BITS Report 95.1
Oktober 1995

Deutsche Landminen -

Eine Bestandsaufnahme

Otfried Nassauer und Thomas Küchenmeister

 

          3.1.   Den Minenkampf revolutionieren?
DAVID
Das Minenverlege- und Räumsystem (MiVRsys)
Einzelvorhaben für das Minenkampfsystem der Zukunft
Die Schützenmine DM 41
Die Kampfwertsteigerung der Panzerabwehrmine DM-31
Eine Kampfwertsteigerung für den LARS Werfer
Ein lufttransportabler Skorpion
Die Mehrzweckwaffe -1 als Waffenfamilie

           3.2.  Ohne Moos nichts los - die evolutionäre Minenplanung heute

Die Panzerabwehrrichtmine 2
Eine Flächenverteidigungsmine für MARS
MAW-Apache mit Minensubmunition
Ein luftverlastbarer Raketenwerfer MARS
Und doch - eine Minenkampfsystem?

 

 

Die Zukunftsplanungen der Bundeswehr für den Minenkampf nach dem Ende des Kalten Krieges lassen sich in zwei Phasen unterteilen. In einer ersten Phase - sie dauerte bis mindestens 1992 - war das vorherrschende Charakteristikum die Kontinuität: Es wurde der Versuch gemacht, von den gegen Ende des Kalten Krieges entwickelten Vorstellungen über eine Rundumerneuerung und hochtechnologische Modernisierung der Minenausstattung der Bundeswehr - konzipiert für das Gefechtsfeld Europa - soviel wie möglich in eine Welt unter neuen politischen Rahmenbedingungen hinüberzuretten und zu realisieren. In den Jahren 1993 und 1994 setzte langsam und zunehmend sichtbar werdend eine zweite Phase ein, die durch eine Anpassung an die finanziellen Realitäten und eine schrittweise Reduzierung der Planungen gekennzeichnet ist.

Das Warum des Übergangs zwischen den beiden Phasen hat viele Facetten:

  • Auf den Zusammenbruch des Warschauer Paktes folgte der Zusammenbruch der Sowjetunion, mithin der Zusammenbruch einer mittelfristig glaubwürdigen Bedrohung durch einen zentraleuropäischen Krieg.

  • Der 2. Golfkrieg und die auf ihn folgende Reorientierung der Bundeswehrplanung von der Landesverteidigung hin zu einer vorrangigen Ausstattung der Krisenreaktionskräfte für Einsätze außerhalb des NATO-Gebietes brachte die Notwendigkeit der planerischen Auseinandersetzung mit neuartigen Konfliktszenarien mit sich.

  • Und sicher am bedeutsamsten: Der enger werdende finanzielle Spielraum der Bundeswehr führte vor allem bei den investiven Mitteln der Bundeswehr - und dazu gehören Forschung, Entwicklung und Beschaffung - zu Einschnitten. Diese gingen naturgemäß vorrangig zu Lasten kleinerer und mittlerer Vorhaben.

Auf die Konzeptionen für den Minenkampf der Zukunft aus beiden Phasen soll im Folgenden kurz eingegangen werden, kennzeichnen und beschreiben sie doch wesentliche Trends der Zukunftsentwicklungen der Minentechnologie.

 

3.1. Den Minenkampf revolutionieren?

DAVID

Zu Beginn der neunziger Jahre plante die Bundeswehr den Minenkampf der Zukunft als technologische Revolution. DAVID, das "Dynamische, Automatisierte Verteidigungssystem mit Interaktiver Führung und Datenverarbeitungsunterstützung", so lautete der Name für diese Planungen.

