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Komponenten - die vergessenen Rüstungsexporte
von Otfried Nassauer und Christopher Steinmetz
Im Vergleich zu der kritischen Auseinandersetzung mit dem Export
großer Waffensysteme und Waffenplattformen, wie z. B. U-Booten und Panzern, fristen
Diskussionen um den Export von Rüstungskomponenten in Öffentlichkeit und Politik ein
Schattendasein. Seit Jahrzehnten entgeht damit der wesentlich größere Teil der deutschen
Rüstungsexporte einer systematischen Erfassung und kritischen Bewertung. Solange es nur
um den Export kompletter Waffensysteme geht, fällt es jeder Bundesregierung leicht, sich
in der Öffentlichkeit als Vorreiter einer restriktiven Rüstungsexportpolitik
darzustellen.
Dabei ist der politische Handlungsbedarf gerade auf dem Gebiet der
Rüstungskomponenten groß sofern man verhindern will, dass deutsche
Rüstungstechnologie auch in Zukunft bei Kriegshandlungen in aller Welt eingesetzt wird sowie an Regierungen
geliefert wird, die einen Angriffskrieg vorbereiten, Menschenrechte systematisch verletzen
oder durch Rüstungsausgaben die Chancen für nachhaltige Entwicklung verringern.
In dieser Studie werden "Rüstungskomponenten" allgemein als
Güter verstanden, die als Bestandteil in ein Waffensystem, eine Waffenplattform (z. B.
Kampfflugzeug, Kriegsschiff oder Panzer) oder eine Waffe (z. B. eine Rakete) eingebaut
werden können oder andere Rüstungsgüter sind (z. B. Treibladungen und Zünder für
Munition) oder besonders für militärische Zwecke konstruiert sind oder der Produktion
von Rüstungsgütern dienen. Zu den Rüstungskomponenten zählen natürlich auch alle
"Güter mit sowohl zivilem und militärischem Verwendungszweck" (Dual-use), die
militärisch verwendet werden. [1]
1.1.1 Deutsche Rüstungskomponenten im Irak
Bei dem Angriff der USA, Großbritanniens und ihrer Verbündeten auf
den Irak im März 2003 und der anschließenden Besetzung des Landes kamen deutsche
Rüstungskomponenten in großer Zahl und als Teile vieler Waffensysteme zum Einsatz. Auf
sandigem Wüstenboden bewegten sich die britischen Panzerhaubitzen "AS 90" auf
Ketten der deutschen Firma Diehl Remscheid und mit Getrieben der Zahnradfabrik
Friedrichshafen gut voran [Vgl. Projekt 1 im Anhang 1][2]. Britische Infanteriesoldaten
hielten vom deutschen Hersteller Heckler & Koch modernisierte Sturmgewehre des Modells
"SA 80 A2" in den Händen. Auf einigen dieser Gewehre war auch der Heckler &
Koch Granatwerfer "AG 36" montiert [Projekt 2]. Die Zielerfassung der
amerikanischen F-15E- und F-16C/D- Kampfflugzeuge gelang unter Mitwirkung der
Infrarot-Sensortechnik und der Kühlsysteme der Firma AEG Infrarotmodule GmbH, die seit
1986 die US-Streitkräfte beliefert [Projekt 3]. Elektronische Zünder von Junghans
Feinwerktechnik und Treibladungen des Herstellers Nitrochemie sorgten dafür, dass diverse
Munitionsarten der Streitkräfte der USA und Großbritanniens zuverlässig explodierten
[Projekte 4 und 5]. Heute stocken die zuletzt genannten Firmen die Munitionsvorräte
beider Staaten wieder auf ein lukratives Folgegeschäft. Ende 2003 wurden die
ersten 300 "Stryker"-Kampffahrzeuge von den US-Streitkräften in den Irak
verlegt, um mobiler gegen irakische bewaffnete Gruppen vorgehen zu können. Geschützt
werden sie durch die Panzerungstechnologie des deutschen Ingenieurbüros Deisenroth
[Projekt 6]. Die Zahl der direkten und indirekten Opfer deutscher Wehrtechnik im Rahmen
dieses Krieges wird sich sicher nie ermitteln lassen. Auch wenn die Bundesregierung diesen
Krieg offiziell ablehnt, hat doch die deutsche Rüstungsindustrie durch Zulieferungen an
Großbritannien und die USA ihren Beitrag dazu geleistet. Die Bundesregierung hat diese
Tatsache geduldet.
