Geschäft bereits weitgehend unter Dach und Fach? Weitere deutsche U-Boote für Israel
von Otfried Nassauer
Wird das noch was oder wird es in dieser Legislaturperiode
doch nichts mehr? Diese Frage stellt sich derzeit mit Blick auf die
geplante Bestellung von drei weiteren Dolphin-U-Booten für Israel.
Es geht um einen Auftrag im Wert von mehr als 1,6 Milliarden Euro.
Israel will die neuen Boote nutzen, um in der zweiten Hälfte des
nächsten Jahrzehnts die ältesten seiner Dolphin-U-Boote
abzulösen. Diese wurden 1999 und 2000 geliefert und erreichen dann
langsam das Ende ihrer Lebensdauer. Hinzu kommt: Die
Dolphin-U-Boote der ersten Generation
waren diesel-elektrisch angetriebene Boote, die noch keinen von
der Außenluft unabhängigen Brennstoffzellenantrieb
besaßen. Die israelische Marine beabsichtigt, künftig nur
noch U-Boote mit diesem moderneren Antrieb zu nutzen.
Deutschland sieht sich traditionell in der Verantwortung für
Israels Sicherheit. Das gilt seit langem und unabhängig davon, ob
die Regierungen in Berlin von der CDU oder der SPD geführt wurden.
Angela Merkel, die Kanzlerin, führte vor einigen Jahren in einer
Rede vor der Knesset aus:
O-Ton Merkel
„Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der
besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die
Sicherheit Israels verpflichtet. Diese historische
Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes.
Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche
Bundeskanzlerin niemals verhandelbar.“
Ihr Vorgänger, Gerhard Schröder, äußerte sich ganz ähnlich:
O-Ton Schröder
„Ich will ganz
unmissverständlich sagen: Israel bekommt das, was es für die
Aufrechterhaltung seiner Sicherheit braucht, und es bekommt es dann,
wenn es gebraucht wird.“
Israel erhält seit Jahrzehnten U-Boote
deutscher Technik und wird bei deren Kauf in erheblichem
Umfang aus dem deutschen Haushalt unterstützt. Benjamin Netanjahu,
Israels Ministerpräsident, betonte in
einem Reuters-Interview im November 2016, wie wichtig es aus
seiner Sicht ist, dass Israel neue U-Boote beschafft.
O-Ton Netanjahu (overvoice)
„Israels Sicherheit
erfordert den Kauf von U-Booten und die Erneuerung der U-Boot-Flotte.
Das sind strategische Waffensysteme, die die Zukunft - und ich sage
Ihnen - die nackte Existenz Israels für die kommenden Jahrzehnte
sichern.“
Als strategische Waffensysteme betrachtet
Israel die U-Boote aus mehreren Gründen:
Sie eignen sich hervorragend zur verdeckten Aufklärung.
Außerdem sind sie ein oft genutztes Transportmittel bei geheimen
Auslandseinsätzen israelischer Spezialkommandos. Zudem kann Israel
sie bei Bedarf als kaum auffindbare Abschussplattform für
weitreichende Flugkörper mit nuklearen
Sprengköpfen einsetzen.
Die Möglichkeit, diese U-Boote im Rahmen nuklearer Abschreckung
einzusetzen, hat wiederholt zu öffentlicher Kritik an den
deutschen U-Boot-Geschäften mit Israel geführt, weitere
Lieferungen aber nicht verhindert.
Politisch ist das geplante neue U-Boot-Geschäft schon seit
geraumer Zeit in Vorbereitung. Der Bundestag hat Ende vergangenen
Jahres Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 540 Millionen
Euro in den Haushalt eingestellt, um ein Drittel der Kosten zu decken.
Das zweite Drittel zahlt Israel und für das dritte will
Deutschland militärische Waren und Dienstleistungen in Israel
einkaufen - eine Devisen-Beschaffungshilfe, die Israel die Zahlung von
Euro-Rechnungen erleichtert. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen
Deutschland und Israel ist ausgehandelt, aber noch nicht in Kraft. Der
Bundessicherheitsrat hat die Baugenehmigung für die U-Boote vor
der Sommerpause erteilt. Doch eines ist bis heute nicht passiert: Der
Bauvertrag wurde noch nicht unterzeichnet - offenbar auch nicht
während des Deutschland-Besuchs des israelischen
Staatspräsidenten Reuven Rivlin Anfang des Monats.
Warum aber gibt es noch keinen Vertrag? Der Hauptgrund sind
Korruptionsermittlungen in Israel, der sogenannte Fall 3000. Der
Handelsvertreter von ThyssenKrupp Marine Systems - kurz TKMS - in
Israel, Michael Ganor, soll mit Hilfe von regierungsnahen
Freunden Geld verteilt und noch viel mehr versprochen haben, wenn TKMS
Marineaufträge aus Israel bekommt. Dabei geht es um zwei Vorhaben:
Zum einen um vier Korvetten, die derzeit in Kiel bei German Naval Yards
im Unterauftrag von TKMS für rund 400 Millionen Euro gebaut werden
und zum anderen eben die drei neuen Dolphin-U-Boote.
