Deutsche Landminen - Eine Bestandsaufnahme Otfried Nassauer und Thomas Küchenmeister
Fünf Firmen und deren Töchter oder Beteiligungsgesellschaften können für den Zeitraum seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland als Minenproduzenten im engeren Sinne identifiziert werden. Sie haben auch den Großteil der Minenentwicklungsarbeiten getätigt:
Hinzu kommen wahrscheinlich die Mauser-Werke, Oberndorf, die aber zu jeder Zeit Tochterunternehmen einer der genannten Firmen waren. Die gesamte Minenausstattung der Bundeswehr von 1956 bis zur Gegenwart entstammt, soweit aus deutscher Entwicklung oder Produktion, diesen fünf Firmen. Es lohnt deshalb, diese Firmen und ihren Anteil an der Minenproduktion ein wenig genauer zu betrachten.
Die Dynamit Nobel AG, Troisdorf Die Dynamit Nobel AG macht ihrem traditionsgeladenen Namen noch immer alle Ehre. Sie ist weiterhin Deutschlands größter Sprengstoff- und Munitionsproduzent und zugleich ein weltweit operierender Konzern mit Filialen und Beteiligungen in vielen Ländern. Während in der deutschen Aktiengesellschaft im vergangenen Jahr 5.424 Mitarbeiter für die Firma arbeiteten, beschäftigte der Konzern weltweit 10.673 Mitarbeiter. Diese erwirtschafteten 1993 einen Konzernumsatz von weltweit 2,5 Mrd. DM und einen Inlandsumsatz der Aktiengesellschaft von 1,2 Mrd. DM. Dies geschieht in verschiedenen Produktbereichen. Die Dynamit Nobel-AG betätigt sich in den Bereichen Wehrtechnik, Munition und Sprengstoffe, Kunststoffe und chemische Erzeugnisse sowie im Maschinen- und Anlagenbau. Zu den wehrtechnischen Produkten aus dem Hause Nobel gehören vor allem Sprengstoffe, Übungsmunition, Munition, Raketen für Mehrfachraketenwerfer und Landminen. Die Firma tritt gelegentlich, so bei Minenverlegetechnik, auch als Systemfirma in Erscheinung. Nach Firmenangaben hat der Bereich Wehrtechnik lediglich einen Anteil von 16 % am Konzernumsatz (Dynamit Nobel, 1994). Die Dynamit Nobel AG gehört - seit dem Auseinanderbrechen des Flickkonzerns - kontinuierlich mit Mehrheit oder vollständig der Metallgesellschaft AG, Frankfurt. Auch als diese 1993/94 in eine schwere Krise geriet, gehörte Dynamit Nobel zu jenen Teilen der Metallgesellschaft, die "nicht zur Disposition" standen (Frankfurter Rundschau, 21.1.1994). Eine zeitweilige Beteiligung der Deutschen Bank und der Dresdner Bank von zusammen knapp 30% des Aktienkapitals wird derzeit an die Metallgesellschaft zurückveräußert (Frankfurter Rundschau, 6.7.1995). Die Konzernaktivitäten der Dynamit Nobel AG im Landminenbereich hatten in den späten fünfziger und sechziger Jahren ihren Schwerpunkt in Liebenau, Niedersachsen. Später, das Liebenauer Werk wurde von Dynamit Nobel zunächst teilweise, dann ganz an den holländischen Munitionshersteller Eurometaal (an dem Dynamit Nobel zu einem Drittel beteiligt ist) abgetreten und schließlich ganz aufgegeben, wurde die Entwicklung und Fertigung von Minen bis zum nächsten großen Minenauftrag, der AT-2-Mine, in das Stammwerk nach Troisdorf bzw. in das Werk Burbach-Würgendorf (an der Betreibergesellschaft EURODYN hält Dynamit Nobel 70%) verlagert. Minenproduktion bei Dynamit Nobel "Dynamit Nobel - Bei Minen die erste Adresse", lautete der Werbeslogan der Troisdorfer Firma in der Zeitschrift "Wehrtechnik" im Juni 1992. Und in der Tat - mit Minen aus der Produktion und Entwicklung dieser Firma ist die Bundeswehr seit ihrer Frühzeit ausgestattet. Allein Dynamit Nobel hat der Bundeswehr nach konservativer Schätzung mehr als 3,2 Mio. Minen geliefert und war an einer Vielzahl von Minenprojekten der Bundeswehr beteiligt:
Die hohe Bedeutung der Minentechnik für den Konzern kommt nicht nur in der Vielzahl von Projekten zum Ausdruck, sondern auch in der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit. Zum einen finanziert der Konzern einen Teil seiner Minenentwicklungen selbst. Und zum anderen stellen die gemeldeten Patente aus dem Bereich Landminen 50% aller Patente des Bereiches Wehr- und Industrietechnik dar, die die Firma meldet (Dynamit Nobel, 1994). Im Bereich der Minenverlegetechnik wurde Dynamit Nobel im Zusammenhang mit der Entwicklung der AT-1 und AT-2 Minen zusätzlich tätig. Die Firma
Ein Dynamit Nobel-Unternehmen - Die Verwertchemie Liebenau Bereits 1957 nahm Dynamit Nobel die Arbeit in Liebenau wieder auf. Das von der Gesellschaft zur Verwertung chemischer Erzeugnisse Liebenau betriebene Werk dient rein militärischer Produktion. Die Initiative dazu ging im wesentlichen "auf die Herren der alten Verwertchemie"(s.u.) zurück. Zu Beginn der sechziger Jahre war das Dynamit Nobel Werk in Liebenau bereits wieder die größte "Pulverfabrik" Deutschlands (o.Verf. 1977, S.65-66); danach allerdings "kam es zu einem drastischen Rückgang der Produktion" (Perdelwitz, 1984; S.181). Dieser Rückgang, unter anderem verursacht durch das Auslaufen des Großauftrages für die Panzermine DM-11, führte zu einem drastischen Arbeitsplatzabbau: Von 2.500 Mitarbeitern 1962 in Liebenau waren nach Firmenangaben 1974 noch 500 verblieben (Wehrdienst 118/1967 und 492/1974). 1962 besaß die "Gesellschaft mit beschränkter Haftung zur Verwertung chemischer Erzeugnisse, Liebnau" ein Stammkapital von 12,5 Mio. DM, das 1966 auf 18 Mio. DM erhöht wurde. An der GmbH hält Dynamit Nobel durchgängig eine Mehrheitsbeteiligung (Dynamit Nobel, 1975; Wehrdienst 118/1967). In Liebenau führt Dynamit Nobel zunächst auch die Arbeiten an den Minenraketen für LARS durch. Vermutlich im Jahre 1977 und im Zusammenhang mit der Vergabe der Fertigung für die Minenrakete LARS-AT-1 an Diehl stellt Dynamit Nobel die eigene Produktion in Liebenau ein und verlagert die dortigen Aufgaben in andere Werke (Wehrdienst 594/1977). Das Werk in Liebenau wurde zunächst teilweise, später ganz von der holländischen Firma Eurometaal genutzt, an der Dynamit Nobel schon damals eine Beteiligung von 33 % hält (Wehrdienst 566/1977) und die selber in Holland zumindest als Anbieter von Landminen auftritt (Bertens, 1995, S.16), u.a. für die Produktion von Artilleriegranaten. 1988 wird zwischen der GmbH zur Verwertung chemischer Erzeugnisse und Dynamit Nobel ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen. 1990 wird die Gesellschaft, deren Sitz bereits nach Troisdorf verlegt ist, mit der Dynamit Nobel AG verschmolzen, so der Handelsregisterauszug. Eurometaal schließt seine Pforten in Liebenau Anfang 1995. Die Verwertchemie - Ein Blick zurück Traditionsreich ist vor allem auch die Arbeitsteilung zwischen Staat und Rüstungsfirma, nach der in Liebenau