1.1.2 Deutsche Rüstungskomponenten in Bürgerkriegen
Schon oft waren Lieferungen deutscher Waffensysteme an
Bürgerkriegsparteien Gegenstand innenpolitischer Auseinandersetzungen in Deutschland.
Dies führte in einigen Fällen zur Ablehnung oder zur Vertagung von
Genehmigungsentscheidungen. Bei Exporten von Komponenten und bei Bereitstellung von
rüstungstechnologischem Know-how war das hingegen selten der Fall. Ein Beispiel aus
jüngerer Zeit ist Nepal. Seit 1996 befindet sich das Land in einem Bürgerkrieg, der 2001
durch einen blutigen Putschversuch und durch die Verhängung des Ausnahmezustandes weiter
eskalierte. Zu Recht verweigerte die Bundesregierung Anfang 2002 die Genehmigung für den
Export von "G-36"-Sturmgewehren in das Bürgerkriegsland. Gleichzeitig
genehmigte sie aber zwischen 1999 und 2002 den Export von Munitions-Bestandteilen, einer
ballistischen Mess- und Prüfanlage sowie Teilen einer Munitions-Produktionsanlage im Wert
von insgesamt mehr als 2,2 Mio. [Projekt 7].[3]
Ein trauriger Klassiker dieser Art doppelter Standards sind die
Rüstungsexporte in die Türkei. Weder der jahrzehntelange Bürgerkrieg gegen die
kurdische Bevölkerung im Osten des Landes und die Verweigerung von elementaren
Menschenrechten für einen Teil der Bürger noch die andauernde militärische Besetzung
Nordzyperns schadeten ernsthaft der Rüstungskooperation. In Einzelfällen wurde zwar
zeitweise den Exporten ganzer Waffensysteme ein politischer Riegel vorgeschoben wie
z. B. 1999/2000 bei der Voranfrage der türkischen Armee wegen des Kaufs von etwa 1.000
"Leopard 2"-Kampfpanzern.[4] Der deutsch-türkische Komponententransfer wurde
dagegen selten eingeschränkt und im Gegenteil sogar häufig von der Bundesregierung
mitfinanziert, wie z. B. für die "M 44"- und "M 52"-Panzerhaubitzen.
Bis 2003 wurden auch 4.000 "Stinger"-Boden-Luft-Raketen bzw. Teile dafür im
Rahmen eines Kooperationsprogramms in die Türkei geliefert. Mit deutschen
Rüstungsgütern und Know-how wurden zwischen 1998 und 2003 U-Boote modernisiert bzw. in
Lizenz nachgebaut [Projekt 8]. Deutsche Dieselmotoren werden über den Umweg Südkorea und
Israel sowohl in türkische Panzerhaubitzen als auch in Panzer eingebaut [Projekt 9]. Mit
deutschem Know-how wird seit 2001 auch eine Munitionsfabrik errichtet, die
5,56-mm-Munition für in deutscher Lizenz gefertigte "HK 33E"-Gewehre produziert
[Projekt 10].