Das Bundesverteidigungsministerium hatte für dieses Vorhaben im Sommer 1990 ein taktisches Konzept gebilligt und ambitionierte Vorgaben gemacht. Oberst i.G. Alphart von Horn erläuterte in der Zeitschrift "Soldat und Technik" die Absicht, es solle "dabei ein qualitativ neuartiges Hauptwaffensystem" entstehen und fuhr fort: "Das Waffensystem soll deshalb aus gedeckt und versteckt verlegten Elementen bestehen, die fähig sind, autonom und ferngesteuert feindliche gepanzerte Gefechtsfahrzeuge sowie abgesessen angreifende Infanterie und unterstützende Kampfhubschrauber flächendeckend anzugreifen und zu vernichten, mindestens aber zu neutralisieren." (Horn, 1990, S.711). Herkömmliche Sperrsysteme sollen auf diesem Wege "zu aktiven Kampfsystemen weiterentwickelt werden." (Horn, 1990, S.708). Elemente eines solchen Systems seien "Verlegeminen mit fernschaltbaren Zündern", "Richtminen mit autonomen Sensoren und integrierter technischer Intelligenz sowie Fernsteuerung", "Dynamische Minen (z.B. Spring- bzw. Kugelminen)", "Flächensperrminen" mit Suchzünder und Mehrfachsensoren für den Angriff auf gepanzerte Fahrzeuge von oben und von der Seite, "autonome und/oder ferngelenkte Kampfroboter" wie z. B. Panzerabwehrdrohnen panzerbrechenden Ladungen als "fliegendes Minenfeld", Sensoren, die "über 10-40 km Meldungen absetzen können", "Panzerabwehrflugkörper mit Lichtwellenleiterlenkung", Schützenabwehrminen mit verschiedenen Zünder- und Wirkprinzipien zur Sicherung der Minenelemente gegen Räumen von Hand" und schließlich "Hubschrauberabwehrminen"(Horn, S.712f.). All diese Elemente - so sei zu wünschen - müßten zu automatischer Ein- oder Zweiwegkommunikation fähig sein, um Aktivierungs- und Deaktivierungsbefehle erhalten zu können und über eine unterstützende Datenverarbeitung, entsprechend der taktischen Lage und der operativen Notwendigkeiten, gesteuert werden zu können.

Das Minenkampfsystem der Zukunft sollte mechanisch und fernverlegte Minenfelder ermöglichen, die sich selbst gegen Räumung schützen, weil eine Mischung aus leistungsgesteigerten Schützenminen, Panzerabwehrminen, Richtminen und Flächenverteidigungsminen jeden Versuch einer Räumung, ob mit Fahrzeugen oder von Hand, zu einem unmöglichen Unterfangen macht. Ganze Panzerverbände sollten auf einmal von solchen Minenfeldern vernichtet werden, weil eine halbintelligente Steuerung es erlaubt, daß die Minen die ersten Fahrzeuge passieren lassen und erst explodieren, wenn ein Großteil des Verbandes bereits im Minenfeld steckt. Die Minenfelder sollten ein- und abschaltbar sein, um sie mit eigenen Verbänden jederzeit passieren zu können. Computergesteuert und von automatischen Sensoren mit Aufklärungsdaten informiert, sollte die Planung für das Verlegen, Aktivieren und Deaktivieren von Minenfeldern teilautomatisiert werden. Für Datenübertragung und Kommunikation war an drahtlose Funkverbindungen gedacht.

Nein, Alphart von Horn und die Planer in der Industrie beschrieben nicht die ferne Zukunft eines vollautomatisierten Robotergefechtsfeldes im Jahre 2100. Sie konzipierten ein Minenkampfsystem 2000 - so eine andere Benennung, das nach damaliger Planung des Heeres vier Jahre später bereits in die Entwicklung gehen sollte (Kentgens, 1991, S.31). 2,345 Mrd. DM hatte die Bundeswehr für diesen Zweck in ihre Planungen eingestellt (Wehrdienst 1300/1992).

Eine Offerte an die Industrie: Drei Konsortien, Rheinmetall mit Krupp-Atlas Elektronik, Texas Instruments GmbH, SEL und Contraves; Diehl, Dynamit Nobel, ESG, Honeywell und Rohde und Schwarz, sowie die DASA mit TST, Dornier und MBB, machten sich an die Arbeit (Kentgens, 1991, S.31; o. Verf., 1990, S. 69).

Im Januar 1992 wurden der Begriff DAVID und die eingestellten Milliarden aus finanziellen Gründen aus der Planung der Bundeswehr gestrichen.(Wehrdienst Nr. 1300/1992; Wehrdienst 1304/1992). Viele der im Kontext von DAVID verfolgten Modernisierungs- und Einzelvorhaben aber lebten weiter.