Munitionsherstellung betrieben wird. Grund und Boden sind Staatseigentum und werden von der Industrieverwaltungsgesellschaft, IVG, für den Bund gehalten; das Firmengelände wird der Firma zur Bewirtschaftung gegen einen Obulus zur Verfügung gestellt. Dies entspricht der Struktur während des Dritten Reiches. Die IVG ist nach dem ZweitenWeltkrieg als Nachfolgegesellschaft der Verwertungsgesellschaft der Verwertungsgesellschaft für Montan-Industrie entstanden. Die Verwertchemie bestand bereits zu Zeiten des Dritten Reiches. Als die Wehrmacht nach der Machtübernahme Hitlers und in Vorbereitung des zweiten Weltkrieges größere Produktionskapazitäten für Munition errichten wollte als das damalige zur IG-Farben gehörige Sprengstoffkartell Dynamit AG/WASAG in eigenem unternehmerischem Risiko aufzubauen bereit war, gründeten die Dynamit AG und WASAG 1934 zunächst gemeinsam die Deutsche Sprengchemie GmbH, die dann im Auftrag und mit Geld der reichseigenen Verwertungsgesellschaft für Montan-Industrie mbH, neue Sprengstoff- und Munitionswerke auf staatlichem Grund und Boden errichtete und nach Fertigstellung gegen einen Obulus an den Staat betrieb (Fischer, 1966, S.106). Später wurde die Deutsche Sprengchemie eine alleinige Tochter der WASAG, die Dynamit AG verfügte mit der Gesellschaft zur Verwertung chemischer Erzeugnisse mbH, kurz Verwertchemie, über eine eigene Tochter mit gleicher Aufgabenstellung. Diese betrieb über 30 solcher Werke, darunter Einrichtungen in Liebenau, Empelde und in Stadtallendorf. Der Kriegsbetrieb in diesen Werken wurde nach Angaben eines Dynamit Nobel Vorstandsmitgliedes "in der Spitze mit 100.000 Menschen" ausfrechterhalten (o.Verf., 1977 S.65), darunter zehntausende Kriegsgefangene, Häftlinge, KZ-Insassen, also Zwangsarbeiter und Zwangaarbeiterinnen, die oft unter menschenunwürdigen Bedingungen leben mußten. Das Werk Liebenau, die Anlage Karl, wurde 1939 in Betrieb genommen und war eine der größten Munitionsanlagen des Dritten Reiches. In den siebziger Jahren lehnte Dynamit Nobel die Zahlung von Entschädigungen an diese Arbeiter ab (vgl. Klewitz, 1986).
Das Familienunternehmen Diehl mit Hauptsitz in Nürnberg/Röthenbach gehört zu den Großen und Stillen im Rüstungsgeschäft. Das 1902 gegründete Unternehmen wurde zunächst als Kunstgießerei gegründet, wurde aber bald ein Rüstungsbetrieb. 1980 bezeichnete die FAZ Diehl als "Deutschlands diskretesten Milliardenkonzern" (FAZ, 2.8.1980). Seit vielen Jahren ist die Firma Diehl eines der größten Rüstungsunternehmen in Familienhand. Die Diehl-Gruppe hatte 1993 14.076 Beschäftigte, die einen Umsatz von etwas mehr als 3 Mrd. DM erwirtschafteten. Zu den Unternehmen dieser Gruppe gehören viele wehrtechnische Unternehmen. Die Comet GmbH Pyrotechnik-Apparatebau in Bremerhaven gehört seit 1979 zu Diehl und stellt u.a. Minenräumsysteme her, mit der Junghans Feinwerktechnik verfügt Diehl über eine firmeneigenen Zünderhersteller, mit der Bodenseewerk Gerätetechnik über eine Firma die Raketen und Zielsuchköpfe herstellt, mit der Flensburger Fahrzeugbau über einen militärischen Wartungsbetrieb. Von 1979 bis 1995 gehören auch Mauser-Werke, Oberndorf, als Hersteller von Pistolen, Gewehren und Kanonen zu Diehl. Mit den Mauser-Werken übernahm Diehl zudem