1.1.3 Deutsche Rüstungskomponenten in Embargo-Staaten
Selbst dort, wo die internationale Gemeinschaft Waffenembargos
verhängt hat, kommt deutsche Rüstungstechnologie häufig weiter zum Einsatz. Ein
Beispiel ist die VR China, gegen die seit dem Tiananmen-Massaker von 1989 ein EU-Embargo
in Kraft ist, das den Export von konventionellen Waffen und sonstigen Rüstungsgütern
untersagt.[5] Trotzdem ist es der chinesischen Armee möglich gewesen, wenigstens zwei
komplette Baureihen gepanzerter Rad- und Kettenfahrzeuge mit Dieselmotoren der Firma Deutz
auszustatten: allen voran die in größeren Stückzahlen eingeführte
"WZ-551"-Baureihe mit allen ihren Varianten vom gepanzerten Transportfahrzeug
bis hin zur mobilen Artillerie [Projekt 11]. Gegenwärtig wird außerdem die neueste
Generation der konventionell angetriebenen U-Boote des Typs "Song 039G" der
chinesischen Marine mit Dieselmotoren-Technologie der deutschen Firma MTU Friedrichshafen
ausgestattet [Projekt 12]. Gerade das Beispiel China ist ein Indiz für bestehende,
besorgniserregende Lücken im deutschen Rüstungsexportkontrollsystem. Nach gültiger
Gesetzeslage unterliegen Antriebsmotoren für militärische Land- und Seefahrzeuge, ein
Exportschlager der deutschen Industrie, nicht oder nur in wenigen Ausnahmefällen der
Genehmigungspflicht nach AWG und KWKG.[6] Da diese Lücken über mehr als ein Jahrzehnt lang
nicht geschlossen wurden, muss von einer stillschweigenden politischen Duldung
aus-gegangen werden.
1.1.4 Deutsche Rüstungskomponenten in Krisenregionen
Deutsche Rüstungskomponenten und Rüstungstechnologien finden sich in
den meisten Krisenregionen der Welt häufig in den Arsenalen aller dortigen
potenziellen Konfliktparteien. Besonders im Nahen Osten verfügt die deutsche
Rüstungsindustrie über treue Kundschaft. Sowohl die israelischen Kampfpanzer
"Merkava 3" als auch die ägyptischen "M1A1" und die saudischen
"M1A2" verschießen ihre Munition mit der 120-mm-Kanone von Rheinmetall
[Projekte 13 und 14]. Die "Merkava 4" Israels und die
"Leclerc"-Kampfpanzer der Vereinigten Arabischen Emirate bewegen sich mit dem
"Europowerpack" von MTU durch den Sand [Projekte 15 und 16]. Mit einigen Staaten
der Region, u. a. mit Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten, hat die
Bundesregierung Vereinbarungen zur Rüstungskooperation unterzeichnet, die zukünftig zu
Komponenten- und Know-how-Transfer führen können.[7]
Die folgenden Beispiele vermitteln eine erste Übersicht über das
Ausmaß der Verbreitung deutscher Rüstungskomponenten. Am deutlichsten wird dies bei
Motoren und Getrieben für Landfahrzeuge und Schiffe. Die deutschen Rüstungsfirmen
MTU-Friedrichshafen und
Mercedes (beide gehören zur Daimler-Chrysler AG), Deutz AG, Zahnradfabrik Friedrichshafen
AG (Zeppelin Stiftung) und Renk AG (Teil der MAN AG) gehören hier zu den führenden
Zulieferern.
Die Renk AG liefert nach eigenen Angaben Schaltgetriebesysteme für die
Gasturbinenmotoren "LM 2500" von General Electric, dem Marktführer bei schweren
Kriegsschiffsmotoren. Diese Motoren wurden bis 2000 u. a. in insgesamt 38 Fregatten und
Korvetten der Marinen Brasiliens, Chinas, Griechenlands, Portugals und der Türkei
eingebaut.[8] Die flächendeckende Verbreitung deutscher Motorentechnologie veranschaulicht
exemplarisch die Tabelle zu Südostasien in Anhang 2 dieser Studie.
Die deutsche Rüstungsindustrie hat sich als Zulieferer für Motoren,
Getriebe und modernste Radartechnologie sowie in anderen Technologie-Nischen weltweite
Absatzmärkte gesichert. Sie konkurriert weltweit häufig nur mit zwei oder drei anderen
Anbietern ähnlicher Qualität.
