Studie in Kooperation mit Oxfam Deutschland e.V.
ISBN 3-9809965-2-2
März 2005

Seite 2


“Made in Germany” inside
Komponenten - die vergessenen Rüstungsexporte

von Otfried Nassauer und Christopher Steinmetz

 

1. Exporte von deutschen Rüstungskomponenten

Im Vergleich zu der kritischen Auseinandersetzung mit dem Export großer Waffensysteme und Waffenplattformen, wie z. B. U-Booten und Panzern, fristen Diskussionen um den Export von Rüstungskomponenten in Öffentlichkeit und Politik ein Schattendasein. Seit Jahrzehnten entgeht damit der wesentlich größere Teil der deutschen Rüstungsexporte einer systematischen Erfassung und kritischen Bewertung. Solange es nur um den Export kompletter Waffensysteme geht, fällt es jeder Bundesregierung leicht, sich in der Öffentlichkeit als Vorreiter einer restriktiven Rüstungsexportpolitik darzustellen.

Dabei ist der politische Handlungsbedarf gerade auf dem Gebiet der Rüstungskomponenten groß – sofern man verhindern will, dass deutsche Rüstungstechnologie auch in Zukunft bei Kriegshandlungen in aller Welt eingesetzt wird sowie an Regierungen geliefert wird, die einen Angriffskrieg vorbereiten, Menschenrechte systematisch verletzen oder durch Rüstungsausgaben die Chancen für nachhaltige Entwicklung verringern.

In dieser Studie werden "Rüstungskomponenten" allgemein als Güter verstanden, die als Bestandteil in ein Waffensystem, eine Waffenplattform (z. B. Kampfflugzeug, Kriegsschiff oder Panzer) oder eine Waffe (z. B. eine Rakete) eingebaut werden können oder andere Rüstungsgüter sind (z. B. Treibladungen und Zünder für Munition) oder besonders für militärische Zwecke konstruiert sind oder der Produktion von Rüstungsgütern dienen. Zu den Rüstungskomponenten zählen natürlich auch alle "Güter mit sowohl zivilem und militärischem Verwendungszweck" (Dual-use), die militärisch verwendet werden. [1]

 


1.1 "Made in Germany" weltweit mit von der Partie

 

1.1.1 Deutsche Rüstungskomponenten im Irak

Bei dem Angriff der USA, Großbritanniens und ihrer Verbündeten auf den Irak im März 2003 und der anschließenden Besetzung des Landes kamen deutsche Rüstungskomponenten in großer Zahl und als Teile vieler Waffensysteme zum Einsatz. Auf sandigem Wüstenboden bewegten sich die britischen Panzerhaubitzen "AS 90" auf Ketten der deutschen Firma Diehl Remscheid und mit Getrieben der Zahnradfabrik Friedrichshafen gut voran [Vgl. Projekt 1 im Anhang 1][2]. Britische Infanteriesoldaten hielten vom deutschen Hersteller Heckler & Koch modernisierte Sturmgewehre des Modells "SA 80 A2" in den Händen. Auf einigen dieser Gewehre war auch der Heckler & Koch Granatwerfer "AG 36" montiert [Projekt 2]. Die Zielerfassung der amerikanischen F-15E- und F-16C/D- Kampfflugzeuge gelang unter Mitwirkung der Infrarot-Sensortechnik und der Kühlsysteme der Firma AEG Infrarotmodule GmbH, die seit 1986 die US-Streitkräfte beliefert [Projekt 3]. Elektronische Zünder von Junghans Feinwerktechnik und Treibladungen des Herstellers Nitrochemie sorgten dafür, dass diverse Munitionsarten der Streitkräfte der USA und Großbritanniens zuverlässig explodierten [Projekte 4 und 5]. Heute stocken die zuletzt genannten Firmen die Munitionsvorräte beider Staaten wieder auf – ein lukratives Folgegeschäft. Ende 2003 wurden die ersten 300 "Stryker"-Kampffahrzeuge von den US-Streitkräften in den Irak verlegt, um mobiler gegen irakische bewaffnete Gruppen vorgehen zu können. Geschützt werden sie durch die Panzerungstechnologie des deutschen Ingenieurbüros Deisenroth [Projekt 6]. Die Zahl der direkten und indirekten Opfer deutscher Wehrtechnik im Rahmen dieses Krieges wird sich sicher nie ermitteln lassen. Auch wenn die Bundesregierung diesen Krieg offiziell ablehnt, hat doch die deutsche Rüstungsindustrie durch Zulieferungen an Großbritannien und die USA ihren Beitrag dazu geleistet. Die Bundesregierung hat diese Tatsache geduldet.