 

Das Minenverlege- und Räumsystem (MiVRsys)

Das Minenverlege- und Räumsystem (MiVRsys) bündelt eine Reihe von Einzelprojekten, die - soweit nicht der Minenräumung zuzuordnen - auch für die ersten beiden Umsetzungsphasen von DAVID vorgesehen waren: Minenräumpanzer Keiler, Minenmarkierungs- und Einzäungerät, das leistungsgesteigerte und luftverlastbare Minenwurfsystem Skorpion, das kampfwertgesteigerte Minenverlegesystem 85 (MiVS 85), die Schützenabwehrmine DM-31/41, die Panzerabwehrrichtminen I und II (PARM) sowie die Minenaufklärungsausstattung AAMIS waren die Bestandteile (Wehrdienst, 5.9.1994; Erbe, 1992, S.12). Offensichtlich handelte es sich um eine teilweise Fortführung von DAVID in neuer Verpackung. Nun, so heißt es, komme es darauf an "zu einem pragmatischen Vorgehen zurückzufinden, mit dem die gestellten Forderungen mit gewissen Einschränkungen, aber kostengünstiger und vertretbar erfüllt werden können." (Erbe, 1992, S.9). Unter Berücksichtigung neuer. zukünftiger Aufgaben der Bundeswehr soll das zukünftige Minensperrkonzept, aufbauend auf dem vorhandenen Minen-Potential, durch Ergänzungen und Leistungssteigerungen (Kampfwertsteigerungen) weiterentwickelt werden (Wehrdienst 4.10.1993; Erbe, 1990, S.7).

Auch der Planungsbegriff "Minenverlege - und Räumsystem" ist inzwischen aus dem Vokabular der Planer auf der Hardthöhe wieder gestrichen, "es gibt nur noch Einzelvorhaben" (Deutscher Bundestag, 1995e, S.12).

 

Einzelvorhaben für das Minenkampfsystem der Zukunft

Industrie und Bundesverteidigungsministerium haben in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Einzelvorhaben verfolgt, um den Minenkampf der Zukunft zu evolutionieren oder gar zu revolutionieren. Etliche Vorhaben erreichten lediglich das Stadium des Reißbretts, andere brachten es bis zu funktionstüchtigen Modellen. Manche Vorhaben wurden aus der Planung gestrichen, andere zeitlich verschoben. In etlichen Fällen ist nicht bekannt, ob die Bundeswehr sie langfristig doch noch einführen will oder ob sie endgültig gestrichen wurden. Im Folgenden wird ein Kurzüberblick zunächst über die Minen, dann über die Minenverlegesysteme gegeben, die gegenwärtig nicht oder nicht mehr in der offiziellen Planung für eine Finanzierung bis zum Jahre 1997 sind. Jene Systeme, die zur Finanzierung vorgesehen sind, werden in Kapitel 3.2. vorgestellt.

 

Die Schützenmine

Die Bundeswehr plante die Einführung einer Schützenmine DM-41, genauer gesagt: Die Kampfwertsteigerung der bereits eingeführten Schützensplittermine DM-31. Das Vorhaben reicht bis auf das Jahr 1986 zurück (Boschmann, 1986, S.197). Von 1989 bis 1990 waren für dieses Vorhaben 4,3 Mio. DM im Verteidigungshaushalt vorgesehen (Wehrdienst 1150/88).

Wesentliches Merkmal der vorgesehenen Leistungssteigerung waren ein neuer elektronischer Zünder von der Firma Honeywell-Regelsysteme. Dieser sollte sowohl eine Auslösung über automatisch auswerfbare Stolperdrähte als auch über einen drahtübermittelten Zündbefehl ermöglichen (Heckmann, 1990, S.47; Boschmann, 1986, S.197). Zudem existierten Forderungen nach einer fernverlegbaren und mechanisch verlegbaren Anti-Personenmine. Noch 1993 war vorgesehen, daß dieses Vorhaben in den Truppenversuch gehen sollte (Wehrdienst 33/1993). Es wurde aber aufgegeben, vermutlich im Zusammenhang mit der Entscheidung, rund 33.000 Schützenminen der NVA in die Bundeswehr zu übernehmen (Deutscher Bundestag, 1995e, S.6).

