BITS Report 95.1
Oktober 1995

Deutsche Landminen -

Eine Bestandsaufnahme

Otfried Nassauer und Thomas Küchenmeister



 

Die Schützenpanzermine DM-11 AP
Die Panzerabwehrmine DM-11 AT
Die Schützenmine DM 31 AP
Minen auch beim Bundesgrenzschutz 
Mine oder nicht? Der Sprengkörper DM 39
Die Minenausstattung der ersten Generation
Neue Entwicklungen - Die Panzerabwehrmine DM-21
Mehrfachraketenabwerfer LARS und Panzerabwehrmine AT-1


 

Von der Kleinwaffe zum Hauptwaffensystem - Landminen in der Geschichte der Bundeswehr

 
Schon bald nach ihrer Aufstellung im Jahre 1956 verfügt die Bundeswehr - wie wohl fast jede Armee dieser Welt - wieder über Landminen, eine billige und für probat gehaltene Waffe. Schützen- oder Anti-Personenminen (AP-Minen) und Panzerabwehrminen (AT-Minen) gehören - so das selten hinterfragte militärische Credo - zur Grundausstattung von Armeen. Sie befähigen die Pioniere, Verteidigungsstellungen durch Minenfelder zu sichern, den Gegner aufzuhalten, einen Angriff zu bremsen, gegnerische Bewegungen in eine günstige Richtung zu kanalisieren. Landminen spielen aber in eingeschränktem Umfang auch in anderen Truppenteilen eine Rolle - sie erlauben es, eigene Stellungen gegen unliebsame Angriffe zu sichern. 

Die Ausstattung der Bundeswehr mit Landminen hat sich seit Ende der fünfziger Jahre - immer getrieben vom Fortschritt des technisch Möglichen und begrenzt durch das finanziell Machbare - in mehreren Phasen vollzogen, die hier zunächst vorgestellt und dann detailierter beschrieben werden sollen:

  • Die Aufstellungs- und Grundausstattungsphase
    Ab Ende der fünfziger Jahre wurden handverlegbare Panzerabwehr- und Anti-Personenminen der ersten Generation beschafft. Technologisch wird dabei bei den effektivsten, im Zweiten Weltkrieg eingesetzten Minentypen angesetzt.

  • Übergang zu neuen Technologien
    In den siebziger Jahren gehört die Bundeswehr - zusammen mit den US-Streitkräften - zu den Armeen, die als erste fernverlegbare Minen einsetzen, um Personaleinsatz und -gefährdung zu reduzieren und die Geschwindigkeit der Minenverlegung sowie deren Flexibilität zu erhöhen. Diese Phase kann auch als technologische Feldversuchsphase für die in den achtziger Jahren stark expandierende Streuminenentwicklung angesehen werden.

  • Die Rundumerneuerung der achtziger und neunziger Jahre
    Entwicklung und Beschaffung von fernverlegbaren Landminen und mechanischen Verlegesystemen, die in kürzester Zeit große Zahlen von Minen über kleine, mittlere und große Entfernungen verbringen können, bestimmen den Charakter dieser Phase. Erweiterte technische Möglichkeiten - vor allem bedingt durch miniaturisierte Elektronik und verbesserte Sensoren sowie Veränderungen in der Einsatzkonzeption der Bundeswehr und der NATO gehen Hand in Hand. Der Abschied von Vorstellungen einer linearen oder relativ statischen Vorneverteidigung und die Hinwendung zu Vorstellungen des Kampfes in der ganzen Tiefe des Gefechtes, also auch gegen Ziele tief hinter gegnerischen Frontlinien werden kennzeichnend. Die Landmine wird nunmehr Mittel für alle Gefechtsarten, einschließlich von Gegenangriff und Angriff. "Intelligente" oder "autonome" Munition wird zum militärtechnischen Zukunftssymbol - gerade auch in der Bundeswehr.
     
     

2.1. Landminen in den fünfziger und sechziger Jahren

Die Informationen über die Ausstattung der Bundeswehr mit Landminen in den Gründerjahren sind eher spärlich. Eine bis in die Zeit der großen Koalition am Ende der sechziger Jahre äußerst exzessive Geheimhaltung, der erst zusammen mit Gründung der Bundeswehr und Wiederaufnahme der Rüstungsproduktion in der Bundesrepublik einsetzende Aufbau eines militärischen und militärisch-industriellen Fachpublikationswesens, sowie das in diesen Jahren vielfach auf die großen sicherheitspolitischen Debatten (Atomfrage, Großwaffen-Beschaffungen und -skandale) konzentrierte öffentliche Interesse taten lange ein Übriges, um den Wissensstand dürftig erscheinen zu lassen. Erst jüngste Veröffentlichungen erlauben genauere Aussagen.