 

1.1.2 Deutsche Rüstungskomponenten in Bürgerkriegen

Schon oft waren Lieferungen deutscher Waffensysteme an Bürgerkriegsparteien Gegenstand innenpolitischer Auseinandersetzungen in Deutschland. Dies führte in einigen Fällen zur Ablehnung oder zur Vertagung von Genehmigungsentscheidungen. Bei Exporten von Komponenten und bei Bereitstellung von rüstungstechnologischem Know-how war das hingegen selten der Fall. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist Nepal. Seit 1996 befindet sich das Land in einem Bürgerkrieg, der 2001 durch einen blutigen Putschversuch und durch die Verhängung des Ausnahmezustandes weiter eskalierte. Zu Recht verweigerte die Bundesregierung Anfang 2002 die Genehmigung für den Export von "G-36"-Sturmgewehren in das Bürgerkriegsland. Gleichzeitig genehmigte sie aber zwischen 1999 und 2002 den Export von Munitions-Bestandteilen, einer ballistischen Mess- und Prüfanlage sowie Teilen einer Munitions-Produktionsanlage im Wert von insgesamt mehr als 2,2 Mio. € [Projekt 7].[3]

Ein trauriger Klassiker dieser Art doppelter Standards sind die Rüstungsexporte in die Türkei. Weder der jahrzehntelange Bürgerkrieg gegen die kurdische Bevölkerung im Osten des Landes und die Verweigerung von elementaren Menschenrechten für einen Teil der Bürger noch die andauernde militärische Besetzung Nordzyperns schadeten ernsthaft der Rüstungskooperation. In Einzelfällen wurde zwar zeitweise den Exporten ganzer Waffensysteme ein politischer Riegel vorgeschoben – wie z. B. 1999/2000 bei der Voranfrage der türkischen Armee wegen des Kaufs von etwa 1.000 "Leopard 2"-Kampfpanzern.[4] Der deutsch-türkische Komponententransfer wurde dagegen selten eingeschränkt und im Gegenteil sogar häufig von der Bundesregierung mitfinanziert, wie z. B. für die "M 44"- und "M 52"-Panzerhaubitzen. Bis 2003 wurden auch 4.000 "Stinger"-Boden-Luft-Raketen bzw. Teile dafür im Rahmen eines Kooperationsprogramms in die Türkei geliefert. Mit deutschen Rüstungsgütern und Know-how wurden zwischen 1998 und 2003 U-Boote modernisiert bzw. in Lizenz nachgebaut [Projekt 8]. Deutsche Dieselmotoren werden über den Umweg Südkorea und Israel sowohl in türkische Panzerhaubitzen als auch in Panzer eingebaut [Projekt 9]. Mit deutschem Know-how wird seit 2001 auch eine Munitionsfabrik errichtet, die 5,56-mm-Munition für in deutscher Lizenz gefertigte "HK 33E"-Gewehre produziert [Projekt 10].

