Deutsche Landminen - Eine Bestandsaufnahme Otfried Nassauer und Thomas Küchenmeister
5.2. Nichts geht ohne sie - Die Zünderhersteller für Minen In der Entwicklung und Herstellung von Minenzündern haben sich - neben den Minenherstellern selbst - in der Geschichte der Bundesrepublik vor allem zwei Firmen profiliert: Die Zünderfabrikanten
Mit der zunehmenden Rolle der Elektronik und Sensorik für die Minentechnologie ist damit zu rechnen, daß Firmen aus dieser Sparte in Zukunft - jenseits des klassischen Druck- oder Zugzünders, oft von den Minenherstellern wie Dynamit Nobel selbst hergestellt - eine erheblich größere Bedeutung zukommt. Hoenywell Regelsyteme ist die deutsche Tochter des amerikanischen Elektronik- und Rüstungskonzern Honeywell Inc. und ist in Maintal ansässig. Sie entwickelt und liefert Zünder, Sensoren und elektronische Systeme für eine Vielzahl von militärischen Anwendungen. Die Firma setzte im Jahr 1993 mit 1.074 Beschäftigten 224 Mio. DM um. Von Honeywell ist bekannt, daß die Firma an einer ganzen Reihe von Minenprojekten beteiligt ist:
Die Firma Junghans Feinwerktechnik in Schramberg-Sehdorf ist eine 100%ige Tochter der Diehl GmbH. Sie entwickelt und produziert Zündertechnologien und Zünder u.a. für Mörsergeschosse, Artilleriegeschosse und Minen. Von ihrer Mutterfirma übernommen zu haben, scheint Junghans Feinwerktechnik die Diskretion. Über die Beteiligung der Firma am DM-42 Zünder für MARS-AT-2 hinaus (Golla, 1990, S.10) ist die Involvierung von Junghans in der Minenproduktion mangels öffentlich zugänglicher Quellen nicht im Detail bekannt. Es gibt allerdings Hinweise, die weitere Nachforschungen als sinnvoll erscheinen lassen. In den siebziger Jahren war die Firma unter jenen Betrieben, in denen mehr als 500 Mitarbeiter in der Fertigung konventioneller Munition tätig waren (Wehrdienst 492/1974). Nach Angaben der Bundesregierung hat Junghans zumindest eine Genehmigung zum Export von Landminen erhalten (AA,1994a). Und ähnlich wie bei der Schramberger Diehl-Tochter Mauser dürfte es lohnen, den konkreten Beitrag der Junghans-Feinwerktechnik für die Minenproduktion weiter zu untersuchen. Der Mutterkonzern Diehl bietet einige Leistungen an, für deren Erfüllung die Junghans Feinwerktechnik infrage kommt. Dazu gehören
5.3. Die System- und Managmentfirmen RTG Raketen Technik Gesellschaft mbH, Unterhaching Die RTG wurde als Tochter der beiden süddeutschen Großkonzerne der Rüstungsindustrie der siebziger Jahre, MBB und Diehl, 1977 gegründet. Beide Mutterfirmen halten je 50 % an der RTG. Sie stand in direkter Konkurrenz zu der von Dynamit Nobel, AEG und Honeywell betriebenen "Gesellschaft für ungelenkte Flugkörpersysteme mbH" GUF und sollte die Wettbewerbsposition der deutschen wehrtechnischen Südschiene in den Ausschreibungen für LARS und die Mehrzweckwaffe-1 stärken. Die Verbindung beider Firmen in der RTG soll allen voran der frühere BMVg-Rüstungsdirektor und spätere Diehl-Mitarbeiter Dr. Johannes Trienes betrieben haben (Wehrdienst 593/1977; Wehrdienst 644/1978; Wehrdienst 770/1980). Mit der RTG wollte man das Geschäft der beiden Unternehmen mit ungelenkten Artillerieraketen verbinden. MBB München brachte dabei seine Entwicklungskapazitäten ein, während die Firma Diehl, die auf diesem Gebiet als eher "schwach" bewertet wurde, ihre Fertigungskapazitäten einbrachte.