Ein Beispiel ist der Panzerketten-Hersteller Diehl Remscheid. Derzeit
hat das Unternehmen laut Eigenwerbung Panzerketten für mindestens 21 Typen ausländischer
Panzerfahrzeuge im Angebot, z. B. die Panzerketten für den österreichischen Jagdpanzer
"SK 105 Kürassier".[9] Mit diesem zusammen wurden sie etwa nach Argentinien (112
"Kürassier"-Panzer), Bolivien (36), Botswana (20), Brasilien (18), Marokko
(100) und Tunesien (55) exportiert. In den letzten Jahren hat sich das
Unternehmen zwei zusätzliche Absatzmärkte erschlossen. 2003 vereinbarte Diehl mit der
polnischen Firma Bumar Labedy und den malaiischen Streitkräften, etwa 40 Kampfpanzer
"PT-91" mit den neuen Systemketten "840i" auszustatten [Projekt 17].
Diehl-Ketten werden auch an dem neuesten Modell des belorussischen Truppentransportpanzers
"3T" angebracht werden. Der neue belorussische Spähpanzer "2T
Stalker", dessen Produktion anläuft, fährt bereits mit den extra leisen
Panzerketten der Firma Diehl [Projekt 18].
Militärische Kommunikationstechnologie findet sich laut Eigenwerbung
der deutschen Firma Rohde & Schwarz u. a. bei den Marinestreitkräften von
Argentinien, Chile, China, Kuwait, Oman, Malaysia, Saudi Arabien, Singapur und Thailand. [10]
Im letzten Jahr erhielt Rohde & Schwarz den Auftrag für die Lieferung von
Radioanlagen für die brasilianischen Kampfflugzeuge des Typs "EMB 314 ALX"
sowie von mobilen Radios für das Heer [Projekt 19].
Rüstungsfirmen wie die LITEF GmbH oder die Gesellschaft für inertiale
Mess- Automatisierungs- und Regelsysteme mbH (iMAR) liefern zentrale Komponenten für
modernste Ortungs-, Stabilisierungs- und Kommunikationselektronik, die weltweit in
Kriegsschiffen, Panzern und Kampfflugzeugen Verwendung findet.[11] In diesem Bereich ist die
Jenoptik-Tochter Extel Systems Wedel tätig. Deren Stabilisierungssysteme für
Geschütztürme wurden u. a. in die israelischen Kampfpanzer vom Typ "Merkava 3"
eingebaut [Projekt 13].
Ein weiteres Unternehmen, das diskret im Hintergrund agiert, ist die
zum Thyssen Krupp Konzern gehörende Rothe Erde GmbH. Deren besonders gefertigte
Wälzlager für bessere Drehbewegungssteuerung werden in vielen Panzergefechtstürmen und
Schiffsgeschützen eingesetzt. Manche sind Exportschlager, wie das schwedische
57-mm-"Bofors-SAK-27"-Geschütz, das auf die Schiffe der indonesischen und
mexikanischen Marine montiert wurde. Auch das 76-mm-Geschütz der italienischen Firma Oto
Melara verwendet Wälzlager der Rothe Erde GmbH und wurde bereits an 55 Marinen weltweit
ausgeliefert.[12]
Deutsche Rüstungskomponenten sind also oft "mit von der
Partie". Auch wenn die Mehrzahl der zugelieferten Komponenten relativ klein ist und
sich nach dem Einbau in ein Waffen-system nur schwer von Außen erkennen lassen: Sie sind
für den wirkungsvollen Einsatz dieser Waffen im Gefecht sehr häufig von entscheidender
Bedeutung.