 

1.1.3 Deutsche Rüstungskomponenten in Embargo-Staaten

Selbst dort, wo die internationale Gemeinschaft Waffenembargos verhängt hat, kommt deutsche Rüstungstechnologie häufig weiter zum Einsatz. Ein Beispiel ist die VR China, gegen die seit dem Tiananmen-Massaker von 1989 ein EU-Embargo in Kraft ist, das den Export von konventionellen Waffen und sonstigen Rüstungsgütern untersagt.[5] Trotzdem ist es der chinesischen Armee möglich gewesen, wenigstens zwei komplette Baureihen gepanzerter Rad- und Kettenfahrzeuge mit Dieselmotoren der Firma Deutz auszustatten: allen voran die in größeren Stückzahlen eingeführte "WZ-551"-Baureihe mit allen ihren Varianten vom gepanzerten Transportfahrzeug bis hin zur mobilen Artillerie [Projekt 11]. Gegenwärtig wird außerdem die neueste Generation der konventionell angetriebenen U-Boote des Typs "Song 039G" der chinesischen Marine mit Dieselmotoren-Technologie der deutschen Firma MTU Friedrichshafen ausgestattet [Projekt 12]. Gerade das Beispiel China ist ein Indiz für bestehende, besorgniserregende Lücken im deutschen Rüstungsexportkontrollsystem. Nach gültiger Gesetzeslage unterliegen Antriebsmotoren für militärische Land- und Seefahrzeuge, ein Exportschlager der deutschen Industrie, nicht oder nur in wenigen Ausnahmefällen der Genehmigungspflicht nach AWG und KWKG.[6] Da diese Lücken über mehr als ein Jahrzehnt lang nicht geschlossen wurden, muss von einer stillschweigenden politischen Duldung aus-gegangen werden.

 

1.1.4 Deutsche Rüstungskomponenten in Krisenregionen

Deutsche Rüstungskomponenten und Rüstungstechnologien finden sich in den meisten Krisenregionen der Welt – häufig in den Arsenalen aller dortigen potenziellen Konfliktparteien. Besonders im Nahen Osten verfügt die deutsche Rüstungsindustrie über treue Kundschaft. Sowohl die israelischen Kampfpanzer "Merkava 3" als auch die ägyptischen "M1A1" und die saudischen "M1A2" verschießen ihre Munition mit der 120-mm-Kanone von Rheinmetall [Projekte 13 und 14]. Die "Merkava 4" Israels und die "Leclerc"-Kampfpanzer der Vereinigten Arabischen Emirate bewegen sich mit dem "Europowerpack" von MTU durch den Sand [Projekte 15 und 16]. Mit einigen Staaten der Region, u. a. mit Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten, hat die Bundesregierung Vereinbarungen zur Rüstungskooperation unterzeichnet, die zukünftig zu Komponenten- und Know-how-Transfer führen können.[7]

 

1.2 Aus den Augen, aus dem Sinn, aus der Kritik

Die folgenden Beispiele vermitteln eine erste Übersicht über das Ausmaß der Verbreitung deutscher Rüstungskomponenten. Am deutlichsten wird dies bei Motoren und Getrieben für Landfahrzeuge und Schiffe. Die deutschen Rüstungsfirmen MTU-Friedrichshafen und Mercedes (beide gehören zur Daimler-Chrysler AG), Deutz AG, Zahnradfabrik Friedrichshafen AG (Zeppelin Stiftung) und Renk AG (Teil der MAN AG) gehören hier zu den führenden Zulieferern.

Die Renk AG liefert nach eigenen Angaben Schaltgetriebesysteme für die Gasturbinenmotoren "LM 2500" von General Electric, dem Marktführer bei schweren Kriegsschiffsmotoren. Diese Motoren wurden bis 2000 u. a. in insgesamt 38 Fregatten und Korvetten der Marinen Brasiliens, Chinas, Griechenlands, Portugals und der Türkei eingebaut.[8] Die flächendeckende Verbreitung deutscher Motorentechnologie veranschaulicht exemplarisch die Tabelle zu Südostasien in Anhang 2 dieser Studie.