 

Die Kampfwertsteigerung der Panzermine DM-31

Dieses Vorhaben gibt es ebenfalls seit geraumer Zeit. Die 125.000 Minen des deutschen Heeres sollen in zwei Stufen nachgerüstet werden. Zunächst ist vorgesehen, die Räumresistenz der Mine dadurch zu erhöhen, daß die Mine erkennt, mit welcher Geschwindigkeit ein Fahrzeug über sie hinwegrollt. Im gleichen Schritt soll die Mine eine neue Sicherungseinrichtung erhalten, die es erlaubt sie nach Ablauf der eingestellten Wirkzeit schnell zu reaktivieren. In einer nächsten Stufe soll die DM-31 fernschaltbar gemacht werden (Kentgens, 1991, S.34).

Um den Auftrag bewarben sich Dynamit Nobel, Rheinmetall und Bofors, zu der der DM-31-Hersteller FFV heute gehört (Wehrtechnik, Heft 1, 1994, S.56; Gerdes, 1995, S.25).

Gegenwärtig ist nicht öffentlich bekannt, ob und wann dieses Vorhaben - an dem sehr wahrscheinlich festgehalten wird - finanziert werden wird. 28,3 Mio. DM werden zudem für die Definition und Entwicklung der Kampfwertsteigerung des Minenverlegesystems 85 benötigt (AA, 1994b, S.7).

 

Eine Kampfwertsteigerung für den LARS-Werfer

Im Kontext der Planung für die Krisenreaktionskräfte wurde untersucht, ob der luftverlastbare Raketenwerfer durch Reichweitensteigerung auf 22 km und Einführung einer bereits entwickelten Rakete mit Bombletmunition verbessert werden könnte (Schäfer; Gall, 1993, S.425; Fröhlich, 1993, S.18). Die Bundeswehr will künftig noch 65 LARS-Werfer in aktiven Einheiten einsetzen (Deutscher Bundestag, 1995e, S.9). Das Vorhaben ist wahrscheinlich aufgegeben worden (Striepke, 1995, S.29).

 

Ein lufttransportabler Skorpion

Für die Krisenreaktionskräfte sucht die Bundeswehr einen lufttransportfähigen Minenwerfer. Für die Entwicklung sind 5,5 Mio. DM vorgesehen (AA, 1994b, S.7). Die geringe Entwicklungssumme spricht für den beabsichtigten Rückgriff auf ein durch Firmen bereits entwickeltes Gerät. Der schwedische Hersteller Hägglunds bietet den Skorpion in einer auf 4 Werfereinheiten mit 400 Minen reduzierten Fassung, die mit dem mittleren Transporthubschrauber der Bundeswehr, der CH-53, transportiert werden kann. Bekannt sind aber auch Überlegungen, Minenwerfermagazine auf die Ladefläche von Unimogs oder leichten Lkws zu montieren (Soldat und Technik, Heft 1, 1993, S.61).

Auch bei diesem Vorhaben ist zur Zeit nicht bekannt, ab wann es finanziert werden wird.

 

Die Mehrzweckwaffe-1 als Waffenfamilie

Daimler Benz Aerospace hat aufbauend auf die Mehrzweckwaffe 1 eine ganze Familie von Submuntionsdispensern entwickelt und bietet diese nun auf dem Markt an. Alle diese Dispenser können mit der Minenmunition der MW-1 ausgestattet werden. Für die schwedische Luftwaffe wurde so die Abstandsgleitwaffe DWS-39 entwickelt; eine Ableitung daraus wird unter dem Kürzel AFDS für die weitverbreiteten Kampfflugzeuge vom Typ F-16 angeboten. Unter der Bezeichnung MW-2 existiert eine Variante für den Tornado und eine Version mit Eigenantrieb, MW-3 genannt, ist geplant (Soldat und Technik, Heft 6, 1995, S.380). Es gibt Meldungen, die MW-2 werde für die Bundesluftwaffe entwickelt (International Defense Review, Heft 8, 1994, S.22).