Ende der fünfziger Jahre begann die Bundeswehr mit der Beschaffung ihrer ersten Schützen- und Panzerabwehrminen. Für beide Bereiche entschied man sich zunächst - wie in vielen anderen Rüstungsbereichen auch - zur Lizenzproduktion ausländischer Waffensysteme.
 
 

Die Schützenpanzermine DM-11 AP

Als Anti-Personenmine fiel die Wahl zunächst auf ein Produkt der schwedischen Firma LIAB (BMVg-IP-Stab, 1994) die metallose, d.h. amagnetische AP-Mine DM-11. Sie wurde ab 1959 beschafft (Deutscher Bundestag, 1995e, S.2) und von der deutschen Firma Diehl mit Sitz in Nürnberg/Röthenbach im Werk Mariahütte im Saarland in Lizenz hergestellt (Bennecke, Schöner 1984, S.148) und bei der Bundeswehr bis 1964 zu Kosten von 19,2 Mio. DM in großer Stückzahl eingeführt (Deutscher Bundestag, 1995e, S.4). Die Zahl der beschafften Minen wird von der Bundeswehr geheim gehalten, obwohl diese Minen 1994 aus dem Bestand entfernt wurden. Aus der Tatsache aber, daß noch 1994 rund 1,27 Mio. dieser Minen zur Vernichtung ausgesondert wurden (Deutscher Bundestag, 1995e, S.13) und aus der Annahme, daß eine Mine dieser Technologie zu Beginn der sechziger Jahre einschließlich aller Nebenkosten kaum mehr als 6 DM oder 6,50 DM gekostet haben dürfte, läßt sich schätzen, daß der Beschaffungsumfang mehr als 3 Mio. Stück betragen haben dürfte.

Die Schützenmine DM-11 besteht fast gänzlich aus Plastik und Sprengstoff. Sie wiegt nur 200 gr. Sie wirkt nach dem Prinzip der geballten Ladung und enthält zwischen 110 und 120 gr Sprengstoff. Ihr Durchmesser beträgt 8,1 cm, ihre Höhe lediglich 3,7 cm. Ausgelöst wird sie durch einen Druckzünder, der auf einen Druck von 5 bis 10 kg anspricht. Ihre Sprengkraft reicht aus, um auch an Fahrzeugen Schäden zu verursachen. Da diese Mine metallos ist, kann sie mit Minensuchgeräten kaum gefunden werden. Verlegt wird sie von Hand und zwar - solange die Einsatzregeln nicht verletzt werden - ausschließlich durch ausgebildete Pioniere. Zur Ausbildung an dieser Mine werden Übungsminen benutzt, die die Bezeichnung DM-18 tragen und mit einer Rauchladung benutzt werden können (BITS, 1995, Datenblatt DM-11 AP).
 
 

Die Panzerabwehrmine DM-11 AT

Als Panzerabwehrmine fiel die Wahl nach umfangreichen Versuchsreihen auf ein Produkt der französischen Firma Alsetex, das bei der Bundeswehr ebenfalls unter der Bezeichnung DM-11 eingeführt wurde. Hier wurde die deutsche Lizenzproduktion von der Firma Verwertchemie Liebenau (Bennecke, Schöner, 1984, S.148) durchgeführt.

Die Beschaffung der DM-11 AT für die Bundeswehr erfolgte in den Jahren 1958-1962 zu Gesamtkosten in Höhe von 92,4 Mio. DM (Deutscher Bundestag, 1995e, S.5). Die Zahl der beschafften Minen hält die Bundeswehr geheim, obwohl auch diese Minen im vergangenen Jahr aus dem Bestand ausgesondert wurden. Die Kosten lassen aber erneut auf eine sehr umfangreiche Beschaffung schließen. Geht man beispielsweise davon aus, daß eine Mine dieser Technologie in damaliger Zeit kaum mehr als etwa 40 oder 45 DM gekostet haben dürfte, so wäre zu folgern, daß mehr als 2 Mio. dieser Minen in Bundeswehrdepots eingelagert wurden. Noch 1994 hatte die Bundeswehr rund 491.000 dieser Minen im Bestand, als die Entscheidung fiel, diese zu vernichten (Deutscher Bundestag, 1995, S.13).