die Munitions- und Minenentwicklung der Industriewerke Karlsruhe Augsburg. Die eigenen Zweigwerke erweitern die Produktpalette. Die Diehl-Gruppe produziert unter anderem Ketten für gepanzerte Fahrzeuge, konventionelle Munition, pyrotechnische Produkte, Submunitionen, Minen und Handgranaten, Lenkraketensysteme und Simulatoren. Über eine Vielzahl von Beteiligungen kann Diehl wie Dynamit Nobel bei seinen Rüstungsprodukten auf umfangreiche konzerninterne Zulieferungen rechnen und somit eine große Fertigungstiefe in der eigenen Firmengruppe erreichen. Rüstungstechnisch engagierte Auslandsbeteiligungen ergänzen die Fähigkeiten und erlauben die Tätigkeit auch auf dem internationalen Markt. Die eigentliche Munitionsherstellung findet in den firmeneigenen Werken Mariahütte und Röthenbach sowie in Schramberg statt. Das Sprengstofflaborierwerk Mariahütte war gegen Ende der achtziger Jahre eines der modernsten in Europa. Von großer Bedeutung war im Hinblick auf die Fertigung von Landminenverlegesystemen auch jene Allianz, die Diehl mit MBB, heute DASA, in der Raketentechnik GmbH einging, um besser mit Dynamit Nobel konkurrieren zu können. An der Europäischen Produktionsgesellschaft für den Raketenwerfer MARS ist die Diehl mit 60% beteiligt. Auf beide Systemfirmen wird gesondert eingegangen.
Die Minenproduktion bei Diehl Auch Diehl ist ein Minenproduzent der frühen Stunde. Mehr als 3,2 Mio. Minen wurden von Diehl an die Bundeswehr ausgeliefert. Zu den Minenprojekten der Firma Diehl gehören
Wahrscheinlich ist, daß Diehl - über die Mauser-Werke - auch an der eingestellten Entwicklung der Anti-Personenmine DM-41 / Weiterentwicklung DM-31 AP beteiligt war. Der Verkauf von Mauser an Diehl 1979 umfaßte auch die Entwicklungsabteilung Munition der IWKA, die 1970 zu Mauser verlegt worden war. Damit befand sich das technologische Know-How für die Mine DM-31 AP nunmehr in den Händen von Diehl. An Minenverlegesystemen ist Diehl in der Form von vielen Zulieferungen beteiligt.
Im Unterschied zur Dynamit Nobel AG hat die Firma Diehl selten Minen produziert, die sie selbst zuvor entwickelt hatte. Die Schützenmine DM-11 ist eine Entwicklung der schwedischen Firma LIAB, die heute zu dem schwedischen Rüstungskonzern Celsius Industrier AB gehört. Die Panzerabwehrmine DM-21 wurde von den Mauser-Werken entwickelt, als diese noch im Besitz der Industriewerke Karlsruhe waren. Kurz vor Beginn der Beschaffung dieser Minen durch die Bundeswehr übernahm Diehl die Mauser-Werke und damit die Munitionsentwicklung der IWKA (s.u.). Dynamit Nobel war lange Zeit für Diehl der wichtigste Zulieferer. Offensichtlich ist der Bereich der Minen-Entwicklung bei Diehl deutlich schwächer ausgeprägt als bei Dynamit Nobel. Lediglich die Panzerabwehrmine AT-1 wurde von Diehl auch entwickelt, bevor die Firma den Produktionsauftrag bekam. Etliche Projekte, an denen die Firma z.T. bis in die jüngste Zeit beteiligt war, wurden letztlich eingestellt, ohne in Produktion zu gehen. Mit dem Verkauf der Mehrheit an den Mauser-Werken, in die 1970 die Munitionsentwicklung der Industriewerke Karlsruhe integriert worden war, an den Konkurrenten Rheinmetall kann die Nebenwirkung verbunden sein, daß die Diehl-Gruppe im Bereich der Minenentwicklung weiter zurückfällt.