Ganor hat erste kleinere Zahlungen eingestanden
und nach Medienberichten ausgesagt, dass er David Shimron,
dem persönlichen Rechtsanwalt und Verwandten von Regierungschef
Netanjahu rund 9 Millionen Euro zugesagt habe, wenn die
U-Boote bestellt würden. Ganor hat sich
den staatlichen Anklägern gegen Strafnachlass als
Zeuge zur Verfügung gestellt. Seit er auspackt, wurden
mehr als ein Dutzend ehemaliger und
aktiver Funktionsträger zur Befragung in Haft
genommen oder unter Hausarrest gestellt. Es geht um ehemals hohe
Offiziere, frühere leitende Mitarbeiter des Nationalen
Sicherheitsrats, politische Berater, Rechtsanwälte und enge
Mitarbeiter aus dem Umfeld von zwei Regierungsmitgliedern: Das Umfeld
von Ministerpräsident Netanjahu und das Umfeld des heutigen
Infrastruktur- und Energieministers Yuval Steinitz. Beide gelten
bislang nicht als Angeklagte, müssen sich aber zumindest fragen
lassen, ob sie von den Vorgängen in ihrer unmittelbaren Nähe
rein gar nichts mitbekommen haben. Die öffentliche Debatte in
Israel konzentriert sich naturgemäß auf
Ministerpräsident Netanjahu und das wesentlich teurere
U-Boot-Geschäft.
Netanjahu bezeichnet die Ermittlungen als Hexenjagd und sagt, Geld und
Bestechung hätten bei seiner Entscheidung keine Rolle gespielt.
Der israelische Regierungschef:
O-Ton Netanjahu (overvoice)
„Israels Sicherheit zu
stärken war die einzige Überlegung, die mich zum Kauf der
U-Boote veranlasste und es ist die einzige Überlegung, die mich
immer wieder anleitet. Das und nichts anderes.“
Auch TKMS betont, man habe die Vorgänge um das geplante
U-Boot-Geschäft noch einmal gründlich prüfen lassen und
keinerlei Anzeichen für einen Korruptionsverdacht gefunden.
Die Ermittlungen in Israel weisen jedoch in eine andere, etwas realitätsnähere Richtung.
Spielt bei Waffengeschäften Korruption eine Rolle, dann
fließt gewöhnlich nur ein sehr kleiner Teil der
Bestechungsgelder bereits vor der Vertragsunterzeichnung. Der
Großteil des Geldes wird erst nach der Vertragsunterzeichnung als
„Erfolgsprovision“ gezahlt - und zwar pro rata, also
anteilig je nach Geldeingang des Kunden bei dem Unternehmen, das den
Auftrag erhielt. Das Unternehmen verteilt das angebliche Provisionsgeld
zudem nicht selbst an die endgültigen Empfänger, sondern
überlässt diese rechtlich heikle Aufgabe einem
Vermittler im Ausland, zum Beispiel seinem Handelsvertreter.
Die erste, größere Rate des
Kaufpreises bei U-Booten und Schiffen wird
gewöhnlich bei Vertragsunterzeichnung fällig, die letzte erst
Jahre später, wenn das fertige Produkt durch den Kunden abgenommen
worden ist. Mit Blick auf die geplanten U-Boote für Israel
heißt das: Da noch kein Vertrag existiert, ist wohl auch noch
kein Geld geflossen, aus dem „Erfolgsprovisionen“ gezahlt
werden könnten. Sollten in Israel schon kleinere Bestechungssummen
gezahlt worden sein, um den Prozess der U-Boot-Bestellung zu schmieren,
dann kam das Geld dafür wohl aus anderen Töpfen.
Deswegen durchleuchten die Ermittler in Israel derzeit vor allem
Vorgänge, die mit dem Korvettenkauf Israels bei TKMS
zusammenhängen. Für dieses Geschäft ist bereits eine
Anzahlung erfolgt. Es ist also schon Geld im Umlauf, aus dem kleinere
Korruptionszahlungen getätigt werden könnten. Kunde und
Auftragnehmer sind ja bei beiden Geschäften identisch. Die
israelischen Ermittler hegen offenbar den Verdacht, dass Geld aus dem
Korvettengeschäft genutzt worden sein könnte, um das viel
größere und lukrativere U-Boot-Geschäft in krimineller
Weise anzuschieben.
Wie dem auch sei: Wenn bei den TKMS-Geschäften mit Israel
Bestechungsgelder im Spiel sind, dann werden diese anteilig auch aus
deutschen Steuergeldern bezahlt. Denn auch
die Korvetten werden aus dem
Bundeshaushalt bezuschusst – mit 115 Millionen Euro.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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