 

3.2. Ohne Moos nix los - Die evolutionäre Minenplanung heute

Die gegenwärtige Planung der Bundeswehr sieht zumindest für die nächsten beiden Jahre deutlich reduzierte Mittelansätze für die Ausstattung der Bundeswehr mit Landminen und Landminen-Verlegesystemen vor. Von den hochfliegenden Planungen zu Beginn der neunziger Jahre ist wenig mehr geblieben als die Hoffnung und die Absicht, sie möglichst weitgehend in den kommenden Jahren wieder in die Planung aufzunehmen, und sei es unter neuen Namen. Als konkrete Vorhaben sind Bestandteil der Planung für die nächsten Jahre:

 

Die Panzerabwehrrichtmine 2

Die Panzerabwehrrichtmine 2 (PARM-2/ARGES) ist ein multinationales Vorhaben in fortgeschrittener Entwicklung. Unter Führung der französischen Firma GIAT entwickeln Honeywell-Maintal, Dynamit Nobel und Hunting Engineering (GB) seit 1991 das System. Der deutsche Entwicklungskostenanteil wird mit 25,1 Mio. DM angegeben. Die Entwicklung sollte bis 1994 beendet sein, die Einführung war für 1996 geplant (Soldat und Technik, Heft 7, 1993, S. 431); beide Daten dürften sich deutlich nach hinten verschieben.

Mit PARM-2 soll eine gegenüber der PARM-1 gesteigerte Bekämpfungsreichweite von 100 Metern und ein komplexeres Sensorensystem realisiert werden. Während GIAT für die Systemintegration und das Systemmanagment zuständig ist, entwickeln Hunting den Flugkörper, Dynamit Nobel den Gefechtskopf und Honeywell-Regelsysteme den Sensor. Für das Dreiländer-Vorhaben wird ein Auftragsvolumen von mehr als 500 Mio. DM für möglich gehalten (Jane's Military Vehicles and Logistics, 1993-94, S.211; Wehrdienst 1150/1992; AA, 1994b, S.7).

Die PARM-2 basiert auf dem Konzept einer autonomen, sensorgesteuerten Panzerfaust, die das Ziel von der Seite her mit einem modernen Hohlladungsgefechtskopf zerstört. Der Wecksensor, ein frequenzelektrischer akustischer Sensor, der Ziele im Nah- und Fernbereich ausmacht, kann "um die Ecke hören" und erlaubt deshalb auch den Einsatz aus geschlossenen Räumen. Er aktiviert den Schußsensor, der aus einem dreikanaligen Infrarotsensor und einem einkanaligen aktiven Entfernungsmesser besteht. Ein Mikroprozessor berechnet aus deren Meßdaten Entfernung, Richtung, Geschwindigkeit und Länge des Zielfahrzeugs. Die Länge des Fahrzeuges ist mitentscheidend dafür, ob es bekämpft wird oder nicht. Der Mikroprozessor berechnet auch den idealen Zündzeitpunkt für die Hohlladung. Mine und Sensorik erlauben es, eine Fahrzeugzählung vorzunehmen. D.h., die Mine reagiert erst auf das zweite, dritte oder ein beliebiges späteres Fahrzeug, von dem sie geweckt wird. Die Mine kann auch auf eine Fahrtrichtung programmiert werden (Schuller, 1993, S.416).

 

Eine Flächenverteidigungsmine für MARS

Das finanziell wie militärisch bedeutsamste neue Minenvorhaben der Bundeswehr ist die Kampfwertsteigerung des Raketenwerfers MARS und die Einführung einer Flächenverteidigungsmine für diesen Werfer und für andere Verlegemittel.

Bereits 1989 wurde das taktischen Konzept für eine Kampfwertsteigerungsplanung des MARS-Werfers gebilligt (Wehrdienst 8/1993). Die Reichweite des MARS-Werfers soll durch eine veränderte oder neue Lenkrakete auf möglicherweise 60 km gesteigert werden, die Zielgenauigkeit der Raketen dabei verbessert werden. Es ist Aufgabe der Firma Diehl bis zum Jahr 1997 im Schuß nachzuweisen, daß diese Ziele erreichbar sind (Rentzsch, 1995, S.17).

