Vortrag bei der Veranstaltung „Wie geschmiert: Deutsche Rüstungsgeschäfte mit Griechenland und die Korruption“ Berlin, 30.Juni 2015


Korruption bei deutschen Rüstungsexportgeschäften - Das Beispiel Griechenland

von Otfried Nassauer


Einleitung

Große Rüstungsgeschäfte sind anfällig für Korruption. Genauso wie Geschäfte mit großen Industrieanlagen oder Infrastrukturvorhaben. Die Preise bewegen sich oft im Multimillionen- oder gar Milliardenbereich. Die Preisbildung ist kaum nachvollziehbar. Der Kunde ist meist ein Staat. Das Geld ist also nicht das Geld derer, die es ausgeben. Es ist Steuergeld. Die Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit ist meist minimal. Ursachen dafür sind unter anderem 

  • die Geheimhaltung aus Gründen der nationalen Sicherheit und  
  • des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen 
  • sowie der Selbstschutz der Bürokratien vor öffentlicher Kritik.

Im Dunkeln lässt sich bekanntlich gut munkeln.

Erinnern Sie sich noch an Ovessim, Linsur, ATG und die Great Aziz Corporation? Das waren Firmen, die in einem der größten deutschen Rüstungs- und Schmiergeldskandal in der ersten Hälfte der 90er Jahre eine Rolle spielten. Erinnern Sie sich noch an die Namen Maßmann, Ojjeh oder an Graf von Pückler? Das waren wichtige Personen bei diesem Geschäft – Maßmann, der Thyssen-Manager und einige seiner Vermittler, die das Geschäft ermöglichten sollten. 

Der Thyssen-Konzern verkaufte damals 36 Radpanzer des Typs Fuchs nach Saudi-Arabien. Der Preis betrug 446 Millionen DM. Das Finanzamt in Duisburg-Hamborn hatte dem Konzern erlaubt, in die steuerlich absetzbaren Kosten dieses Auftrags 220 Millionen DM „Nützlicher Aufwendungen“ – so nannte man damals Marketing- und Bestechungsgelder – hinein zu rechnen. Der Wert der Waren und Dienstleistungen in diesem Geschäft betrug also lediglich 226 Millionen. Der Rest waren Provisionen, Beraterhonorare, Bestechungsgelder und Parteispenden. 

Der Fall wurde später zum Teil der CDU-Spendenaffäre. Karl Heinz Schreiber, ein deutscher Waffenvermittler, bildete die Verbindung. Unser heutiger Finanzminister Schäuble war involviert, die damalige CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumann – es ging um 100.000 DM für die CDU, wer sie bekam und wofür. Holger Pfahls, damals CSU-Staatssekretär im Verteidigungsministerium und wie Schreiber und von Graf von Pückler Weggefährte von Franz Josef Strauss, kassierte privat 3,8 Millionen, um die benötigten Fahrzeuge übergangsweise schnell bei der Bundeswehr loszueisen. 

Aus den Vorfällen konnte man damals eine Menge lernen. Über die Bedeutung der Bestechung bei Rüstungsexportgeschäften. Über die Rolle von Vermittlern, Beratern und Briefkastenfirmen im Ausland. Darüber wie Geld gewaschen und verschoben wird. Über Bestechung im politischen Raum und über Parteispenden. Im In- und im Ausland. Auch darüber, wie wichtig Korruption selbst in Rechtsstaaten wie der Bundesrepublik ist. Und darüber, was selbst bei einem so prominenten Bestechungsfall, der intensiv untersucht wird, trotzdem im Dunkeln bleibt. Damals hörte ich zum ersten Mal einen Satz, der mir – abgewandelt – seither immer wieder begegnet ist: „Bei Rüstungsexporten geht ohne Bestechung fast gar nichts.“

Die deutsch-griechischen Rüstungsbeziehungen sind ein gutes Beispiel, um sich dem Zusammenhang von Korruption und Rüstungsexporten heute erneut anzunähern.

  • Griechenland ist seit Jahrzehnten einer der wichtigsten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie.
  • Korruption spielt in Griechenland eine substantielle Rolle – auch und gerade bei Geschäften mit dem Staat. 
  • Deutsche Rüstungsfirmen haben Milliardengeschäfte mit Griechenland getätigt, Bestechungsgelder gezahlt und dies eingestanden.
  • Und die Finanz- und Verschuldungskrise in Griechenland hat zu einer Welle von Ermittlungen geführt, die stetig und noch immer neue Fakten über die Rolle der Korruption bei diesen Geschäften ans Licht spülen – vor allem in Griechenland.

Mein Vortrag hat drei Teile:

  1. Deutsche Rüstungsexporte nach Griechenland
  2. Korruptionsfälle bei deutsch-griechischen Rüstungsgeschäften und 
  3. Erste Beobachtungen und Schlussfolgerungen

Ich kann nicht mehr als ein Zwischenergebnis vortragen, „work in progress“ sozusagen. Denn die juristische Aufarbeitung der diversen Korruptionsskandale ist sowohl in Griechenland als auch in Deutschland noch in vollem Gange. Eines lässt sich jedoch schon jetzt feststellen: Die meisten großen Rüstungsgeschäfte mit Griechenland waren in den letzten 15 Jahren von Korruption begleitet und geprägt.