Die deutsche Rüstungsindustrie hat sich als Zulieferer für Motoren, Getriebe und modernste Radartechnologie sowie in anderen Technologie-Nischen weltweite Absatzmärkte gesichert. Sie konkurriert weltweit häufig nur mit zwei oder drei anderen Anbietern ähnlicher Qualität.

Ein Beispiel ist der Panzerketten-Hersteller Diehl Remscheid. Derzeit hat das Unternehmen laut Eigenwerbung Panzerketten für mindestens 21 Typen ausländischer Panzerfahrzeuge im Angebot, z. B. die Panzerketten für den österreichischen Jagdpanzer "SK 105 Kürassier".[9] Mit diesem zusammen wurden sie etwa nach Argentinien (112 "Kürassier"-Panzer), Bolivien (36), Botswana (20), Brasilien (18), Marokko (100) und Tunesien (55) exportiert. In den letzten Jahren hat sich das Unternehmen zwei zusätzliche Absatzmärkte erschlossen. 2003 vereinbarte Diehl mit der polnischen Firma Bumar Labedy und den malaiischen Streitkräften, etwa 40 Kampfpanzer "PT-91" mit den neuen Systemketten "840i" auszustatten [Projekt 17]. Diehl-Ketten werden auch an dem neuesten Modell des belorussischen Truppentransportpanzers "3T" angebracht werden. Der neue belorussische Spähpanzer "2T Stalker", dessen Produktion anläuft, fährt bereits mit den extra leisen Panzerketten der Firma Diehl [Projekt 18].

Militärische Kommunikationstechnologie findet sich laut Eigenwerbung der deutschen Firma Rohde & Schwarz u. a. bei den Marinestreitkräften von Argentinien, Chile, China, Kuwait, Oman, Malaysia, Saudi Arabien, Singapur und Thailand. [10] Im letzten Jahr erhielt Rohde & Schwarz den Auftrag für die Lieferung von Radioanlagen für die brasilianischen Kampfflugzeuge des Typs "EMB 314 ALX" sowie von mobilen Radios für das Heer [Projekt 19].

Rüstungsfirmen wie die LITEF GmbH oder die Gesellschaft für inertiale Mess- Automatisierungs- und Regelsysteme mbH (iMAR) liefern zentrale Komponenten für modernste Ortungs-, Stabilisierungs- und Kommunikationselektronik, die weltweit in Kriegsschiffen, Panzern und Kampfflugzeugen Verwendung findet.[11] In diesem Bereich ist die Jenoptik-Tochter Extel Systems Wedel tätig. Deren Stabilisierungssysteme für Geschütztürme wurden u. a. in die israelischen Kampfpanzer vom Typ "Merkava 3" eingebaut [Projekt 13].

Ein weiteres Unternehmen, das diskret im Hintergrund agiert, ist die zum Thyssen Krupp Konzern gehörende Rothe Erde GmbH. Deren besonders gefertigte Wälzlager für bessere Drehbewegungssteuerung werden in vielen Panzergefechtstürmen und Schiffsgeschützen eingesetzt. Manche sind Exportschlager, wie das schwedische 57-mm-"Bofors-SAK-27"-Geschütz, das auf die Schiffe der indonesischen und mexikanischen Marine montiert wurde. Auch das 76-mm-Geschütz der italienischen Firma Oto Melara verwendet Wälzlager der Rothe Erde GmbH und wurde bereits an 55 Marinen weltweit ausgeliefert.[12]

Deutsche Rüstungskomponenten sind also oft "mit von der Partie". Auch wenn die Mehrzahl der zugelieferten Komponenten relativ klein ist und sich nach dem Einbau in ein Waffen-system nur schwer von Außen erkennen lassen: Sie sind für den wirkungsvollen Einsatz dieser Waffen im Gefecht sehr häufig von entscheidender Bedeutung.