Bei der DM-11 handelt es sich um eine ebenfalls fast völlig metallose Mine von 30 cm Durchmesser, 9,5 cm Höhe und 7,4 kg Gewicht. Die Mine besteht aus einem Glaswolle-Sprengstoffgemisch, sodaß 7 kg Sprengstoff in ihr Platz finden. Sie verfügt über zwei Zündkanäle an der Seite und im Boden; ausgelöst wird sie normalerweise durch den Druckzünder DM 46, wenn ein Panzer mit seiner Kette darüber fährt. Der notwendige Druck beträgt bei senkrechter Belastung 150 kg, bei ruckartiger oder bei Belastungen der Ränder liegt er niedriger, manchmal nur bei 90 kg. Möglich ist aber auch eine Verwendung des Entlastungszünders DM-39 oder des Zugzünders DM-77, die in die zusätzlichen Zündkanäle eingeschraubt werden können. In der Regel wird die Mine offen verlegt. Gegen Räumung kann die DM-11 durch einen Aufhebeschutz, also einen Sprengsatz, der z.B. unter der Mine plaziert ist, gesichert werden. Die Mine muß von Hand verlegt werden, da sie nach Einbau des Zünders "nicht mehr handhabungssicher" ist (o.Verf. 1973, S.416). Dies ist konstruktionsbedingt. Der Druckdeckel der Mine ist nicht - wie bei vielen anderen Panzerminen - federnd gelagert, sondern mit dem Minenkörper aus einem Stück gefertigt. Bei Überfahrt eines Panzers führt der Druck der Kette dazu, daß eine Bruchnut unter dem Druckdeckel bricht und dieser auf den Zünder schlägt und somit die Mine zur Explosion bringt. Ist die Bruchnut aber einmal angebrochen, zum Beispiel durch eine Belastung, die zur Auslösung der Mine nicht groß genug war, so reicht danach ein wesentlicher geringerer Druck, um die Mine auszulösen. Von außen ist dies nicht festzustellen. Die Panzermine wird "eine etwas zu groß geratene Schützenmine" (o.Verf. 1973, S.418). Dieses Problem scheint auch die später geplante Nachrüstung mit einem geänderten Zünder nicht gelöst zu haben, denn noch 1988 weist ein Mitarbeiter des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung unter dem zwiespältigen Stichwort Räumresistenz darauf hin, daß eine "eine angebrochene Bruchnut (...) aus einer metallfreien PzMi (Panzermine) eine metallfreie Schützenmine werden" läßt (Müller, 1988, S.3). Zu Ausbildungszwecken wird die Übungspanzerabwehrmine DM-18 mit dem Übungszünder DM-36 verwandt. Eine Rauchladung für die Übungsmine ist vorhanden (BITS, 1995, Datenbankblatt DM-11, Pionierschule, 1993, Blatt DM-11, o. Verf., 1973, S.417). 
 
 

Die Schützenmine DM 31 AP

Bei den Industriewerken Karlsruhe, IWK (später Industriewerke Karlsruhe Augsburg, IWKA), begannen dagegen bereits früh Minenprojekte auf deutscher Technologiebasis. Die IWK meldeten bereits am 17. Dezember 1958 ein Springminengehäuse für eine Anti-Personenmine zum Patent an (Deutsches Patentamt, 1962). Ab 1962 wurde in Verantwortung dieser Firma die Anti-Personenmine DM-31 hergestellt und an die Bundeswehr bis 1967 ausgeliefert. Diese Beschaffung kostete 49,2 Mio. DM (Deutscher Bundestag, 1995e, S.5). Die Bundeswehr hält auch hier die Zahl der beschafften Minen geheim. Nach Angaben der Bundestagsabgeordneten Angelika Beer hält die Bundesregierung aber lediglich unter Verschluß, daß sie selbst nicht mehr weiß, wieviele dieser Minen einmal beschafft wurden.