Weder die Größe dieser Geschäfte noch die Höhe der Korruptionszahlungen lassen jedoch den Schluss zu, hier gehe es um die wesentliche Ursache der griechischen Staatsverschuldung und der griechischen Finanzkrise. Trotzdem gilt: Man kann nicht leugnen, dass Rüstungsgeschäfte und Korruption nachweislich erheblich zu den gravierenden Problemen beigetragen haben, vor denen Griechenland heute steht. Korruptionszahlungen und selbst die Versteuerung scheinbar legaler Teile derselben werden bei der Preisgestaltung durch die Konzerne natürlich wieder eingepreist. Sie werden auf den Preis der Waffensysteme aufgeschlagen. Der Kunde und damit der Steuerzahler im Empfängerland zahlt die Korruption in Form überhöhter Preise. Logischerweise trägt das zu einer größeren Staatsverschuldung bei. Und zwar nicht unerheblich.


1. Deutsche Rüstungsexporte nach Griechenland 2000 – 2014

Mein Beitrag befasst sich mit den letzten 15 Jahren, also der Zeit von 2000 bis 2014. In diesem Zeitraum war die Bestechung ausländischer Entscheidungsträger in Deutschland durchgängig strafbar. Bestechungsgelder durften nicht mehr als „Nützliche Aufwendungen“ und Betriebsausgaben abgesetzt werden. Es handelt sich zugleich um einen Zeitraum, in dem die Bundesregierung durchgängig Jahresberichte zu ihrer Genehmigungspolitik für Rüstungsexporte vorgelegt hat. Dieser Beitrag zu ein wenig mehr Transparenz erlaubt einige interessante Zusatzbeobachtungen.

Deutschland gehört seit Jahrzehnten zu den wichtigsten Rüstungslieferanten Griechenlands. Athen erhielt schon früh NATO-Verteidigungshilfen aus der Bundesrepublik – so wie auch die Türkei. Beide bekamen Waffen und Überschussmaterial der Bundeswehr sowie gelegentlich Finanzhilfen. Davon profitierten in Griechenland vor allem das Heer und die Marine. Griechenland dankte der Bundesrepublik diese Hilfen durch die Vergabe einzelner Großaufträge an die deutsche Wehrtechnik-Industrie, zunächst vor allem an die Marineindustrie. Athen war schon in den 1960er Jahren der Erstkunde für die deutschen Export-U-Boote der Klasse 209 – ein wichtiger und gewinnbringender Fakt, der erheblich dazu beitrug, dass dieser Typ dieselelektrischer U-Boote zum meistverkauften der Welt wurde. 

Beides, die NATO-Verteidigungshilfen und die kommerziellen Exporte wurden mit der notwendigen Stärkung der Südostflanke der NATO gegen den Warschauer Pakt legitimiert. Dieser grenzte damals sowohl an Griechenland als auch an die Türkei. Die Aufrüstung der beiden Nachbarn wurde deshalb nie ernsthaft in Zweifel gezogen, obwohl es in beiden Ländern zeitweilig Militärdiktaturen gab, obwohl sie wiederholt in territoriale Konflikte miteinander gerieten und obwohl es mit dem Zypern-Krieg einen Konflikt gab, in den beide intensiv involviert waren. Nach dem Kalten Krieg und nach der Auflösung des Warschauer Vertrages gingen diese Lieferungen weiter, auch wenn die NATO-Verteidigungshilfen formal ausliefen. 

Auch in dem Zeitraum, der uns heute interessiert – 2000 bis 2014 – gab es sowohl Exporte von gebrauchtem Bundeswehrmaterial als auch kommerzielle Lieferungen neuer Waffen. Griechenland erhielt seit 2000 unter anderem

  • 150 gebrauchte Panzer vom Typ Leopard 1A5
  • 183 gebrauchte, modernisierte Panzer des Typs Leopard 2A4 
  • 170 teilweise in Lizenz produzierte neue Leopard 2A6HEL
  • 273 gebrauchte 155mm Panzerhaubitzen und 24 moderne Panzerhaubitzen 2000 des gleichen Kalibers
  • 56 gebrauchte gepanzerte Mannschaftstransporter
  • 54 neue mobile Flugabwehrsysteme ASRAD
  • 4 neue U-Boote der Klasse 214
  • und vieles andere mehr.

Zur Verdeutlichung der Größenordnungen: Griechenland bekam in diesem Zeitraum deutlich mehr Panzer und Haubitzen aus Deutschland als die  Bundeswehr heute in ihrem aktiven Bestand hat. Griechenlands Armee besitzt deshalb heute mehr Panzer als Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen. Athen stand den deutschen Rüstungsexportberichten zufolge in den Jahren 2000-2014 drei Jahre auf Platz 1 der wichtigsten Empfänger deutscher Kriegswaffen, zwei mal auf Platz 2 und je einmal auf den Plätzen vier, fünf, sechs und sieben. 

Von 2000-2014 schlossen griechische Regierungen Verträge im Wert von mindestens 6 Mrd. Euro mit deutschen Rüstungsfirmen. Dieser Wert ergibt sich aus den Presseerklärungen der Lieferanten und aus Meldungen in der Fachpresse. In beiden Fälle handelt es sich um Zahlen der Industrie, die vor allem bei größeren Geschäften bekannt gemacht werden, bei kleineren dagegen häufig jedoch nicht. Deshalb dürfte die Gesamtsumme von 6 Milliarden Euro eher zu niedrig, denn zu hoch sein. 