Die Industriewerke Karlsruhe-Augsburg AG - IWKA Auch die IWKA ist ein Rüstungsbetrieb mit sehr langer Tradition. Sie haben ihren Sitz in Karlsruhe. Der Konzern ist heute in den Bereichen Verpackungsmaschinen, Stahlverarbeitung, Schweiß- und Schneideanlagen sowie in der Meßtechnik und weiteren Feldern des Maschinenbaus aktiv. Mit 8.087 Mitarbeitern wurde 1993 ein Umsatz von 1,69 Mrd. DM erzielt. Die Aktien der IWKA befinden sich im Streubesitz. Die wehrtechnischen Kapazitäten der Industriewerke Karlsruhe sind heute in der Augsburger KUKA Wehrtechnik GmbH, einer 100%igen Tochter, zusammengefaßt. Diese Firma liefert Munition, Kleinwaffen und agiert in der Bereitstellung von Waffenintegrations- und Wartungsleistungen für die Bundeswehr. Als Produzent oder Lieferant von Landminen tritt die IWKA heute nicht mehr in Erscheinung. Als solcher hat sie aber in der Vergangenheit eine nicht unwesentliche Rolle gespielt.
Die Minen der Industriewerke Karlsruhe Von den Industriewerken Karlsruhe, so hieß die Firma bis zur Übernahme der Firma Keller & Knappich, Augsburg (KUKA) im Jahre 1970, stammen die ersten Minen der Bundeswehr, die aus bundesdeutscher Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg wieder produziert wurden. Die Munitionsentwicklung und vermutlich auch die Fertigung der IWK war zunächst in der Produktionsstätte Grötzingen bei Karlsruhe angesiedelt. Später, 1970, wurde die Munitionsentwicklung zu den bis 1979 ebenfalls zur IWKA gehörenden Mauser-Werken nach Schramberg-Sulgen bei Oberndorf verlegt (Schwarzwälder Bote, 1987). Der Standort Grötzingen wurde 1973 stillgelegt. Auf dem Gelände wurde später eine Wohnsiedlung gebaut; in den neunziger Jahren wurde dieses Gelände als dringend zu untersuchende Altlastenverdachtsfläche eingestuft (Rat der Stadt Karlsruhe, 1993). Die Tätigkeiten der IWK in der Entwicklung und Produktion von Landminen:
Ein Engagement der IWKA im Bereich der Minenverlegetechnik ist nicht bekannt. Bis 1979 gehörte aber auch die Firma Comet Pyrotechnik in Bremerhaven, ein Hersteller von Minenräumtechnik zur IWKA. Gegenwärtig sind die Industriewerke Karlsruhe Augsburg ziemlich sicher nicht mehr im Bereich der Landminentechnologie tätig.
Ein Blick zurück - Zur Geschichte der IWKA Auch die IWKA hat ihren Ursprung in der Rüstungstechnik. Die Geschichte des Unternehmens reicht bis in das Kaiserreich zurück. Hervorgegangen ist die IWKA AG unter anderem aus der 1872 gegründeten Patronenhülsenfabrik Henri Ehrmann & Cie, die 1889 in Deutsche Metallpatronenfabrik und 1896 in Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken umbenannt wurde und als wichtiger Lieferant der Deutschen Reichswehr im ersten Weltkrieg Bekanntheit erlangte (Perdelwitz, 1984, S.185). Nach einem Zwischenspiel als Berlin Karlsruher Industrie-Werke AG ab 1922 schien 1936 die Zeit gekommen, wieder als Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG zu firmieren. Die Firma gehörte damals übrigens zum Imperium Günter Quandts, der zum fünfzigjährigen Bestehen der Firma an Hitler schrieb: "Es erfüllt uns mit Dankbarkeit und freudigem Stolz, daß die gesamte Gefolgschaft (...) ihre ganze Kraft daran setzte (...), die Tradition des Unternehmens wiederherzustellen. Daß diese Bemühungen zum Erfolge führten (...), verdanken wir aber allein der Initiative unseres Führers, der mit unbeugsamem Willen die Wiederertüchtigung und Wehrhaftmachung des deutschen Volkes durchführte" (zit. bei Perdelwitz, 1985, S.185). So blieb es bis zum Ende des ZweitenWeltkrieges. Die Firma verlegte ihren Hauptsitz von Berlin nach Karlsruhe und firmierte nach dem ZweitenWeltkrieg begrifflich wieder zivilisiert als Industriewerke Karlsruhe AG.