Eine Untergruppe der Studiengruppe Feuerunterstützung im BMVg arbeitete bereits 1993 an einer taktischen Forderung für eine Flächenverteidigungsmine. Diese soll in drei Versionen beschafft werden

  • für MARS (gemischte Verlegungsmöglichkeit mit AT-2),
  • für Skorpion (gemischte Verlegungsmöglichkeit mit AT-2),
  • für die Pionierhandverlegung (Erbe, Jürgen, 1992, S.10).

Das Vorhaben war im Wettbewerb ausgeschrieben. Alle bedeutsamen Minenproduzenten haben erste Konzepte vorgelegt. Zwei Firmen wurden mit erweiterten Konzeptstudien beauftragt (Wehrdienst 8/1993). Die Definitions- und Entwicklungskosten werden mit zusammen 288 Mio. DM veranschlagt (AA, 1994b, S.7). Der Beschaffungsbeginn wird im Jahre 2001 erwartet (Wilhelmi, Meyer, 1993, S.234).

Flächenverteidigungsminen sind wesentlich komplexer, als die heute üblichen Landminen. Sie fallen an einem Fallschirm zu Boden, richten sich dort sofort oder nachdem sie durch einen Sensor geweckt wurden auf und sind zur Überwachung relativ großer Geländeabschnitte in der Lage. Haben die Sensoren einer solchen Mine ein Ziel ausgemacht, so schießt die Mine selbst eine Submunition in die Luft. In unterschiedlicher Höhe beginnt dieser wieder zu sinken und zugleich automatisch mit eigenen Sensoren den Boden nach geeigneten Zielen abzusuchen. Ist ein solches entdeckt, so wird die Submunition beschleunigt, um das gepanzerte Ziel gesichert zu zerstören. Die Wirkung im Ziel beruht entweder auf dem Prinzip einer projektilbildenden Ladung oder auf dem Prinzip einer Hohlladung. Das Ziel kann sich - je nach technologischem Konzept - zwischen 200 und 400 Meter von der Mine entfernt befinden.

Die Produktion und Einführung von Flächenverteidigungsminen impliziert weiter reichende Veränderungen. Eine Studie für den amerikanischen Militärnachrichtendienstes "Defense Intelligence Agency" über Zukunftstrends in der Landminenkriegführung macht im Dezember 1992 auf kritische Punkte aufmerksam: "Die Stationierung von Flächenverteidigungswaffen wird jedes gegenwärtig eingeführte Minenräumsystem ineffektiv machen." (US-Army Foreign Science and Technology Center, S.3-49). Und weiter: "Die gleichen Länder, die Flächenverteidigungsminen produzieren, dürften in der Lage sein, binnen zwei Jahren nach Einführung ihrer Flächenverteidigungsminen auch Anti-Hubschrauber-Minen zu stationieren. Es darf als ausgesprochen wahrscheinlich gelten, daß viele Länder der Dritten Welt solche Minen in ihren Bestand aufnehmen werden wollen." (ebd.).

Gegenwärtig ist nicht eindeutig zu ermitteln, welches der vielen von der Industrie entwickelten Konzepte für eine Flächenverteidigungsmine ausgewählt wurde oder noch im Rennen ist. Es ist lediglich möglich, die Konzepte kurz vorzustellen, die im Rahmen des nationalen Konzeptwettbewerbs und im Rahmen des NATO-Wettbewerbs für eine Flächenverteidigungswaffe vorgeschlagen wurden:

  • Dynamit Nobel beteiligte sich mit dem Minen-Vorschlag "TARANTEL" an der deutschen Konzeptentwicklung; dieser nutzt sensorgesteuert die Submunition SMART aus der Entwicklung eines intelligenten Artilleriegeschosses; nach Angaben von Dynamit Nobel wurde dieses Vorhaben aufgegeben (Erbe, 1992, S.10; Dynamit Nobel, 1995).

  • Auch der Vorschlag COBRA beruht auf der Verwendung der Submunition SMART (Erbe, 1992, S.10); hier ist lediglich die Existenz dieser zweiten Entwicklung im Rahmen des deutschen Konzeptwettbewerbes bekannt geworden.