Schaut man dagegen in die jährlichen Rüstungsexportberichte der Bundesregierung, so summieren sich die seit 2000 erteilten Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Griechenland jedoch nur auf rund 2,4 Mrd. Euro. Knapp 2 Milliarden davon entfallen auf Kriegswaffen. 

Das muss stutzig machen: Einem von der Industrie gemeldeten Umsatz aus Exportgeschäften von rund sechs Milliarden stehen nur Exportgenehmigungen im Wert von 2,4 Milliarden gegenüber? Was ist mit der Differenz von etwa 3,6 Milliarden Euro? Sie ist so groß, dass sie sich weder allein aus Abgaben und Steuern, noch durch Produktionsanteile, die in Griechenland erbracht wurden und auch nicht dadurch vollständig erklären lässt, dass einige Verträge nur teilweise umgesetzt wurden - zum Beispiel die geplante Modernisierung von U-Booten der Klasse 209. Eine der Ursachen für diese Differenz ist die Korruption. Gelder, die zu diesem Zweck fließen, wirken sich ja auf den Umsatz der Konzerne aus, ihnen steht aber kein Warenwert und keine Dienstleistung gegenüber, der einen Exportwert darstellen würde.

Im Zeitraum 2000 bis 2014 fielen in Athen u.a. die Entscheidungen der Politik für folgende Großprojekte:

  • den Kauf von vier U-Booten des Typs 214 von HDW
  • die Modernisierung drei vorhandener U-Booten der Klasse 209/1200 durch HDW
  • den Kauf und Lizenzbau von 170 Kampfpanzern des Typs Leopard 2A6HEL von KMW 
  • den Kauf von 24 Panzerhaubitzen 2000 und zugehörigen Munitionsfahrzeugen bei der gleichen Firma
  • den Kauf von 54 Flugabwehrsystemen vom Typ ASRAD bei der Firma STN-Atlas, heute Rheinmetall Defence Electronics und 
  • die Bestellung von 20 Hubschraubern des Typs NH90 bei Airbus Helicopter, damals noch Eurocopter.

Alles dies sind Geschäfte in mindestens dreistelliger Millionenhöhe. Jedes einzelne steht heute unter Korruptionsverdacht. Bei einigen wurden Bestechungszahlungen von der Industrie bereits zugegeben. Bei anderen wird noch ermittelt. Alle Geschäfte fallen in die Verantwortung bekannter deutscher Rüstungskonzerne. 


2. Korruption bei Rüstungsgeschäften mit Griechenland

Dass deutsche Rüstungskonzerne in Griechenland bestochen haben, ist nicht mehr bestreitbar. Etliche Firmen mussten es bereits eingestehen und akzeptierten daraus resultierende Strafzahlungen. Gegen andere wird noch ermittelt. Ein paar Beispiele:


Firma

Jahr

Höhe der Strafe in Mio €

Kommentar
MAN 2008 151 Strafe in Deutschland
Korruption im Zusammenhang mit der Lieferung von LKW und Bussen (zivil & militärisch u.a. nach Griechenland). Das militärische Busgeschäft mit GR hatte wohl ein Volumen von 21 Mio €.
Siemens 2009 600+395 Korruption im Zusammenhang mit diversen zivilen und militärischen Aufträgen; rd. 600 Mio € Strafe in den USA, rd. 395 Mio € in Deutschland, darunter zivile und militärische Geschäfte in Griechenland
Ferrostaal 2013 149 Strafe in Deutschland
Korruption im Zusammenhang mit U-Boot-Aufträgen für Griechenland und Portugal
Rheinmetall 2014 37 Strafe in Deutschland
Korruption im Zusammenhang mit der Lieferung von Waffen an Griechenland (ASRAD, ISUS u.a.)
Daimler Benz 2010 140 Strafe in den USA
Korruption im Zusammenhang mit der Lieferung von ziv. und mil. Fahrzeugen in 22 Ländern, darunter Griechenland.
In GR steht 2015 ein Prozess wg Bestechung im Umfang von 2 Mio € aus.



Darüber hinaus gab es wohl weitere Fälle. Dazu gehören potentielle  Korruptionszahlungen im Kontext der Lieferung von Leopard-Panzern und Panzerhaubitzen durch KMW, zu denen weiter ermittelt wird. Geklärt werden müsste auch noch, ob Rheinmetall als wichtigster Unterauftragnehmer bei diesen Waffen und als Hauptauftragnehmer bei Panzermodernisierungsvorhaben in weitere Bestechungsfälle verwickelt war. Zumindest Letzteres bestätigen griechische Zeugen. 

Die Firma Atlas Elektronik entdeckte selbst mögliche Bestechungszahlungen bei Marinegeschäften mit Griechenland und erstattete deshalb 2010 Selbstanzeige. Allerdings wollte die zuständige Staatsanwaltschaft in Bremen in diesem Fall kein strafbares Handeln erkennen können. 

Weitere Fälle und manche Bestechungsvorgänge bei den erwähnten Firmen wurden bislang nicht juristisch aufgearbeitet, weil sie noch unzureichend belegbar  oder bereits verjährt waren. In Deutschland tritt eine Verjährung bei Korruption fünf Jahre nach der letzten Geschäftshandlung ein. Nur wenn Steuervergehen hinzukommen, verlängert sich die Frist auf zehn Jahre.