Mit ihrer wechselvollen Geschichte und ihrer nicht ganz klar abzugrenzenden Rolle in der Minenentwicklung und -produktion stellen die Mauser Werke, Oberndorf, ein Problem dar. Die Mauser-Werke Oberndorf entstammen dem Erbe der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken und gehören somit nach dem ZweitenWeltkrieg zunächst zu den Industriewerken Karlsruhe. 1979 werden sie an die Firma Diehl verkauft. Diese will 1995 60% der Aktien an Rheinmetall verkaufen. Mauser, ein traditionsreicher Hersteller von Gewehren, Pistolen und Maschinenkanonen, wurde in der Öffentlichkeit bislang kaum mit der Entwicklung oder Produktion von Landminen in Verbindung gebracht. Auch im Rahmen dieser Studie kam die Firma erst sehr spät ins Blickfeld. Mehrere Hinweise machen aber weitere, künftige Nachforschungen erforderlich: Der Unternehmensleiter Wehrtechnik der Industriewerke Karlsruhe, Helmut Eppe sagt in einem Interview aus dem Jahre 1977: "In Oberndorf entwickeln wir weiterhin Minen. Abgeschlossen ist die Entwicklung der Panzermine DT-21, die in diesem Jahr noch zur Ausschreibung kommen soll." (o.Verf., 1977, S.83). Helmut Eppe war lange Jahre leitend bei Mauser tätig; die Mauser-Werke sind nach Kenntnis der Autoren der einzige wehrtechnische Betrieb der IWK in Oberndorf gewesen. 1970 war der IWK-Entwicklungsabteilung Munition zu Mauser nach Schramberg-Sulgen bei Oberndorf verlegt worden (Schwarzwälder Bote, 1987). Die Panzermine DT-21 wurde - nach Konstruktionsänderungen - ab 1980 als DM-21 von der Bundeswehr beschafft. Als Hersteller wird die Firma Diehl genannt, die die Mauser-Werke kurz vor Produktionsbeginn im Jahre 1979 übernommen hat. Es kann darüber hinaus nicht ausgeschlossen werden, daß die Mauser-Werke der IWK auch an der Entwicklung der Anti-Personenmine DM-31 beteiligt waren und es ist kaum vorstellbar, daß deren Weiterentwicklung zur DM-41 ohne das bei Mauser befindliche Know-How zur DM-31 möglich war. Das amerikanische Verteidigungsministerium berichtet in seiner jüngst veröffentlichten Datenbank "Minefacts", daß die Mauser-Werke ein Springmine mit tödlicher Wirkung auf 30 Meter Entfernung entwickelt und hergestellt haben, die über ein 400 Meter langes Kabel elektrisch aus sicherer Deckung gezündet werden kann (US-Department of Defense, 1995, Datensatz "Remote-Controlled Antipersonel"). Die technischen Daten dieser Springmine ähneln, soweit dem Pentagon bekannt, verblüffend denen der DM-31. Die Ende der achtziger Jahre in Entwicklung befindliche Kampfwertsteigerung der DM-31 zur DM-41 sah im Kern vor, die vorhandene Mine DM-31 mit einem elektronischen Zünder nachzurüsten. Der Hauptauftragnehmer für dieses Vorhaben war Honeywell, zu den Unterauftragnehmern gehörte u.a. Diehl (Heckmann, 1990, S.47, Wehrdienst 1180/1988). Sinnvoll würde die Beteiligung von Diehl vor allem dann erscheinen, wenn die Technologie der DM-31 in der Tat über die Mauser-Werke in das Vorhaben eingebracht worden wäre. Weitere Recherchen über die Rolle der Mauser-Werke sind damit sinnvoll. Zudem wird es zu beobachten sein, ob der Verkauf von Mauser an Rheinmetall zu einem erweiterten Engagement dieser Firma im Bereich Landminen führt.
Die Rheinmetall-Industrie GmbH In der Rheinmetall-Industrie GmbH sind die Rüstungsaktivitäten der Rheinmetall-AG Berlin gebündelt, die mehrheitlich der Familie Röchling gehört. Der Konzern beschäftigte 1993 15.523 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Umsatz von 3,1 Mrd. DM in den Geschäftsbereichen Maschinenbau (Jagenberg AG), Automobiltechnik (Pierburg), Bürosysteme (Mauser-Waldeck AG) und Wehrtechnik. Die Rheinmetall-Industrie GmbH bietet in der Wehrtechnik vor allem Rohrwaffen, Kettenfahrzeuge, Waffen- und Turmanlagen sowie Gefechts- und Übungsmunition an. Mit dem Kauf von 60% der Mauser-Werke, Oberndorf, im Jahre 1995 kann Rheinmetall seine Vormachtstellung im Bereich der Rohrwaffen vermutlich deutlich stärken. Dem Konzern gehören bereits mehrheitlich eine Reihe weiterer Unternehmen, die seine in Konkurrenz zu Diehl stehenden Bemühungen um den Aufbau eines Verbundes der Hersteller von Heeresrüstung abstützen. Dazu gehört die WNC-Nitrochemie, der Bundesrepublik einziger Hersteller von Treibladungspulver, die MaK-System Gesellschaft, Kiel (Minenräumpanzer Keiler, Leopard), die Nico-Pyrotechnik in Trittau bei Hamburg (u.a. Übungsminen), die Pyrotechnik Silberhütte, die TZN Beteiligungsgesellschaft, Düsseldorf und der niederländische Munitionshersteller De Kruithoorn. Die Rüstungs- und Munitionsfertigung innerhalb der Rheinmetall Industrie-GmbH ist im Werk Unterlüß bei Celle konzentriert. 1991 wurde die Produktion aus Düsseldorf ganz nach Niedersachsen verlegt, wo Rheinmetall seit langem über eine Produktionsstätte verfügte. Die dortigen Bedingungen sind für Rheinmetall ideal: Zum einen verfügt das Unternehmen dort über einen eigenen Schießplatz von 50 Quadratkilometern Größe. Zum anderen ist Rheinmetall in Unterlüß auch zu 40,1% an einer einmaligen Einrichtung beteiligt - dem Technologie-Zentrum Nord, TZN. Weitere Anteile an diesem 1986 auf Betreiben von Rheinmetall und der damaligen niedersächsischen Wirtschaftsministerin Birgit Breuel eingerichteten Zentrum halten mit 24,9% die Braunschweig GmbH (eine Tochter der Norddeutschen Landesbank) und mit 35% der gemeinnützige TZN-Förderverein. Das Land Niedersachsen investierte 65 Mio. DM in das TZN und stellte erhebliche Mittel als Betriebskostenzuschuß über fünf Jahre bereit. Das TZN führt in wesentlichem Umfang wehrtechnische Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für Rheinmetall aus (Golibrzuch, 1992, S.11-13). Minentechnik bei Rheinmetall Die bekannt gewordenen Aktivitäten der Firma Rheinmetall im Minenbereich sind eher jüngerer Natur. Erst mit Überlegungen, eine Artilleriegranate mit Minensubmunition zu entwickeln und mit der Submunitionsfertigung für die Mehrzweckwaffe 1 des Tornado eröffnet sich Rheinmetall ab 1983 diesen Bereich der Munitionsfertigung. Die Rheinmetall-Aktivitäten im Bereich Landminen:
Künftig wird der Rheinmetall Industrie GmbH für Landminensysteme voraussichtlich eine wachsende Rolle zukommen. Mit der zunehmenden Bedeutung von Submunitionen, die vielfach Minen sind, entwickeln sich die technologischen Trends in der Minentechnologie in eine Richtung, die besser mit den traditionellen Stärken des Unternehmens harmoniert. Die geplante Integration der MW-1 Submunitionen MUSA und MUSPA in den Abstandsflugkörper MAW-Apache kann für Rheinmetall bereits einen nächsten Auftrag in diesem Bereich bedeuten. Auch in den von der DASA für Schweden entwickelten Submunitionsdispenser DWS-39 passen diese Submunitionen.
