Deals statt Diplomatie?
Wie Donald Trump die US-Außen- und Sicherheitspolitik verändern wird
von Otfried Nassauer
Eines ist anscheinend klar: Mit Donald Trump ist in wenigen Tagen ein
Mann Präsident der USA, der seine innenpolitisch geprägte
Agenda auch mit außenpolitischen Mitteln verfolgen wird.
Trump will Amerika zu neuer Größe führen. Der Weg zu
diesem Ziel ist ein konservativ amerikanischer: Der Staat soll im
Bildungs- und Gesundheitswesen, in der Wohnungs- und
Infrastrukturpolitik sowie in vielen anderen Bereichen
zurückgedrängt werden. Diese Bereiche gehören nicht zu
den Hauptaufgaben des Staates. Sie sollen schrittweise privatisiert und
dem freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte überlassen
werden. Wenn der Staat genug Anreize schafft, in diesen Aufgabenfeldern
Geld zu verdienen, werde die Privatwirtschaft genug Geld mobilisieren,
um zum Beispiel marode Straßen und Brücken zu modernisieren.
Eine protektionistische Handels- und Außenwirtschaftspolitik soll
diese Entwicklung stützen und dafür sorgen, dass die USA
wirtschaftlich erstarken.
Innere und äußere Sicherheit sind Kernaufgaben des
Staates und sollen deshalb durch höhere Staatsausgaben und neue
Investitionen gestärkt werden. Solche Ansätze prägten
bereits die Präsidentschaft Ronald Reagans und den Beginn der
Amtszeit von George W. Bush.
In einer Rede über die Grundzüge seiner
Sicherheitspolitik machte Trump im Wahlkampf deutlich, wie er sein
zentrales Versprechen, die USA wieder groß zu machen, in der
Sicherheits- und Außenpolitik einlösen will:
O-Ton Trump (overvoice)
„Ich bin heute hier, um über drei entscheidende Worte zu
reden, die immer im Zentrum unserer Außenpolitik stehen sollten:
Frieden durch Stärke.“
„Stärke“ bedeutet für Trump vor allem
auch militärische Stärke. In derselben Rede versprach er, das
Heer der USA um rund 60.000 Soldaten aufzustocken, die Marineinfanterie
von 23 auf 36 Bataillone zu vergrößern, die Luftwaffe mit
rund 90 zusätzlichen Kampfflugzeugen und die Marine mit etwa 75
weiteren Kriegsschiffen zu verstärken. Sein besonderes
Augenmerk werde außerdem der Cyberkriegführung und der
Raketenabwehr gelten.
Aus Trumps Sicht ist es möglich, die dafür
erforderlichen Multimilliardenprogramme zu finanzieren. Zum einen gebe
der Staat jährlich Hunderte Milliarden Dollar aus, die
unnötig oder längst ohne gesetzliche Grundlage seien. Zum
anderen gebe es eine für den Verteidigungsbereich unsinnige,
gesetzliche Schuldenbremse, den sogenannten Sequester. Im Wahlkampf
versprach Trump:
O-Ton Trump (overvoice)
„Sobald ich im Amt bin, werde ich den Kongress bitten, den
Sequester im Verteidigungsbereich vollständig abzuschaffen und
einen neuen Verteidigungshaushalt vorlegen, um unser Militär
wiederaufzubauen.“
Trump will sich also die Möglichkeit schaffen,
höhere Militärausgaben über neue Staatsschulden zu
finanzieren.
Eine Politik, die auf Stärke beruht und die nationalen
Interessen konsequent vertritt, soll den USA wieder mehr Respekt
verschaffen. Trump in dieser Woche auf seiner
Pressekonferenz:
O-Ton Trump (overvoice)
„Alle Länder werden uns [künftig] weit stärker
respektieren als sie es unter vergangenen Regierungen getan
haben.“
Die neue Administration will China hindern, das
südchinesische Meer zu dominieren, sie will die Unterstützung
des Irans für den internationalen Terrorismus thematisieren, das
Atomabkommen mit Teheran noch einmal auf den Prüfstand stellen und
die Verbündeten der USA drängen, deutlich mehr Geld für
die Verteidigung auszugeben. Oder wie Trump es im Wahlkampf formulierte:
O-Ton Trump (overvoice)
„Ich werde Länder wie Deutschland, Japan, Südkorea und
Saudi-Arabien außerdem höflich bitten, mehr für die
enorme Sicherheit zu zahlen, die wir für sie bereitstellen.”
