Deutsche Landminen - Eine Bestandsaufnahme Otfried Nassauer und Thomas Küchenmeister
2.3 Schneller, weiter, intelligenter - Minentechnik in der Bundeswehr der achtziger Jahre Ausgehend von den umfangreichen Forschungsarbeiten der siebziger und frühen achtziger Jahre, beginnt die Bundeswehr in den achtziger Jahren mit einer weitgehenden Rundumerneuerung ihrer Minenbestände. Wichtigstes Kennzeichen der nunmehr beschafften Minen ist, daß sie alle mechanisch verlegt werden können.
Die wichtigste Neuerung im Minenbestand der Bundeswehr, die in den achtziger Jahren eingeführt wird, ist die Panzerabwehrmine AT-2. Sie wird mit drei verschiedenen, mechanischen Verlegesytemen in jeweils leicht veränderter technischer Form eingesetzt:
Für alle drei Verlegesysteme zusammen wurden insgesamt mehr als 1,2 Mio. AT-2 Minen für die Bundeswehr hergestellt. Die Verlegung der Mine mit Raketenwerfern und Minenwerfern bedingt, daß sie nach dem einem Flug durch die Luft nicht zu hart aufschlagen darf und zudem in eine zur Bekämpfung von Fahrzeugen geeignete Stellung gebracht werden muß. Nach dem Ausstoß aus Werfer oder Rakete sinkt sie deshalb an einem kleinen Fallschirm zu Boden, richtet sich durch das Ausstellen von Spreizfüßen auf und fährt einen Sensordraht aus. Dieser wirkt als Kratzdraht bzw. Berührungszünder (Held, 1986, S.248). Die AT-2 Mine verhindert "jegliche Bewegung der Kampffahrzeuge und abgesessener Schützen" (Stampfer, 1981, S.84). Die AT-2-Mine selbst wiegt nur 2,2 kg, hat einen Durchmesser von 10,3 cm und eine Höhe von 12,8 cm (Schäfer, 1986, S.55), ist damit für eine Panzerabwehrmine also sehr klein. Die Ursache: Die AT-2 Mine "Medusa" wirkt (wie die Panzerabwehrmine DM-31) nach dem Hohlladungsprinzip und damit auf die ganze Fahrzeugbreite und nicht nur gegen die Kette eines Panzers. Wird die Mine über den Kratzdraht ausgelöst, so schießt sie ihre Hohlladung von unten gegen das darüberfahrende Fahrzeug, durchschlägt dessen Boden und bringt im Inneren einen Sprengsatz zur Zündung. Panzer und Panzerbesatzung werden zerstört bzw. getötet. Für dieses Konstruktionsprinzip wird erheblich weniger Sprengstoff benötigt. Zudem erfüllt es eine alte militärische Forderung: Panzerminen sollten einen Panzer nicht nur bewegungsunfähig machen, sondern samt Besatzung zerstören können. Die AT-2 Mine verfügt über einen Aufhebeschutz, der sie beim Versuch einer Räumung explodieren läßt. Wahlweise wird die Mine nach 15 Sekunden oder auch erst nach bis zu fünf Minuten nach dem Ausstoß geschärft. Sie läßt sich auf sechs verschiedene Wirkzeiten von 3, 6, 12, 24, 48 und 96 Stunden einstellen (Freytag, Kaltenbach, 1991, S.54). Nach Ablauf der Wirkzeit zerstört sie sich durch Sprengung selbst, verfügt also über einen Selbstzerstörungsmechanismus (Matourek, 1983b, S.292f.). Die Mine kann mindestens 10 Jahre gelagert werden; dies gilt auch für die Batterie (BITS, 1995, Datenblatt AT-2; US-Department of Defense, 1995, Datensatz AT-2; Schäfer, 1986, S.55). Technisch möglich wäre es, die AT-2 Mine mit Hubschraubern des Typs Bell UH-1D zu verlegen; Dornier und Dynamit Nobel haben ein entsprechendes System entwickelt, mit dem in 20 Sekunden eine 5.000 Meter lange Minensperre verlegt werden kann (Hewish, 1986, S.1089). Ein solcher Einsatz ist aber bei der Bundeswehr nicht vorgesehen (Schröder-Hohensee, 1979, S.119). Die Forderung nach einem hubschraubergestützten Verlegesystem dagegen existiert in der Bundeswehr bis heute.