Die exemplarische Zustandsbeschreibung in diesem Kapitel lässt
erahnen, in welchem Ausmaß deutsche Rüstungskomponenten global verbreitet werden. Dass
sich der deutsche Export von Komponenten derzeit nur über Einzelbeispiele erschließt,
ist vor allem der lückenhaften Berichterstattung der Bundesregierung geschuldet. Erst
seit fünf Jahren veröffentlicht die Bundesregierung überhaupt regelmäßige
Informationen zu deutschen Rüstungsexporten. In den jährlichen "Berichten der
Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter"
(Rüstungsexportberichte) fehlen allerdings detaillierte statistische Angaben zum
tatsächlichen Export von konventionellen Waffen und sonstigen Rüstungsgütern. Genaue
Aussagen über den Komponentenhandel mit anderen Staaten lassen sich aus den Berichten
kaum ableiten.
In dem nach Empfängerstaaten gegliederten Anhang der jeweiligen
Rüstungsexportberichte zu den erteilten Einzelgenehmigungen fehlen systematische Angaben
- zum konkreten Exportprodukt (z. B. ob der Export eines kompletten Waffensystems oder von
Komponenten genehmigt wurde),
- zum Umfang des genehmigten Exportgeschäfts (Stückzahl) und,
- bei Komponenten, Informationen zu deren Einbau und Weiterverarbeitung
(Verwendungszweck).
Drei strukturelle Versäumnisse schwächen die Aussagekraft der
Rüstungsexportberichte
zusätzlich:
- Zu den realen (tatsächlich erfolgten) Exporten von Waffen werden nur wenige Angaben
gemacht, zu jenen von sonstigen Rüstungsgütern gar keine.
- Die Sammelausfuhrgenehmigungen werden weder nach Empfängerländern noch nach Art der
Rüstungsgüter präzisiert.
- Die erteilten Genehmigungen und realen Exporte für Güter mit sowohl zivilem wie
militärischem Verwendungszweck (Dual-use-Güter) fehlen ganz.
Die beschriebenen Mängel ermöglichen zunächst nur eine sehr grobe
Abschätzung des anteiligen Volumens der Komponentenexporte an den erteilten deutschen
Rüstungsexportgenehmigungen und an den realen Exporten.
Zuerst sollen die erteilten Genehmigungen betrachtet werden.
Addiert man für die Jahre 1999 bis 2003 sämtliche Posten der Ausfuhrliste Teil 1 A
"Liste für Waffen, Munition und Rüstungsmaterial" (AL 1 A), die sich nur auf
einzelne Exportgenehmigungen für "sonstige Rüstungsgüter" und
Produktionsanlagen sowie Technologietransfer beziehen, kommt man auf folgenden
Mindestanteil der erteilten Exportgenehmigungen für Rüstungskomponenten: Zwischen 1999
und 2003 wurden mit Sicherheit 18.897 Lizenzen (oder 33 %) für den Export von
Rüstungskomponenten im Wert von 4,84 Mrd. (oder 25 %) erteilt. Addiert man dazu
noch das pauschal angegebene Volumen für die Sammelausfuhrgenehmigungen (SAG) von 9,96
Mrd. , die ausschließlich Rüstungskomponenten umfassen, erhöht sich der
Wertanteil auf etwa 14,8 Mrd. oder 54 % (weitere Erläuterungen siehe Anhang 3 B).[13]
Diese 14,8 Mrd. können als das absolute Minimum des Komponentenanteils angesehen
werden. Der Komponentenanteil in den anderen Positionen der Ausfuhrliste für Landsysteme,
Flugzeuge und Munition kann dagegen nicht näher bestimmt werden.[14]
Zu den realen Exporten von Rüstungskomponenten kann man noch
viel weniger sagen. Für Exporte von Gütern der Kriegswaffenliste Teil B (KWL B) im Wert
von 254 Mio. (immerhin 6 %) werden in den fünf bisherigen Rüstungsexportberichten
nicht einmal die Empfängerstaaten durchgehend genau benannt. Außerdem veröffentlicht
die Bundesregierung dort nur die Zahlen für tatsächlich durchgeführte Exporte von
Kriegswaffen, d. h. von konventionellen Waffen und einigen (wenigen) Rüstungskomponenten
laut KWL B.