  • Dynamit Nobel hat zusammen mit Thomson Brandt, Thomson TRT und Bristol Aerospace eine intelligente Flächenverteidigungswaffe mit 400 Meter Wirkungsreichweite im Rahmen des NATO-Wettbewerbs vorgestellt (International Defense Review, Heft 8, 1994, S.20).

  • Rheinmetall hat an diesem Wettbewerb zusammen mit Matra, Royal Ordnance und CDC aus Kanada teilgenommen und einen Vorschlag auf Basis des MAZAC-Konzeptes präsentiert (International Defense Review, Heft 4, 1991, S.320f.).

  • Thomson Brandt, Ferranti und Diehl sollen ebenfalls an einem Vorschlag gearbeitet haben; eventuell wurde das vorliegende Diehl-Konzept für die Flächenverteidigungsmine PAM und den Gefechtskopf PAMAT hier eingebracht (ebd.).

Aufgrund der hohen Kosten, die mit diesem Entwicklungsvorhaben verbunden sind und aufgrund der Anbindung an den MARS-Werfer ist es durchaus möglich, daß die künftige Flächenverteidigungsmine in internationaler Kooperation entstehen wird.

 

MAW-Apache mit Minensubmunition

Kurz vor Redaktionsschluß dieser Studie wird bekannt, daß nun auch offiziell und mit Finanzierung des Bundesverteidigungsministeriums die MW-1 Submunitionen MIFF, MUSA und MUSPA in den deutsch-französischen Abstandsflugkörper MAW-Apache integriert werden sollen. In der zweiten Jahreshälfte 1995 noch soll der Vertrag an die Gemeinschaftsfirma MAW/Apache GIE vergeben werden, die von DASA und Matra gegründet wurde (Military Technology, Heft 7, 1995, S.72). Entwicklung und Beschaffung dürften einen Milliardenbetrag kosten und zu einer Wiederaufnahme der Minenproduktion bei Rheinmetall und MBB-Schrobenhausen führen.

 

Ein luftverlastbarer Raketenwerfer

Als Firmenentwicklung hat Wegmann das Truppenversuchsmuster für einen luftverlastbaren MARS-Werfer gebaut und zu Ende Juli dieses Jahres an die Bundeswehr zum Testen übergeben. Der luftverlastbare MARS-Werfer verfügt über eine Schnelltrenneinrichtung, mittels derer das Werferfahrzeug und der Raketenbehälter von einander getrennt und binnen kürzester Zeit wieder zusammengebaut werden können. Die Freudenberger Firma Haacon stellt für diesen Zweck ein Hub- und Transportgestell bei. Zwei MARS können auf diesem Wege mit drei Maschinen des Typs Transall zu einem Einsatzort geflogen werden. Überlegungen bestehen, 22 MARS-Werfer des Heeres bereits ab 1996 für die Krisenreaktionskräfte umzurüsten. Die ersten umgerüsteten Werfer würden dann bereits Anfang 1997 zur Verfügung stehen (Striepke, 1995, S.29-31).

 

Und doch - ein Minenkampfsystem?

"Forschungsmittel in Höhe von 2,4 Mio. DM für 1994 und 2,5 Mio. DM sind für das taktische Minenkampfsystem (Panzerabwehrmine) eingeplant" (AA, 1994b, S.7). Und: Unter jenen Vorhaben, die möglicherweise in die Bundeswehrplanung für 1996 und die darauffolgenden Jahre aufgenommen werden, befindet sich ein "Minenkampfsystem, Grundstufe (Entwicklung)". Angesichts der Entwicklungskosten von 100 Mio. DM (ebd.) kann es sich nur um ein größeres Vorhaben handeln.

Weitere öffentliche Erläuterungen zu diesen beiden Vorhaben sind zur Zeit nicht zugänglich. Allerdings werfen diese kleinen Hinweise eine entscheidende Frage auf: Was kommt heraus, wenn man die Einzelprojekte der gegenwärtigen Planung der Bundeswehr wieder zu einem Minenkampfsystem zusammenfügt? Schon jetzt darf als sicher gelten: DAVID wird das Vorhaben dann nicht mehr heißen - aber verblüffende Ähnlichkeiten mit DAVID könnte es schon haben. Lediglich der Einführungszeitraum wird sich gesichert um einige Jahre nach hinten verschieben.

 

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