Auffällig ist zudem, dass der griechische Staat in all diesen Fällen zwar immer der Geschädigte war, die Strafzahlungen aber bisher ausschließlich in den USA und in Deutschland geleistet werden mussten. Griechenland ist zwar berechtigt, die erlittenen Schäden in weiteren, getrennten Verfahren einzuklagen und erhofft sich nach Auskunft des Athener Verteidigungsministeriums aus der Vielzahl anhängiger Fälle auch letztlich noch Einnahmen zwischen 400 und 800 Mio. Euro, hat aber bislang kein Geld erhalten und muss sich wahrscheinlich mit deutlich weniger zufrieden geben. 


3.1. Fallbeispiel: Die U-Boot-Geschäfte, HDW und Ferrostaal

Dieser Fall hatte Seltenheitswert. Ein ehemaliger Verteidigungsminister wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt und mit ihm erhielten gleich mehr als ein Dutzend andere ehrenwerte Mitglieder der griechischen Elite Haftstrafen. Die Justiz hielt es für erwiesen, dass Bestechungsgelder in Höhe von 55 Millionen Euro entgegengenommen wurden, ein Großteil davon im Zusammenhang mit U-Boot-Bestellungen bei einem deutschen Konsortium aus Ferrostaal und HDW. 

Ich spreche von Akis Tsoschatzopoulos, einem führenden griechischen Politiker der PASOK, der Ende der 1990er Jahre Ministerpräsident Griechenlands werden wollte und später Verteidigungsminister war. In seiner Amtszeit bestellte Athen 2000 und 2002 mittels zweier Verträge insgesamt vier neue U-Boote der Klasse 214, eine umfassende Modernisierung drei älterer Boote der Klasse 209/1200 und verkaufte seine Marinewerft in Skaramangas für 6 Millionen Euro an den deutschen U-Boot-Bauer HDW, der sie modernisieren und weiterführen sollte. HDW, damals noch im Eigentum des Finanzinvestors OEP aus den USA durfte sich zusammen mit seinem Finanzdienstleister, der Ferrostaal AG, über ein Milliardengeschäft freuen. 

Und es gab noch einen weiteren Anlass zur Freude für die Konzerne: Griechenland wurde damit Erstkunde für eine neue Klasse von Export-U-Booten, der Klasse 214. Waffensysteme, die einen ersten Kunden finden, verkaufen sich danach deutlich leichter. Die Klasse 214 ist das erste Export-U-Boot weltweit, das serienmäßig über einen von der Außenluft unabhängigen Brennstoffzellenantrieb verfügt. Mit diesem Antrieb kann das Boot Wochen statt Tage unter Wasser bleiben. Die Klasse 214 erfüllt den Anspruch der griechischen Marine, mit ihren Booten und Schiffen technologisch an vorderster Front mit zu spielen und entwickelte sich für HDW in der Folge zu einem Kassenschlager. Schon kurz nach der griechischen Bestellung folgte Südkorea. Bis heute wurden von keinem anderen U-Boot-Typ mit außenluftunabhängigen Antrieb mehr Boote verkauft als von der Klasse 214.

Schon in den 1960er Jahren war HDW mit der Klasse 209 gleiches gelungen. Griechenland war der erste Kunde, danach fanden sich viele weitere. Heute sind die Boote der Klasse 209 das erfolgreichste Export-U-Boot der Welt. Sie werden immer noch erfolgreich vermarktet. Zur Zeit werden vier Boote dieses Typs für Ägypten gebaut.

Das Typboot der neuen Klasse 214, sollte in Kiel gebaut werden. Die weiteren sollten danach in Skaramangas aus zugelieferten deutschen Materialpaketen entstehen und der dortigen Werft das Überleben und Beschäftigung sichern.

Schon bald nach der Fertigstellung des ersten Bootes in Kiel kam es zu einem bizarren Streit. Griechenland reklamierte unter seiner nunmehr konservativen Regierung technische Mängel bei dem Boot und begründete damit, dass es seinen Zahlungsverpflichtungen aus den U-Boot-Verträgen nicht länger nachkam. Nach einer Weile belief sich der Zahlungsrückstand auf deutlich mehr als 500 Millionen €. Als neutrale Gutachter das Boot als abnahmefähig bewerteten, weigerte sich Griechenland trotzdem, es abzunehmen. HDW kündigte schließlich die Verträge und wollte Griechenland verklagen. 

Nach einem Regierungswechsel in Athen, der mit der PASOK wieder jene Partei an die Macht brachte, die die U-Boote ursprünglich bestellt hatte, wurde 2010 nach einer Lösung gesucht. Athen begann den Zahlungsrückstand abzubauen, nahm das in Kiel gebaute Boot ab und restrukturierte das gesamte U-Boot-Geschäft neu. Die Modernisierung älterer Boote der Klasse 209 wurde auf ein Boot, die Okeanos, beschränkt und durch eine Neubestellung von zwei weiteren U-Booten der Klasse 214 ersetzt. Zugleich verkaufte HDW 75% seiner Anteile an der Werft in Skaramangas an Abu Dhabi Mar, eine arabische Schiffbaugesellschaft und wurde zum Unterauftragnehmer für den Bau der weiteren zwei Boote. Schon bald gerieten die neue Geschäftsführung der Werft in Skaramangas und die Regierung in Athen erneut in Streit. HDW kündigte nach weitgehender Bezahlung der griechischen Außenstände für die ersten vier Boote und die Okeanos seinen Vertrag zur Lieferung der Materialpakete für die Boote fünf und sechs und zog sich damit aus dem Geschäft zurück. 