Aus der Gegenüberstellung der Wertangaben zu den realen Exporten
gemäß KWL B mit den jährlichen Meldungen der Bundesregierung zu den Exporten von
Waffensystemen an die
Abrüstungsbehörde der Vereinten Nationen kann man schließen, dass nur etwa 60 % des
gesamten Exportvolumens von 4,11 Mrd. zwischen 1999 und 2003 auf den Export
kompletter Waffensysteme zurückzuführen ist. Der Rest könnten Exporte der Komponenten
der KWL B sein. Allerdings ist eine solche Wertangabe solange ohne Aussagekraft, wie
weitere Informationen zum konkreten Rüstungsprodukt und der gelieferten Stückzahl
fehlen.
Festzuhalten ist: Die Bundesregierung trägt wenig dazu bei, Ausmaß
und Umfang der deutschen Exporte von Rüstungskomponenten offen zu legen. Als Nebeneffekt
dieses Mangels bleibt der Anschein einer restriktiven Rüstungsexportpolitik nach außen
gewahrt. Die Informationsverweigerung fußt auf zwei Argumentationen. Einerseits verweist
die Bundesregierung darauf, dass das Bundesstatistikgesetz und das
Verwaltungsverfahrensgesetz die Erhebung und Veröffentlichung solcher Daten erschweren,
bzw. nicht zulassen würden. Damit werden diese Informationen de facto zu Geheimdaten
erklärt.[15] Andererseits vergleicht sie vor der Öffentlichkeit nicht miteinander
vergleichbare Dinge nämlich Exportgenehmigungen gemäß Ausfuhrliste Teil 1 A mit
realen Exporten gemäß Kriegswaffenliste Teil B. Damit soll belegt werden, dass die
erteilten Ausfuhrgenehmigungen für Einzelgeschäfte nur das theoretisch maximal mögliche
Rüstungsexportvolumen darstellen, in der Praxis aber weitaus weniger exportiert wird.
Dieser Logik nach wäre ein Großteil der statistischen Differenz von etwa 13,5 Mrd.
zwischen den erteilten Einzelgenehmigungen (17,65 Mrd. ) und den realen
Exporten gemäß KWL B (4,11 Mrd. ) für die Jahre 1999 bis 2003 nur auf das
nachträgliche Scheitern oder Vertagen von Rüstungsexportgeschäften zurückzuführen.
Dies erscheint wenig glaubhaft. Aber in welchem Umfang genehmigte Rüstungsgüter und
damit auch Komponenten tatsächlich exportiert wurden, bleibt weitgehend im Dunkeln.
Die Argumentationslinie der Bundesregierung ist insgesamt äußerst
fragwürdig. In der Vergangenheit hat sie immer wieder bewiesen, dass sie durchaus
detailliertere Informationen über den Export von Rüstungskomponenten veröffentlichen
kann und darf. Jährlich erhalten zum Beispiel die Bundestagsabgeordneten diverser
Ausschüsse aggregierte Informationen zu Wert und Anzahl der erteilten Genehmigungen für
Güter mit doppeltem Verwendungszweck. Die Bundesregierung war z. B. 1998 in der Lage, vor
dem Bundestag die Exportgenehmigungen für die Türkei von "Kriegswaffen"
gemäß KWL B und "sonstigen Rüstungsgütern" gemäß AL 1 A getrennt
auszuweisen.[16] Wiederholt wurden den Abgeordneten auf Nachfrage auch die Stückzahlen der
tatsächlich gelieferten Rüstungsgüter genannt.
Solange solche verfügbaren Informationen nicht in den jährlichen
Rüstungsexportbericht einfließen, muss davon ausgegangen werden, dass die
Bundesregierung kein Interesse daran hat, das wirkliche Ausmaß des deutschen Handels mit
Rüstungskomponenten offen zu legen und ihre Behauptung einer "restriktiven
Rüstungskontrollpolitik" daran messen zu lassen.
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