Korvetten- und U-Boot-Aufträge
Rettungsprogramm für den deutschen Marineschiffbau?
von Otfried Nassauer
Die Bundeswehr soll in den nächsten Jahren fünf
zusätzliche Korvetten des Typs K130 bekommen. Mehr als 1,5
Milliarden Euro hat der Haushaltsausschuss im vergangenen Monat
dafür zusätzlich bereit gestellt. Es sollen Nachbauten sein,
damit das für einen Neubau erforderliche, zeitaufwändige
Ausschreibungsverfahren vermieden werden kann.
Angestoßen haben das Vorhaben die norddeutschen Abgeordneten
Johannes Kahrs, SPD, und Eckhardt Rehberg, CDU, beide Mitglieder des
Haushaltausschusses. Ist dieser Vorstoß ein politischer Eingriff
in die Rüstungsplanung des zuständigen
Verteidigungsministeriums? Oder gar das Werk der berüchtigten
sogenannten „Küstenmafia“? Ein Sprecher des
Verteidigungsministeriums wies das in der Bundespressekonferenz am 17.
Oktober zurück:
O-Ton Nannt
„Wir kennen die Initiative und wir unterstützen sie. Die
Initiative wurde mit uns in enger Abstimmung auf den Weg
gebracht.“
Hinter der Initiative steckt wohl mehr als der Wunsch zweier
Abgeordneter, heimische Arbeitsplätze zu sichern. Im Kern geht es
um Industriepolitik und um die weitere Umstrukturierung der
Werftindustrie in Deutschland und Europa. Neue Aufträge sollen die
deutschen Werften stärken.
Der ursprüngliche Plan, mit dem dieses Ziel erreicht
werden sollte, hat sich verzögert. Die Beschaffung von vier
großen Mehrzweckkampfschiffen des Typs MKS 180 ist europaweit
ausgeschrieben worden und wird bis zur Bundestagswahl 2017 nicht mehr
in einen Vertrag münden. Zudem sind die deutschen Werften dabei
auf drei Anbieterkonsortien verteilt. Susanne Wiegand, die
Geschäftsführerin der German Naval Yards in Kiel, hat diese
Situation in einem Interview mit der Zeitung „Die Welt“ im
September beklagt - Zitat:
Zitat
„Meiner Meinung nach war die Zerschlagung des deutschen
Militärschiffbaus ein Riesenfehler. Durch die Entscheidung eines
Unternehmens sind die beiden Bereiche Entwicklung und Schiffbau
voneinander getrennt worden und in verschiedenen Unternehmen gelandet.
(...) Für die Schiffsindustrie im Land bedeutete dies eine
Schwächung. Ich halte einen starken Verbund für wesentlich
besser geeignet, national und international erfolgreich zu sein.“
Das Unternehmen, das diesen „Riesenfehler“ beging,
war der ThyssenKrupp-Konzern. Er hat seinen Überwasserschiffbau in
Hamburg und Kiel-Gaarden vor einigen Jahren zu Geld gemacht, aber die
Entwicklungsabteilung und die Rechte an den erfolgreichen MEKO-Schiffen
von Blohm & Voss behalten. Seither kann ThyssenKrupp Marine
Systems, kurz TKMS, zwar noch Marineschiffe konzipieren. Gebaut werden
sie aber mit Hilfe von Unterauftragnehmern wie German Naval Yards in
Kiel. Dort werden zum Beispiel die Fregatten für Algerien und vier
Korvetten für Israel hergestellt.
Die Folgen wurden sichtbar, als die Bundeswehr ihren Auftrag
für das Mehrzweckkampfschiff 180 ausschrieb. TKMS bot zusammen mit
der Lürssen-Werft an. Die ehemalige TKMS-Werft in Kiel-Gaarden,
die German Naval Yards, reichte ihr Angebot gemeinsam mit dem
britischen BAE-Konzern ein und der Schiffbau von Blohm & Voss holte
sich als Partner für Design und Entwicklung Niederländer ins
Boot.
Bleibt es bei dieser Konstellation? Nicht unbedingt. Die
Lürssen-Gruppe hat in diesem Jahr den Schiffbau von Blohm &
Voss übernommen. Damit hat Lürssen jetzt bei zwei Angeboten
die Finger im Spiel. Die Organisation eines fairen Wettbewerbs ist also
schwieriger geworden. Die Entscheidungsfindung könnte sich weiter
verzögern.
Kann es sein, dass sich die Struktur der deutschen
Marineindustrie bis zu einem Vertragsabschluss noch einmal ändert?
Auch das ist möglich. Wieder liegt der Schlüssel anscheinend
bei ThyssenKrupp. Bei TKMS wurde gerade ein Führungswechsel
vollzogen und der Marinebereich soll sich neu aufstellen. Weitere
Verkäufe sind nicht ausgeschlossen. Wenn der Preis stimmt, sei
Thyssen-Krupp-Chef Hiesinger bereit, auch über einen Verkauf der
Marinesparte nachzudenken, so ist zu hören.