Nach Schätzungen der Autoren dürfte die beschaffte Menge etwa 1 bis 1,5 Millionen Minen betragen haben, nimmt man an, daß eine solche Mine zur damaligen Zeit zwischen 30 und 45 DM gekostet haben dürfte. Der heutige Bundeswehrbestand an DM-31 AP dürfte aber deutlich niedriger sein, da im Rahmen der Munitionsüberwachung in den vergangenen fast dreißig Jahren sicher zwischen der Hälfte und zwei Dritteln der ursprünglich beschafften Minen ausgesondert oder abgegeben wurden. Die Autoren schätzen den heute noch vorhandenen Bundeswehrbestand konservativ auf 350.000 bis 400.000 DM-31. 

Die DM-31 ist eine Spring- und Splittermine. Wird sie ausgelöst, so wird sie durch Explosion einer Ausstoßladung in eine Höhe von 1 bis 1,2 Meter geschossen. Ein Verzögerungszünder für die Hauptladung sorgt dafür, daß sie erst dann explodiert und dabei 300-400 Metallsplitter verschießt. Bis auf mindestens 15 Meter Entfernung - manche Quellen gehen auch von bis zu 27 Meter aus - wirkt die Mine tödlich. Bis zu Entfernungen von 60 Meter werden noch Verletzungen hervorgerufen. Der Wirkradius der Splitter beträgt bis zu 100 Meter.

Technisch greift die DM-31 auf eine der gefürchtetsten Minen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg zurück, die Splitter-Mine 35 (Tresckow, 1975, S.399; Bergerhoff, 1957, S.H15; Gander, o.J., S.358). Diese wurde weiterentwickelt und nun für die Bundeswehr beschafft. Dabei handelt es sich um eine zylinderförmige Mine von 10,2 cm Durchmesser und 13,6 cm Höhe. Der Zündkanal liegt innen und ist von rund 500 gr Sprengstoff umgeben. Die Stahlsplitter befinden sich an der inneren Seite der Minengehäusewand. Das Gesamtgewicht der Mine beträgt ohne Zünder etwas mehr als 4 kg. Ausgelöst wird die Mine über einen Druck- und Zugzünder vom Typ DM-56, der in verschiedenen Versionen gefertigt wurde. Manche Quellen erwähnen auch einen elektrischen Zünder (DM-29). Für Ausbildungszwecke wird eine Übungsmine mit der Bezeichnung DM-28 eingesetzt, für die eine Rauchladung verfügbar ist. Die Mine kann also als Tret- oder Stolperdrahtmine und als Beobachtungsmine eingesetzt werden (BITS, 1995, Datenbanksatz DM-31; Tresckow, 1975, S.400).

Die DM-31 AP ist darüber hinaus ein gutes Beispiel für die Schwierigkeiten, Daten über die frühen Jahre der Minenproduktion in der Bundesrepublik zu erurieren. Nachfragen der Autoren beim Bundesverteidigungsministerium in Bonn ergaben lediglich, daß "die Schützenabwehrmine DM-31 (...) von einer deutschen Firma entwickelt und für die Bundeswehr beschafft" wurde (BMVg-IP-Stab, 1994). Die Firma Diehl, der die Mine durch die Fachbücher des britischen Jane's Verlages als Produkt zugewiesen wird (Jane's Military Logistics, 1989, S. 209), äußerte, daß die Produktbezeichnung IWK-185 in der Beschreibung nicht für Diehl, sondern für eine andere Firma stehe (Diehl, 1994a, S.1). Sie steht für die IWK, die Industriewerke Karlsruhe, heute IWKA. Bei der IWKA war zunächst nur zu erfahren, daß es sich nicht feststellen lasse, ob und wo diese Mine von der IWKA produziert wurde" (Telefonat Thomas Küchenmeister, Mai 1994). Eine ausführliche Literaturrecherche erbrachte schließlich die Industriewerke Karlsruhe als Produzent und Entwickler der Mine ans Licht. Mittlerweile erinnert man sich bei der IWKA auch offiziell wieder daran, daß man zumindest Gehäuse für Minen hergestellt hat (Lübecker Nachrichten, 23.9.95). 
 