Die Auswirkungen der griechischen Verschuldungskrise wurden bei diesem Geschäft also vergleichsweise früh und deutlich spürbar. 

Die Fertigstellung der griechischen Lizenzbauten der Klasse in Skaramangas ist bis heute nicht erfolgt. Unklar ist zudem, ob die modernisierte Okeanos tatsächlich einsatzfähig ist. Griechenland verfügt heute – obwohl es nach eigenen Angaben rund 2,8 Milliarden Euro für seine U-Boot-Flotte ausgegeben hat - nur über ein einziges einsatzfähiges, modernes U-Boot.
Interessant ist zudem: HDW wurde aus finanziellen Hilfsmitteln der EU bezahlt, also aus Geld, für das die Steuerzahler Europas haften. Aus Schulden des griechischen Staates bei einem privaten Rüstungskonzern in Deutschland wurden also kurzerhand griechische Schulden, für die die Steuerzahlern Europas haften. Die Analogie zu den Vorgängen bei den griechischen Staatsschulden bei privaten Banken ist frappierend.

Heute wissen wir: Beide U-Boot-Verträge aus den Jahren 2000 und 2002 waren unter Zuhilfenahme von Bestechungszahlungen zustande gekommen. Geld floss unter anderem an den früheren Verteidigungsminister Tsoschatzopoulos, an Beamte, Manager und gewerkschaftsnahe Empfänger. 

Der von Ferrostaal 1997/98 beauftragte Vermittlerkreis für den Verkauf der U-Boote der Klasse 214 wurde als „Gebetskreis“ oder „Team A“ bekannt. Geld bekam er über die Griechenlandvertretung der Ferrostaal AG, die griechische Firma MIE. MIE erhielt eine Provision im Wert von 7,5% des Geschäftswertes, von denen etwa 4,5% an die Berater weitergereicht und zum Teil über diese als Bestechung weiter verteilt werden sollten. Zum Gebetskreis gehörten alte Bekannte aus dem eingangs erwähnten Fall Schreiber. Graf von Pückler war wieder mit von der Partie, ebenso der zur Ojjeh-Gruppe gehörige Ago D. und ein Schulfreund von ihm. Hinzu kamen ein zunächst mysteriöser Akteur aus Zypern, Alexander Avataggelos, und ein Freund des griechischen Verteidigungsministers Akis Tsoschatzopoulos, Yannis Beltsios. Agiert wurde über Firmen in der Karibik. Mindestens 25,3 Millionen Euro flossen allein zwischen März 2000 und 2003 in und über diese Struktur. Dann wurde Mitarbeitern bei Ferrostaal der rechtliche Boden unter den Füßen zu heiß. Die Rechtslage in Deutschland hatte sich geändert. Die Zahlungen waren an den Gebetskreis waren nun rechtswidrig und wurden eingestellt, obwohl sie noch nicht vollständig geleistet worden waren. Doch der mysteriöse Alexander Avataggelos klagte und Ferrostaal entschied, einen Kompromiss zu suchen, bevor es sein eigenes Handeln vor Gericht hätte offen legen müssen. Eine Abschlusszahlung von 11 Millionen Euro wurde vereinbart und gezahlt. Der Nachteil für Ferrostaal: Mit dieser Zahlung verlängerte sich die Frist zur Verjährung.

Und dann war da noch ein „Team B“. Es wurde 2002 benötigt, als es um den Verkauf der Werft in Skaramangis an HDW ging und sollte sicherstellen, dass die Gewerkschaften und die Werftleitung mitspielten. Auch Team B erhielt  Geld leitete mindestens 17 oder 18 Millionen Euro an griechische Empfänger weiter. Diese Gelder sind scheinbar zumindest teilweise auch von HDW gezahlt worden.

Schließlich gab es noch etwas, was man „Team C“ nennen könnte: Die Bremer Firma STN-Atlas Elektronik übernahm es, „nützliche Aufwendungen“ für die 2002 vereinbarte Modernisierung von drei U-Booten der Klasse 209/1200 zu zahlen, die unter anderem mit neuen elektronischen Systeme des Atlas-Typs ISUS ausgestattet werden sollten. Die Zahlungen von STN-Atlas sind aktenkundig, da der Griechenland-Repräsentant dieser Firma, Panos Evstathiou, sie eingestanden und inzwischen die Konten seiner Firmen Tredeco und Demtec offengelegt hat. Doch das ist einen andere Geschichte, zu der wir noch kommen werden. 

Ob ausschließlich STN-Atlas in diesem Kontext zahlte oder sich auch andere Firmen sich beteiligten, ist derzeit nicht bekannt. Durchaus denkbar wäre, das auch weitere deutsche Konzerne beteiligt waren – z.B. Siemens als Hersteller oder HDW als Lieferant der kostspieligen Brennstoffzellenanlage für die modernisierten U-Boote der Klasse 209.

