Atomwaffentransporte - Nuclear Airlift
von Otfried Nassauer
Die US-Luftwaffe transportiert ihre Nuklearwaffen in Friedenszeiten,
wann immer nötig und möglich als Luftfracht. Das gilt
auch
und gerade für die Nuklearwaffen, die im Ausland gelagert
werden.
Es geschieht aus Sicherheitsgründen und gilt auch
für
Ersatzteile, z.B. Komponenten mit begrenzter Lebensdauer.
Dafür
steht die Prime Nuclear Airlift Force (PNAF) zur Verfügung,
die
inzwischen auch für Notfalltransporte von Atomwaffen, also die
Emergency Nuclear Airlift Operations (ENAO), zuständig ist.
Die PNAF wird von der 4. Staffel des 62.
Lufttransportgeschwaders (4th Squadron, 62nd MAW) auf der Joint Base
Lewis McChord (JBLM) in Lakewood, Washington State, gestellt. Hier
stehen für diese Aufgabe besonders verlässliche
Flugkapitäne mit ihren ebenfalls speziell ausgebildeten
Mannschaften bereit. Etwa 200 Personen gehören insgesamt zu
der
Einheit. Sie können auch eingesetzt werden, um den
US-Präsidenten (Codename Banner Phoenix), den
Vizepräsidenten
(Silver Phoenix) oder vom Weißen Haus besonders beauftragte
Personen (Copper Phoenix) zu befördern, wenn diese ein
militärisches Flugzeug nutzen
müssen.
Für Transporte von Nuklearwaffen werden heute
moderne
Großraumflugzeuge vom Typ Boeing C-17A "Globemaster III"
genutzt,
die selbst auf relativ kleinen Flughäfen landen
können. Der
4.Staffel sind keine bestimmten Flugzeuge zugeordnet. Aus dem Bestand
des 62. Geschwaders werden werden jeweils die Flugzeuge genutzt, die
sich gerade im technisch besten Zustand befinden.
Transporte vollständiger Atomwaffen kommen
inzwischen
relativ selten vor. Das liegt zum einen daran, dass nur noch recht
wenige Atomwaffen außerhalb der USA stationiert sind. In
Europa
liegen noch etwa 150-180 atomare Bomben. Aus allen anderen Regionen der
Erde wurden die Nuklearwaffen in die USA zurück verlegt. Eine
zweite Ursache besteht darin, dass die USA ihre Waffen aus
Sicherheitsgründen nur bewegen, wenn es wirklich einen
triftigen
Grund dafür gibt. Die meisten Wartungsarbeiten, auch der
Austausch
von Komponenten begrenzter Lebensdauer, können heute an den
europäischen Lagerorten vorgenommen werden.
Anders ist das, wenn tiefe technische Eingriffe in die
Waffen
vorgenommen werden müssen, zum Beispiel, um deren
Nutzungskontroll- und Nutzungsverweigerungssysteme (Use
Control-/Denial) zu verbessern oder um eine Waffe wieder
funktionsfähig zu machen, die aus Sicherheitsgründen
unbrauchbar gemacht wurde. Solche Aufgaben können nur bei den
Entwicklern und Herstellern in den USA umgesetzt werden. Vieles spricht
dafür, dass die USA aus solch einem Grund seit 2019
die in
Europa gelagerten Atomwaffen sukzessive gegen ansonsten typgleiche
Waffen aus den USA austauschen. Dazu werden zunächst
die
alten Waffen aus Europa abgeholt und auf die Kirtland Air Force Base in
Albuquerue, New Mexico, gebracht. Dort werden sie gegen bereits
umgerüstete Bomben aus dem Kirtland Underground Munitions
Maintenance and Storage Complex (KUMMSC) ausgetauscht und diese kehren
dann an die europäischen Lagerorte zurück. Zwischen
Abholung
der alten Waffen und Einlagerung der neuen vergehen nur etwa 48
Stunden. Im Frühherbst 2019 fand wahrscheinlich ein solcher
Austausch im deutschen Büchel statt, zwischen dem 9. und 12.
Dezember 2019 im niederländischen Volkel und
möglicherweise
in der zweiten Märzhälfte 2020 auch im
türkischen
Incirlik. Die Transporte führte jeweils die PNAF
durch.
Da die maximale Reichweite der C-17A Globemaster nicht
für alle Zielorte ausreicht, müssen die Flugzeuge der
PNAF
ggf. zusätzlichen Sprit aufnehmen. Da Zwischenlandungen als
zusätzliches Sicherheitsrisiko betrachtet werden, geschieht
dies
per Luftbetankung. Dafür gelten besondere Regeln.
Die
Betankung muss über dem Meer und mindestens 12 Seemeilen
von
der nächsten Küste entfernt durchgeführt
werden. So
sehen es die einschlägigen Vorschriften der US-Luftwaffe
vor.
Die Aufgabe, Nuklearwaffen als PNAF zu transportieren,
wurde
in den vergangenen Jahrzehnten von unterschiedlichen Staffeln
wahrgenommen. Sie lag seit den siebziger Jahren über lange in
den
Händen der 6. Lufttransportstaffel, die den Spitznamen "Bully
Beef
Express" trug. Diese Staffel ist auf der McGuire Airforce Base
beheimatet und war z.B. dafür zuständig, nach dem
Ende des
kalten Krieges Tausende von atomaren Artilleriegeschossen,
Fliegerbomben und Raketensprengköpfen in die USA
zurückzubringen. Insgesamt flog der Bully Beef Express nach
eigenen Angaben in dieser Zeit rund 1.600 Missionen als PNAF. Damals
wurden für solche Transporte Flugzeuge vom Typ
C-141B-Starlifter
benutzt.
Für eine Übergangszeit
übernahm 1994 das 60.
Lufttransportgeschwader auf der Travis Air Force Base den Transport
atomarer Waffen. Auch dort wurden C-141B-Flugzeuge genutzt. Von dieser
Einheit ging die Aufgabe des Atomwaffentransports 1998 auf das
62.Lufttransportgeschwader mit seiner 4. Staffel über, das
über die viel moderneren C-17A-Globemaster Flugzeuge
verfügte.
Einer der letzten größeren Transporte
atomarer
Waffen fand 2004 statt. Damals galt es, die auf der Airbase Ramstein in
Deutschland gelagerten Atombomben vom Typ B-61 in die USA
zurück
zu fliegen. Die Ramstein Airbase sollte gemeinsam mit Spangdahlem alle
Aufgaben der Rhein-Main-Airbase übernehmen und musste
dafür
aufwändig umgebaut und vergrößert werden.
Aus
Sicherheitsgründen wurden in diesem Kontext die Nuklearwaffen
ausgelagert. Ähnliche Gründe dürften eine
Rolle gespielt
haben, die Atomwaffen nach Ende der Bauarbeiten in den USA zu belassen.
Für den Transport und die Lagerung nuklearer Waffen gelten
strenge
Sicherheitsmaßnahmen, zu denen auch Einschränkungen
für
den Flugbetrieb am Lagerort zählen. Diese waren mit der neuen
Rolle Ramsteins als zentrale logistische Drehscheibe der US-Luftwaffe
in Europa wohl nur schwer in Einklang zu bringen.
Einige früher vorhandene Strukturen
für
Atomwaffentransporte gibt es nicht mehr. So ist die Aufgabe, im Notfall
als ENAF (Emergency Nuclear Airlift Force) bereitzustehen, die
früher von größeren Kräften, z.B
dem 437.
Lufttransportgeschwaders auf der Charleston AFB wahrgenommen wurde,
nicht mehr existent. Die Aufgabe wurde als Emergency Nuclear Airlift
Operation (ENAO) in das Missionsspektrum der PNAF eingegliedert.
Für Atomwaffentransporte über kürzere
Strecken innerhalb
Europas gab es früher einen "europäischen Ableger"
der PNAF.
Dieser befand sich auf der Airbase Ramstein und war Teil des 86.
Lufttransportgeschwaders. Dafür wurden C-130
Herkules-Transportmaschinen genutzt. Heute fliegen die C-17A der PNAF
die verbliebenen sechs europäischen
Luftwaffen-Stützpunkte
direkt an, auf denen noch Atomwaffen gelagert werden an. In Ramstein
entfiel diese nukleare Aufgabe.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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