Deutsche Landminen -Eine Bestandsaufnahme Otfried Nassauer und Thomas Küchenmeister
4.1. Die Kosten der Minenausstattung der Bundeswehr An der Ausstattung der Bundeswehr mit hochwertigen Rüstungsgütern wurde zu keinem Zeitpunkt in der nunmehr fast vierzigjährigen Geschichte bundesdeutscher Streitkräfte gespart. Dies gilt auch für die Beschaffung von Landminen und deren Verlegesysteme. Auf Mark und Pfennig lassen sich die Kosten, die durch Landminen und deren Verlegesysteme in der Vergangenheit entstanden sind, nicht eruieren, dafür sind die öffentlich zugänglichen Daten zu unvollständig und zu wenig vergleichbar. Schwieriger noch: Auch die seitens des Bundesministeriums der Verteidigung veröffentlichten Zahlen lassen oft keine klaren Aussagen zu - sie sind offen widersprüchlich. Daß dies kein Einzelfall ist, zeigt die Gegenüberstellung offizieller Aussagen im Schaubild "BMVg vs. BMVg". Trotzdem: Ausgaben in Höhe von 5-6 Mrd. DM lassen sich für die Forschung, Entwicklung und Beschaffung von Minen und Minenverlegetechnik nachweisen. Die Kosten, die durch die Landminen- und Verlegesystemausstattung der Bundeswehr verursacht werden lassen sich in folgende Kategorien unterteilen
Unter Ausschluß der letzten Kategorie wird die Summe dieser Ausgabenarten manchmal auch als "Lebenswegkosten" einer Waffe bezeichnet.
Für die bei der Bundeswehr bislang beschafften Landminen und Landminenverlegesysteme sind in den Jahren seit Gründung der Bundeswehr Beschaffungsverträge im Wert von fast 5 Mrd. DM abgeschlossen worden. Dies zeigt das anliegende Schaubild. Die hier genannten Summen sind oft deutlich höher als jene, die zum Zeitpunkt der Beschaffungsverträge im Parlament von Verteidigungsausschuß und Haushaltsausschuß diskutiert wurden. Die Preissteigerungen bei Waffen - da machen Landminen keine Ausnahme - sind oft höher als die Inflationsrate. Häufig werden deshalb die Beschaffungszahlen nach unten korrigiert oder höhere Ausgaben ohne erneute parlamentarische Beratung getätigt. Einige wenige Beispiele mögen dies illustrieren:
Die Forschungs- und Entwicklungskosten Deutlich schwieriger als für die Beschaffung sind die Kosten für Forschung und Entwicklung im Bereich Landminen und Landminenverlegetechnik zu ermitteln. Dies hat verschiedene Ursachen. Zum einen ist aus den öffentlich zugänglichen Daten für die Vergangenheit nicht zu erschließen, welche Mittel im Rahmen der Grundlagenforschung und der Studienarbeiten im Bereich Landminen geflossen sind. Hier gibt es nur vereinzelte Daten mit wenig Aussagekraft. Zum anderen gibt es Vorhaben, die entwickelt, aber nie beschafft wurden. Oft ist auch unklar, ob diese aus dem Bundeshaushalt oder aus Eigenmitteln der Firmen bezahlt wurden. Und schließlich: Bevor eine Landmine oder ein Landminenverlegesystem in die Beschaffung geht, durchläuft es verschiedene Phasen, in denen Mittel erforderlich sind: die Definitionsphase, die Entwicklung und die Serienvorbereitung, in einigen Fällen Integrationskosten in ein Waffen- oder Verlegesystem. Oft liegen nur Angaben zu einzelnen Bereichen dieser Phasen vor. Trotzdem wird man aufgrund der verfügbaren und abgrenzbaren Daten auch in diesen Fällen die Kosten eher zu niedrig als zu hoch einschätzen. Die veröffentlichten Daten geben zumeist den Preis eines Vorhabens zum Zeitpunkt oder im Vorlauf des Abschlusses des jeweiligen Industrievertrages an, machen damit aber keine Aussage darüber, welche Mittel für diesen Vertrag letztlich wirklich geflossen sind. Gerade bei Vorhaben im Rüstungsbereich aber sind hohe Kostensteigerungen - oft jenseits der allgemeinen Inflationsrate - nicht unüblich. Die wirklich und letztendlich gezahlten Beträge lassen sich somit oft nicht feststellen. Trotzdem kann mit gutem Gewissen davon ausgegangen werden, daß die Forschungs- und Entwicklungskosten für Landminen und Landminenverlegesysteme bei der Bundeswehr die Milliardengrenze längst überschritten haben. Für die folgenden Minen- und Minenverlegetechnikvorhaben wurden die Entwicklungskosten vom Bundesverteidigungsministerium aller Wahrscheinlichkeit im Rahmen der Beschaffungsverträge abgegolten:
Entwicklungskosten fielen dagegen für das BMVg im Wesentlichen für die mechanisch und fernverlegbaren Minen und die Minenverlegesysteme an. Diese Kosten sind - auch wenn sie hier aus den oben genannten Gründen keinesfalls vollständig erfaßt werden können - erheblich. Konservativ geschätzt: Mindestens 1 Milliarde DM wurden und werden für die Entwicklung von Landminen und Landminenverlegesystemen gezahlt, wie allein die Beispiele MARS mit AT-2 und Flächenverteidigungsmine sowie MW-1 zeigen.
Auch nachdem eine Mine oder ein Minenverlegesystem beschafft ist, verursacht es noch Kosten. Geld ist erforderlich für Wartung, Munitionsüberwachung oder aber auch für Ein- und Nachrüstung neuer Teile und Komponenten, Kampfwerterhaltung oder Kampfwertsteigerung genannt. Und schließlich müssen veraltete Waffen und Minen entsorgt oder verschrottet werden. Öffentliche Angaben zu den Kosten der Bereiche Wartung und Munitionsüberwachung sind praktisch nicht zu finden. Kosten für Kampfwertsteigerungen werden gelegentlich bekannt; dasselbe gilt für die Entsorgung veralteter Munitionen. Beispielhaft seien einige wenige bekannte Angaben zu diesen Bereichen erwähnt, die eher den Typus der Ausgaben denn deren reale Höhe verdeutlichen sollen:
3.2. Der Minenhaushalt im Verteidigungshaushalt Der Versuch, einfach den Verteidigungshaushalt, den Einzelplan 14, aufzuschlagen, um nachzuschauen, welche Ausgaben die Bundeswehr für Landminen und Landminenverlegetechnik tätigt, ist zum Scheitern verurteilt. Der Betrachter wird keine einzige verständliche Information finden. Die Bundesregierung hat allerdings in der Antwort auf eine Kleine Anfrage für die Jahre von 1990 bis 1997 Zahlen veröffentlicht (Deutscher Bundestag, 1995e), die es erlauben, für diese Jahre einen Überblick über die jährlichen Kosten für Minen und Minenverlegesysteme zu bekommen.
In den Jahren 1990 bis 1994 hat die Bundesregierung 2,138 Mrd. DM für die Beschaffung von Landminen und Landminenverlegetechnik ausgegeben. Dieses hohe Ausgabenniveau - immerhin werden hier binnen nur 5 Jahren 44 % aller in der Geschichte der Bundesrepublik je für die Beschaffung von Landminen und Landminenverlegetechnik ausgegebenen Mittel verauslagt, hat seine Ursache in der gleichzeitigen Beschaffung mehrerer teurer Minenverlegesysteme mitsamt teurer Munition. Die Ausgabenhöhe steht auch für ein hohes Modernisierungstempo im Landminenbereich, das aus nur im Umfang nach unten korrigierten Beschaffungsentscheidungen aus der Endzeit des Kalten Krieges resultiert. Für das laufende Haushaltsjahr sind 228,8 Mio. DM vorgesehen; für die Jahre 1996 und 1997 werden deutlich absinkende Beträge geplant. Das Schaubild "Beschaffungskosten" zeigt die Angaben pro Jahr. Verständlich werden diese Zahlen, wenn man sie mit den konkreten Beschaffungsvorhaben in Verbindung bringt: Die Rundumerneuerung der Ausstattung des Heeres mit fernverlegbaren Panzerabwehrminen und der Luftwaffe mit der Mehrzweckwaffe 1 geht langsam ihrem Ende entgegen. 1992 lief die Beschaffung der Minenmagazine AT-2 für den Minenwerfer Skorpion aus; 1994 wurde die Beschaffung der Mehrzweckwaffe 1 mit den Minenmunitionen MIFF, MUSA und MUSPA beendet. Und im Jahre 1995 werden die letzten AT-2 Raketen für den MARS-Werfer ausgeliefert, so daß 1996 vermutlich lediglich die übliche Vertragsrestabgeltung noch zu erfolgen hat. Damit erklärt sich das deutliche Absinken der Ausgaben in den Jahren 1994 bis 1997. Zugleich steht - vermutlich ab 1995 - die lange verschobene Beschaffung der Panzerabwehrrichtmine 1 (122,1 Mio. DM) neu auf dem Ausgabenplan. Geht man von einer Beschaffungsplanung für PARM 1 aus, die etwa analog zu jener verläuft, die 1990 gebilligt wurde, dann werden sich die Ausgaben für das erste Los von 25.000 Minen auf drei Jahre verteilen.
Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung von Landminen und Landminenverlegesystemen zeigen ein uneinheitliches Bild. Dies ist nicht untypisch für Projekte, die verglichen mit Entwicklungsgroßvorhaben, recht billig sind. Das Schaubild "Forschungs- und Entwicklungsausgaben" gibt die Zahlen für den Zeitraum 1990 bis 1997 wieder. Auch hier hilft zum Verständnis der Blick auf die hinter den Zahlen stehenden, bekannten Projekte. Die Ausgaben für Forschung können keinen konkreten Vorhaben zugerechnet werden, beziehen sich aber auf thematische Gebiete, wie z.B. die Erforschung neuer Zündertechnologien, Munitionswirkung und konzeptionelle Studien, die Untersuchungen für ein Taktisches Minenkampfsystem, ein kleines DAVID-Konzept - darstellen (AA, 1994b, S.7). Die Entwicklungsausgaben dürften sich den bekannten Entwicklungsvorhaben zuordnen lassen. Sie spiegeln das Entwicklungsvorhaben PARM-2 und - vermutlich den schnellen Anstieg der Jahre 1996 und 1997 begründend - das Vorhaben Flächenverteidigungsmine für den MARS-Werfer (AA, 1994b, S.7). Dieses Vorhaben dürfte mit seinen geschätzten Gesamtentwicklungskosten von 288 Mio. DM auch dazu beitragen, daß in den kommenden Jahren weiter von deutlich höheren Entwicklungausgaben auszugehen sein wird. Noch nicht in diesen Zahlen enthalten sein dürfte die erst nach Beantwortung dieser Anfrage erklärte Absicht, dem Bundestag die Entwicklung des Abstandsflugkörpers MAW-Apache mit den MW-1 Submunitionen noch in diesem Jahr zur Entscheidung vorzulegen. Darin spiegelt sich die Annahme, daß das Verteidigungsministerium künftig wieder über mehr finanziellen Handlungsspielraum - auch zur Einplanung neuer Entwicklungs- und Beschaffungsvorhaben - besitzen wird.
Im vergangenen Jahr waren keine Ausgaben für die Entwicklung neuer Schützenabwehrminen geplant (AA, 1994b, S.7). Mit der Entscheidung 33.000 elektrisch zündbare Schützenminen des Typs DM-51/MON-50 aus Beständen der NVA zu übernehmen, sieht die Bundeswehr ihren kurzfristigen Bedarf als gedeckt an. Entscheidungen über die Wiederaufnahme von Entwicklungsarbeiten an neuen Schützenminen oder einen langfristigen Verzicht auf solche Waffen dürften deshalb erst fallen, wenn drei Rahmenbedingungen bekannt sind:
Die Antworten auf diese Fragen werden noch zumindest zwei oder drei Jahre auf sich warten lassen; erst dann ist absehbar, ob der Rundumerneuerung der Panzerminen der Bundeswehr eine ebensolche der Schützenminen folgen wird.
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