Was ist der Stand der gerichtlichen Aufarbeitung? In Griechenland wurden in einem ersten Verfahren 16 Personen um den ehemaligen Verteidigungsminister Akis Tsoschtzopoulos zu teil langen Haftstrafen verurteilt. Im März wurden 32 weitere Beteiligte wegen der Korruption bei den U-Boot-Aufträgen angeklagt. Unter ihnen sind unter anderem Yannis Beltsios, Alexander Avataggelos, Antonios Kantas und der der Werftmanager Sotiris Emmanouil. Ein Urteil ist meines Wissens noch nicht ergangen.

In Deutschland musste die Ferrostaal AG Strafzahlungen in Höhe von 149 Mio.€ akzeptieren und der Mutterkonzern MAN musste den Verkauf der Mehrheitsanteile der Ferrostaal AG an den arabischen Investor IPIC rückgängig machen. Die Führung der Ferrostall AG wurde ausgetauscht. MAN trennte sich von Ferrostaal und verkaufte es an ein Hamburger Investmenthaus. ThyssenKrupp, seit 2005 Eigner von HDW, kündigte die jahrzehntelange Zusammenarbeit zwischen HDW und Ferrostaal bei Marineverkäufen auf.

Vor dem Landgericht München mussten sich zwei verantwortliche Ferrostaal-Manager verantworten, darunter das lange Jahre für U-Boot-Geschäft zuständige ehemalige Vorstandsmitglied Johann Friedrich (Hanfried) Haun, das wegen des Verkaufs von Ferrostaal an IPIC mittlerweile zu HDW gewechselt war. Die Manager trafen auf einen äußerst verständnisvollen Richter, der ihre strafrechtlich relevanten Aktivitäten als Kavaliersdelikte wertete, weil solche Vorgehensweisen zuvor Jahrzehnte legal waren. Die Angeklagten wurde lediglich zu Bewährungsstrafen verurteilt. 


3.2. Fallbeispiel: Rheinmetall

Eingestanden hat Korruptionszahlungen in Griechenland mittlerweile auch die Rheinmetall AG. Deren Rüstungssparte war im vergangenen Jahrzehnt in die Bereiche Luftverteidigung, Landsysteme, Waffe und Munition sowie Elektronik untergliedert. Die Bereiche unterhielten in Griechenland eigene Lobbying-, Marketing- und Beraterstrukturen. Hinzu kam für Geschäfte mit der griechischen Marine eine Zusammenarbeit mit der Firmal MIE, die auch bei der Ferrostaal-Affäre eine wichtige Rolle spielte. Auftragsspezifisch konnten jederzeit weitere „Berater“ hinzugeholt werden. 

Der Bereich Rheinmetall Defence Elektronics ist in Bremen ansässig und bildete früher gemeinsam mit Atlas Elektronik die STN-Atlas. Noch früher firmierten beide gemeinsam unter dem Namen Krupp Atlas Elektronik. 

Aus grauer Vorzeit stammt die Zusammenarbeit von Atlas mit einem griechischen Berater und Exmilitär, Panos Evsthatiou, der Millionen von seinen deutschen Auftraggebern bekam und auch Millionen an griechische Entscheidungsträger weiterreichte. Evstathiou arbeitete intensiv für Rheinmetall und erhielt deshalb einen Teil der Gelder sicher zurecht. Die Zahlungen an seine Firmen Tredeco und Demtec waren jedoch so exorbitant hoch, dass er aus diesen Summen problemlos Entscheidungsträger in Griechenland bestechen konnte. 

Als alter Mann, inzwischen nicht mehr für Rheinmetall tätig, kooperierte Evastathiou Ende 2013 in einer Art Kronzeugenrolle mit den griechischen Ermittlern und gestand ein, über seine Firmen eine Vielzahl griechischer Empfänger bestochen zu haben, unter anderem, damit STN Atlas erfolgreich 54 Luftverteidigungssysteme vom Typ ASRAD und wichtige Komponenten für U-Boote an Griechenland verkaufen konnte. Rheinmetall willigte Ende 2014 ein, mehr als 37 Mio. € Strafzahlungen zu akzeptieren.

Auffällig ist, dass in diesem Fall – anders als bei Ferrostaal und den U-Booten - überwiegend Beamte und Militärs, nicht aber Politiker und deren Umfeld bestochen wurden. Der höchste Beamte, den Evstathiou bestochen haben will, war Antonios Kantas, der stellvertretende Chef des Beschaffungswesens im griechischen Verteidigungsministerium. Neben Kantas erwähnte Evstathiou in seinen Vernehmungen Zahlungen an eine Vielzahl von Fachbeamten, zum Beispiel an Mitglieder technischer Bewertungsausschüsse oder Beamte, die zu einem bestimmten Zeitpunkt Unterschriften für das Beschaffungsvorhaben leisten mussten. Obwohl seine Zahlungen oft an subalterne Mitarbeiter gingen, waren sie dennoch überraschend hoch – in vielen Fällen sechsstellig. 