 

1.3 "Rechnung mit vielen Unbekannten" – quantitative Abschätzung des Exports von Rüstungskomponenten

Die exemplarische Zustandsbeschreibung in diesem Kapitel lässt erahnen, in welchem Ausmaß deutsche Rüstungskomponenten global verbreitet werden. Dass sich der deutsche Export von Komponenten derzeit nur über Einzelbeispiele erschließt, ist vor allem der lückenhaften Berichterstattung der Bundesregierung geschuldet. Erst seit fünf Jahren veröffentlicht die Bundesregierung überhaupt regelmäßige Informationen zu deutschen Rüstungsexporten. In den jährlichen "Berichten der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter" (Rüstungsexportberichte) fehlen allerdings detaillierte statistische Angaben zum tatsächlichen Export von konventionellen Waffen und sonstigen Rüstungsgütern. Genaue Aussagen über den Komponentenhandel mit anderen Staaten lassen sich aus den Berichten kaum ableiten.

In dem nach Empfängerstaaten gegliederten Anhang der jeweiligen Rüstungsexportberichte zu den erteilten Einzelgenehmigungen fehlen systematische Angaben

  • zum konkreten Exportprodukt (z. B. ob der Export eines kompletten Waffensystems oder von Komponenten genehmigt wurde),
  • zum Umfang des genehmigten Exportgeschäfts (Stückzahl) und,
  • bei Komponenten, Informationen zu deren Einbau und Weiterverarbeitung (Verwendungszweck).

Drei strukturelle Versäumnisse schwächen die Aussagekraft der Rüstungsexportberichte
zusätzlich:

  • Zu den realen (tatsächlich erfolgten) Exporten von Waffen werden nur wenige Angaben gemacht, zu jenen von sonstigen Rüstungsgütern gar keine.
  • Die Sammelausfuhrgenehmigungen werden weder nach Empfängerländern noch nach Art der Rüstungsgüter präzisiert.
  • Die erteilten Genehmigungen und realen Exporte für Güter mit sowohl zivilem wie
    militärischem Verwendungszweck (Dual-use-Güter) fehlen ganz.

Die beschriebenen Mängel ermöglichen zunächst nur eine sehr grobe Abschätzung des anteiligen Volumens der Komponentenexporte an den erteilten deutschen Rüstungsexportgenehmigungen und an den realen Exporten.

Zuerst sollen die erteilten Genehmigungen betrachtet werden. Addiert man für die Jahre 1999 bis 2003 sämtliche Posten der Ausfuhrliste Teil 1 A "Liste für Waffen, Munition und Rüstungsmaterial" (AL 1 A), die sich nur auf einzelne Exportgenehmigungen für "sonstige Rüstungsgüter" und Produktionsanlagen sowie Technologietransfer beziehen, kommt man auf folgenden Mindestanteil der erteilten Exportgenehmigungen für Rüstungskomponenten: Zwischen 1999 und 2003 wurden mit Sicherheit 18.897 Lizenzen (oder 33 %) für den Export von Rüstungskomponenten im Wert von 4,84 Mrd. € (oder 25 %) erteilt. Addiert man dazu noch das pauschal angegebene Volumen für die Sammelausfuhrgenehmigungen (SAG) von 9,96 Mrd. €, die ausschließlich Rüstungskomponenten umfassen, erhöht sich der Wertanteil auf etwa 14,8 Mrd. € oder 54 % (weitere Erläuterungen siehe Anhang 3 B).[13] Diese 14,8 Mrd. € können als das absolute Minimum des Komponentenanteils angesehen werden. Der Komponentenanteil in den anderen Positionen der Ausfuhrliste für Landsysteme, Flugzeuge und Munition kann dagegen nicht näher bestimmt werden.[14]

Zu den realen Exporten von Rüstungskomponenten kann man noch viel weniger sagen. Für Exporte von Gütern der Kriegswaffenliste Teil B (KWL B) im Wert von 254 Mio. € (immerhin 6 %) werden in den fünf bisherigen Rüstungsexportberichten nicht einmal die Empfängerstaaten durchgehend genau benannt. Außerdem veröffentlicht die Bundesregierung dort nur die Zahlen für tatsächlich durchgeführte Exporte von Kriegswaffen, d. h. von konventionellen Waffen und einigen (wenigen) Rüstungskomponenten laut KWL B.