LARS und die Panzeabwehrrmine AT-2 Der Beschaffung von AT-1 in den Jahren 1978 bis 1980 folgt die Bundeswehr-Order für eine neue Minenrakete mit der Mine AT-2 auf dem Fuß. Von 1981 bis 1986 werden 564,7 Mio. DM für dieses Vorhaben aufgewendet - bis zu diesem Zeitpunkt das teuerste Minenbeschaffungsprogramm der Bundeswehr (Deutscher Bundestag, 1995e, S.6). Mit diesen Mitteln sollen 60.000 LARS-Raketen mit je 5 neuen AT-2 Minen bei Dynamit Nobel beschafft werden (Held, 1986, S.245; Wehrdienst 699/1979) - insgesamt also 300.000 Minen. Die Auftragsvergabe fand unter hohem Zeitdruck und in scharfer Konkurrenz mit der neugegründeten Raketentechnik GmbH, einer gemeinsamen Tochter von Diehl und MBB statt, mittels derer Diehl versuchte, Dynamit Nobel auch diesen Auftrag streitig zu machen (Wehrdienst 653/1978; Wehrdienst 699/1979). Eine spätere, signifikante Reduzierung des Beschaffungsumfangs ist nicht bekannt geworden, so daß davon auszugehen ist, daß die Beschaffung in etwa im genannten Umfang stattgefunden hat.
Der Minewerfer Skorpion mit Panzerabwehrmine AT-2 Bereits seit 1972 bestand in der Bundeswehr die Forderung nach einer mechanischen Verlegemöglichkeit für Panzerabwehrminen, mit der es möglich sein sollte, in kurzer Zeit große Geländeabschnitte zu sperren (Schäfer, 1986, S.54). Zunächst unter dem Planungsbegriff "Minenstreumittel", ab 1979 als "Minenwurfsystem" bezeichnet, entstand bei Dynamit Nobel um die "bereits entwickelte Panzerabwehrmine AT-2 herum" das Minenwurfsystem Skorpion (Schäfer, 1986, S.54). Von 1980-1992 beschaffte die Bundeswehr 300 Skorpion-Werfer für 192,1 Mio. DM (Deutscher Bundestag, 1995e, S.8) bei Dynamit Nobel. Der Hersteller der AT-2 Mine agierte auch als Generalunternehmer für den Minenwerfer. Für 763 Mio. DM wurden in den Jahren 1984 bis 1992 AT-2 Minen für den Skorpion bei Dynamit Nobel beschafft (Deutscher Bundestag, 1995e, S.6). Die Zahl der mit diesen Mitteln beschafften Minen hält die Bundeswehr geheim. Aus dem Fachinformationsdienst "Wehrdienst" ist jedoch mühelos zu ersehen: Mindestens 32.000 Minenmagazine zu je 20 Minen wurden bestellt, insgesamt also mindestens 640.000 Minen. Zudem lieferte Dynamit Nobel der Bundeswehr mehr als 2.000 Übungsmagazine für den Minenwerfer Skorpion. (Wehrdienst 970/1984; Wehrdienst 1124/1988; Jane's Military Vehicles and Logistics 1993-94, S.256f.). Vier Minenwerfer Skorpion und 15.000 AT-2 Minen wurden während des Golfkrieges 1990/91 an die britischen Streitkräfte ausgeliehen und von diesen später unbenutzt zurückgegeben. Das Werferfahrzeug "Skorpion" kann mit einer Beladung 600 Minen aufnehmen, die sich in 6 Minenausstoßbehältern zu je 20 Rohren mit je 5 AT-2 Minen befinden. Die Minen werden nach beiden Seiten über einstellbare Entfernungen von 20-40 Meter ausgestoßen, so daß sich ein Minenfeld mit einer Tiefe von 40 bis 80 Meter ergibt. Die Dichte, mit der die Minen verlegt werden, kann ebenfalls eingestellt werden, so daß das mit einer Beladung verlegbare Minenfeld verschiedene Längen haben kann - z.B. 1.000 oder auch 3.000 Meter (Matourek, 1983b, S.292). Für das Verlegen einer Minensperre von 1.000 Meter Länge und 200 Meter Tiefe werden mit dem Skorpion lediglich 10 Minuten benötigt. Zum Vergleich: Mit dem gegenüber der Handverlegung schon sehr schnellen Minenverlegesystem 85 würde für diese Aufgabe eine Stunde benötigt (Freytag, Kaltenbach, 1991, S.54).