Evstathiou gab an, er habe seine Anweisungen zur Zahlung bestimmter Summen immer von Rheinmetall-Mitarbeitern bekommen, die er ebenfalls namentlich nannte. Es ist jedoch nur schwer vorstellbar, dass er – als intimer Kenner der griechischen Verteidigungsbürokratie – die potentiellen Geldempfänger dem Konzern nicht selbst vorgeschlagen hat.
Für RDE ist dieser Fall juristisch mit der Strafzahlung abgeschlossen. Der Konzern scheint nun gegen einzelne ehemalige Konzern-Mitarbeiter vorgehen zu wollen, die er glaubt, zur Verantwortung ziehen zu können, weil diese von Evstathiou Kickback-Zahlungen erhielten.    

Auffällig ist, dass die deutschen Behörden sich bei Rheinmetall nur für Geschäfte interessierten, für die der Konzernbereich RDE zuständig war, also die Elektroniksparte in Bremen. Hier war offenbar die Beleglage besonders gut und Rheinmetall sah sich offenbar veranlasst, zu kooperieren. 

Außen vor blieb damit aber der Kernbereich des Konzerns, Waffe und Munition. Dieser war ebenfalls intensiv in Griechenland engagiert und es handelte sich zugleich um jenen Bereich, in dem der gegenwärtige Konzernchef, Armin Pappberger, in den vergangenen Jahren Verantwortung trug.  

Zum Griechenland-Geschäft von Rheinmetall Waffe und Munition gehörten in den Jahren 2000 bis 2014 unter anderem

  • wesentliche Rheinmetall-Komponenten im Kampfpanzer Leopard 2, zum Beispiel die Kanone;
  • wesentliche Rheinmetall-Komponenten in der Panzerhaubitze 2000 und
  • Munitionslieferungen für Haubitzen und Panzer.

Das es auch bei diesen Geschäften Korruptionszahlungen gegeben haben könnte, ist naheliegend. Gegen Rheinmetalls industriellen Partner bei den Panzern und Haubitzen, KMW, laufen bereits Ermittlungen in Griechenland und Deutschland. Ein beteiligter Manager von KMW sitzt sogar in Untersuchungshaft. Aber begab sich tatsächlich ausschließlich KMW als Hauptauftragnehmer auf rechtswidrige Abwege?

Zumindest im Blick auf Munitionslieferungen an Griechenland gibt es inzwischen erste Anzeichen dafür, dass auch Rheinmetall Waffe und Munition mit Korruptionszahlungen in Griechenland aktiv geworden sein könnte. Rheinmetall hat seine Praxis, mit Beratern im Empfängerland zusammen zu arbeiten, die das Marketing und die Bestechung vorort übernehmen, offenbar bis in dieses Jahrzehnt hinein fortgeführt. Das ergibt sich aus Beraterverträgen, die der Konzernbereich abschloss.

Zudem gelang es dem bereits unter Korruptionsverdacht stehenden Unternehmen ihm im letzten Jahr, trickreich und ohne Ausschreibung, einen Vertrag über die Lieferung von 12.000 Schuss Panzermunition im Wert von 52 Mio. € nach erhalten.
Jeder Schuss dieses Vertrages kostet rechnerisch 4.333 €. Ein stolzer Preis. Für dieses Geschäft waren in den Jahren zuvor mindestens vier Beraterverträge abgeschlossen worden, die den Beratern im Erfolgsfall teils hohe Millionenprovisionen zugesagten. Zwei Firmen aus Zypern waren in diesem Kontext tätig. Nach der Auftragsvergabe könnte Rheinmetall Waffe und Munition nunmehr zur Zahlung von ausgelobten Erfolgsprovisionen verpflichtet sein.

Nach außen stellt sich die Rheinmetall AG gerne als Musterknabe guter Unternehmensführung und Vertreter einer konsequenten „Compliance“- und Antikorruptionshaltung dar. 

Michael Salzmann, Beauftragter des Konzerne für Compliance, schrieb zum Beispiel in der Firmenzeitung Profil Anfang 2013 die folgenden, bemerkenswerten Sätze: „Die Antikorruptionsgesetze sind weltweit verschärft  worden, etwa in Großbritannien, den USA oder Italien. Die Behörden  schauen heute zum Beispiel besonders aufmerksam auf Provisionszahlungen an Berater (...). Auch  Geschäftspartner fordern voneinander compliance-gerechtes Verhalten. Ein Grund dafür liegt sicher in einem neuen Bewusstsein für die Schädlichkeit von Korruption. Am Beispiel Griechenlands sieht man, dass mit Bestechlichkeit mittel- und langfristig meist auch Verarmung einhergeht.“ 

Zwischen Theorie und Praxis und zwischen Anspruch und Wirklichkeit liegen offenbar in der Tat Welten. Welche Brücke führt von der einen in die andere? Unwissenheit? Blauäugigkeit? Chuzpe? Oder schlicht Frechheit? Salzmann’s Sätze werfen zumindest eine zentrale Frage auf: Ist die Compliance-Politik großer Konzerne mehr Sein oder mehr Schein?


4. Schlussbemerkungen

Zum Abschluss möchte ich mit Ihnen noch eine Beobachtung und ein paar erste Schlussfolgerungen teilen. 

Die Beobachtung: Korruptionsverdacht entsteht manchmal auch bei Rüstungsexportgeschäften, die letztlich gar nicht zustande kommen. Logischerweise, denn viele Bestechungssummen werden ja erst ausgezahlt, nachdem Verträge geschlossen wurden und Lieferungen erfolgen. Trotzdem ist es manchmal sinnvoll, genauer hinzuschauen. Überhöhte Preise können Hinweise liefern, dass bei einem Geschäft die Bereitschaft existierte, Bestechung zu praktizieren. 