 

Minen auch beim Bundesgrenzschutz

Auch der Bundesgrenzschutz besaß seit den fünfziger Jahren Landminen, vermutlich im Zusammenhang seiner Rolle, die Bundeswehr bei der Landesverteidigung zu unterstützen. Zwischen 1958 und 1974 verfügte der BGS über eine unbekannte Zahl von Panzerminen DM-11 und Anti-Personenminen DM-31 sowie die zugehörigen Zünder. Diese wurden 1974 an die Bundeswehr abgegeben bzw. zerstört. Zu diesem Zeitpunkt hatte der BGS noch 6.381 Panzerabwehrminen DM-11 und 4.948 Schützenabwehrminen DM-31 in seinem Bestand (Deutscher Bundestag, 1995d, S.1-2). Möglich ist, daß diese Regierungsangaben unvollständig sind. Auf Anfrage der Autoren wurde vom BMVg noch 1994 mitgeteilt, daß sich auch Anti-Personenminen vom Typ DM-11 in den BGS-Beständen befanden (BMVg 1994).
 
 

Mine oder nicht? Der Sprengkörper DM 39

Die Bundeswehr verfügt - unklar ist seit wann und in welchen Stückzahlen - über "Sprengkörper 300 Gramm mit Entlastungszünder, die zur Sicherung gegen Aufnahme von Panzerabwehrminen der Modelle DM-11 und DM-21 vorgesehen" sind (Deutscher Bundestag, 1995e, S.4). Im Klartext: Die bei der Bundeswehr eingeführten "Sprengkörper" werden außerhalb der Bundesrepublik als Anti-Personenminen bezeichnet (US-Department of Defense, 1995, Datensatz DM-39).

Die offizielle Bezeichnung der "Sprengkörper" lautet DM-39 und DM-39 A1. Ersterer hat ein Plastikgehäuse, der zweite ein Metallgehäuse. In diese sind je 300 gr Sprengstoff aus einem Gemisch von TNT und RDX eingegossen. Der Sprengkörper hat einen Durchmesser von 10 cm und eine Höhe von 4 cm und verfügt über einen Entlastungszünder, sowie einen zweiten Zündkanal an der Unterseite. Die Metallvariante wiegt 480 gr (BITS, 1995, Datenblatt DM-39; US-Department of Defense, Datensatz DM-39).

In der Regel wird die DM-39 unter einer Panzerabwehrmine verlegt. Wird versucht, die Panzermine wegzuräumen, so tritt der Entlastungszünder der DM-39 in Funktion und bringt diese zur Explosion. Die Detonationsstärke reicht aus, die Panzermine zu zünden. 
 
 

Die Minenausstattung der ersten Generation

Mit ihrer Grundausstattung, bestehend aus den Minentypen DM-11 AT, DM-11 AP und DM-31 AP verfügte die Bundeswehr seit den sechziger Jahren über für diese Zeit technologisch ausgesprochen hochwertige Munitionstypen. Nach Abschluß der Beschaffung dieser Grundausstattung, im Jahr 1967, verfügte die Bundeswehr in ihren Depots vermutlich über deutlich mehr als 6 Mio. Landminen, ein nicht unerheblicher Vorrat.

Mit den Typen DM-11 AT und DM-11 AP besaß sie entsprechend der militärischen Qualitätskriterien der fünfziger und sechziger Jahre hochwertige, völlig metallfreie Schützenabwehr- und Panzerabwehrminen. Mit der DM-31 war zudem eine metallhaltige, wiederauffindbare und vielseitig verwendbare weitere Mine zur Hand. Die Auswahl dieser weit entwickelten Minentechnologien bei der Bundeswehr dürfte nicht zuletzt aber auch auf den umfangreichen Erfahrungen mit Minenentwicklungen zu Zeiten des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkrieges fußen (vgl. Hahn, 1986, S.123-132).

Auch die Tatsache, daß die DM-11 (AP) und die DM-11 (AT) noch bis 1994 in den Beständen der Bundeswehr in großer Stückzahl zu finden waren, spricht dafür, daß - trotz aller später aufkommenden Kritik an Minentypen dieser Technologie - für die damalige Zeit erstklassige, weil besonders wirksame Technik gekauft wurde. Diese Sicht wird durch die Beobachtung unterstützt, daß die Bundeswehr diese Minen geraume Zeit nach Ende des Kalten Krieges und zudem erst im Kontext der breiten öffentlichen Kritik gerade an metallfreien, kaum auffindbaren Minen sowie der Diskussion über ein erweitertes oder völliges Verbot von Landminen außer Dienst gestellt hat.