( Wehrdienst 590/1976). Ursprüglich einmal als Unternehmen für Forschung, Entwicklung und Herstellung von ungelenkten Raketen, Bomben (einschließlich Behälter- und Verteilermechanismen) sowie von Geschossen mit Endphasen-Lenkung ( Wehrdienst 620/1977, S.3) geplant, übernahm die RTG sehr bald organisatorische Aufgaben, ist also keine "echte" Minen-Fertigungsfirma, auch wenn sie - gemäß ihrem Auftrag - die Lizenzen für die MW-1 Submunitionen halten dürfte. Während die RTG bei der Ausschreibung des Auftrages für die Minenraketen LARS 2 noch unterlag, wurde sie Generalunternehmer für das Tornado-Hauptwaffensystem, den Submunitionsdispenser MW-1 (für Minen, Splitterbomben, Startbahnbomben), ein Auftrag im Umfang von 2,315 Mrd. DM. Daran ist die RTG zu 24,20 % beteiligt, was im Jahr 1986 einen Umsatz von 250 Mio. DM ausmachte, und einen Rüstungsanteil des Unternehmens von stolzen 100% bedeutet ( Die Grünen im Bayerischen Landtag, 1992). Wie auch bei anderen großen Rüstungsvorhaben sind am MW-1-Projekt viele Unterauftragnehmer (ca. 50) im In- und Ausland beteiligt. Der minenrelevante Kosten-Anteil von MW-1 wird mit 700 Mio. DM seitens der Bundesregierung angegeben (Deutscher Bundestag, 1995e, S.10). Auch am MLRS-Projekt, dem zweiten milliardenschweren Rüstungsauftrag auf dem Gebiet der Minenverlegesysteme ist RTG beteiligt. Hier zeichnete man als Hauptauftragnehmer des Gefechtskopfes für die Minenrakete AT-2 verantwortlich (o. Verf. 1982c) und wird diese auch nach Auflösung der Exportorganisation der Europäischen Produktionsgemeinschaft für MARS, der MIC, vermarkten.
MLRS-EPG Europäische Produktionsgesellschaft Die MLRS-EPG ist eine typische industrieseitige Managmentfirma für die Abwicklung eines multinationalen Beschaffungsvorhabens. Sie ist verantwortlicher Hauptauftragnehmer für das europäische Lizenzbauprogramm des amerikanischen MLRS-Raketenwerfers, der bei der Bundeswehr "Mittleres Artillerieraketenwerfersystem" (MARS) heißt. Mit diesem kann u.a. die AT-2 Mine verschossen werden. In dem Unternehmen MRLS-EPG schlossen sich in Orientierung an nationale Beschaffungsumfänge die Firmen Diehl GmbH & Co (D) mit einem Anteil von 60%, Hunting Engineering (GB) 20%, Aerospitale (F) 16%, BPD Difesa (I) 4% als Gesellschafter zusammen (Burggraf 1990, S.241ff). Bei der Ausschreibung für das MARS-Projekt leistete das BWB Geburtshilfe für diese Konstruktion und ließ es zu, daß große Auftragspakete an den Firmen Diehl bzw. MBB hängenblieben. Beide hatten sich mit den Firmen Thyssen-Henschel und Wegmann & Co frühzeitig in einem Koordinierungs-Ausschuß zusammengefunden und bestanden "glorreich", so der Wehrdienst, die Ausschreibungsprüfung des BWB. Die Industrieangebote für die Fertigung von ursprüglich bis zu 380 MLRS-Systemen hatten das BWB und MLRS-EPG gemeinsam geprüft, was zur Folge hatte, daß innerhalb der