Aus der Gegenüberstellung der Wertangaben zu den realen Exporten gemäß KWL B mit den jährlichen Meldungen der Bundesregierung zu den Exporten von Waffensystemen an die
Abrüstungsbehörde der Vereinten Nationen kann man schließen, dass nur etwa 60 % des
gesamten Exportvolumens von 4,11 Mrd. € zwischen 1999 und 2003 auf den Export kompletter Waffensysteme zurückzuführen ist. Der Rest könnten Exporte der Komponenten der KWL B sein. Allerdings ist eine solche Wertangabe solange ohne Aussagekraft, wie weitere Informationen zum konkreten Rüstungsprodukt und der gelieferten Stückzahl fehlen.

Festzuhalten ist: Die Bundesregierung trägt wenig dazu bei, Ausmaß und Umfang der deutschen Exporte von Rüstungskomponenten offen zu legen. Als Nebeneffekt dieses Mangels bleibt der Anschein einer restriktiven Rüstungsexportpolitik nach außen gewahrt. Die Informationsverweigerung fußt auf zwei Argumentationen. Einerseits verweist die Bundesregierung darauf, dass das Bundesstatistikgesetz und das Verwaltungsverfahrensgesetz die Erhebung und Veröffentlichung solcher Daten erschweren, bzw. nicht zulassen würden. Damit werden diese Informationen de facto zu Geheimdaten erklärt.[15] Andererseits vergleicht sie vor der Öffentlichkeit nicht miteinander vergleichbare Dinge – nämlich Exportgenehmigungen gemäß Ausfuhrliste Teil 1 A mit realen Exporten gemäß Kriegswaffenliste Teil B. Damit soll belegt werden, dass die erteilten Ausfuhrgenehmigungen für Einzelgeschäfte nur das theoretisch maximal mögliche Rüstungsexportvolumen darstellen, in der Praxis aber weitaus weniger exportiert wird. Dieser Logik nach wäre ein Großteil der statistischen Differenz von etwa 13,5 Mrd. € zwischen den erteilten Einzelgenehmigungen (17,65 Mrd. €) und den realen Exporten gemäß KWL B (4,11 Mrd. €) für die Jahre 1999 bis 2003 nur auf das nachträgliche Scheitern oder Vertagen von Rüstungsexportgeschäften zurückzuführen. Dies erscheint wenig glaubhaft. Aber in welchem Umfang genehmigte Rüstungsgüter und damit auch Komponenten tatsächlich exportiert wurden, bleibt weitgehend im Dunkeln.

Die Argumentationslinie der Bundesregierung ist insgesamt äußerst fragwürdig. In der Vergangenheit hat sie immer wieder bewiesen, dass sie durchaus detailliertere Informationen über den Export von Rüstungskomponenten veröffentlichen kann und darf. Jährlich erhalten zum Beispiel die Bundestagsabgeordneten diverser Ausschüsse aggregierte Informationen zu Wert und Anzahl der erteilten Genehmigungen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck. Die Bundesregierung war z. B. 1998 in der Lage, vor dem Bundestag die Exportgenehmigungen für die Türkei von "Kriegswaffen" gemäß KWL B und "sonstigen Rüstungsgütern" gemäß AL 1 A getrennt auszuweisen.[16] Wiederholt wurden den Abgeordneten auf Nachfrage auch die Stückzahlen der tatsächlich gelieferten Rüstungsgüter genannt.

Solange solche verfügbaren Informationen nicht in den jährlichen Rüstungsexportbericht einfließen, muss davon ausgegangen werden, dass die Bundesregierung kein Interesse daran hat, das wirkliche Ausmaß des deutschen Handels mit Rüstungskomponenten offen zu legen und ihre Behauptung einer "restriktiven Rüstungskontrollpolitik" daran messen zu lassen.




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