiel Munitionsaufträge
-
Rheinmetall ist der wichtigste Zulieferer von KMW für den
Kampfpanzer Leopard 2 und die Panzerhaubitze 2000. Bei jedem
Neugeschäft wie mit Katar ist der Konzern beteiligt. Zudem
modernisiert er gebrauchte Leopard-Panzer für Länder wie
Indonesien und fertigt Sonderfahrzeuge auf Leopard-Basis.
Rheinmetall selbst hat für Rüstungsexporte während der Amtszeit
Niebels zwar angeblich keine Hermesbürgschaften erhalten, gilt das
aber auch für die Rheinmetallbeteiligungen und Joint Ventures? Oder
für Aufträge, an denen Rheinmetall als Zulieferer beteiligt ist.
Beides, die Beteiligung an Rüstzungsexportgenmehmigungen und jene
an der Vergabe von Hermesbürgschaften sind Ursachen dafür, dass
viele in der Anstellung des Erx-Ministers bei Rheinmetall ein
„Geschmäckle“ erkennen.
Wann immer Dirk Niebel als Lobbyist für den Konzern aktiv werden
wird, kann es auch sein, dass jene, von denen er sich Kooperation
erhofft, vor einer Zusammenarbeit zurückschrecken. Würde diuese
öffentlich, würde das „Niebelsche Geschmäckle“ auch ihnen
anhängen.
Und dann ist da noch etwas: Kommen wir noch einmal auf Armin
Papperger, Niebels künftigen Chef, zurück. Der übernahm in der
letzten Juni-Dekade eine weitere Funktion: Er wurde Vorsitzender des
Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie
(BDSV). Das ist die Interessensvertretung der deutschen
Rüstungsindustrie, also ihr Lobbyverband. Papperger muss also qua
Funktion den Gegenspieler zu Wirtschaftsminister Siegmar Gabriel
geben, wenn letzterer Rüstungsexportkontrolle NICHT als Teil der
Außenwirtschaftsförderung praktiziert – wie das zu Zeiten der
FDP-Minister im Wirtschaftsministerium immer wieder üblich war. In
dieser Rolle dürfte Papperger in den kommenden Monaten häufiger als
sonst gefordert sein. Die Industrie geht derzeit gerade auf
Konfrontationskurs zu Wirtschaftsminister Gabriel. Sie sieht ohre
Möglichkeiten, den Rüstungsexportr auszuweiten zerrinnen, die sie
sich zu Zeiten der Regierungsbeteiligung der FDP eröffnen konnte.
Auch in dieser Auseinandersetzung könnte für Niebel bei Rheinmetall
eine Aufgabe liegen: Die des politischen Rammbocks und Kontrahenten
für Siegmar Gabriel. Wie entscheidend es für den Ausgang eines
Krieges ist, die Initiative zu erlangen und offensiv zu agieren, weiß
Niebel – er war ja Soldat.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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