MLRS-EPG, Mitarbeiter von MBB-, Diehl-, Thyssen-, und Wegmann dann die "schwere" Aufgabe hatten, die Angebote ihrer eigenen Stamm-Häuser zu bewerten (Wehrdienst 929/1984, S.1). Die MLRS-EPG übernimmt, ähnlich wie die RTG, reine Geschäftsverwaltungs- und Koordienierungssaufgaben, tätigt also keine eigene industrielle Produktion. Der Sitz der Firma ist in Ottobrunn (München). Als Generalunternehmer des MARS-Projektes sind verantwortlich: Diehl für die Integration der Raketen, Aerospitale mit Wegmann & Co für die Raketenwerfer, Thyssen Henschel für die Trägerfahrzeuge, BPD Difesa für die Raketenmotoren und MBB für den Schießtrainer. Wiederzufinden als Unterauftragnehmer bei MARS/MLRS sind u.a.viele andere deutsche Spezialisten für Minen und Minenverlegesysteme: DASA/MBB, Dynamit Nobel, Junghans, Rheinmetall, Wegmann, Vickers Systems, Feinmechanische Werke Mainz, Thyssen Henschel und Cummings Diesel (Burggraf 1990, Golla, 1990). Das europäische Produktionsziel belief sich zunächst auf 367 Werfer und rund 200.000 Raketen für geschätzte Kosten von 6,5 Mrd. DM, wurde aber später deutlich reduziert. Für die an der MLRS-EPG beteiligten Firmen ist dies trotzdem kein Grund zur Trauer. Im Gefolge des 2. Golfkrieges entwickelte sich ein reges Interesse an dem Raketenwerfer und seinen Munitionen. Etwa 30 Länder haben bereits Interesse bekundet, darunter sind u.a. Ägypten, Griechenland, Japan, Pakistan, Saudi-Arabien, die Schweiz und Thailand. Bislang beschafften folgende Staaten MLRS-Systeme bzw. beabsichtigen dies zu tun: Norwegen mit 18 Systemen (Lieferung in 1995), Bahrain 9 Systeme (die Lieferung begann 1992), Italien erhielt 20 Werfer, Frankreich mit 48 Systemen (wobei die Lieferung bis 1995 komplettiert werden soll), Großbritannien mit 54 Systemen, Deutschland mit 154 Systemen, die USA mit 800 Systemen (Lieferumg bis 1996), Griechenland mit 9 Systemen (Lieferung bis 1997), Israel mit 6 Systemen (bis 1995), Japan mit 36 Systemen (mit einer Option auf 36 weitere), die Türkei mit 12 Systemen, wobei 24 weitere bestellt wurden (o. Verf. 1994d, S.24). Für die internationale Vermarktung haben der US-Hersteller Vought und die MLRS-EPG frühzeitig ein Konsortium (MLRS International Cooperation/ MIC) mit Sitz in London gegründet. Innerhalb des Konsortiums (MIC) kam man übereinkommen, daß langfristig 60% des Exportvolumens an die US-Seite und 40% an die Europäer vergeben werden sollten (Burggraf, 1990). Daraus wird nichts. 1995 wurde die MIC aufgelöst, da die europäische Produktionslinie für den MARS-Werfer kein einziges der Exportgeschäfte abschließen konnte. Die deutsche Industrie hofft, daß etliche Staaten sich auch für die Beschaffung der AT-2-Minenrakete entscheiden werden. Die USA, Griechenland, die Türkei, Israel, Norwegen, Dänemark, Spanien und Holland sollen Interesse gezeigt haben (VHB, 1995, S.10). Diese Rakete soll nunmehr von der RTG separat vermarktet werden. In multinationaler Zusammenarbeit soll künftig in Europa eine Flächenverteidigungsmine in die MARS-Raketen integriert und deren Reichweite deutlich vergrößert werden (Rentzsch, 1995, S.16-18).
5.4. Landminenhersteller oder nicht? Einige Firmen wurden in der Vergangenheit in der öffentlichen Literatur mit der Herstellung von Landminen in Verbindung gebracht. Vielfach ist die Rolle dieser Firmen nicht genau zu klären. Im Folgenden wird der den Autoren zur Zeit bekannte Sachstand dargestellt. Ein in der Zeitschrift "Soldat und Technik" im Jahre 1975 veröffentlichter, sachkundiger Artikel zur Technik der Landminen (Tresckow, 1975, S.400) verweist den Leser für weitere Informationen zum Thema unter anderem an die Firma Metallwerk Elisenhütte GmbH, die in Nassau an der Lahn ansässig ist. Diese Firma existiert noch heute und findet auch als Hersteller kleinkalibriger Munition Erwähnung. Die schriftliche Bitte der Autoren an die Firma um Aufklärung und zusätzliche Informationen blieb ohne Antwort. Die KUKA Wehrtechnik GmbH in Augsburg, seit 1970 eine Tochter der Industriewerke Karlsruhe GmbH, schaltete in den der achtziger Jahren verschiedentlich Anzeigen, in denen sie Panzerabwehrminen anbietet. Sie wird zudem seitens der Bundesregierung als Empfänger von Exportlizenzen für Landminen genannt. Von einer eigenen Landminen-Produktion bei KUKA ist aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auszugehen. Vielmehr dürfte die Firma Minen aus der Entwicklung der IWKA vermarkten. Die Nico-Pyrotechnik in Trittau bei Hamburg, die mehrheitlich zur Rheinmetall-Industrietechnik GmbH gehört, fertigt Minentrainingssysteme für die militärische Ausbildung und Signalminen. Eine Beteiligung an der Produktion echter Landminen ist nicht bekannt. Die Sensys AG in Neuß hat in der Vergangenheit für verschiedene Minen und ein hubschraubergestütztes Minenverlegesystem in wehrtechnischen Zeitschriften geworben. Eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit der Firma, die als Vertrieb für die Produkte wahrscheinlich österreichischer Minenhersteller arbeitete, und heute nur noch als Briefkasten existiert, konnte für die Gegenwart nicht nachgewiesen werden. Allerdings hat die Firma, die ihr Büro in Deutschland in einer Anzeige in der Wehrtechnik vom April 1994 als "Entwicklungsbüro" bezeichnete, in der Bundesrepublik drei Landminenpatente angemeldet. Immer wieder fand die Firma Buck Chemische Werke im Zusammenhang mit der Landminenproduktion Erwähnung. Der Betrieb mit Hauptsitz in Bad Reichenhall hat eine lange rüstungstechnische Tradition und hat während des zweiten Weltkrieges chemische Zünder für Landminen hergestellt (Tresckow, 1975, S.393). Für die Zeit nach 1945 ist aus öffentlichen Quellen aber keine Verwendung von solchen Zündern in Landminen der Bundeswehr nachweisbar, sondern lediglich die Produktion von Rauchladungen für Panzerabwehrminen, Schützenminen und Signalminen (o.Verf., 1982, S.74-79). Diese finden sich vermutlich auch in den Beständen der Bundeswehr.
5.5. Und wer sonst noch dabei ist - weitere Zulieferer Mit der Einführung von Waffensytemen zur mechanisierten Verlegung von Minen wurde eine entsprechend kompliziertere Technik realisiert. Diese wird wie alle komplexen Waffensysteme oder industriellen Produkte zwar bei einer Firma in Auftrag gegeben, aber von einer Vielzahl von Firmen in Form von Komponenten, die zugeliefert werden, gebaut. Oft handelt es sich dabei um bereits auf dem Markt verfügbare Komponenten, die nur in geringem Maße angepaßt werden müssen; oft müssen aber auch ganze Teilsysteme neu entwickelt werden. Auch wenn der Hauptauftragnehmer - wie so oft - ein großer Konzern mit breit gefächerter Kenntnis und Leistungsfähigkeit in der Rüstungstechnologie sicher versuchen wird, eine möglichst große Fertigungstiefe innerhalb des eigenen Konzerns und mit Zulieferern aus dem Kreis jener Firmen, an denen er selbst beteiligt ist, zu realisieren, wird er viele Aufträge für Komponenten nach außen vergeben. Auf Zulieferungen von Firmen, deren Preise geheim bleiben, lassen sich insbesondere bei militärischen Produkten mit vielfältigen Begründungen Zuschläge durchsetzen, die eine wirtschaftliche Produktion mit substantiellem Gewinn ermöglichen. An jedem komplexeren System der Minenverlegetechnik sind deshalb eine Vielzahl von Firmen - oft nicht nur im Inland - beteiligt. Nimmt man die Mehrzweckwaffe MW-1 für den Tornado als Beispiel, so sind an der Produktion rund 50 Firmen im In- und Ausland als Unterauftragnehmer beteiligt (o.Verf., 1985, S78-83). Bei andere Großvorhaben wie den den Raketenwerfern MARS und LARS, sind sicher nicht weniger Firmen beteiligt. Die Generalunternehmer oder Hauptauftragnehmer lassen sich bezüglich ihrer Zulieferer nur sehr ungerne in die Karten schauen, da sie befürchten, daß Betriebsgeheimnisse offenbart und staatliche Preisprüfungen möglich werden. Dies könnte zu drastischen Gewinneinbrüchen führen, da der Staat als Auftraggeber dann die Kalkulationsgrundlagen der Hauptauftragnehmer kennenlernen würde. Deshalb ist es oft sehr schwer, die Zulieferer zu Minenverlegesystemen zu identifizieren. Es macht aber auch - im Kontext dieser Broschüre wenig Sinn, hier auf Vollständigkeit zu zielen. Der folgende Überblick über einige der Zulieferer soll lediglich einen grundsätzlichen Einblick gewähren. Er soll zeigen wie breit gestreut und arbeitsteilig solche Systeme hergestellt werden; er soll verdeutlichen, daß auch Firmen, die man gar nicht unter den Herstellern von Minenverlegetechnik vermuten würde, beteiligt sind. Er geht dagegen nicht darauf ein, inwieweit sich die verschiedenen Landminenhersteller in der Bundesrepublik gegenseitig durch Zulieferungen unterstützen.
Die Firma Wegmann & Co GmbH in Kassel ist ein Hersteller von militärischen Fahrzeugen, der mittlerweile fast ausschließlich wehrtechnisch tätig ist. Wegmann lieferte den Werfer LARS an die Bundeswehr. Die Firma ist auch zuständig für die Endmontage und Systemprüfung der Werfer für die Bundeswehr sowie für die Produktion der Werferkammern bei MARS (Soldat und Technik, Heft 4, 1990, S.242). In geringem Umfang ist Wegmann auch an der Produktion von MW-1 beteiligt. Thyssen Henschel in Kassel ist ebenfalls als Unterauftragnehmer substantiell an der Produktion des MARS-Werfers beteiligt (Golla, 1990, S.10). Die Bayern-Chemie Gesellschaft für Flugtechnische Antriebe mbH in Aschau, liefert - so eine Anzeige in Soldat und Technik im Mai 1995 - den Gasgenerator zum Ausstoß der MW-1 Submunition; Bayern Chemie war an der Entwicklung des MARS-AT-2 Gefechtskopfes beteiligt und lieferte auch hier den Gasgenerator (Wehrdienst 718/1979). Die Firma, die heute vollständig der DASA gehört, war früher im Besitz von MBB und WASAG-Chemie AG. Bei Gründung sollte sie sich u.a. mit der Entwicklung und Produktion von Minen und Verteidigungsgerät befassen (Wehrdienst 29.9.1969). Die Dornier GmbH in Friedrichshafen, eine weitere Firma, die zur DASA gehört, hat zusammen mit Dynamit Nobel und Krauss-Maffei ein hubschraubergestütztes Minenverlegesystem für die AT-2 Mine entwickelt, das zwar immer wieder auf den Wunschlisten der Planer der Hardthöhe auftauchte, aber nicht beschafft wurde (Janes Military Vehicles and Logistics, 1989). Dornier ist zudem innerhalb der DASA für die technische Seite der Anpassung der Abstandswaffe MAW-Apache an den Tornado zuständig. Dieser Flugkörper soll künftig mit den MW-1 Submunitionen ausgestattet werden (Wehrdienst 1331/1992; Military Technology, Heft 7/1995, S.72). Der Panzerhersteller Krauss-Maffei in München baute die Minenwurfanlage des Minenwerfers Skorpion, ist zuständig für die Endmontage und baut das System zusammen (Wehrdienst 970/1984). Die Accummulatorenfabrik Wilhelm Hagen in Kassel ist einer der beiden großen Batterie-Hersteller in Deutschland. Sie ist als Batterienlieferant an vielen Waffensystemen beteiligt. Sie stellte die Batterien für den Mehrfachraketenwerfer MARS bereit und war in geringem Umfang auch an der Produktion der Mehrzweckwaffe-1 beteiligt (Golla, 1990, S.10). Die Firma Feinmechanische Werke Mainz, ein Betrieb der ebenfalls bei vielen Rüstungsprojekten als Zulieferer in Erscheinung tritt, fertigt beim MARS-Raketenwerfer den Seitenrichtantrieb (Golla, 1990, S.10). Der Höhenrichtantrieb des gleichen Werfers wurde bei Vickers Systems in Bad Homburg hergestellt (Golla, 1990, S.10). Das Progress-Werk, Oberkirch, fertigte den Transport- und Lagerbehälter für die Mehrzweckwaffe MW-1 (Wehrdienst 1071/1987). Die Clouth Gummiwerke AG lieferten die Mittelkufen für den Raketenabschußbehälter bei MARS (Wehrdienst 1110/1987). Cummings Diesel in Groß Gerau lieferte den Dieselmotor für den MARS-Werfer (Golla, 1990, S.10). Von der MAN AG kommen die LKW, auf denen die Raketenwerfer LARS montiert sind. Die Firma Scherer rüstete die gebrauchten Fahrzeuge für den Skorpion um (Schäfer, 1986, S.54-57). Die Eisenwerke Kaiserslautern waren beim Minenwerfer Skorpion für die Produktion der Minenwerfer-Plattform zuständig (Wehrdienst 970/1984). Die Kabelmetal Elektro in Hannover lieferte beim Minenwerfer Skorpion die Spezialverkabelung des Werfers, machte Zulieferungen zur AT-2-Mine und zum Minenausstoßmagazin (Schäfer, 1986, S.54-57). Die Valvo AG in Hamburg lieferte die integrierten Schaltkreise für den Minenwerfer Skorpion. Sie war auch zumindest in der Frühphase an der Entwicklung des LARS-Raketenwerfers beteiligt. VDO, vielen Auto- und Fahrradfahrern als Tachometerlieferant bekannt, produzierte den Weggeber für den Minenwerfer Skorpion. Zulieferungen zu den Landminen selbst sind in der Vergangenheit kaum öffentlich geworden; sie sind aufgrund der geringeren Komplexität aber auch vermutlich von Minen nicht im gleichen Maße üblich gewesen. In dem Maße, wie auch die Landminen selbst zu komplexeren, technologischen Systemen werden, bzw. durch Sensorik, Fernschaltbarkeit und computerisierte Vernetzung zu einem eigenständigen Waffensystem werden, ist davon auszugehen, daß auch die Produktion der Landminen selbst arbeitsteiliger und unter Hinzuziehung von immer mehr Zulieferern stattfinden wird. Diese - so deutet sich an - werden allerdings voraussichtlich bereits in erheblich größerem Maße als heute üblich auf europäischer Ebene gewonnen werden - nicht zuletzt aus Wettbewerbs- und Kostengründen.
5.6. Zukunftsperspektiven der deutschen Industrie "Der Sprengstoffmarkt hingegen ist auch heute noch vorwiegend oligopolistisch bestimmt. Nur wenige Unternehmen treten als Anbieter auf, und auch bei den Abnehmern ragen einzelne Gruppen wie der Bergbau oder der Staat hervor. Vor allem aber spielt bei Sprengstoffprodukten weniger der Preis als die absolute Zuverlässigkeit des Produktes die entscheidende Rolle. Alterfahrene Sprengstoffhersteller wie die WASAG oder die Dynamit AG können dabei auch bei relativ kleinem und nicht schnell wachsendem Umsatz eine gute Rendite erzielen...", schreibt Wolfram Fischer in seiner von der WASAG AG herausgegebenen Firmenchronik der WASAG (Fischer, 1966, S.222). Dies dürfte noch immer gelten. Was aber, wenn der Staat - wie durch das Ende des Kalten Krieges bedingt - seinen Rüstungsbedarf auf das in Friedenszeiten finanzierbare Niveau reduziert? Was, wenn industrielle Überkapazitäten - aufgebaut in Zeiten heißer oder auch kalter Kriege - nicht länger benötigt werden? Diese Frage stellt sich auch für die deutschen Munitionsindustrie und mit ihr den Minenherstellern. In der ersten Hälfte der neunziger Jahre wurde sie unausweichlich. Die Streichung des Milliardenprojektes DAVID war ein deutliches Zeichen. Im Herbst 1993 ergriff das Bundesverteidigungsministerium die Initiative. In einem Bericht der Arbeitsgruppe Munition von BMVg und Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung wird der deutschen Munitionsindustrie ein hervorragendes Leistungszeugnis ausgestellt und zugleich eine drastische Schrumpfkur empfohlen. Die Unternehmen werden aufgefordert, Kapazitäten weitgehend zusammenzulegen. Die Bundeswehr könne die Auslastung künftig nicht mehr sichern (Wehrdienst 41/1993). Die deutsche Waffen- und Munitionsindustrie habe sich, so der Bericht, "zu einem außerordentlich leistungsfähigen Rüstungszweig von hohem internationalem Ansehen entwickelt." Allein sie sei zu groß. Es sei Zielvorstellung des Verteidigungsministeriums, daß "für unverzichtbar gehaltene Mindestkapazitäten erhalten bleiben." Dies gelte auch für den Bereich "Schützen- und Panzerabwehrminen, einschließlich Sensoren und Zünder". Aber: "Auf dem Gebiet der Minen sind in Teilbereichen noch erhebliche Überkapazitäten bei DASA, Diehl, DNAG und Rheinmetall vorhanden." Die in der Bundeswehrplanung für die reine Minenproduktion vorgesehenen Mittel von durchschnittlich 40 Mio. DM pro Jahr werden als hinlänglich erachtet, "um bei wenigstens einer Firma die erforderlichen Mindestkapazitäten zu erhalten". Die Empfehlung des Berichtes: Zusammenfassung "der Minenkapazität an einem Standort" (ebd.). Eine ähnliche Lage sieht der Bericht für die Sensoren- und Zünderindustrie. Auch sie verfüge "bei DASA, Diehl, Junghans, Honeywell und Rheinmetall über hervorragende Entwicklungs- und Fertigungskapazitäten". Auch hier sei eine Zusammenlegung erforderlich; die Überlegung von Junghans und Honeywell ein gemeinsames "Zünder-Zentrum" zu betreiben, wird begrüßt (ebd.). Drei Strategien stehen der Industrie offen. Zum einen kann sie auf nationaler Ebene den erforderlichen Kapazitätsabbau durch Einleitung eines Konzentrationsprozesses bewerkstelligen. Zum zweiten kann die betroffene Industrie auf deutlich verstärkte Exporte setzen. Dabei aber trifft sie auf die Tatsache, daß in weit mehr als vierzig Ländern Minen hergestellt werden können und oftmals die deutschen Hochtechnologieminen entweder am derzeitigen Bedarf vorbeigehen oder schlicht zu teuer sind. Zum dritten können die einzelnen Firmen den Versuch machen, ihre innerdeutsche Wettbewerbsposition dadurch zu verbessern bzw. zu erhalten, daß sie sich verstärkt in europäischer Zusammenarbeit um die Ausschreibungen europäischer Kooperationsvorhaben bemühen. Letztere Strategie setzt darauf, daß auf europäischer Ebene die deutschen Firmen technologische Vorteile besitzen und sich deshalb hochwertige Arbeitspakete sichern können. Sie setzt zudem darauf, daß europäischen Kooperationsvorhaben aufgrund knapper Staatsrecourcen künftig eine größere Bedeutung zukommt. Ein Kapazitätsabbau läßt sich aber auch auf diesem Wege nicht vermeiden - im günstigsten Fall kann er auf technologisch weniger interessante Bereiche begrenzt werden. Knappe Mittel haben bereits zu etlichen Kooperationsprojekten geführt - gerade im Bereich der relativ teuren "intelligenten Minen" ist mit einer Verstärkung dieses Trends zu rechnen. Das Vorhaben ARGES/PARM-2 mag als Beispiel dienen. Auf NATO-Ebene ausgeschrieben, bewarben sich vier französich geführte Konsortien mit jeweils deutscher Beteiligung. Ein Grund für die französichen "Führung" könnte hierbei sowohl die weniger restriktive französiche Rüstungsexport-Exportkontrolle sein als auch die mögliche Absicht Frankreichs, diese Mine in größerer Stückzahl zu beschaffen als die Bundeswehr. Die geplante Flächenverteidigungsmine kommt ebenfalls für ein solches Kooperationsvorhaben in Betracht - neben dem deutschen Konzeptwettbewerb fand ein solcher auf NATO-Ebene statt. Zudem soll die Waffe mit dem Werfer MARS verlegt werden, der in vielen NATO-Staaten im Einsatz ist und somit auch zu einer Standardisierung im Muntionsbereich Anlaß geben könnte. Mit der Vergabe des Definitionsauftrages für die Flächenverteidigungsmine MARS wird sich zeigen, welchen Weg das Bundesverteidigungsministerium vorläufig geht. Die Hoffnung der deutschen Minenproduzenten durch internationale Kooperation und Konzentration auf Hochtechnologie die Zeiten knapper Bundeswehrhaushalte "überwintern" zu können, so daß vielleicht doch mehr als nur eine der heute im Minensektor aktiven Firmen auch weiterhin im Geschäft bleibt, kommt nicht ganz überraschend. Alle bekannten deutschen Minenproduzenten halten eine Vielzahl von Patenten im Minenbereich und teilen die Auffassung der Bundesregierung hinsichtlich der technologischen Spitzenposition der deutschen Industrie. Die Vielzahl der in den vergangenen Jahren zur Anmeldung eingereichten Patente für Landminen läßt auf eine rege auch firmenfinanzierte Forschungs- und Entwicklungstätigkeit schließen, wobei ein Schwerpunkt offensichtlich im Bereich der Panzerminen liegt, ein anderer im Bereich von Sensoren und modernsten Zündern.
Die Verteilung der Patente auf die verschiedene Firmen zeigt das anliegende Schaubild. Die deutschen Minenhersteller können die Vielzahl ihrer Patente in zwei Richtungen als Stärke betrachten: Zum einen ist die Verteilung mit Patenten gesicherter Erfindungen von unmittelbarer Wettbewerbsrelevanz. Die anmeldenden Firmen sichern sich Exklusivrechte. Patente lassen Aussagen über Wettbewerbspositionen auf einem in der Zukunft wahrscheinlich liberalisierten europäischen Rüstungsmarkt zu. Sie stärken die Position der deutschen Minenhersteller auf dem internationalen Markt. Zum anderen sichern gerade die Patente der jüngeren Vergangenheit den deutschen Minenherstellern vor allem Rechte für Minen und Zündertechnologien, die nach dem Willen der meisten Industrieländer keinesfalls von der gegenwärtigen Debatte über eine Ächtung von Landminen erfaßt werden sollen. Dieser Umstand wirft gerade ein verräterisches Licht auf die Positionen der westlichen Industriestaaten, die die Welt der Minen gern in eine "Gute" und eine "Böse" einteilen möchten. Denn, während Landminen älteren, einfacheren Typs mittlerweile vermehrt auch in Dritte Weltländern (nach)gebaut werden, ist vornehmlich in westlichen Industrieländern, eben auch in der Bundesrepublik, längst eine moderne, "gute" 3. Generation von Landminen entwickelt und patentiert worden, die mit bislang großem Erfolg aus den Verbotsdiskussionen herausgehalten werden konnte. Die Minenindustrie der Bundesrepublik würde durch ein Verbot einfacher, älterer Landminentypen nicht getroffen. Sie könnte sogar auf eine Stärkung ihrer Stellung auf dem Weltmarkt hoffen, da manch andere Produzenten nicht über diese oder ähnliche Patente verfügen und sich solchen erst kaufen müssten. Beherrschende Positionen für die modernen Minen auf den Märkten der Zukunft wären so gesichert - auch für die deutsche Minenhersteller.
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