Auch Deutschlands renommiertester Autohersteller ist in der Minenherstellung tätig. Durch den Erwerb von Messerschmidt-Bölkow-Blohm, heute Teil der Daimler Benz Aerospace, ist Daimler Benz selbst zum unstrittig größten Rüstungskonzern in Deutschland geworden. Die durch den Konzern angebotene Palette der Rüstungsgüter enthält alles, was modern und teuer ist. Von Kampfflugzeugen (Tornado und Jagdflugzeug 2000) über die Flugzeug-, Schiffs- und Panzerantriebe der MTU bis hin zu Panzerabwehrraketen und Minen haben DASA und Daimler-Benz-Konzern Rüstung zu Lande, zu Wasser und in der Luft im Angebot. Die DASA beschäftigte 1994 weltweit 75.581 Mitarbeiter, davon waren im Bereich "Verteidigung und zivile Systeme" 9.970 tätig. Dieser Bereich klammert den militärischen Flugzeug- und Hubschrauberbau aus. Der Konzernumsatz betrug 1994 rund 17,4 Mrd. DM, davon fielen rund 3 Mrd. DM in dem Bereich Verteidigung und zivile Systeme (Wehrtechnik, Heft 6, 1995, S.43). Die rüstungstechnische Produktion außerhalb der Luftfahrt ist Teil des Unternehmensbereiches "Verteidigung und zivile Systeme". In diesem Bereich werden u.a. Systeme zur Panzerabwehr, Luftverteidigung, Boden- und Seezielbekämpfung, Dispenser und Submunitionen, Lichtwellenleiter-Flugkörper (Polyphem) und Gefechtsköpfe hergestellt oder entwickelt (Die Grünen im Bayerischen Landtag, 1992, S.3-6). Zu diesem Bereich gehört auch das ehemalige MBB-Werk Schrobenhausen. Hier sind zur Zeit noch die Fertigung von Minen, Zündern und Gefechtsköpfen angesiedelt. Landminentechnologie aus dem Hause Daimler Daß MBB-Schrobenhausen als Minenproduzent für die Bundeswehr erst in den achtziger Jahren öffentlich in Erscheinung tritt, bedeutet nicht, daß die Firma auf diesem Feld nicht zuvor schon intensiv tätig war. Bereits am 3. Oktober 1962 wurde von MBB bei zwei Tests die Wirksamkeit sogenannter Fernminen nachgewiesen. Dabei handelte es sich um ein sprenggeformtes Projektil, besser bekannt als projektilbildende Ladung, die von der Seite auf einen vorüberfahrenden Panzer abgeschossen wird (Held, 1986, S.249). 1968 wurden einer Delegation des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages u.a. Panzerabwehrminen und Fernminen vorgeführt (Wehrdienst 16.4.1968, Beilage). Bei MBB-Schrobenhausen wurden die folgenden Minen entwickelt bzw. produziert:
In der Minenverlegetechnik engagierte sich die DASA ebenfalls.
Eine Vielzahl weiterer Zulieferungen für Landminenverlegesysteme werden von anderen Betrieben aus der DASA wahrgenommen. Die DASA ist aufgrund der Vielzahl ihrer Firmen und Beteiligungen sowie aufgrund ihrer Größe in der Lage, sowohl eine hohe Fertigungstiefe innerhalb des Konzernes als auch jederzeit die Systemfähigkeit für Minen und Minenverlegesysteme zu offerieren. Im Rahmen der Neustrukturierung des Rüstungsbereiches der DASA, zu der die Gründung von etlichen sogenannten Eurogesellschaften mit Partnern vor allem aus Frankreich gehört, wurde das Werk Schrobenhausen 1994 mitsamt der Minenproduktion in ein Joint Venture mit der französischen Firma Thomson CSF eingebracht. Die neue Firma wird unter dem Kürzel TDA, Thomson-CSF Deutsche Aerospace, geführt (TDA, 1995) und soll mit insgesamt rund 1.000 Beschäftigten 420 Mio. DM Umsatz erwirtschaften (FAZ, 7.4.1994, Handelsblatt 7.7.1994, Frankfurter Rundschau, 16.7.94).
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