Offen ist dagegen, wie sich das Verhältnis zu Russland
entwickeln wird. Trump und der russische Präsident Putin haben
sich wiederholt respektvoll und positiv übereinander
geäußert. Beide haben der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass
sich das Verhältnis zwischen Washington und Moskau wieder
verbessern werde. Putin hofft, unter Trump werde die Kritik der USA an
seinem autoritären Führungsstil und der Menschenrechtslage in
Russland nachlassen. Trump werde legitime Interessen Russlands so
respektieren wie es auch andere republikanische Präsidenten taten.
Umgekehrt sieht Donald Trump gemeinsame Interessen mit Russland,
z.B. bei der Bekämpfung des radikalen islamistischen Terrors, also
beim Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat. Und anders als
Obama verknüpft der neue US-Präsident diese Aufgabe nicht
mehr mit dem Ziel, den syrischen Präsidenten Assad aus dem Amt zu
zwingen.
Mit dem erfahrenen Ölmanager Rex Tillerson hat
Trump künftig einen Außenminister, den Putin kennt und
schätzt. Außerdem hat er mit dem erfahrenen Henry Kissinger
einen wichtigen Teilzeit-Berater ernannt. Beide befürworten einen
für die Republikaner traditionellen, realpolitischen Umgang mit
Russland.
Die scheidende Obama-Regierung befürchtet dagegen
offenbar, Trump plane eine zu russlandfreundliche Politik. Ausgemacht
ist das jedoch keinesfalls. Russlands Präsident wird die
künftige US-Administration sicher nicht aufgrund ihrer Rhetorik
beurteilen. Putin wird seine Politik daran ausrichten, welche konkreten
politischen Schritte die neue US-Regierung unternimmt. Aus der Sicht
Moskaus stellen sich vor allem folgende Fragen:
- Verzichtet die neue US-Regierung tatsächlich darauf,
den syrischen Präsidenten Assad zum Rücktritt zwingen zu
wollen?
- Ist die neue Regierung bereit, Sanktionen gegen Russland zurückzunehmen?
- Verzichtet die Trump-Administration auf einen Teil der von
der Obama-Regierung geplanten amerikanischen Truppenverstärkungen
in Osteuropa?
- Und was wird aus den US-Plänen für eine
Raketenabwehr in Polen, sowie aus dem Vorhaben, die US-Atomwaffen in
Europa zu modernisieren? Und vor allem:
- Akzeptiert die neue US-Regierung, dass Russland über
eine strategisch-nukleare Abschreckung verfügen will, die von den
USA nicht eliminiert werden kann?
Putin hat signalisiert, dass er der neuen US-Regierung Zeit
geben will. Auf die kürzliche Ausweisung russischer Diplomaten aus
den USA reagierte er nicht mit der üblichen Ausweisung
US-amerikanischer Botschaftsmitarbeiter.
Trotzdem ist es viel zu früh für jede Vorhersage, ob
das Verhältnis zwischen Moskau und Washington unter einem
künftigen Präsidenten Trump wieder konstruktiver wird. Eine
fast schon bizarre Szene während der Trump-Pressekonferenz in
dieser Woche hat das verdeutlicht. Donald Trump musste einräumen,
dass auch er es jetzt für möglich halte, dass Russland
für die Hackerangriffe auf die Demokraten verantwortlich sei.
Gefragt, welche Botschaft er für Wladimir Putin habe, sagte der
künftige US Präsident: Putin solle das nicht noch einmal
machen und er werde es nicht noch einmal machen:
O-Ton Trump (overvoice)
„Russland wird einen viel größeren Respekt vor unserem
Land haben, wenn ich es führe, als zu Zeiten, als andere es
führten. Sie werden es erleben, dass Russland unser Land
besser respektiert. (...) Ich hoffe, wir [Putin und ich] werden
miteinander klarkommen, aber wir werden entweder miteinander klarkommen
oder eben nicht. Auch das ist möglich.“
Im Klartext: Donald Trump argumentiert: Er als Person mache
als künftiger Präsident den Unterschied. Deshalb werde es
Putin nicht erneut versuchen. Eine knappe Stunde zuvor hatte Trump sich
selbst als den „größten Arbeitsplatzbeschaffer“
bezeichnet, den - so wörtlich - „Gott jemals
erschaffen hat".
Donald Trump: Nur ein loses Mundwerk?
Selbstüberschätzung? Egozentrik? Egomanie? Der neue
Präsident der USA umgibt sich im Weißen Haus und in seinem
Kabinett mit engen Vertrauten, Familienmitgliedern, schwerreichen
Bekannten sowie Befehl und Gehorsam gewohnten ehemaligen Militärs.
Wird begründeter Widerspruch auf Dauer Teil der Diskussionskultur
in seiner Administration sein? Mittelfristig können in einer
solchen Persönlichkeit weit größere Gefahren lauern,
als es Trumps vieldeutige Twittermeldungen mit 140 Zeichen erwarten
lassen.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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