Gescheitertes U-Boot-Geschäft mit Australien
Negativ-Folgen für den geplanten Indien-Deal?
von Otfried Nassauer
Es war ein Paukenschlag. Im April verkündete die australische
Regierung, sie werde ihre künftigen U-Boote mit Hilfe des
französischen Herstellers DCNS bauen. Mitsubishi aus Japan und der
deutsche Weltmarktführer bei konventionellen U-Booten,
ThyssenKrupp Marine Systems, hatten das Nachsehen. Australiens
Premierminister, Malcolm Turnbull, gab die Entscheidung bekannt:
O-Ton Turnbull (overvoice)
„Unsere künftigen U-Boote, 12 in der Region überlegene
U-Boote, werden hier in Osborne, in Südaustralien gebaut.
Sie werden in Partnerschaft mit der französischen Schiffbaufirma
DCNS konzipiert. (...). Das französische Angebot war am besten
geeignet, um die Bedürfnisse Australiens zu
erfüllen.“
Australien hatte ein riesiges Geschäft ausgeschrieben:
Zwölf große nicht-nukleare U-Boote, deren Wartung,
Versorgung und Modernisierung über rund 30 Betriebsjahre - das
versprach dem Gewinner der Ausschreibung einen Umsatz von mindestens
30, wenn nicht sogar 40 bis 50 Milliarden Dollar und zugleich ein
Geschäft mit insgesamt 30-50 Jahren Laufzeit. Zudem ging es um
einen technisch sehr anspruchsvollen Auftrag. Australien forderte
hochseefähige U-Boote mit einer Verdrängung von 4.000 Tonnen
– rund 2.000 Tonnen sind heute üblich.
Bei TKMS in Kiel hatte man sich frühzeitig intensiv auf
die Ausschreibung vorbereitet. Eigens wurde ein U-Boot konzipiert, das
auf die Bedürfnisse von Pazifikanrainern zugeschnitten war und
alle in Deutschland bislang gebauten U-Boote in den Schatten stellte.
Mit ihrer neuen Klasse 216 glaubten die Kieler, höchste
Ansprüche von Kunden befriedigen zu können, die zwar
große U-Boote benötigten, aber die zusätzlichen Kosten
und Risiken eines Nuklearantriebs meiden wollten. Die Klasse 216 war
etwa 40 Prozent größer als die bislang größten in
Kiel gefertigten U-Boote der israelischen Dolphin-2-Klasse. Man
hoffte, einen wettbewerbsentscheidenden Vorteil ausspielen zu
können: TKMS konnte als einziger Wettbewerber einen
eingeführten und erprobten Brennstoffzellenantrieb vorweisen, der
das Boot über Wochen von der Außenluftzufuhr unabhängig
macht und somit sehr lange Tauchfahrten ermöglicht. Der Antrieb
gilt zugleich als extrem leise. Der einzige offensichtliche Nachteil
der Kieler: Ein so großes Boot hatten sie noch nie gebaut. Die
Klasse 216 gibt es bisher nur auf dem Papier.
Das war bei den beiden wichtigsten Konkurrenten anders:
Mitsubishi bot Aus-tralien seine modernsten Boote der Soryu-Klasse mit
einem außenluftunabhängigen Sterling-Antrieb an. Der
französische Konkurrent DCNS offerierte eine Variante seines
modernsten Atom-U-Bootes der Barracuda-Klasse. Das erste Boot soll in
diesem Jahr vom Stapel laufen. Dieses Boot ist größer als in
der Ausschreibung gefordert, nutzt die modernste Sonar- und
Stealth-Technik der atomaren Variante, wird aber diesel-elektrisch
angetrieben. Die Boote des Barracuda-Designs haben keinen
traditionellen Antriebspropeller mehr. Sie nutzen stattdessen die
besonders leise Düsenringpropellertechnik - eine
Technologie, die sich bei den Atom-U-Booten der USA,
Großbritanniens, Russlands und Frankreichs durchgesetzt hat.
Warum hat ThyssenKrupp Marine Systems den Auftrag nicht
bekommen? Hat sich die Bundesregierung nicht ausreichend für TKMS
stark gemacht? Wohl kaum, denn nicht nur verschiedene Minister, sondern
auch Angela Merkel, die Kanzlerin, haben sich mehrfach für das
deutsche Angebot eingesetzt.
Auch stereotype Vorwürfe aus der Rüstungsindustrie,
die restriktive deutsche Rüstungsexportpolitik sei Schuld, waren
mehr ein Reflex als das Ergebnis gründlicher Analyse.
Bundesregierungen aller Couleur haben sich über Jahrzehnte immer
wieder für U-Boot-Exporte eingesetzt. Der U-Boot-Bau ist eine
Schlüsseltechnologie, die nicht aufgegeben werden soll.
Was also gab den Ausschlag, dass Frankreich den Zuschlag
erhielt? Es waren wohl mehrere Gründe: Die Zeitung „The
Australian“ berichtete, das TKMS-Boot sei in bestimmten, für
Australien wichtigen Einsatzszenarien deutlich lauter und dadurch
leichter aufzuspüren als das französische Boot. Das ist
durchaus möglich. Es gibt ja auch etliche Szenarien, in denen
atomar angetriebene Boote so laut sind, dass sie durch
diesel-elektrische U-Boote erfolgreich bekämpft werden
können. Und das, obwohl die Staaten, die atomgetriebene U-Boote
nutzen, viel Geld für die moderne
Düsenringpropellertechnologie, sowie für leistungsfähige
Sonar- und Stealth-Technik ausgeben, um ihre milliardenteuren U-Boote
vor Entdeckung und Zerstörung durch viel billigere Waffen zu
schützen.
Frankreich bot Australien eine Kombination aus den
Technologien beider Welten an. Die Boote sollen den geforderten
diesel-elektrischen Antrieb bekommen und zugleich die teuren
Technologien, mit denen Atom-U-Boote vor Entdeckung geschützt oder
zumindest in die Lage versetzt werden, einen Angreifer zu entdecken und
zu bekämpfen, bevor dieser sie entdecken kann. Das könnte ein
Wettbewerbsvorteil des französischen Angebots gewesen sein,
entscheidender als die von TKMS angebotene Möglichkeit, mit einem
Brennstoffzellenantrieb mehrwöchige Tauchfahrten zu unternehmen.
Australien könnte zudem Zweifel gehabt haben, ob TKMS den für
ein 4.000 Tonnen-U-Boot notwendigen, leistungsfähigeren
Brennstoffzellenantrieb mit bordeigener Wasserstoffherstellung und
einer neuen U-Boot-Batterie auf Lithium-Basis rechtzeitig bereitstellen
kann.
Hinzu kommt: Es ist riskant, eine neue U-Boot-Klasse als
Erstkunde zu betreiben. Sind die Boote, die man kauft, dagegen bereits
im Herstellerland eingeführt, so hat das viele Vorteile. Die
meisten Kinderkrankheiten sind bereits dort aufgetreten und neue
auftretende Probleme können gemeinsam gelöst werden. Das
sprach ebenfalls für das französische Angebot. Für die
von TKMS angebotene Klasse 216 wäre Australien der Erstkunde
gewesen.
Zudem haben sich die deutschen U-Boot-Bauer in den letzten
Jahren nicht mit Ruhm bekleckert: Wiederholt gab es Probleme mit der
Qualität der gelieferten Boote und auch mit der Brennstoffzelle.
Versprochene Liefertermine wurden nicht eingehalten. Ausgelieferte
Boote waren nicht so oft einsatzbereit wie erwartet und mussten
häufiger in die Werft als geplant.
Schließlich könnte auch das französische
Angebot zum Technologietransfer und zur Beteiligung australischer
Firmen am Bau der Boote die Deutschen ausgestochen haben. Australiens
Premier Malcolm Turnbull hob hervor, wie wichtig ihm die industrielle
Beteiligung Australiens war:
O-Ton Turnbull (overvoice)
„Das U-Boot-Projekt wird dazu führen, dass australische
Arbeiter australische U-Boote aus australischem Stahl bauen.“
Frankreich war bereit, den Technologietransfer durch ein
Regierungsabkommen zu garantieren. Bei deutschen U-Boot-Exporten ist
das unüblich. Die Technologie wurde überwiegend mit
Firmengeldern entwickelt und die Bundesregierung hält daran kein
Eigentum.
Zurzeit handeln Australien und das französische
Unternehmen DCNS die Einzelheiten des Beschaffungsvertrages aus.
Dass dies zur beiderseitigen Zufriedenheit gelingt, ist wahrscheinlich,
aber nicht garantiert. Erfahrungsgemäß steckt der Teufel im
Detail. Der geplante Lizenzbau französischer Rafale-Kampfflugzeuge
in Indien scheiterte nach jahrelangen Gesprächen noch an solchen
Details.
Hinzu kommt jetzt offenbar noch ein ganz anderes Problem: Die
Zeitung „The Australian“ berichtete im vergangenen Monat
über ein Datenleck im Umfeld der französischen Werft
DCNS. Die Zeitung konnte mehr als 22.000 Seiten mit recht detaillierten
Informationen über die Scorpene-U-Boote einsehen, die DCNS derzeit
für Indien baut. Auch wenn die Papiere wahrscheinlich nicht in
vollem Umfang öffentlich werden, rief dies in Indien und
Australien natürlich Zweifel an der Datensicherheit bei dem
französischen Schiffbauer DCNS hervor.
Die Sache ist äußerst heikel. Denn Australien darf
für seine U-Boote auch auf geheime britische und vor allem
amerikanische Technologie zurückgreifen. Das Führungs- und
Waffeneinsatzsystem, also das elektronische Herz der neuen Boote, soll
auf US-Technik beruhen. Gewährleistet das französische
Unternehmen DCNS den Schutz amerikanischer Geheimnisse in ausreichendem
Maß? Australien muss das sicherstellen. Auf diese Notwendigkeit
machte Simon Todd, der Leiter der Expertenkommission, die die Regierung
in Canberra berät, bereits 2014 aufmerksam:
O-Ton Simon Todd (overvoice)
„Das heißt, dass die Beschaffungsstrategie, die wir
entwickeln, die Sicherheitserfordernisse und die operativen
Sachzwänge anerkennen muss, die mit diesen Zugangsprivilegien
verbunden sind. Wir müssen aufpassen, dass damit die besonderen
Beziehungen zur US-Marine nicht kompromittiert
werden.“
Ein noch größeres Problem mit dem Datenleck hat
Indien. Die Informationen betreffen U-Boote für Indien, die gerade
im Bau sind. Deshalb will Indien genau wissen, welche Daten jetzt
öffentlich kursieren. Ist das Leck eine Gefahr für die
Sicherheit der künftigen U-Boote Indiens? Mehr noch: Neu Delhi
plant, im kommenden Jahr oder 2018 über die Bestellung und den Bau
von sechs weiteren U-Booten zu entscheiden. Ebenfalls ein
Milliarden-Vorhaben. Zu den aussichtsreichsten Bewerbern gehören
DCNS, das gerne weitere Scorpene-Boote verkaufen möchte, und TKMS,
das U-Boote der Klasse 214 anbietet. Vielleicht profitiert der deutsche
U-Boot-Hersteller von diesem Datenskandal. Geht TKMS erneut leer aus,
könnte es für den deutschen U-Boot-Bau langfristig eng werden.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
|