Dem verschuldeten Großkonzern gehören derzeit noch
zwei Bereiche der deutschen Marineindustrie. Das Entwicklungs- und
Design-Büro für Überwasserkriegsschiffe in Hamburg und
der U-Boot-Bereich in Kiel, der von der Konzeption bis zur Auslieferung
alle Arbeiten durchführen kann.
Das U-Boot-Geschäft von TKMS hat in diesem Jahr eine
schwere Niederlage erlitten. Der französische Konkurrent DCNS
gewann eine Ausschreibung Australiens für 12 U-Boote. Bei TKMS in
Kiel hatte dies zur Folge, dass die Design- und Entwicklungsabteilung
für U-Boote nicht mehr voll ausgelastet werden kann. Hinzu kommt
erschwerend: Im U-Boot-Bau entfallen die meisten Arbeitsstunden auf
Entwicklung und Design, nicht auf den reinen Bootsbau.
Der Bau von U-Booten ist in Kiel noch für einige Jahre
ausgelastet. Aber für das nächste Jahrzehnt fehlen noch
Aufträge. In Norwegen und Polen soll in absehbarer Zeit über
den Kauf neuer U-Boote entschieden werden. Auch die Niederlande und die
Deutsche Marine könnten weitere U-Boote kaufen. Aber vor neuen
Aufträgen wird jetzt meist ein harter Wettbewerb mit den
erstarkten Franzosen von DCNS stehen. Mehr noch: In Frankreich
liebäugelt man aus der derzeitigen Position der Stärke heraus
wieder mit der Idee eines europäischen Marinekonzerns mit
französisch-deutschem Kern, also einem Airbus der Meere. Der
deutschen Marineindustrie ist diese Perspektive dagegen ein Graus. In
Frankreich habe der Staat zu viel Einfluss auf die Industrie. Die
Kritik an den Pariser Verhältnissen verhindert auch in Deutschland
nicht den hilfesuchenden Blick nach Berlin. Von Aufträgen, die aus
dem Staatshaushalt finanziert oder unterstützt werden, erhoffen
sich die deutschen Werften mehr Handlungsspielraum.
Aussichtslos ist das nicht. Denn Berlin fördert die
Werften nicht nur mit Aufträgen der Deutschen Marine. Etabliert
hat sich mittlerweile auch ein zweiter Weg, die Werften aus
Steuergeldern zu unterstützen: Der Bau von Schiffen und U-Booten
für die israelische Marine.
Derzeit fördert die Bundesregierung den Bau eines
U-Bootes für Israel mit 135 Mio. Euro und den Bau von vier
Korvetten mit einem Betrag von 115 Mio. Euro. In Vorbereitung ist der
Verkauf von drei weiteren U-Booten an Israel. Er soll noch vor
der Bundestagswahl zwischen beiden Staaten vereinbart werden. Israel
möchte, dass Deutschland etwa ein Drittel der Kosten
übernimmt, also 500 bis 600 Millionen Euro. Für die deutschen
Werften bedeutet jedes dieser Geschäfte mit Israel einen Umsatz,
der etwa dreimal so groß ist wie der deutsche Kostenbeitrag. Die
Militärhilfe für Israel trägt also inzwischen
kontinuierlich zur Grundauslastung der deutschen Werften bei und
subventioniert diese. Allerdings gibt es bei dem angestrebten
U-Boot-Geschäft den Verdacht von Unregelmäßigkeiten in
Israel. Regierungschef Netanjahu soll ein Geschäft durchgesetzt
haben, bei dem Korruption eine Rolle gespielt haben könne, so der
Vorwurf. Die Staatsanwaltschaft prüft die Vorwürfe. Der
U-Boot-Deal könnte dadurch gefährdet werden.
Noch einmal zurück zu den neuen Korvetten. Am politischen
Willen zur finanziellen Unterstützung der Marineindustrie bei der
anstehenden Umstrukturierung der Industrie fehlt es offenbar nicht. Der
Haushaltsausschuss hat das Geld für die Schiffe problemlos
bereitgestellt. Der Obmann der Grünen im Haushaltausschuss, Tobias
Lindner, warnt aber vor den Folgen einer überhasteten
Korvetten-Beschaffung:
O-Ton-Lindner
„Ich kann mir das nur durch Zeitdruck erklären, dass man vor
der Bundestagswahl Nägel mit Köpfen machen will. Was auf
der Strecke bleibt, ist der Wettbewerb und die Frage, ob man am
Ende des Tages die beste Korvette zum besten Preis bekommen wird.“
Auch Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher der
SPD, zweifelt am Zeitplan und glaubt nicht, dass ein Vertragsabschluss
noch vor der Bundestagswahl machbar und sinnvoll ist:
O-Ton Arnold
„Ich hab schon die Einschätzung, dass die Bundeswehr und die
Beschaffer Zeit brauchen, um all unsere Fragen seriös beantworten
zu können, das heißt: Vor der Bundestagswahl wird keine
konkrete Beschlussfassung anstehen.“
Damit könnte er recht behalten. Und einen Vorteil
hätte dies vermutlich auch. Die Auftragsvergabe könnte dann
zu einem Zeitpunkt erfolgen, an dem klar oder klarer ist, wie der
Marineschiffbau in Deutschland künftig strukturiert sein wird.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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