Der Mehrfachraketenwerfer MARS mit AT-2 Der MARS Werfer ist eine Entwicklung des amerikanischen Rüstungskonzerns Vought. In Europa bildete sich ein multinationales Konsortium, die MLRS-EPG (European Production Group), um diesen in Lizenz nachzubauen und 40 Prozent der künftigen Exporte dieses Werfers abzuwickeln (Burggraf, 1990, S.242). Die ursprünglichen Beschaffungspläne für die Bundeswehr sahen den Kauf von 200 Raketenwerfern, 65.000 M77-Raketen mit Bomblet-Munition und 20.004 AT-2 Raketen für mehrere Milliarden DM vor - ein Vorhaben, daß sich aufgrund seiner Laufzeit mit dem Ende des Kalten Krieges überschnitt und in dessen Folge reduziert wurde (Wehrdienst 1055/1986). Trotz der reduzierten Beschaffung blieb die Bundesrepublik in Europa der bei weitem größte Bedarfsträger für den Raketenwerfer, so daß sie für den europäischen MLRS-Nachbau Leitnation wurde und dem deutschen Hauptauftragnehmer für die AT-2 Raketen, der Raketentechnik GmbH, in diesem Programm eine besondere Bedeutung zukommt. Letztlich beschafft wurden in den Jahren 1990 bis 1993 154 MARS-Werfer für einen Gesamtbetrag von 1.069,4 Mio. DM. Eine Option auf weitere 50 Werfer wurde nicht mehr wahrgenommen. Die Beschaffung der AT-2 Raketen wird in den Jahren 1993 bis 1995 zu Kosten von 783,6 Mio. DM verwirklicht (Deutscher Bundestag, 1995e, S.6,9). Dafür erhält das Bundesverteidigungsministerium 9.360 Raketen mit je 28 AT-2 Minen, insgesamt also 262.080 AT-2 Minen (Wehrdienst 8/1993; VHB, 1995, S.10). Der MARS-Werfer trägt 12 Raketen, kann also in einer Salve also 336 AT-2 Minen ins Ziel bringen. Mit seiner Reichweite von 40 km und der größeren Zahl von Minen pro Sprengkopf ist er dem LARS-Raketenwerfer in allen entscheidenden Belangen deutlich überlegen. Ein Minenfeld von etwa 400 mal 1.000 Meter Ausdehnung kann mit einem Werfer verlegt werden (Flume, 1983b, S.30).
Minenverlegesystem 85 und DM 31 AT Ab 1985 läuft bei der Bundeswehr das mechanische Minenverlegesystem 85 zu, ein in Schweden entwickelter Fahrzeuganhänger mit Pflug, mit dessen Hilfe Minen offen und verdeckt verlegt werden können. Insgesamt 282 dieser Verleger werden bis zum Jahr 1992 für 60,1 Mio. DM beschafft (Deutscher Bundestag, 1995e, S.8). Verlegt wird mit diesem Gerät die Panzerabwehrverlegemine DM-31. Dabei handelt es sich um ein schwedisches Produkt der Firma FFV mit der Bezeichnung FFV 028SN, das die Bundeswehr im Gegenzug zu schwedischen Panzerbestellungen in der Bundesrepublik beschafft. Insgesamt 125.000 Minen dieses Typs werden von 1988 bis 1992 beschafft (BMVg-IP-Stab, 1995), das Pilotlos von 200 zusätzlichen Minen (Wehrdienst 978/1985) wird von der Bundeswehr heute nicht mehr erwähnt. Über die Kosten der DM-31 AT macht das Verteidigungsministerium widersprüchliche Angaben. Gegenüber dem Parlament wurden sie 1995 mit 160 Mio. DM angegeben (Deutscher Bundestag, 1995e, S.5); auf Presseanfragen betrugen sie 182,2 Mio. DM (BMVg-IP-Stab, 1995). Zum Zeitpunkt der Bestellung war mit Kosten von lediglich 141,2 Mio. DM gerechnet worden (Wehrdienst, 978/1985). Die DM-31 AT ist erneut eine sehr moderne Mine. Im Gegensatz zu früheren Panzerabwehrminen der Bundeswehr explodiert die DM-31 ähnlich der AT-2 nämlich nicht nur, wenn sie direkt von der Kette eines Panzers überrollt wird, sondern immer dann, wenn ein Panzer über die Mine hinwegfährt. Dies wird durch ein neues Funktionsprinzip ermöglicht. Sie ist mit einem schocksicheren, elektronischen Zündsystem ausgestattet, daß auf Veränderungen im Magnetfeld anspricht (Matourek, 1983a, S.163). Meldet dieser Sensor die Überfahrt eines Panzers, so wird mit einer kleinen Sprengladung der Minendeckel und eine eventuelle Tarnung über der Mine weggesprengt und dadurch eine Hohlladung freigelegt und aktiviert. Diese Hohlladung wird von unten gegen den Boden des Panzers geschossen, schweißt sich durch diesen hindurch und explodiert im Panzerinneren. Trotzdem wirkt die Mine auch gegen die Ketten eines Panzerfahrzeugs effektiv, das über sie fährt. Bei der DM-31 AT handelt es sich um eine metallhaltige Panzerabwehrmine mit Plastikgehäuse. Sie hat einen Durchmesser von 25,4 cm und eine Höhe von etwas mehr als 13 cm. Bei einem Gewicht von 8,4 kg enthält die Mine mindestens 3,5 kg Sprengstoff des Typs Composition B. Die bei der Bundeswehr als DM-31 eingeführte Version der FFV028 verfügt über einen eingebauten Wiederaufnahmeschutz, der die Mine bei einem Räumversuch explodieren läßt. Die DM-31 entschärft sich selbst nach Ablauf der Wirkzeit von etwa 40 Tagen, d.h. sie verfügt über einen Selbstneutralisierungsmechanismus. Dies wird optisch angezeigt und erlaubt die Wiederverwendung. Für diese Mine existieren die Übungsmine DM-60 und die Exerziermine DM-70 als Ausbildungs- und Trainingssysteme (Matourek, 1983a, S.163; BITS, 1995, Datenblatt DM-31 AT).
Mit der Anti-Personenmine DM-51, bei der Bundeswehr in etwa 33.000 Exemplaren in den neunziger Jahren eingeführt, erhält die Bundeswehr erstmals in ihrer Geschichte eine sogenannte Claymore-Mine, d.h. eine horizontal wirkende Splittermine, die gegen Personen und Fahrzeuge wirkt (Deutscher Bundestag, 1995e, S.2). Die Beschaffung war - wie im Falle einer Erbschaft üblich - kostenfrei. Bei dieser Mine handelt es sich nämlich um die bei der Nationalen Volksarmee der DDR eingeführte russische Mine MON-50. Die MON-50 wiegt 2 kg, von denen 700 gr Plastiksprengstoff sind, die dazu dienen, über 450 Metallsplitter in einem Winkel von 40 Grad auf bis zu 40-50 Meter zu verschießen. Aufgestellt auf Zweibeinen hat sie eine Höhe von 36 cm und eine Breite von 22,6 cm. Zwei Zünder sind für diese Mine bei der Übernahme durch die Bundeswehr vorhanden gewesen. Zum einen gab es einen elektrischen Zünder (Sprengkapsel ÄDP-r mit Zündmaschine PM-4), der es erlaubte, die Mine über ein Kabel aus bis zu 50 Meter Entfernung fernzuzünden. Zum anderen war ein mechanischer Zeitzünder (WZD-6Tsch) verfügbar, der auf Wirkzeiten von 15 Minuten bis 6 Stunden eingestellt werden kann. Möglich ist, das die Bundeswehr lediglich den elektrischen Zünder in ihre Bestände übernahm (BITS, 1995, Datenblatt MON-50, Nationale Volksarmee, 1977, 6. Änderung, S.4/14.; Miltra Engineering, 1992, S.43). Die DM-51/MON-50 ist vor allem geeignet, um Infanteristen und ungepanzerte Technik zu bekämpfen; insbesondere kann sie zum Sichern von Minensperren eingesetzt werden.
Eine für die Bundeswehr neuartige Mine hat MBB-Schrobenhausen seit einigen Jahren auf eigene Kosten fertig entwickelt: die Panzerabwehrrichtmine 1. Obwohl der Vertrag im Gegenwert von 206,3 Mio. DM über die Beschaffung von 50.000 dieser Minen in zwei Losen bereits im September 1990 den Bundestag passierte (Wehrdienst 1235 und 1237/1990), sind bis Mai 1995 lediglich Minen aus einem Pilotlos zugelaufen (Deutscher Bundestag, 1995e, S.13). Immer wieder scheint die Beschaffung - vermutlich aufgrund knapper Haushaltsmittel - verschoben worden zu sein. Mit der Beschaffung wird bei MBB und mit ihrem Zulauf bei der Bundeswehr jährlich, möglicherweise noch in diesem Jahr gerechnet. Das erste Los von 25.000 PARM 1 hat sich mittlerweile allerdings bereits erheblich verteuert: Kostete es 1990 noch 104,4 Mio. DM, so kostet es nunmehr bereits 122,2 Mio. DM (BMVg-IP-Stab, 1995). Die der Panzerabwehrrichtmine 1 handelt es sich im Prinzip um eine unbemannte Panzerfaust. Bei der Bundeswehr wird sie als DM-12 bezeichnet. Die Mine wird von Hand verlegt und besonders zum Überwachen von Straßen und Engen eingesetzt. Sie steht auf einem Dreibein, hat ein 40 Meter langes Lichtwellenkabel, das, wenn es von einem Panzer überrollt wird, einen Auslösebefehl an die Richtmine selbst versendet. Die Mine kann Panzer bis auf 40 Meter Entfernung bekämpfen, indem sie ein Hohlladungsgeschoß von der Seite auf den Panzer abfeuert. Dieses schweißt sich durch dessen Panzerung und zündet bei Ankunft im Panzerinneren eine Sprengladung, deren Wirkung von Panzer und Besatzung nicht überlebt wird. Mit einem Batteriepaket kann die Mine bis zu zehnmal wiederverwendet werden oder aber bis zu 40 Tage an einem Ort wirksam bleiben. Eine zehnjährige Lagerfähigkeit ist gegeben (Schuller, 1993, S.415). Alternativ zum Lichtwellenleiter kann die Mine mit einem passiven Infrarot-Sensor namens SPIR ausgerüstet werden, der eine Gemeinschaftsentwicklung von DASA und Honeywell Sondertechnik ist (Schuller, 1993, S.417). Mit diesem Sensor ist die Reichweite nicht mehr durch die Kabellänge begrenzt und erhöht sich auf 60 Meter. Der Infrarotsensor eignet sich gut, um zu demonstrieren, welche Bedeutung modernen Sensoren für Minen zukommen wird. Integriert besitzt er einen Akustiksensor, der auf das Motorengeräusch von Panzern oder schweren Radfahrzeugen anspricht und dazu dient, das eigentliche Sensorensystem, das einen recht hohen Stromverbrauch hat, zu "wecken", wenn ein Panzer in die Nähe kommt. Dieser Akustiksensor ist ein dynamisches Mikrofon, das Windgeräusche oder Schußgeräusche unterdrücken kann. Zwei breitwinklig wirkende Infrarotkanäle identifizieren zunächst die Richtung, aus der das Fahrzeug kommt. Weitere Infrarotkanäle werden zugeschaltet und mittels einer speziellen Infrarot-Optik dazu genutzt, um dessen Geschwindigkeit, Annäherung und den günstigsten Zündzeitpunkt errechenbar zu machen. Ist der ideale Schußzeitpunkt gekommen, wird die Mine ausgelöst. Danach schalten sich alle Sensoren wieder ab (Schuller, 1993, S.414f.). Zur Zeit ist nicht bekannt, ob die Bundeswehr diese Zusatzausstattung wirklich beschafft.
Landminen für die Luftwaffe - die MW-1 mit Minen-Submunition Mit dem 22.11.1984 beginnt für die Luftwaffe eine neue Ära. Sie erhält erstmals Landminen. Nach mehr als fünfzehnjährigen Konzeptions- und Entwicklungsarbeiten beginnt das Bundesverteidigungsministerium 1984 mit der Beschaffung der Mehrzweckwaffe 1, kurz MW-1, für die Tornado-Kampfflugzeuge (Flume, 1985a, S.68). Die ersten Mehrzweckwaffen laufen der Luftwaffe Ende 1985 zu. 1984 bis 1994 wurden insgesamt 844 (möglicherweise auch 850) MW-1 in Verantwortung der Raketentechnik GmbH, Unterhaching, einer Tochter von Diehl und MBB, für die Bundeswehr gefertigt. Auch dieses Beschaffungsgroßvorhaben wurde aufgrund von Mittelknappheit und wegen der nach dem Ende des Kalten Krieges veränderten sicherheitspolitischen Lage deutlich verkleinert: Ursprünglich waren einmal 2.554 MW-1 zum Kauf vorgesehen (Wehrdienst 1070/1987; Wehrdienst 9/1994). Die MW-1 ist ein Submunitionsdispenser aus vier Segmenten, also ein Ausstoßbehälter für verschiedene Arten von Kleinbomben und Minen. MW-1 verfügt über 112 Ausstoßrohre für Munition und wiegt - je nach verwendeter Munition - mehr als 4.500 kg. Aus dem Behälter können fünf verschiedene Submunitionen, darunter drei Minentypen in großen Stückzahlen ausgestoßen werden. Je nach Zuladung und Aufgabe kann mit der MW-1 ein "Minen- und Munitionsteppich" von 300 bis 500 Meter Breite und 180 bis 2.500 Meter Länge bei Geschwindigkeiten von 1000 km/h aus 60 Meter Höhe verlegt werden (TH, 1987, S.168; Dogerloh, 1985, S.272). Die Submunitionen der MW-1 sind:
Mit diesen Submunitionen kann der Ausstoßbehälter MW-1 in verschiedenen Mischungen bestückt werden. Dafür wurden Einsatzprofile gegen gepanzerte Verbände und gegen Flugplätze mit ihrer Infrastruktur zugrundegelegt. Für Einsätze gegen gepanzerte Verbände kommen die Submunitionen KB44 und MIFF zum Einsatz. Für Operationen gegen Flugplätze werden entweder Startbahnbomben oder ein Mix aus MIFF, MUSA und MUSPA verwendet. Auch dieser Munitionsmix hat seinen tieferen Sinn. Zerstören die Startbahnbomben STABO die Start- und Landebahn eines Flugplatzes, so haben die Panzerminen MIFF die Aufgabe, das Reparieren bzw. Räumen einer solchen Startbahn zu erschweren. Die Minen MUSPA reagieren zudem auf vorbeirollende Flugzeuge und Fahrzeuge, so daß ein abgestuftes höchst effizientes Wirkungsspektrum entsteht - der Flugplatz kann für eine bestimmte Zeit kaum genutzt werden. Die Submunition MUSA, die relativ kurz nach dem Aufschlagen explodiert, gefährdet zudem Fahrzeuge, Menschen und im Freien stehende Flugzeuge. Solcherart komplexe Technik hat ihren Preis. Die Beschaffung aller MW-1 kostete 2,315 Mrd. DM. Nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums wurden aber lediglich ca. 700 Mio. Mark ausgegeben, um die MW-1 mit Minenmunition zu beschaffen (Deutscher Bundestag, 1995e, S.10). Die Abschätzung, wieviele Minen als Submunitionen für MW-1 im Bestand der Bundeswehr sind, ist aufgrund unzureichend genauer Daten ein sehr mühsames und möglicherweise fehlerbehaftetes Unterfangen. Lediglich ein Versuch ist möglich: Konservativ geschätzt, lagern in den Depots der Luftwaffe nicht mehr als 90.000 MUSPA, etwa 17.000 MUSA und ca. 125.000 MIFF in den Depots der Luftwaffe.
2.4. Die Minenausstattung der Bundeswehr heute 1995 ist die Rundumerneuerung der Bundeswehr mit Panzerabwehrminen - bis auf eine ausstehende Ergänzungsbeschaffung, die PARM 1 - weitgehend abgeschlossen. Die Bundeswehr verfügt über ein durchgängig wieder modernes Potential mit sehr flexiblen Einsatzmöglichkeiten. Mit den Panzerabwehrminen DM-21 und DM-31 sind für die Pioniere zwei Minen mit unterschiedlichen Eigenschaften verfügbar, die von Hand offen und verdeckt verlegt werden können. Beide Minen können wiederverwendet werden. Eine dieser Minen kann zudem mechanisch mit dem Minenverlegesystem ausgebracht werden. Mit dem Minenwerfer Skorpion verfügt die Bundeswehr über ein hocheffizientes mechanisches Verlegesystem zum Ausbringen großer offener Minensperren (mit AT-2), was eine erhebliche Personaleinsparung bedeutet. Mit den Minenraketen AT-2 für LARS und MARS bestehen zudem über Entfernungen bis zu 40 Kilometer Verlegemöglichkeiten für Minensperren im gegnerischen Hinterland oder in Frontabschnitten, in denen Pioniere nicht eingesetzt werden können oder sollen. Und mit der Mehrzweckwaffe 1 für den Tornado schließlich existiert ein weiteres, über verschiedenste Distanzen bis tief in das gegnerische Hinterland einsetzbares, hochflexibles Einsatzmittel, um Minensperren auch über große Entfernungen anlegen zu können. Gegenüber der Grundausstattung der Bundeswehr ergeben sich für den Minenkampf erhebliche Vorteile: Der Einsatz von Minen mit Hohlladungswirkung (DM-31 AT und AT-2) verspricht, daß mit weniger Minen eine erheblich größere Wirkung erzielt werden kann. Diese Minen müssen weniger dicht verlegt werden und zerstören in vielen Fällen das Zielfahrzeug samt Besatzung, statt es lediglich durch Beschädigung des Fahrwerks immobil zu machen. Durch die Einführung der mechanischen Verlegemittel können Minensperren jetzt erheblich schneller, mit wesentlich kleinerem Personalaufwand und über viel größere Entfernungen angelegt werden. Das Anlegen von Minensperren ist nicht länger auf Territorium begrenzt, das die Bundeswehr selbst hält und kontrolliert. Die bei allen fernverlegbaren Minen voreinstellbaren Wirkzeiten erlauben nicht nur hohe taktische Flexibilität, sondern auch die Wiedernutzung des verminten Geländes durch eigene Kräfte nach Ablauf der Wirkzeit. Alle Panzerabwehrminen der Bundeswehr verfügen über einen Aufhebeschutz bzw. können zumindest zusammen mit einer Räumschutzladung verlegt werden. Dies erschwert das Räumen erheblich und macht es auch für Pioniere zu einem gefährlichen Geschäft. Damit entspricht die Panzerabwehrminenausstattung der Gegenwart auch den Anforderungen eines hochmobil und schnell geführten modernen Gefechts. Sie erlaubt den effektiven Einsatz von Minensperren in allen Gefechtsarten. Für Angriffsoperationen bieten die modernen Minen erheblich bessere Nutzungsmöglichkeiten als ihre Vorgänger. Mit der beabsichtigten Einführung der Panzerabwehrrichtmine 1 wird eine weitere taktische Lücke geschlossen - es existiert dann ein spezielles Sperrmittel für Engen, daß zudem möglicherweise genutzt werden kann, um das mechanische Räumen von Minensperren zu erschweren. Weniger hochmodern ist die Ausstattung der Bundeswehr mit Anti-Personenminen. Zwar ist durch die Übernahme der NVA-Mine MON-50 nunmehr ein Mittel zur Sicherung von Stellungen und Überwachung von Sperren gegen das Räumen von Hand vorhanden, doch wird sicher von vielen Militärs auch weiterhin die bereits in den achtziger Jahren vorhandene Forderung nach Modernisierung des Bestandes an Schützenminen des Typs DM-31 im Prinzip aufrechterhalten. Dies gilt ebenso für die Forderung nach einer fernverlegbaren Schützenmine, die über einen Selbstzerstörungsmechanismus verfügen muß, damit sie zusammen mit fernverlegbaren Panzerminen eingesetzt werden kann und fernverlegte Minenfelder besser gegen Räumversuche von Hand schützt. Die geplante Entwicklung einer Flächenverteidigungsmine, die mit dem Raketenwerfer MARS verschossen werden kann (s.u.), zielt bereits darauf, die mechanische Räumung fernverlegter Minenfelder zu erschweren. Die Entscheidung, ob auch die Anti-Personenminen-Ausstattung der Bundeswehr künftig einer Rundumerneuerung unterzogen wird, dürfte fallen, wenn einerseits bekannt ist, welche völkerrechtlichen Bestimmungen künftig für Anti-Personenminen gelten und andererseits eine neue Abschätzung der militärischen Bedeutung solcher Minen bei Kriseneinsätzen vorgenommen wurde. Das Ziel, sich selbst effektiv gegen Räumung schützende Minenfelder verlegen zu können, wird weiterhin verfolgt. Mit der Einführung der Mehrzweckwaffe 1 für die Zielgruppe "Flugplätze und deren Infrastruktur" ist diese Absicht erstmals für ein Zielspektrum teilweise verwirklicht worden. Dies ist eine Entwicklungsrichtung, die künftig an Bedeutung gewinnt. Die Rundumerneuerung der Minentechnik der Bundeswehr in den achtziger und neunziger Jahren zeigt zugleich, daß die Zeiten, in denen Minen "billige" Waffen waren, endgültig der Vergangenheit angehören. Die Beschaffung der neuen Generation von Landminen kostete Milliardenbeträge, nicht mehr Millionen wie im Falle der Grundausstattung. Landminen werden schrittweise zu einem Großwaffensystem, wie andere auch. Und dies gilt auch im Bezug auf die einzusetzenden Haushaltsmittel. Das Ende des Kalten Krieges, die Umstrukturierung der Bundeswehr für neue Aufträge sowie eine angespannte Haushaltssituation, lassen allerdings erwarten, daß in naher Zukunft über die Minenausstattung der Bundeswehr und deren Minenkampfkonzept neu nachgedacht wird. Die Frage, ob die für einen zentraleuropäischen Kriegsschauplatz mit hochtechnisierten Armeen entwickelten Minenkampfsysteme der Gegenwart auch die geeignete Ausstattung für Einsätze der Bundeswehr in anderen Konflikttypen darstellt, dürfte in nicht zu ferner Zukunft zu Konsequenzen und möglicherweise zu Forderungen nach neuen Landminen führen.
Die Minenkampfausstattung der Krisenreaktionskräfte Die Beschaffungsplanung der Bundeswehr wurde in den vergangenen Jahren vorrangig und neu auf den Bedarf der sogenannten Krisenreaktionskräfte ausgerichtet. Die Krisenreaktionskräfte sind jene voll präsenten Teile der Bundeswehr, die sofort und für drei große Aufgabenbereiche einsetzbar sein sollen:
Zur Minenkampfausstattung der Krisenreaktionskräfte sollen nach Auskunft der Bundesregierung die folgenden Minen und Minenverlegesysteme gehören (Deutscher Bundestag, 1995e. S.13): Die Schützenminen DM-31 und DM-51, die Panzerabwehrminen DM-31 und AT-2, die Panzerabwehrrichtminen 1 und 2, sowie die künftige Flächen-verteidigungsmine für den MARS-Werfer. Als Minenverlegesysteme sind vorgesehen der Minenwerfer Skorpion und das Minenverlegesystem 85. Diese Auskunft ist mehrfach unvollständig. Zum einen betrachtet sie nur die Krisenreaktionskräfte des Heeres und teilt nicht mit, daß die Bundeswehr auch Tornado-Verbände als Krisenreaktionskräfte vorgemerkt hat, die die Mehrzweckwaffe 1 mit Minensubmunition einsetzen können. Zum anderen ist die Auskunft in dieser Form widersprüchlich: Der Einsatz des Minenwerfers Skorpion ohne die Panzerabwehrmine AT-2 ist sinnlos. Man setzt kein Waffensystem ohne Munition ein. Zudem: Die MARS-Flächenverteidigungsmine wird von den Krisenreaktionskräften nur eingesetzt werden können, wenn künftig entweder auch der Raketenwerfer MARS für die Krisenreaktionskräfte eingeplant wird und/oder wenn die Flächenverteidigungsmine auch mit dem Minenwerfer Skorpion verlegt werden kann. Letzteres war früher geplant, ist heute aber nicht mehr Bestandteil der gegenüber dem Bundestag dargestellten Planung (Deutscher Bundestag, 1995e; AA, 1994b, S.7). Ersteres könnte möglich werden, wenn die Bundeswehr den MARS-Raketenwerfer mit der industrieseitig jüngst angebotenen Schnelltrenneinrichtung nachrüstet und auf diese Weise mit den vorhandenen Transportflugzeugen luftverlastbar macht. Zur Zeit ist daran gedacht 22 MARS-Werfer auf diese Weise nachzurüsten (Striepke, 1995, S.29ff.). Das anliegende Schaubild Zukünftiges Minen(verlege)equipment der Krisenreaktionsstreitkräfte zeigt die vorgesehenen Systeme.
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