Die Anti-Personenmine DM-31 (AP) soll auch künftig bei der Bundeswehr im Einsatz bleiben (Deutscher Bundestag, 1995e, S. 13). In den späten achtziger Jahren wurde für sie eine Kampfwertsteigerung bzw. Weiterentwicklung (bezeichnet als DM-41) eingeleitet, zu der die Entwicklung eines elektronischen Zünders durch die Firma Honeywell Regelsysteme (Heckmann, 1990, S.47) gehörte; dieses Vorhaben ist wieder eingestellt.

In den frühen Operationskonzepten der Bundeswehr (aber auch der NATO) spielten Minen eine relativ nachgeordnete, unterstützende Rolle für die allgemeine Verteidigungsplanung. In ihrer Funktion als Sperrmittel war ihnen bei der Verlangsamung eines angenommenen gegnerischen Angriffs und bei der Verweigerung geeigneten, unwegsamen Geländes eine Rolle zugewiesen, deren deutlichster Ausdruck sich Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre in der deutsch-amerikanischen Kontroverse über eine amerikanische "Sonderwaffe" auf deutschem Boden, die "Atomminen" niederschlug: Zeit zu gewinnen, Geländeverluste zu vermeiden, dem Gegner hohe Verluste zuzufügen und eine frühzeitige Niederlage konventioneller Verteidigungsoperationen zu verhindern.
 
 
 
 

2.2. Von der Handhabung zum Raketenwerfer - Die siebziger und frühen achziger Jahre

Mit dem Jahr 1967 war die Grundausstattung der Bundeswehr mit Landminen zunächst abgeschlossen. Ein moderner, großer Lagerbestand war verfügbar. Neu- und Nachbeschaffungen waren in naher Zukunft nicht erforderlich. Der Schwerpunkt der Weiterentwicklung des Minenpotentials der Bundeswehr verlagerte sich deshalb in den siebziger Jahren ausgehend von dem hohen verfügbaren technologischen Niveau auf die Forschung und Entwicklung neuer Minentypen und neuer Formen des Mineneinsatzes.
 
 

Neue Entwicklungen - Die Panzerabwehrmine DM-21

Die Industriewerke Karlsruhe (IWK) begannen mit der Entwicklung einer verbesserten Anti-Panzermine, und schufen damit auch bei AT-Minen die Voraussetzung für eine künftige, lizenzlose Minenproduktion in der Bundesrepublik. Als "Panzermine II" wurde eine etwa 10 kg schwere Mine mit Metallgehäuse entwickelt, die allen Bedürfnissen und militärischen Forderungen entsprechen sollte. Sie verfügte über einen Zünder mit einer Sicherung, die dafür sorgte, daß die Mine erst 5 Minuten nach dem Verlegen scharf wurde und war zudem wiederaufnehmbar (Matourek, 1983a, S.161). Sie konnte in geschärftem Zustand aus einem tieffliegenden Hubschrauber abgeworfen werden (Treskow, 1975, S.399). Mit ihrem neuartigen Druckzünder, einer Kippdeckelkonstruktion, die auf darüber fahrende Fahrzeuge, nicht aber auf den genau senkrecht auftreffenden Druck, z.B. der Druckwelle einer Atombombenexplosion anspricht, stellte sie "beinahe eine Idealmine dar, denn sie entsprach in fast allen Punkten den damaligen an eine "high-kill-Mine" zu stellenden Forderungen" (Tresckow, 1975, S.397).

Innerhalb der NATO neu vereinbarte, einheitliche technische Standards für Landminen machten es notwendig, die Konstruktion der Mine und ihres Zünders noch einmal zu überarbeiten, so daß sie nicht, wie ursprünglich geplant, bereits in den siebziger Jahren beschafft werden konnte.

Als Panzerabwehrmine DM-21 wurde diese IWK-Entwicklung in den Jahren 1980-1982 für die Bundeswehr beschafft. Hergestellt wurde die Mine von der Firma Diehl, vermutlich wiederum in Mariahütte. Die Kosten für die Beschaffung beliefen sich auf 88,1 Mio. DM (Deutscher Bundestag, 1995e, S.3). Über den Umfang der Beschaffung liegen keine Angaben vor, jedoch ist aufgrund der aufwendigen Konstruktion damit zu rechnen, daß von dieser recht teuren Mine keine allzu großen Stückzahlen beschafft wurden. Für diese Annahme spricht auch, daß die Bundeswehr zu diesem Zeitpunkt sicher noch über hohe Bestände der DM-11 AT verfügte und zu dieser vor allem eine wiederaufnehmbare, handhabungssicherere Ergänzungsmine suchte, nicht aber eine neue Standard-Panzerabwehrmine. Zudem dürften zu diesem Zeitpunkt bereits erste Planungen für die ab Mitte der achtziger Jahre anlaufende Beschaffung mechanisch verlegbarer Panzerminen existiert haben. Geht man davon aus, daß die DM-21 zu Beginn der achtziger Jahre etwa die halb soviel kostete wie die einige Jahre später beschaffte, technisch komplexere Panzerabwehrmine DM-31, so wäre ein Stückpreis von maximal 600 DM zu kalkulieren und somit ein Beschaffungsumfang von mindestens 150.000 Minen anzunehmen.

Wie es zu dem firmenseitigen Wechsel - Entwicklung durch die IWK, Produktion durch die Firma Diehl - kam, ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich spielte dabei eine Rolle, daß die IWK nach Firmenangaben die DM-21 in Oberndorf entwickelt hat (o.Verf. 1977, S.83), wo man im Besitz des Gewehr- und Kanonenherstellers Mauser-Werke Oberndorf war. Bei diesem Unternehmen wurde in Anfang der siebziger Jahren die Munitionsentwicklung der IWK-Gruppe konzentriert, indem die Karlsruher Entwicklungsabteilung nach Oberndorf verlegt wurde. Im Jahre 1979, also kurz vor Beginn der Serienfertigung für die DM-21, verkauften die Industriewerke die Firma Mauser zusammen mit anderen Anteilen der Rüstungsproduktion an die Firma Diehl (FAZ, 26.2.1979, S.11). Dabei ging auch die Munitionsentwicklung an Diehl über.

Bei der DM-21 handelt sich um eine durch Überfahrt eines Fahrzeugs ausgelöste Panzermine von 9 kg Gewicht (ohne Zünder) mit Aluminiumgehäuse. Sie enthält eine Hauptladung von 5 kg TNT sowie Verstärkungsladungen und den Zünder. Die Mine kann - wie sich nach der Umkonstruktion herausstellte, auch aus mehr als 10 Meter Höhe von Hubschraubern aus verlegt werden. Sie hat einen Durchmesser von 30 cm und eine Höhe von 9,8 cm. Ihre Kippdeckel-Zünderkonstruktion reagiert erst auf einen erheblichen Druck: mehr als 180 kg sind erforderlich. Ein freier Zündkanal am Unterboden ist vorhanden, der für die Ausbringung zusammen mit einem Räum- und Aufhebeschutz (DM-39) genutzt werden kann (BITS, 1995, Datenbanksatz DM-11 AT, Müller, 1988, S.3; Treskow, 1975, S.397).
 
 

Mehrfachraketenwerfer LARS und Panzerabwehrmine AT-1

Die siebziger Jahre sind in der Minenausstattung der Bundeswehr auch Vorbote des Übergangs zu einer deutlich veränderten Minenkriegführung. Nach Entwicklungsarbeiten, die bis in das Jahr 1956 zurückreichen (o.Verf., 1981, S.58), führt die Bundeswehr 1970 ein Waffensystem ein, das in den folgenden Jahren den Minenkampf in der Bundeswehr deutlich beeinflussen sollte: Den Mehrfachraketenwerfer LARS, das Leichte Artillerie-Raketen-System.

Bis zum Jahre 1972 laufen bei der Bundeswehr insgesamt 209 Werfer zu, die mit je 36 Abschußrohren ausgestattet sind. Ursprünglich sind die Raketenwerfer auf einem Magirus-Lkw-Chassis montiert, später werden sie auf MAN-Lkws ummontiert. Diese Werfer kosten 77,2 Mio. DM (Deutscher Bundestag, 1995e, S.9). Raketen zum Verschuß von Splitter- und Nebelgefechtsköpfen werden als erste beschafft.

Doch zeitgleich werden bereits der Sprengkopf "Pandora" und andere Teile für eine Minenrakete für den LARS-Werfer bei Dynamit Nobel entwickelt. Acht AT-1 Minen mit Wirkung gegen Panzer und Fahrzeuge passen in den Sprengkopf der Rakete, eine ebenfalls von Dynamit Nobel entwickelte Minenverteileinheit ermöglicht es, daß der Raketensprengkopf noch in der Luft zerlegt werden kann und die Minen freigesetzt werden können. 36 Rohre mit je 8 Minen - das bedeutet, daß ein einziger Werfer binnen nur 18 Sekunden 288 Minen über Entfernungen von 6 bis 14 km verschießen kann (Schröder-Hohensee, 1979, S.119). Eine Batterie von 8 LARS verschießt 2.304 AT-I Minen (Ministerrat der DDR (1988) S.3/16) mit ihren 288 Raketen einer Salve, die binnen lediglich 20 Sekunden abgefeuert wird (Mischke, 1974, S.24). Eine gewaltige Feuerkraft, die es erlaubt, ein Panzerbatallion mit 50 Panzern, die sich auf eine Fläche von vier Quadratkilometern verteilen, mittels 350 LARS Raketen in Minutenschnelle so mit einem riesiges Minenfeld zu umgeben, daß das Batallion es nicht mehr umfahren kann und ca. 40% seiner Panzer verliert (ebd. S.25). Nur 15 bis 20 Minuten werden benötigt, um den Raketenwerfer neu zu laden (Petersen, 1979, S.614). 

Die AT-1 ist eine Stabmine und gehört zu den Streuminen der 1. Generation. Sie ist 32,5 cm lang, ca. 7,5 cm breit und 10 cm hoch. Das Gehäuse besteht aus Plastik, bei einem Gesamtgewicht von 1,45 kg enthält sie 1 kg Sprengstoff. Die Mine wird von einem mechanischen Vibrations-Summationszünder ausgelöst, der auf den dauerhaften Druck reagiert, den Fahrzeuge bei Überfahren auslösen. Sie verfügt über eine Aufhebesperre, einen Selbstzerstörungsmechanismus. Die Sprengladung ist stark genug, das Fahrwerk gepanzerter Fahrzeuge zu zerstören (BITS, 1995, Datenbankblatt AT-1, Petersen, 1979, S.611; Held, 1986, S.246).

Mit Einführung der Minenrakete für LARS verfügt die Bundeswehr zum Ende der siebziger Jahre als erstes europäisches NATO-Land über eine artilleriegestütze Minenverlegetechnik. Militärexperten bescheinigten bereits damals nicht nur der amerikanischen, sondern auch der deutschen Industrie für den Bereich der Streuminen, der "scatterable mines", eine internationale Vormachtstellung (White, N.M., 1979, S. 10-23). Streuminen werden zwei Vorteile nachgesagt: Zum einen lassen sie sich erheblich schneller und flexibler verlegen. Zum anderen: Fernverlegbare Minensperren werden als erheblicher Gewinn für die eigenen militärischen Operationen betrachtet. Erstmals können nun Minensperren auch an Orten verlegt werden, an denen der Einsatz von Pionieren zu gefährlich oder gar nicht möglich ist, z.B. in unmittelbarer Feindnähe oder hinter den feindlichen Linien. Die Einführung der Werfertechnologien bzw. die Fernverlegbarkeit von Minen läßt erstmals auch die Hinwendung zu offensiven und gegenoffensiven Optionen in der Taktik des Minenkampfes erkennen.

Die Bedeutung, die dieser neuen Technologie beigemessen wird, äußert sich auch im Umfang der Beschaffung. Von 1978 bis 1980 werden 108,6 Mio. DM (Deutscher Bundestag, 1995e S.10) für die Beschaffung von 15.000 LARS-AT-1 Raketen mit je 8 AT-1 Minen ausgegeben. Für diese Raketen wurden also 120.000 AT-1 Minen gekauft. Den Produktionsauftrag erhält die Firma Diehl (Wehrdienst 571/1976). Mit der Produktion soll bereits im Frühjahr 1976 begonnen worden sein (Wehrdienst 18.10.76).

Das Tempo der technologischen Entwicklung und der Charakter dieser Jahre als Testphase für die Implementierung einer neuen Generation von Minen und Minenverlegetechnik läßt sich unschwer auch daran erkennen, daß der Nachfolger für die AT-1 bereits bei Dynamit Nobel in der Endphase der Entwicklung ist, während die Vorgängermine noch produziert wird (Wehrdienst 653/1978). Nur ein Jahr nach Ende der Beschaffung der Minenraketen mit AT-1 beginnt die Beschaffung des Nachfolgemodells, der Minenrakete AT-2.
 
 


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