Ein Beispiel: Griechenland wollte 2005 deutsche Sturmgewehre vom Typ G36 bei Heckler & Koch kaufen und bei Hellenic Defence Systems in Lizenz bauen lassen. 112.370 Gewehre sollten 252 Millionen Euro kosten. Der Preis macht stutzig. Griechenland hätte bei diesem rein rechnerisch deutlich mehr als doppelt so viel pro Sturmgewehr gezahlt wie die Bundeswehr. Das wäre nicht allein aus den Zusatzkosten erklärbar gewesen, die eine Lizenzmontage verursacht. Das Geschäft wurde letztlich bis heute nicht realisiert.

Lassen Sie nun zusammenfassen:

  1. Praktisch alle großen deutschen Rüstungsexporte nach Griechenland im Zeitraum 2000-2014 waren von Korruptionszahlungen oder korruptionsverdächtigen Zahlungen begleitet, obwohl dies in Deutschland strafbar war. Einige Firmen haben sogar versucht, diese „nützlichen Aufwendungen“ weiterhin als Betriebsausgaben abzusetzen. 
  2. Bestechung in Griechenland wurde auf sehr unterschiedlichen Ebenen praktiziert – vom Minister bis hinunter zu Beamten in technischen Kommissionen. Gewerkschafter und Firmenchefs haben kassiert und auch Mitarbeiter deutscher Lieferanten. Ein wahrlich breites Spektrum.
  3. Es ist nicht klar, ob das Angebot oder die Nachfrage nach Bestechung die treibende Kraft waren. Beides scheint sich symbiotisch zu ergänzen. 
  4. Die Vielzahl der Geldempfänger macht deutlich, dass Bestechung in Griechenland tatsächlich ein systemisches Problem darstellt und dass sich die deutschen Rüstungskonzerne auf ein solches System bereitwillig eingelassen haben. 
  5. Von den hochdotierten Millionenverträgen der Berater hatten die deutschen Geschäfts- und Bereichsleitungen natürlich Kenntnis. Mitwissen darüber, was ihre Vertragspartner mit den riesigen Beträgen angestellt haben, leugnen sie, wann immer möglich, gerne. 
  6. Kickbacks für beteiligte Konzernmitarbeiter aus Deutschland gab es ebenfalls. Die nachweisbare Zahl ist bisher überschaubar. Firmen und deren Geschäftsführungen nutzen sie heute scheinbar gerne, um diesen Mitarbeitern die Hauptschuld oder ein Handeln zum Nachteil der Firma zuzuweisen. Das gilt unabhängig davon, ob diese Mitarbeiter mit den konkreten Geschäften zentral oder nur am Rande befasst waren, bei denen bestochen wurde.
  7. Die Bereitschaft der Firmen, mit Ermittlungsbehörden intensiv zusammenzuarbeiten, wird meist eher von taktischen Überlegungen bestimmt als von der deklaratorischen Compliance-Politik der Firmen. 
  8. Gerichte in Deutschland behandeln Korruption oft relativ nachsichtig – manchmal wie ein Kavaliersdelikt. Meines Wissens ist kein führender Manager in Deutschland zu einer längeren Haftstrafe verurteilt worden, die er auch antreten musste. Ich kann mich zudem des Eindrucks nicht erwehren, dass auch die Strafen für die Firmen relativ moderat ausfallen, um deren Existenz nicht wirklich zu gefährden. Möglich ist zudem, dass die deutschen Justizbehörden immer wieder einmal versuchen, Ermittlern im Ausland zeitlich zuvorzukommen und so die Firmen vor Verfahren im Ausland bewahren.
  9. Zur Kernfrage unseres heutigen Themas: Die Korruption bei Rüstungsexporten hat den griechischen Staatsfinanzen erkennbar großen Schaden zugefügt. Dieser ist deutlich höher als die Bestechungssummen selbst und spiegelt sich in den überhöhten Preisen, die Griechenland für seine deutschen Rüstungsgüter gezahlt hat.

Die deutsche Industrie glaubt übrigens scheinbar, dass sie in Griechenland ihre ganz eigene Art der Wiedergutmachung betreiben kann. Nach Siemens versucht nun auch Rheinmetall, mit der griechischen Regierung zu einem Deal zu kommen, um sich die Chance auf Zukunftsgeschäfte zu wahren: Man bietet Entschädigungslieferungen statt Entschädigungszahlung an. Im Rüstungsbereich würde das vor allem eines bedeuten: Neue Rüstungsexporte nach Athen. Und die Aussicht für die Konzerne, über Ersatzteillieferungen dort noch lange im Geschäft zu bleiben.

Last but not least: Die deutsche Korruption bei Rüstungsgeschäften in Griechenland könnte auch unter dem Motto stehen, das über dem Vortrag meines Nachredners, Andrew Feinstein, steht: „Corruption is the way to make things work.“
________________

Die Veranstaltung „Wie geschmiert: Deutsche Rüstungsgeschäfte mit Griechenland und die Korruption“ wurde vom  Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit und der Berliner Initiative Respekt für Griechenland gemeinsam organisiert. Sie fand am 30.6.2015 im DGB-Haus Berlin statt.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS